Chemische Briefe/Sechsunddreissigster Brief

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von: Justus von Liebig
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Sechsunddreissigster Brief.


Nachdem ich im Vorhergehenden meine Ansichten ausgesprochen habe über die Bodenverbesserung durch mechanische Bearbeitung und durch Zufuhr von Mineralsubstanzen, bleiben mir jetzt noch einige Worte zu sagen über die Wirkungsweise der thierischen Excremente, des Düngers im engeren Sinn des Wortes.

Um eine klare Vorstellung über den Werth und die Wirkungsweise der thierischen Excremente zu haben, ist es vor Allem wichtig, sich an den Ursprung derselben zu erinnern. Es ist Jedermann bekannt, dass bei Enthaltung von aller Speise das Gewicht des lebenden thierischen Körpers in jedem Zeitmoment abnimmt. Wenn dieser Zustand längere Zeit dauert, so wird die Gewichtsabnahme auch dem Auge in der Abmagerung sichtbar, das Fett, die Muskeln nehmen ab und verschwinden zuletzt, so dass bei Personen, welche den Hungertod sterben, nur Häute, Sehnen und Knochen übrig bleiben. Aus dieser Abmagerung im sonst gesunden Zustande geht hervor, dass in jedem Lebensmoment eines Thieres ein Theil der lebendigen Körpersubstanz eine Veränderung erfährt, dass sie die Form von leblosen Verbindungen annimmt, welche mehr oder weniger verändert durch die Organe der Secretion, durch Haut, Lunge und Harnblase austreten. Dieses Austreten der lebendigen Körpertheile steht in der innigsten Beziehung mit dem Respirationsprocess; man kann sagen, dass es bedingt wird durch die Aufnahme von Sauerstoff aus der Luft, der sich mit gewissen Körpertheilen vereinigt. Mit jedem Athemzuge wird dem Blute in der Lunge eine gewisse Menge Sauerstoff zugeführt, der sich mit gewissen Bestandtheilen des Blutes verbindet; allein trotzdem, dass das Gewicht des zugeführten Sauerstoffes täglich auf dreissig bis vierzig Unzen steigen kann, wird das Gewicht des Körpers dadurch nicht vermehrt. Aller Sauerstoff, der beim Einathmen dem Körper zugeführt wird, tritt bei dem Ausathmen vollständig wieder aus, und zwar in der Form von Kohlensäure und Wasser; durch jeden Athemzug wird der Kohlenstoff- und Wasserstoffgehalt des Körpers vermindert. Bei der Abmagerung durch Hunger rührt die Gewichtsabnahme des Körpers aber nicht allein von dem Austreten des Kohlenstoffs und Wasserstoffs her, sondern alle anderen Substanzen, welche mit diesen Elementen vereinigt waren, werden ebenfalls abgeschieden. Der Stickstoff der lebendigen Gebilde, welche diese Veränderung erleiden, sammelt sich in der Harnblase an. Der Harn enthält eine an Stickstoff sehr reiche Verbindung, den Harnstoff, und neben diesem den Schwefel der Gebilde in der Form eines schwefelsauren Salzes; durch den Harn treten

[331] allmählich alle löslichen Salze des Blutes und aller thierischen Flüssigkeiten, das Kochsalz, die phosphorsauren Salze, Natron und Kali aus. Der Kohlenstoff und Wasserstoff des Blutes, der Muskelfasern und aller einer Veränderung fähigen Gebilde des Thierkörpers kehren in die Atmosphäre zurück, der Stickstoff, so wie die löslichen anorganischen Bestandtheile werden in der Form von Harn der Erde zugeführt.

