Charles Bawdin’s Tod und Begräbniß 1471
1471.
(Nach Thomas Chatterton.)
Aufdämmert der Tag, der Hahn kräht hell,
Blaß schimmert des Mondes Horn,
Und im Morgenrothe der Tropfen Thau
Glitzert am Hagedorn.
Rief ihn vom Schlummer wach;
Drei Raben weckten ihn mit Gekreisch
Oben am Wetterdach.
Und der König fuhr auf: „Beim ew’gen Gott,
Charles Bawdin, der soll sterben heut
Und eure Speise sein.
Verräther war er. Er hat seine Hand
In das Blut der Yorks getaucht,
Bis seines gen Himmel raucht.“
Da sprach Ritter Canning: „„Mein König und Herr,
Vergieße nicht Bawdins Blut,
Was immer er Dir Böses that,
Offen und sonder Scheu,
König Edward, an Deinen Feinden auch
Ehre Muth und Treu.
Machet des Siegs Dich werth,
Den Oelzweig und die Palme nimm,
Nicht aber das Racheschwert.
Gedenke, wir Menschen allzumal
Ein einziger auf Sankt Petri Stuhl
Ist schuld- und fleckenlos.
Vergieb, das festiget Dir aufs Haupt
Die kaum gewonnene Kron’ …““
Sich schrill im Tower schon.
Und bei Tagesfrüh’, in des Kerkers Thor
Der Sheriff die Botschaft trug,
Und ein Stündlein und zum Richtplatz hin
Der Zug war so: der Richter vorn
In seines Amts Geschmeid,
Hell glitzerte das Quastengold
An seinem Scharlachkleid.
In härenem Gewand,
Mit Rosenkranz und Geißelstrick
In recht und linker Hand.
Und dazwischen schrillte Glöckleinklang
Vom Turme Sankt Marien.
Den Mönchen folgte, festen Schritts,
Ein Bogenschützenhauf,
Die Pfeile lagen auf.
Wohl mochte versteckt lankastrisch Volk
Den Ritter noch befrein,
Es mochte Charles Bawdins letzter Gang
Dann kam er selbst: zwei Rappen vorn
In schwarzer Decken Putz,
Auf ihren Köpfen bewegte sich
Ein Straußenfederstutz.
Ein Bogenschützenhauf,
Die Sehnen waren all gespannt,
Die Pfeile lagen auf.
Zwölf Augustiner wieder dann
Und immer noch scholl Glöckleinklang
Vom Turme Sankt Marien.
Und nun zum Schlusse, straßenbreit
Des Volkes dicht Gedräng,
Dem traurigen Gepräng.
Bewegte sich der Zug,
Hernieder schaute still das Lamm
Charles Bawdin aber betete leis:
„Heiland erbarm Dich mein
Und wasch auch meine Seele heut
Von aller Sünde rein.“
Und nun waren sie zur Stell:
Verhangen schwarz war das Schaffott,
Das Beil es blitzte hell.
Rings Stille. Da sprach Charles Bawdin laut:
So lange Schwert und Scepter bleibt
In dieses Edwards Hand.
Vergehen vor Gram wird manches Weib
Und manche junge Braut,
Des Friedens wiederschaut.“
Und rasch an Priesters Seite dann
Hinkniet’ er aufs Schaffott,
Und knieend still die Seele sein
Hinfloß sein Blut. Laut weinend stand
Das Volk im Kreis umher,
Wieviel auch rothen Blutes floß,
Der Thränen flossen mehr.
Viertheilte Bawdins Rumpf,
Und jeder Theil ward aufgesteckt
Auf einen Lanzenstumpf.
Der eine thät als Wetterfahn
Ein zweiter war als Gitterschmuck
Vor Edwards Schloß zu sehn.
Der dritt’ und vierte, sammt dem Haupt,
Bei fahlem Mittagsschein,
Weit in das Land hinein.
Da wurden sie, bei Tag und Nacht,
Umkrächzet und umkreist,
Das Raben- und das Krähenvolk
Das war das End’ von Bawdin’s Treu
Und seiner Ehren Ziel …
Gott schenk dem König unsrem Herrn
So treuer Diener viel.