Wir haben in dem Obigen die Veränderungen betrachtet, welche in dem gesunden Thierkörper in jedem Lebensmoment vor sich gehen, wir wissen, dass ein Theil des Körpers im gesunden Zustande unaufhörlich austritt, und es ist klar, wenn das ursprüngliche Gewicht wieder hergestellt werden soll, so müssen ihm Stoffe zugeführt werden, aus denen sich das Blut und die ausgetretene Körpersubstanz wieder erzeugen. Diese Zufuhr geschieht durch die Speisen. In einem normalen Gesundheitszustand beobachtet man an dem Körper des erwachsenen Menschen, von vierundzwanzig zu vierundzwanzig Stunden, keine merkliche Gewichtszunahme oder Abnahme. Im jugendlichen Alter nimmt das Gewicht allmählich zu, im Greisenalter nimmt es ab. Es ist klar, dass die Speisen den Abgang der ausgetretenen Körpertheile wieder ersetzt haben, dass durch sie dem erwachsenen Thiere genau so viel Kohlenstoff, Stickstoff, Wasserstoff und von den übrigen Elementen wieder zugeführt wird, als an diesen Stoffen durch Haut, Lunge und Harnblase ausgetreten ist. Im jugendlichen Alter ist die Zufuhr grösser, ein Theil der Bestandtheile der Speisen bleibt im Körper, im Greisenalter ist sie kleiner, oder es tritt mehr aus als ein. Es kann hiernach nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, dass wir in den festen und flüssigen Excrementen der Menschen und Thiere bis auf eine gewisse Menge Kohlenstoff und Wasserstoff, welche durch Haut und Lunge ausgetreten sind, alle anderen Elemente ihrer Nahrung wieder bekommen.

Wir haben dem erwachsenen, dem jungen und alten Thierkörper in der Nahrung Stickstoff zugeführt, und wir bekommen täglich diesen Stickstoff wieder in der Form von Harnstoff, wir bekommen im Harn die ganze in der Speise enthaltene Quantität der zugeführten Alkalien[1], alle löslichen phosphorsauren und schwefelsauren Salze wieder. In den festen Excrementen befinden sich eine Menge von Stoffen, welche in den Speisen enthalten, durch die Organe der Ernährung keine Veränderung erlitten, unverdaubare Materien, wie Holzfaser, Blattgrün, Wachs, die verändert oder unverändert wieder ausgestossen werden. Der ganze Ernährungsprocess im Thiere, die Wiederherstellung der ausgetretenen Körpertheile oder ihre Zunahme an Masse geht, wie die Physiologie lehrt, von dem Blute aus. Der Verdauungsprocess hat die Verwandlung der Nahrung in Blut, die Aufnahme aller in der Speise enthaltenen, zur Blutbildung dienenden Substanzen zum Zweck, was sich ausdrücken lässt (da nur stickstoffhaltige Materien hierzu geeignet sind) als eine fortschreitende Entziehung von Stickstoff, welche die Nahrung bei ihrem Durchgang durch die Eingeweide erfährt. Es ist klar, dass die festen Excremente ihres Stickstoffes beraubt sein müssen, wenn sie der Körper ausstösst, sie können nicht mehr Stickstoff enthalten, als den Secretionen der Eingeweide zukommt, welche den Durchgang der Fäces vermitteln. Durch die Fäces wird ferner der in der Nahrung enthaltene und von

[332] dem Körper nicht verwendete phosphorsaure Kalk und Bittererde ausgeleert; es sind dies Salze, welche sich im Wasser, d. h. im Harne, nicht lösen.

Ohne weitere Untersuchung wird man sich eine klare Vorstellung über die chemische Beschaffenheit der festen Excremente machen können, wenn wir die Fäces eines Hundes mit seiner Nahrung vergleichen. Wir geben dem Hunde Fleisch und Knochen, beide sind reich an stickstoffhaltigen Stoffen, und wir erhalten als letztes Resultat der Verdauung ein völlig weisses mit Feuchtigkeit durchdrungenes Excrement, das in der Luft zu einem trockenen Pulver zerfällt und das neben dem phosphorsauren Kalk der Knochen kaum ein Procent einer fremden organischen Substanz enthält. In den flüssigen und festen Excrementen der Menschen und Thiere erhalten wir also allen Stickstoff, alle löslichen und unlöslichen anorganischen Bestandtheile der genossenen Nahrung, und da diese letzteren von unseren Aeckern stammen, so haben wir folglich darin die Bestandtheile der Ackererde, die wir in der Form von Samen, Wurzeln und Kraut hinweggenommen haben.

Ein Theil der Ernte wurde zur Ernährung, zur Mästung von Thieren verwendet, welche von den Menschen verzehrt werden, ein anderer Theil wurde von den Menschen direct in der Form von Mehl, Kartoffeln, Gemüse verbraucht, ein dritter Theil besteht aus den nicht verzehrten Pflanzenüberresten, welche in der Form von Stroh zu Streu verwendet werden. Es ist klar, wir sind im Stande, alle Bestandtheile unserer Aecker, die wir in der Form von Thieren, Korn und Früchten ausgeführt haben, in den flüssigen und festen Excrementen der Menschen, in den Knochen und dem Blute der geschlachteten Thiere wieder zu gewinnen; es hängt nur von uns ab, durch die sorgfältige Sammlung derselben das Gleichgewicht in der Zusammensetzung unserer Aecker wieder herzustellen. Wir können berechnen, wie viel an Bodenbestandtheilen wir in einem Schaf, einem Ochsen, wie viel wir in einem Malter Gerste, Weizen oder Kartoffeln ausführen, und aus der bekannten Zusammensetzung der Fäces des Menschen lässt sich ermitteln, wie viel davon wir hinzuzuführen haben, um den Verlust, den unsere Aecker erlitten haben, wieder auszugleichen.

Es ist gewiss, dass wir die Excremente der Thiere und Menschen entbehren können, wenn wir im Stande sind, aus anderen Quellen uns die Stoffe zu verschaffen, durch die sie allein Werth für die Agricultur besitzen. Ob wir das Ammoniak in der Form von Urin oder in der Form eines aus Steinkohlentheer erhaltenen Salzes, ob wir den phosphorsauren Kalk in der Form von Knochen oder Apatit zuführen, ist für den Zweck ganz gleichgültig[2]. Die Hauptaufgabe der Agricultur

[333] ist, dass wir in irgend einer Weise die hinweggenommenen Bestandtheile, welche die Atmosphäre nicht liefern kann, ersetzen. Ist dieser Ersatz unvollkommen, so nimmt die Fruchtbarkeit unserer Felder oder die des ganzen Landes ab, führen wir mehr zu, so wird die Fruchtbarkeit gesteigert.

Die Einfuhr von Harn, von festen Excrementen aus einem fremden Lande ist ganz gleich zu setzen einer Einfuhr an Korn und Vieh. Alle diese Stoffe nehmen in einer zu bestimmenden Zeit die Form von Getreide, Fleisch und Knochen an, sie gehen in die Leiber der Menschen über und kehren täglich in die Form, die sie ursprünglich besassen, wieder zurück. Der einzig wirkliche Verlust, dem wir nach unseren Sitten nicht vorbeugen können, ist der an phosphorsauren Salzen, welchen die Menschen in ihren Knochen mit in ihre Gräber nehmen. Die ganze ungeheure Quantität von Nahrung, welche der Mensch in sechszig Jahren zu sich nimmt, ein jeder Bestandtheil derselben, der von unseren Aeckern stammt, kann wieder gewonnen und denselben wieder zugeführt werden. Wir wissen mit der grössten Bestimmtheit, dass wir alle Salze mit alkalischen Basen, allen phosphorsauren Kalk und Bittererde, welche das Thier täglich in der Nahrung geniesst, dass wir also alle unorganischen Bestandtheile ihrer Nahrung in den festen und flüssigen Excrementen wieder gewinnen.

Ohne nur eine Analyse dieser Excremente anzustellen, können wir mit Leichtigkeit ihre Quantität, wir können bestimmen, von welcher Beschaffenheit sie sind, welche Zusammensetzung sie besitzen. Wir geben einem Pferde täglich 4½ Pfund Hafer und 15 Pfund Heu, der Hafer giebt 4 Procent, das Heu 9 Procent Asche und wir berechnen daraus, dass die täglichen Excremente des Pferdes 21 Unzen unorganische Materien enthalten müssen, die von unserem Felde stammen. Die Analyse der Haferasche und der Asche des Heues giebt uns genau in Procenten an, wie viel Kieselerde, wie viel an Alkalien und phosphorsauren Salzen wir darin haben.

Man bemerkt leicht, dass die Beschaffenheit der fixen Bestandtheile in den Excrementen sich mit der Nahrung ändert. Geben wir einer Kuh Runkelrüben oder Kartoffeln, ohne Heu oder Gerstenstroh, so haben

[334] wir in ihren festen Excrementen keine Kieselerde, wir haben darin phosphorsauren Kalk und Bittererde, in den flüssigen Excrementen haben wir kohlensaures Kali und Natron, so wie Verbindungen dieser Basen mit anorganischen Säuren. Wir haben mit einem Wort in den flüssigen Excrementen alle löslichen Bestandtheile der Asche der genossenen Speise, in den festen Excrementen haben wir die im Wasser nicht löslichen Theile dieser Asche. Hinterlässt das Futter oder die Speise nach dem Verbrennen eine Asche, welche lösliche phosphorsaure Alkalien enthält (Brod, Mehl, Samen aller Art, Fleisch), so bekommen wir von dem Thiere, von dem sie verzehrt werden, einen Harn, in dem wir dieses phosphorsaure Alkali wiederfinden. Giebt die Asche des Futters an Wasser kein lösliches phosphorsaures Alkali ab (Heu, Klee, Stroh), sind darin nur unauflösliche phosphorsaure Erden enthalten, so ist der Harn frei von phosphorsaurem Alkali; wir finden alsdann in den Fäces die phosphorsauren Erden. Der Harn der Menschen, der fleisch- und körnerfressenden Thiere enthält phosphorsaures Alkali, der Harn grasfressender Thiere ist frei von diesem Salz.

Die Analyse der Excremente der Menschen, der fischfressenden Vögel, des Guano, so wie der Excremente des Pferdes und der Kuh geben über die darin enthaltenen Salze den genügendsten Aufschluss. Wir bringen, wie diese Analysen ergeben, in den festen und flüssigen Excrementen der Menschen und Thiere auf unsere Aecker die Asche der Pflanzen zurück, welche zur Nahrung dieser Menschen und Thiere gedient haben. Diese Asche besteht aus löslichen und unlöslichen Salzen und Erden, welche, zur Entwickelung der Culturpflanzen unentbehrlich, der fruchtbare Boden liefern muss.

Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass wir mit der Zufuhr dieser Excremente die in der Ernte entzogenen Bodenbestandtheile wieder zurückbringen, dass wir damit dem Boden wieder das Vermögen geben, einer neuen Ernte Nahrung darzubieten – wir stellen das gestörte Gleichgewicht wieder her. Jetzt, wo wir wissen, dass die Bodenbestandtheile des Futters in den Harn und in die Excremente des Thieres übergehen, das sich davon ernährt, lässt sich mit der grössten Leichtigkeit der verschiedene Werth der Düngerarten feststellen. Die festen und flüssigen Excremente eines Thieres haben als Dünger für diejenigen Gewächse den höchsten Werth, welche dem Thiere zur Nahrung gedient haben. Der Koth der Schweine, die wir mit Erbsen und Kartoffeln ernährt haben, ist vor allem andern zur Düngung von Erbsen- und Kartoffelfeldern geeignet. Wir geben einer Kuh Heu und Rüben, und erhalten einen Dünger, der alle Bodenbestandtheile der Graspflanzen und Rüben enthält, dem wir zur Düngung der Rüben vor jedem andern den Vorzug geben müssen. So enthält der Taubenmist die mineralischen Bestandtheile der Körnerfrüchte, der Kaninchenmist die der krautartigen und Gemüsepflanzen; der flüssige und feste Koth der Menschen enthält die Mineralbestandtheile aller Samen in grösster Menge[3].

[335] WS: Fußnote wurde komplett auf die vorherige Seite verschoben

  1. WS: korrigiert, im Original: Akalien
  2. Als Dr. Charles Daubeny (Professor in Oxford, bekannt durch sein ausgezeichnetes Werk über Vulkane) sich von der Bedeutung und Wichtigkeit des phosphorsauren Kalks für das Pflanzenleben durch eine Reihe von eignen Versuchen überzeugt hatte, da richtete sich seine Aufmerksamkeit auf die ausgedehnte Formation phosphorsauren Kalkes, welche nach den Zeugnissen angesehener mineralogischer Schriftsteller an einigen Stellen der spanischen Provinz Estremadura vorkommen sollte, und er nahm seinen Wanderstab und pilgerte in Gesellschaft des Kapitän Widdrington nach diesem Lande, um sich zu überzeugen, „ob die Lage des fraglichen Minerals geeignet sei, die englischen Felder mit phosphorsaurem Kalk zu versorgen, wenn andere Bezugsquellen versiegen sollten.“ Ich erwähne dies als eines der zahlreichen Beispiele des Gefühls der Engländer für die Wohlfahrt ihres Landes und weil eine solche Hingebung ohne Aufforderung und ohne Aussicht auf eine Belohnung von Seiten der Regierung und Nation in andern Ländern so selten ist.

    Wir verdanken dieser Reise einen authentischen Bericht über das Vorkommen dieses werthvollen Minerals, welches in Estremadura in der Nähe von Logrosan, sieben Meilen von Truxillo, eine Ader von 7 bis 16 Fuss Breite und mehreren Meilen Länge bildet. Es ist dies einer von den Schätzen, an denen Spanien so reich ist, hinreichend vielleicht, um in einer nicht fernen Zukunft einen Theil der Staatsschuld dieses Landes zu bezahlen. Es ist wahrhaft zu beklagen, dass die seiner Zeit projectirten Eisenbahnen, welche in einem Kreuz, mit Madrid im Mittelpunkte, Portugal mit Frankreich und Madrid mit den beiden Meeren verbinden sollten, nicht in Ausführung gekommen sind. Diese Eisenbahnen würden Spanien zum reichsten Land Europa’s machen.

    Bei Ostheim in der Wetterau ist vor mehreren Jahren von Dr. Bromeis ein sechs Zoll mächtiges Lager von phosphorsaurem Kalk (Osteolith) im zersetzten Dolerit entdeckt worden; der Osteolith ist schneeweiss, abfärbend wie Kreide und enthält 86 Procent reinen phosphorsauren Kalk.

    WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt

  3. Auf einem Stück Feld in der Nähe von Giessen, von der schlechtesten Beschaffenheit, auf welchem seit Jahrhunderten nur Kiefern gediehen und das als Ackerland kaum einen Werth hatte, habe ich drei Jahre lang eine Reihe von Versuchen über die Wirkung der Mineralbestandtheile des Düngers angestellt und mich überzeugt, dass für perennirende Gewächse, für Holzpflanzen und Weinreben, ihre Aschenbestandtheile ausreichen, um den Boden fruchtbar für diese Gewächse zu machen, dass aber für Getreide und Sommergewächse, um ein Maximum von Ertrag zu erzielen, der Gehalt des Bodens an organischen Substanzen von der grössten Bedeutung ist. Durch Hinzufügung von Sägespänen wurde die Wirkung des Mineraldüngers in auffallendem Grade schon erhöht, und es scheint mir nicht im geringsten zweifelhaft zu sein, dass der Hauptgrund der erhöhten Wirksamkeit in der durch die Verwesung gebildeten Kohlensäure gesucht werden muss, die in diesem Falle weit weniger als Nahrungsmittel, sondern vorzüglich als Lösungsmittel für die phosphorsauren Erdsalze (phosphorsauren Kalk und Bittererde) und für die Ueberführung der neutralen kohlensauren Alkalien und Erden in Bicarbonate und zur Aufschliessung der Silicate wirksam ist. Diese Kohlensäure ist die von der Natur gegebene Bedingung des Uebergangs der genannten Nahrungsmittel in den Organismus der Pflanze; denn die phosphorsauren und kohlensauren Erden sind für sich im Wasser nur dann löslich, wenn das Wasser Kohlensäure enthält, und ist offenbar die im Regenwasser vorhandene Kohlensäure-Menge nicht ausreichend, um in der kurzen Zeit des Wachsthums der Sommerpflanzen die für ein Maximum ihrer Entwickelung unumgänglich nöthige, verhältnissmässig grosse Menge von Mineralbestandtheilen in den löslichen, d. h. in den für die Pflanzen geeigneten Zustand zu versetzen. Es ist bekannt, welchen Erfolg für diesen Zweck ein mässiger Regen schon bewirkt und es lässt sich ermessen, in welchem hohen Grade dessen Wirkung gesteigert werden muss in Folge des Hinzutretens der Kohlensäure, durch welche das Lösungsvermögen des Regenwassers für diese Substanz um das Hundertfache, ja Tausendfache erhöht wird. Der Kohlensäuregehalt des gewöhnlichen Brunnenwassers, welches oft so beträchtliche Mengen von anorganischen Bestandtheilen gelöst enthält, rührt von dieser Quelle, nämlich von der Verwesung organischer Stoffe her.

    Am wirksamsten zeigte sich eine Mischung Stalldünger mit Mineraldünger; der Stalldünger enthält im Verhältniss zu seinen Mineralbestandtheilen zu viel organische Substanz, so viel jedenfalls, dass durch die in seiner Verwesung gebildete Kohlensäure die vielfache Menge mehr an Mineralsubstanzen gelöst werden könnte. Die ausserordentliche Erhöhung der Wirkung der Knochen durch Zusatz von Schwefelsäure beruht lediglich auf der Vergrösserung der Löslichkeit des phosphorsauren Kalks. Bei den erwähnten Versuchen habe ich, wie Viele vor mir, die Erfahrung gemacht, dass die Fruchtbarmachung eines an sich unfruchtbaren Bodens, wenn dessen Unfruchtbarkeit von dem Mangel an wirksamen Bestandtheilen und nicht von einer ungeeigneten physikalischen Beschaffenheit herrührt, zu Ausgaben nöthigt, welche mehr betragen, als man für den Ankauf des fruchtbarsten Feldes zu machen hätte. Man kann sich hierüber leicht eine Rechnung stellen.

    Wenn man einem Acre (engl.) 8950 Pfund Asche oder Aschenbestandtheile von Weizen, Kartoffeln u. s. w. einverleibt, so reicht diese grosse Menge doch nur hin, um jedem Cubikzoll des Bodens auf 12 Zoll Tiefe einen einzigen Gran zu geben; dies ist weit weniger als ein mässig fruchtbarer Boden in einem Cubikzoll enthält, es ist hingegen weit mehr als man für eine Ernte bedarf. Da aber nur der Theil des Düngers wirkt, der in Berührung mit einer Wurzelfaser ist, so versteht man, warum der Boden das mehrfache enthalten muss. Es scheint, dass in vielen Fällen die Hauptwirkung des Düngers auf unseren Feldern darin besteht, dass in Folge der reichlicheren Nahrung in der oberen Kruste des Feldes die Pflanzen während der ersten Zeit ihrer Entwickelung die zehnfache, vielleicht hundert- und tausendfache Anzahl von Wurzelfasern treiben, die sie in dem magern Boden getrieben haben würden, und dass ihr späteres Wachsthum im Verhältniss zu der Anzahl dieser Organe steht, durch die sie befähigt werden, den minder reichlichen Nahrungsstoff in den tieferen Schichten aufzusuchen und sich anzueignen, und es erklärt sich vielleicht hieraus, warum eine im Verhältniss zu der im Boden enthaltenen kleinen Menge von Ammoniak, von Alkalien und phosphorsauren Erden die Fruchtbarkeit in so hohem Grade erhöht.

    WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt