Carl Maria von Weber und sein Denkmal

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Autor: M. M. von Weber
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Titel: Carl Maria von Weber und sein Denkmal
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aus: Die Gartenlaube, Heft 6–8, S. 91–94; 106–108; 118–119
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1862
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Carl Maria von Weber und sein Denkmal.

Eine Skizze von M. M. von Weber.[1]

Vor allen anderen Künstlern war Ernst Rietschel dazu berufen, das Standbild Carl Maria von Weber’s zu gestalten, denn die wenigen Saiten, die der Genius des Schönen gleichmäßig in der Brust des Bildhauers und des Musikers berührt, erklangen gewiß niemals harmonischer, als in den Werken Weber’s und Rietschel’s. Wie nie weiter zwischen einem Tonkünstler und Bildhauer begegnete sich ihr Streben in der Verlebendigung der Melodie der Bewegung, und während der eine in Tönen Menschengestalten unter uns wandeln ließ, gebot der andere seinen Menschengestalten mit allem Zauber der Formenbewegung zu tönen. Kein anderer Bildhauer wäre daher im Stande gewesen, dem Musiker das sehnsuchtsvolle Emporlauschen nach der Harmonie des Weltalls nachzufühlen, das Rietschel in der Weberstatue verkörpert hat, keiner wäre fähig gewesen, wie er, den romantischen Musiker so unverkennbar durch zwei kleine statuarische Accorde, eine leise Neigung des Hauptes, eine leichte Hebung der Hand, zu charakterisiren. Mag auch durch diese tiefe und feine Charakteristik, gerade weil sie so musikalisch bedeutsam ist, dem Standbilde Weber’s von Rietschel (das wir auf dem angefügten Blatte geben) etwas an statuarischem Werthe genommen worden sein, das Herz ergreift das Bild aber als der Weber, der er war, wie wir ihn kennen und lieb haben, und welchen ein Leben voll Künstlerlust und Qual bildete, dessen Austönen wir fast alle noch mit erlebten und auf das wir einen flüchtigen Blick werfen wollen.

Weber stammt aus einem süddeutschen Geschlecht, dessen Aeltervater, Johann Baptist Weber, 1622 in den Adelstand versetzt worden war. Reiche geistige Begabung, verknüpft mit einer gewissen Rastlosigkeit, war in der Familie erblich, deren Mitglieder sich sämmtlich in Feld, Rath, Kunst und Wissenschaft auszeichneten. In ausgeprägtester Form sammelten sich die Erbtalente und Fehler auf dem Haupte Franz Anton’s, des Vaters von Carl Maria von Weber. Geistvoll und gelehrt, originell durch und durch, die hergebrachten Formen stets vernachlässigend, unruhig von einem zum andern tastend, ergriff er sehr Vieles mit Eifer, fast Alles mit Talent, um es in Nichts zu Eminentem zu bringen, wozu er bei Concentration seiner Gaben unbedingt befähigt gewesen wäre. Wir sehen ihn bald als Militär, Musiker, Hofmann fungiren, sich in der Umgebung verschiedener Fürsten bewegen, wobei er, als ausgesprochener Epikuräer, entschiedene Vorliebe für geistliche Höfe zeigte, bald in der Schlacht bei Roßbach als kurtrier’schen Major eine Rolle spielen, bald als eifrigen und virtuosen Contrabaßspieler mit einem Contrabaß von Stradivarius auf dem Reisewagen Deutschland durchziehen, bald, als Stadtmusikus zu Eutin, mit Studien über die Musik der Hebräer und [92] ihre Scansion beschäftigt. Es war während der Periode dieser mehr interessanten und gelehrten als nützlichen Beschäftigung, daß Carl Maria v. Weber, sein drittgeborner Sohn, zu Eutin am 18. Decbr. 1786 das Licht der Welt erblickte. Bei all’ dem rastlosen Treiben Franz Anton’s ging ein schönes Vermögen, der Rest einer großen Familienhabe, zu der früher die Herrschaften Pisamberg und Grumbach gehört hatten, verloren. Seinen drei Söhnen, Edmund, Fritz und Carl Maria, ließ er eine sehr gediegene musikalische Bildung geben. Der Erstere, ein Lieblingsschüler Joseph Haydn’s, war des kleinen Carl Maria erster Lehrer. Franz Anton hatte bei der Geburt seines jüngsten Sohnes, unter dem Eindrucke der Mirakel, die Mozart als Kind that, beschlossen, aus diesem Kleinen das Wunderkind zu ziehen, dessen Heranbildung er bei seinen älteren Söhnen versäumt hatte. Dem schwächlichen Knaben, der von seinem 4. Jahre an mit Musikunterricht geplagt wurde, behagte der Zwang sehr wenig, er war träg, ohne Lust, und die älteren Bruder erklärten ihn daher auch für talentlos; der Plan ward aufgegeben. Des Dranges und Zwanges ledig, entwickelte sich jedoch der Knabe nun, jener Erklärung gleichsam zum Spott, sehr schnell, glühender Eifer trat an die Stelle des Widerwillens gegen die Musik, und als der Vater einst den zehnjährigen Schüler an einer Messe componirend traf, ward der alte Plan emsig wieder aufgenommen und mit Franz Anton’s ganzer Intelligenz und musikalischer Kenntniß, ohne Mittel zu sparen, durchgeführt. Dabei aber wurden, um Abwechselung in den Unterricht zu bringen, besonders aber auch, um nebenbei ein anderes, vielleicht schlummerndes, bedeutendes Talent zu entdecken, fast alle anderen schönen Künste getrieben, und der Knabe malte, radirte, zeichnete und zwar alles mit Geschick, ohne indeß hervorragende Begabung zu zeigen. Franz Anton lebte im Jahre 1796 zu Hildburghausen, wo er den Unterricht seines Sohnes, den er, nachdem seine älteren Söhne fern von ihm angestellt waren, selbst besorgt hatte, dem trefflichen und vielseitigen J. Peter Heuschkel übertrug, der Weber nicht allein gründlichen Unterricht im Pianospiel ertheilte, sondern auch in den Anfangsgründen der Behandlung mehrerer Blasinstrumente unterwies. Dieser Unterricht trug treffliche Früchte in der wirkungsvollen Art, mit der Weber später die Blasinstrumente in seinen Orchesterwerken verwendete. Wohl mehr, um den berühmten Namen unter den Lehrern seines Sohnes aufführen zu können, als weil er wirklichen Nutzen von dem Unterrichte des sechszigjährigen Greises für den zwölfjährigen Knaben hoffte, brachte Franz Anton von Weber im Jahre 1798 Carl Maria zu Michael Haydn nach Salzburg, der dort Fürstlich Esterhazy’scher Concertmeister war. Die Bekanntschaft mit dem berühmten Musiker war das Beste bei dem Unterrichte, der schlaff gegeben und unlustig genommen wurde. In desto straffere Schule kam Carl Maria zu Ende desselben Jahres in München, wo Joh. Nep. Kalcher ihn, der schon brillant, aber als verzogenes Wunderkind, Clavier spielte, diese Kunst von Grund auf neu studiren ließ. „Das Fegefeuer des Kalcher’schen Unterrichts,“ pflegte Weber später oft zu sagen, „ist Ursache, daß ich sauber und correct spiele, der Art seines Lehrens aber verdanke ich, daß ich weiß, worauf es beim Clavierspielen und beim Componiren für’s Clavier ankommt, und vor Allem mein logisches, musikalisches Denken.“ Als Honig an den bittern Kelch der Kalcher’schen Instructionen, Lectionen und Exercitien wurde Weber der Gesangunterricht bei dem sanften und liebenswürdigen Evangelist Wallishauser gestrichen, durch den in Weber’s Seele der Keim des tiefen Gefühls für das gelegt wurde, was in der Menschenstimme Herzbewegendes wohnt. Es war die hohe Ausbildung dieses Gefühls, durch welches Weber’s Gesangspartieen, in Scherz und Ernst, so unmittelbar und mächtig an die Gemüther und Herzen greifen.

Es ist daher nicht zuviel gesagt, wenn man behauptet, daß derselbe gute Geist, der es wollte, daß der Freischütz die Welt umwandern, die „Aufforderung zum Tanz“, das Concertstück und die große Polonaise eine neue Aera der Claviercomposition heraufführen und „Leier und Schwert“ das deutsche Volk zum Kampfe treiben sollte, daß dieser es war, welcher Weber zu Wallishausen und Kalcher führte.

Unter dem Einflusse des Bewußtseins der neuen Kräfte konnte es nicht fehlen, daß sich Weber’s jugendliches Talent sofort in der Richtung zu bewegen begann, in die es sich unbewußt, als nach seinem Urziel, hingedrängt fühlte. Eine Oper, „die Macht der Liebe und des Weins“, entstand neben einer Symphonie, Sonate und Liedern, und er war im besten Zuge, eine Reihe unreifer dramatischer Werke zu liefern, als Franz Anton’s unruhiger Geist plötzlich in der neuen Erfindung Sennefelder’s, dem Steindruck, ein Mittel erblickte, seinen immer mehr hinsiechenden finanziellen Verhältnissen wieder aufzuhelfen. Er erinnerte sich des Geschickes, mit dem sein Sohn die Radirnadel geführt hatte, und es wurde beschlossen, Sennefelder sofort zu überflügeln. Es würde vielleicht Franz Anton nicht leicht geworden sein, seinen Sohn der neuen, und diesem gar nicht sehr nahe gehenden, Idee zu Liebe von der Kunst abwendig zu machen, wenn nicht ein wunderliches Ereigniß tiefen Eindruck auf Carl Maria’s lebhaften Geist, dem, bei aller Gläubigkeit und Klarheit, doch immer eine Hinneigung zu Aberglauben und Fatalität anhing, gemacht und so des Vaters Pläne unterstützt hätte.

Es brach nämlich im Hause Kalcher’s Feuer aus und zwar unerklärlicher Weise in dessen Musikzimmer. Nach dessen baldiger Dämpfung ergab es sich, daß Nichts dem Feuer zum Opfer geworden war, als ganz allein der Schrank, in dem sich Weber’s Compositionen befanden. Dem Knaben schien dies ein Fingerzeig des Himmels, ein Kunststreben zu verlassen, dessen Producte höhere Mächte so offenbar verfolgten. Er ging daher mit Lebhaftigkeit auf Franz Anton’s Pläne ein, und dieser war doppelt froh, zugleich eine gute Arbeitskraft zu gewinnen und den Sohn einem sonst seinem Wesen so fremden, mystischen Träumen zu entreißen, das ihn zu bemeistern begann.

Freiberg in Sachsen genoß damals durch seine berühmte Bergakademie, an der Abraham Werner, Lampadius und Andere fungirten, den Ruf, daß daselbst vor allen anderen Städten Deutschlands die mechanischen und chemischen Künste blühten, und Franz Anton v. Weber zog daher mit Carl Maria dahin, in der Hoffnung, dort die technischen Mittel für seine Unternehmungen besser als anderwärts zu finden. Es konnte aber nicht fehlen, daß den beiden Künstlerseelen die Beschäftigung mit der damals noch so unvollkommenen, so viel manuelle Fertigkeit und Geduld mit dem Kleinlichen und Aeußerlichen erfordernden Lithographie bald unerträglich fallen mußte, und in der That entstand, nachdem der Eindruck des Münchener Feuer-Omens verblaßt war, statt des projectirten Steindrucker Ateliers eine musikalische Gesellschaft, statt der Nachbildungen alter Bilder aber eine dreiactige Oper „das Waldmädchen“, und statt hinter der Druckerpresse erblicken wir den vierzehnjährigen Carl Maria bald am Dirigentenpulte der damals in Freiberg domicilirenden Ritter von Rainsberg’schen Schauspielertruppe, seine Oper dirigirend, über deren Werth oder Unwerth er mit den alten, contrapunkt- und ehrenfesten Musikern Freibergs, Stadtmusikus Siegert und Cantor Fischer, in einen wahrhaft burlesken Wochenblatt-Streit gerieth, bei dem von beiden Seiten mit pappenen Keulen und hölzernen Schwertern entsetzlich zugeschlagen wurde und Franz Anton die hagebüchenen Repliken seines Sohnes redigirte, die im Munde des kleinen Riesentödters drollig genug, aber nicht gerade erbaulich lassen. Schon damals aber hatte Weber die Volkspartei in Gestalt der Bergakademisten und Gymnasiasten für sich. Nichts destoweniger war der Streit Ursache, daß das Weber’sche Paar, Vater und Sohn, Freiberg verließen. Wir finden sie im Jahre darauf in Salzburg wieder. Carl Maria hat ein weit reiferes dramatisches Werk, die kleine Oper „Peter Schmoll und seine Nachbarn“ vollendet, die ihm ein höchst ehrendes Zeugniß seines Lehrers M. Haydn eintrug, ohne indeß vor dem Publicum irgend welches Glück zu machen. Zum Claviervirtuosen gereift, durchzog Weber mit seinem Vater zwei Jahre lang Deutschland, Concerte gebend und componirend, in wahrhaft aufreibender Unruhe. Wir sehen ihn in Augsburg, Braunschweig, Hamburg, seinem Geburtsorte Eutin und zuletzt im Jahre 1803 in Wien, wo Haydn und Vogler dem an seinem Schöpfertalente Verzagenden und seine Versplitterung Betrauernden wieder Halt gewährten und Muth einflößten. Der Letztere besonders war es, der darauf drang, daß Weber ein ganzes Jahr lang das Selbstproduciren aufgeben und nur dem Studium der Wissenschaft der Musik obliegend leben sollte, damit er nicht Gefahr liefe, den schönen Strom seiner Gaben im Sande der Modecomposition und des Virtuosenthums verlaufen zu lassen.

Seufzend, aber ernsten Willens, unterzog sich der an ein herumschweifendes Leben gewöhnte junge Künstler der harten, aber segensreichen Cur, und ein volles Jahr, vom Mai 1803 bis Mai 1804, saß er, eisernfleißig studirend, zu des gelehrten, aber

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Carl Maria von Weber’s Denkmal in Dresden.

wunderlichen Kirchenfürsten Füßen. Der Jünger mag wohl dem alten Herrn zu Sinn gewesen sein, denn als man sich von Breslau aus, wo damals eine neue Oper organisirt werden sollte, um einen Musikdirector verlegen, an Voglern wandte, stand dieser nicht an, seinen Zögling dahin zu empfehlen. Zwei Jahre lang stritt er dort, im jugendlichen Alter (er war 19 Jahre alt), wohl auch hier und da seine Stellung verkennend und das Maß des Gleichgewichts überschreitend, mit den althergebrachten Theater-Vorurtheilen der würdigen Stadt, brachte aber schließlich Opernvorstellungen zu Stande, die trotz des ihm oft gemachten Vorwurfs, daß er die Leitung der Bühne über der des Orchesters vernachlässige und oft allzu „neunzehnjährige“ Tempi nehme, von allen Parteien freudig anerkannt wurden und sein Verhältniß zum Publicum sicher zu stellen begannen. Eben war er mit der Composition der von seinem Freunde, dem Dramaturgen des Breslauer Theaters, Rhode, gedichteten Oper „Rübezahl“ beschäftigt, als ihn ein Trunk aus einer irrthümlich ergriffenen Medicinflasche an den Rand des Grabes brachte und lange an das Siechbett fesselte. Das Gerücht formte nach seiner Art geschäftig den bösen Zufall zu einem Attentate auf des jungen Meisters Leben um und brachte ihn dadurch in so unangenehme Beziehungen zu einflußreichen Personen, die für seine Gegner galten, daß seine Stellung in Breslau sehr schwierig zu werden begann und er frei aufathmete, als er von dem musikliebenden Prinzen Eugen von Würtemberg, der sich von seinem Mißgeschick auf dem Schlachtfelde (Verlust der Schlacht bei Halle etc.) in ländlicher Zurückgezogenheit im Verkehre mit den schönen Künsten erholen wollte, die Aufforderung erhielt, ihm das kleine Theater und die niedliche Capelle zu organisiren, durch die er seine Herrschaft Carlsruh in Schlesien zu einem Musensitze zu machen beabsichtigte. Weber folgte der Aufforderung freudig, schrieb eilends noch die großes Aufsehen machende (später umgearbeitete) Ouvertüre zu Schiller’s „Turandot“ und griff dann in Carlsruh praktisch und rüstig zu, so daß der Prinz sich bald entzückt vor einem hübschen Orchester und einer niedlichen Bühne sah, durch welche ihm die besten Musikwerke, die den Kräften des kleinen Instituts erreichbar waren, in höchst präciser, geistvoller Executirung vorgeführt wurden.

Für diese wahrhaften Genüsse dankbar, empfahl der Prinz, als der Krieg im Jahre 1807 die hübschen Carlsruher Kunstschöpfungen zerstörte und Weber, in Mitten eines Landes, das, von Kriegsunruhen überzogen, keinen Sinn für Kunst und Kunstleistungen hegen konnte, sich arm und ohne Subsistenzmittel sah, den jungen, vielseitig gebildeten Mann seinem Bruder, dem Prinzen Louis von Würtemberg, der ihm zwar keine künstlerische Stellung gewähren konnte, ihm aber bis auf bessere Zeiten die Stelle seines Geheimsecretairs anbot.

Nothgedrungen ging Weber darauf ein, und wir sehen ihn nun, zwei Jahre lang, deren Ausgang ein sehr trauriger für ihn sein sollte, die Wirthschaftsrechnungen des Prinzen revidiren, seine Bücher führen, seine Zahlungen anweisen und dem verschwenderischen [94] Herrn oft, wenn die Ausgaben allzu sehr die Einnahmen überstiegen und Gläubiger, Handwerker und Lieferanten dem Herrn Geheimsecretair v. Weber die Hölle gar zu heiß machten, sehr kräftige Ermahnungsbriefe schreiben. Die maßlos schroffe und fast tyrannische Handlungsweise des Königs Friedrich Wilhelm von Würtemberg war Weber in tiefster Seele antipathisch, und er gab dieser Empfindung indirect häufig genug in den Briefen Ausdruck, die er im Namen des Prinzen Louis an den König zu schreiben hatte und die, wegen der zügellosen Lebensweise des Prinzen, meist ohnehin ärgerlichen Inhaltes für den König waren. Es konnte nicht fehlen, daß der König den Concipienten dieser Briefe, die der Prinz stets, oft ohne sie zu lesen, unterzeichnete und die nicht immer bloß Geschäftliches enthalten haben mögen, errieth und einen gründlichen Widerwillen gegen ihn faßte. Es kam dem Monarchen daher gelegen, als sich in den Finanzverhältnissen des Prinzen Erscheinungen zeigten, für die die Bezeichnung „Unordnungen“ ein euphemistischer Ausdruck sein würde, daß die ganze Schuld auf den Geheimsecretair von Weber geschoben werden konnte, der auch sofort arretirt und nach kurzer Untersuchung sogleich über die Grenze geschafft wurde. Würtemberg blieb Weber bis zum Tode des Königs Friedrich verschlossen. Erst sehr spät ist Weber’s Ehre, durch besseres Verständniß der wahren Motive jener Unordnungen, von jedem Flecken gereinigt worden; für den Augenblick haftete ihm ein böser Makel an, obwohl Niemand von denen, die ihn kannten, an seine Schuld glaubte und man nur beklagte, daß er, in jugendlichem Leichtsinne, sein Vertrauen Personen geschenkt hatte, die dasselbe schlecht rechtfertigten und ihn dadurch in diese böse Lage brachten.

Tief bildend, ja ihm eine neue Richtung gebend, hat in Stuttgart der Umgang mit dem Kapellmeister Danzi auf Weber gewirkt, dem er bis an sein Lebensende die wärmste Freundschaft bewahrte. Besonders in Bezug aus die Form des instrumentalen Ausdrucks soll, nach dem Zeugnisse der damaligen Kunstgenossen Weber’s, Danzi’s Einfluß bestimmend für Weber gewesen sein. Er selbst pflegte mit dem Weggange von Stuttgart den Abschluß seiner Lehrjahre zu datiren. Von der Anregung, die Weber durch Danzi empfing, zeugt die Menge musikalischer Arbeiten,, zu denen er neben seiner Secretariatsthätigkeit Muße fand. Die „Sylvana“ ward aus dem „Waldmädchen“ geschaffen, die kleine Rochlitzsche Cantate „der erste Ton,“ die einen bedeutenden Ruf erhielt, entstand, nebst einer Menge von Liedern und Clavier-Compositionen, worunter die große Polonaise in Es dur. Außerdem konnte es nicht fehlen, daß den jungen, eben im Gährungsprocesse für den Antritt einer neuen Kunstperiode begriffenen Künstler der Verkehr mit Männern wie Dannecker, Haug, Reinhardt, Wächter etc. mächtig leitend berührte.

Von dem unfreiwilligen Verlassen Stuttgart’s an erhielt Weber’s ohnehin schon so unruhig bewegtes Leben die Form einer mehrjährigen, wahrhaften Pilgerfahrt, die ihn alle Wonnen und Schmerzen, allen Jubel und alle Enttäuschungen der Künstlerlaufbahn durchkosten ließ. Zunächst nach Mannheim eilend, wo ihm eine Menge werther Freunde lebten und er in der Prinzessin (nachherigen Großherzogin) Stephanie eine edle Beschützerin hatte, begründete er dort seinem hinfällig werdenden Vater, dessen pecuniäre Mittel fast ganz erschöpft waren, eine bescheidene, aber behagliche Heimath. Eine kurze Zeit schien es, als wollte man ihn dort als Musikdirector fesseln, doch die Sache scheiterte, man kann sagen, zum Glücke, an des Kapellmeisters, des talentvollen, aber auch neidischen, alternden und trägen Peter Ritter, Widerstand; denn was wäre Weber ohne seine Kunstreisen geworden? Wie hätte er so das ganze deutsche Volk am Herzen fassen können, wenn er nicht mit allen Stämmen des deutschen Volkes gelebt und musicirt hätte?

Der Anfang wurde mit kleinen Ausflügen gemacht, auf denen er sich im Badener Land und zwischen Frankfurt, Darmstadt, Mannheim, Cassel, Carlsruhe hin und her bewegte. Diese Zeit war es, wo Weber die Freundschaften schloß, die ihn ohne Wanken durch das ganze Leben stützend, tröstend und erheiternd begleiteten. Er lernte Alexander v. Dusch, Gänsbacher, Gottfried Weber kennen und lieben und erneute die alte Freundschaft mit Meyerbeer. Zum trautesten Verkehr mit den letzteren Dreien führte ihn der gemeinsame Wunsch, noch einmal den Unterricht Vogler’s, der inzwischen geistlicher Geheimrath des Großherzogs von Darmstadt geworden war, zu genießen, zusammen. Da kam die Sommerzeit von Weber’s Jugend! Wir sehen die geistvollen, heiteren Studiengenossen, die selbst schon junge Meister waren, im Wetteifer den Unterricht eines abgöttisch verehrten Lehrers genießen, aber auch im Wetteifer Darmstadt mit den Spukgeschichten ihrer tollen Streiche erfüllen. Auf Jahrmärkten, in Wachtstuben, beim Bauerntanz auf Kirchweihen sah man die jungen Musikanten „Melodien sammeln“. Wenn aber dann das ehrbare Darmstadt sein langweiliges Gesicht in ernste Falten ob des wilden Treibens legen wollte, machten sie so hübsche Musik, daß ihnen Niemand böse sein konnte. Vogler pflegte, wenn er auf die vier jungen Evangelisten seiner Lehre blickte, wie er sie nannte und die doch dann so ganz andere Dinge als seinen Glauben predigten, zu sagen: „Gottfried weiß am meisten, Meyer thut am meisten, Carl Maria kann am meisten und Johann[2]trifft am meisten!“

[106] Von großem Einflusse auf das Leben und den Ruf der vier Musiker, die damals um Vogler’s Hausorgel saßen, war ein Schutz- und Trutzbündniß, welches sie in aller Form geschlossen hatten und dessen Tendenz in kurzen Worten darauf hinausging, daß sie in ihrem Kreise sich mit scharfer Kritik die Schwäche jedes ihrer Werke aufdecken, nach außen hin aber einer vom andern nur Ruhm und Ehre verkünden und sich gegenseitig, durch alle erlaubten Mittel des gesprochenen und geschriebenen Wortes, so schnell als möglich zu großem Ruf verhelfen wollten. Vorstand des Bundes, dessen von Weber’s, Meyerbeer’s und Gottfried Weber’s Hand geschriebene Statuten noch existiren, war Weber, der Centralort Darmstadt, von dem aus die Operationen geleitet wurden. Der Bund zerfiel nach einem Bestehen von wenig Jahren, hat aber in dieser Zeit unzweifelhaft dazu beigetragen, den Ruf der Mitglieder schnell zu verbreiten, die dann zum Glück auch sämmtlich das Ihre danach leisteten. In Darmstadt entstand damals unter Weber’s Hand der „Abu Hassan,“ eine kleine komische Oper, die einen raschen Fortschritt Weber’s als dramatischer Componist bekundet, jetzt ganz mit Unrecht von den deutschen Bühnen fast verschwunden ist und damals sehr gefiel. Im Jahre 1810 sah er seine „Sylvana“ in Frankfurt geben. Diese Vorstellung, deren Erfolg eine Luftfahrt der Madame Blanchard zu Nichte machte, sollte verhängnißvoll für Weber werden. Er sah hier zum ersten Male Caroline Brand, die, damals noch halb Kind, die „Sylvana“ tanzte und sieben Jahre später seine Gattin wurde.

Zwei Jahre lang durchzog Weber Deutschland und die Schweiz, überall Verbindungen anknüpfend, überall das Lob seines Charakters und ruhmvolles Andenken an seine Kunstleistungen hinterlassend, überall gleichsam die Minen legend, in die später seine großen dramatischen Werke wie eben so viele Zündfunken fallen sollten. Eben bereitete er sich im Jahre 1812 in Prag zu einer längst projectirten Reise nach Italien vor, da wurde ihm unter verhältnißmäßig glänzenden Bedingungen vom Director des Prager ständischen Theaters, Liebich, der Antrag gemacht, die neu zu schaffende deutsche Oper zu organisiren und dann zu leiten. Seufzend gab Weber diesen Aussichten auf Ehre und Gewinn gegenüber die Reise nach Italien auf. Nicht wenig trugen die Verpflichtungen, die ihm gegen mehrere Freunde durch ansehnliche Darlehne derselben erwachsen waren, dazu bei, ihn zur Annahme dieser Stelle zu veranlassen. „Um als ehrlicher Kerl meine Schulden bezahlen zu können,“ schrieb er, „muß ich in den sauren Apfel beißen.“ Er ging so rüstig an’s Werk der neuen Organisation, daß er den erstaunten Pragern schon nach wenigen Monaten mustergültige deutsche Opern vorführte und das Institut auf eine Höhe hob, die es seit langer Zeit nicht eingenommen hatte; in vier Jahren schuf Weber Orchester, Chor und Personal der Oper in Prag und studirte nicht weniger als 31 neue Werke ein. Doch der Musiksinn der Prager, der sonst in so großen Ehren gestanden hatte, daß Mozart ihn im Sinne trug, wenn er beim Componiren an ein Publicum dachte, schlummerte; Mangel an Anregung und künstlerischem Umgang ließen Weber während dieser Zeit eigentlich nur auf seinen Kunstreisen schöpferisch wirken, während er in Prag nur seinen Directionsgeschäften und, seit dem zweiten Jahre seines Aufenthaltes, seiner Liebe zu Caroline Brand, die er als ausgezeichnete Soubrette nach Prag gezogen hatte, lebte. So reifte z. B. die Frucht seiner glühenden Begeisterung für das deutsche Befreiungswerk in München im Jahre 1815, die Cantate „Kampf und Sieg“; in Berlin etc. die Körner’schen Lieder „Leier und Schwert“, die [107] seinen Namen zu dem der edelsten Heeresfürsten in Herz und Mund des ganzen gährenden Deutschland brachte.

Der Mangel an künstlerischem Umgang war es, der ihm den Aufenthalt in Prag zuletzt unerträglich machte und ihn veranlaßt hätte, seine Stellung dort zu verlassen, wenn ihm auch nicht im Jahre 1816 der Ruf nach Dresden, wo es wieder eine neue, deutsche Oper zu gründen und zu leiten galt, eine neue Perspective voll ruhmreicher Thätigkeit gezeigt hätte. Anfang 1817 wanderte er im Vollbewußtsein der Schwere und Bedeutsamkeit der Aufgabe, die ihm hier gestellt war, aber auch im frohen Gefühle, die ihm bevorstehenden Kämpfe mit den Ritterwaffen bestehen zu können, die er sich zu Breslau, Carlsruh und Prag bei der Schöpfung neuer Operninstitute erworben hatte, nach der Residenz des kunstliebenden Königs Friedrich August, der ihn berief. Dahin holte er sich im November desselben Jahres den besten Bundesgenossen in diesen Kämpfen in Gestalt seiner liebenswürdigen Gattin mit ihrem unversiegbaren Frohsinne, ihrer Grazie, ihrem feinen Takte nach.

Gegen wie viel Streiche hat sie ihn geschützt, von wie viel mehr empfangenen Wunden ihn geheilt!

Ohne Uebertreibung kann man sagen, daß es niemals den Carl Maria von Weber, der Freischütz, Euryanthe und Oberon schrieb, ohne Caroline Brand gegeben hätte. Ihr praktischer Sinn und in reicher Erfahrung geschulter Takt ersetzten dem Meister in stiller Studirstube die Stimme des Publicums, die Wirkung seiner Schöpfungen bemaß er nach der Wirkung auf ihren offenen Geist, ihrem Rathe folgte er nie ohne Erfolg, wenn es zu kürzen, umzustoßen, bühnengerecht zu machen galt, sie eroberte die Herzen für ihn, die zu gewinnen er nicht Zeit oder Stimmung hatte. Niemals hat sich ein Paar vollständiger im schönsten Sinne der Ehe ergänzt, als Carl und Caroline Weber.

Weber begann seine Wirksamkeit in Dresden unter den schwierigsten Verhältnissen. Im Grunde genommen bot ihm nichts helfend die Hand, als ein Theil der Kapellmitglieder und sein edler Chef, der Graf Vitzthum von Eckstädt. Nichts erhob und stützte ihn, als die Zustimmung und der Beifall der intelligenten Mittelschichten des Publicums. Der König Friedrich August hieß nicht mit Unrecht der Gerechte, darum schätzte er Weber’s Thätigkeit und Charakter, hat aber, als warmer Freund der italienischen Musik und Kunst, für seine Werke nie Sympathien gezeigt. Noch kurz vor seinem Tode schrieb Weber, der dem Könige mit größter Liebe und Treue anhing, von London, schmerzlich bewegt:

„Alle Welt erkennt mein Streben an, nur mein König will Nichts von mir wissen!“ Am Hofe hatte Weber keine Freunde, außer den beiden edlen Prinzen Friedrich August und Johann, für die er wahrhaft enthusiastische Verehrung hegte. Die demzufolge in höheren Schichten gegen Weber und sein Wirken vorherrschende Antipathie wurde von seinen Gegnern, an deren Spitze der damalige, fast allmächtige Cabinetsminister Einsiedel und der College Weber’s, Morlachi, standen, zu allerhand Waffen für Bekämpfung seiner Thätigkeit umgeschmiedet. Für Einsiedel und seine Günstlingscoterie, in der sich das Princip des damaligen „geheimen“ Beamtenthums personificirte, in deren Kreisen das Wort „deutsch“ und „demokratisch“ fast gleichbedeutend war und die deshalb auch sogar hinter deutscher Musik Umsturz-Tendenzen witterte, war Weber mit seinem graden, die Öffentlichkeit liebenden und, trotz seines Hofkapellmeistertitels, in bis dahin unerhörter Weise frei mit dem Publicum verkehrenden Sinne eine „höchst unbequeme Persönlichkeit“. Diese Unbequemlichkeit potenzirte sich natürlich noch in den Augen der Anhänger der italienischen Oper und ihrer Partei, die sich aus den höchsten Ständen der Gesellschaft rekrutirte, da sie nur zu deutlich sahen, wie Weber’s Streben der Exclusivität im Kunstgeschmack schnurstracks entgegenwirkte. Diese Partei, zu der leider auch, wenigstens im Anfange, viele Mitglieder der Kapelle gehörten, ist es gewesen, die es verhinderte, daß Weber’s große Talente für Sachsen in angemessener Weise nutzbar gemacht wurden, die es bewirkte, daß ihm niemals ein leuchtendes Zeichen der Zufriedenheit von oben her zu Theil wurde, daß ihm kein einziges Werk für die Kunstanstalt, der er vorstand, in Auftrag gegeben wurde, und die sein Wirken für dieses Institut auch dann noch mit der Calculator- und Hofraths-Elle maß, als über Weber’s und jener Kunstanstalt Ruhm die Sonne nicht mehr auf- und unterging.

Trotz alledem beschritt er seinen Weg nach bestem Wissen und Gewissen. „Wie Gott will!“ Dreißig Tage nach seinem Dienstantritte führte er die erste deutsche Oper: Mehul’s „Joseph in Aegypten“, mit neugeschaffenem Chor und neuen oder erst herangezogenen Sängern, in einer Weise auf, daß die Gegner staunten und die Freunde jubelten. Rasch gewann er sich, der 31jährige Meister, das Vertrauen der Kapelle und seines Personals durch milde Strenge, Energie, seltenes Dirigententalent, richtig angewandten Fleiß, der nur das that, was andere schwächere Kräfte nicht auch thun konnten, und bald sah er sich als einen der Mittelpunkte des geistigen Treibens von Dresden, für das er und seine Gattin belebende Zierden wurden. Sein gastfreies Haus versammelte in heitern Cirkeln, neben dem „Liederkreise“, die heterogensten Elemente geistiger Bedeutsamkeit in zwanglosem Verkehre. Ludwig Tieck war hier eben so gern gesehen, fand sich ebenso behaglich wie Tiedge, Hell oder Kind; Kügelgen verkehrte hier gern mit Vogelstein und Friedrich; Marschner musicirte hier mit Spohr, Morlachi und Polledro. Alle Jene irren, die Weber’s Persönlichkeit aus seinen Werken herausconstruirt haben, ihn sentimental, ernst, romantisch gestimmt darstellten. Ernst und streng, oft schroff im Geschäft und Dienst, war Weber Lebemann vom Kopf zum Fuß im geselligen Kreise, und „dulce est desipere in loco“ eine seiner gangbarsten Maximen. Heiter, derb, oft sarkastisch in seinen Aeußerungen, anspruchslos in seinen Freuden, ohne allen Künstlerdünkel, verschmähte er es nicht, in heitern Cirkeln, damit die jungen Leute tanzen könnten, stundenlang am Clavier zu sitzen, in Schattenspielen den Teufel zu agiren, worin er eine ganz besondere Meisterschaft besaß, auf Maskeraden das Tollste vom Tollen zu bringen, und Niemand verstand so aus vollem Herzen, wie er, den „holden Unsinn“ zu treiben und zu belachen. Trefflich unterstützte ihn bei allen dem seine liebenswerthe Gattin, deren geselliges Talent außergewöhnlich war. Nichts glich der Wirkung, welche das Paar mit dem Vortrage komischer Lieder, die er auf Piano oder Guitarre begleitete, hervorbrachte. Die gehaltenste Gesellschaft wurde dann zum Lachchore, und in den Augen der ernstesten Künstler und Geschäftsmänner perlten die Thränen, welche die selige Zwerchfellerschütterung erpreßte.

Während Weber so die Herzen des Publicums gewann, die Organisation der Kapelle und Oper immer mehr emporblühte, eine gelungene Opervorstellung auf die andere folgte und ein Dienst, der ihn (besonders durch die häufigen Urlaubsreisen und Krankheiten seines Collegen Morlachi, welcher fast die Hälfte seiner Dienstzeit im Auslande zugebracht hat) mit circa 400maligen Functionen im Jahre belastete, seine Kraft so in Anspruch nahm, daß ihn nur die Erholung, die ihm der Sommeraufenthalt in seinem geliebten Hosterwitz bot, aufrecht erhielt: vermehrten sich in gewissen Kreisen die Mißstimmungen gegen ihn durch die Anerbietungen, durch die man ihn für Berlin und Wien zu gewinnen trachtete. Man nahm es ihm übel, daß er mit den Theaterverwaltungen in jenen Orten verkehrte und zuletzt gar durch Uebernahme der Composition des „Freischütz“ für Berlin, der „Euryanthe“ für Wien und des „Oberon“ für London für fremde Bühnen thätig war, während man ihm in Dresden – keine Aufträge und keine Gelegenheit gab, seine Kräfte angemessen zu verwenden. Man entzog ihm die Möglichkeit, Ehre in seinem amtlichen Wirkungskreise zu erwerben, und verargte es ihm doch, wenn er sich Künstlerruhm von außen holte. Konnten nun auch die aus diesen Antipathien erwachsenden Kundgebungen, die sich besonders durch auffällige Bevorzugung seines ausländischen Collegen kennzeichneten, sein Schaffen nicht lähmen; konnten auch, unter all den Kränkungen, meist in ländlicher Abgeschiedenheit in Hosterwitz, die Jubelcantate, die Jubelouvertüre zum Jubiläum des Königs, die Aufforderung zum Tanz, Preciosa, zwei große Messen, davon eine zur Jubelhochzeit des Königspaares, die großen Sonaten für Piano, eine Menge Lieder und Instrumental-Werke und endlich Freischütz, Euryanthe und Oberon entstehen, so reizten doch die Nadelstiche jener Plackereien die zartbesaitete Seele des Künstlers zu fortwährender fieberhafter Spannung, die ätzend und zerstörend auf seinen ohnehin schwächlichen Organismus einwirken mußte.

Mit seinem „Freischütz“ traf Weber mit nie vorher dagewesenem Glücke das innerste musikalische Leben des deutschen Volkes. Es schien, als habe es sich nach dessen Ausdruck schon lange gesehnt, mit solchem Jubel wurde das Werk begrüßt, als er es im Jahre 1821 in Berlin aufführte. Kein Ort der Welt wäre damals fähiger gewesen, diese deutscheste Musik zu empfangen, als das im damals „deutschesten Deutschsein“ lebende Berlin. Die [108] Schlachten bei Großbeeren, an der Katzbach und bei Leipzig und die Einmärsche in Paris hatten den Boden in den preußischen Herzen bestellt für die jubelnde Empfängniß des deutschen „Freischütz“.

Dem Triumphe des „Singspiels“ wünschte Weber, angestachelt von den Aeußerungen der Anhänger Spohr’s, Spontini’s und Rossini’s, die es anzweifelten, daß ihm die zur Schöpfung einer großen Oper nöthigen tiefen Musikkenntnisse beiwohnten, den großen Erfolg einer solchen aus seiner Feder folgen zu lassen, und ergriff begierig die Gelegenheit hierzu, als, am Schlusse des Jahres 1821, der neue Pächter der Wiener Bühne, der „Theater-Nabob“ Barbaja, eine Oper für die Stagione von 1823 bei ihm bestellte.

Eine nach Wien zu Anfang 1822 zum Zweck der Kenntnißnahme von Kapelle, Sängern und Hörern unternommene Reise ließ Weber die schönsten Hoffnungen schöpfen, ein vortreffliches, intelligentes Publicum und ein sehr brauchbares Personen-Material an der Bühne erkennen. Nur machte ihn der Erfolg des Freischütz, dem er dort beiwohnte, an jeder Möglichkeit der Steigerung des Beifalls verzagen. „Der verdammte Freischütz,“ rief er aus, „wird seiner jungen Schwester das Leben verteufelt sauer machen!“ Und dies Alles trotz der Torturen, die man der armen Oper in Wien angethan hatte! Den Samiel hatte die Censur, das Schießen hatten die schwachen Nerven des Kaisers gestrichen, statt des muntern Kugelgießens in der Wolfsschlucht wurden, auf das Langweiligste, Bolzen in einem hohlen Baume gefunden u. s. w.!! Daher der Musik allein die Ehre!

Weber reizte der Kampf mit Rossini, seinem ebenbürtigsten und daher gefürchtetsten Gegner, nachdem er Spontini fast besiegt hatte. In seinen Empfindungen gegen seinen großen italienischen Rivalen erkennt man den sonst so frei und edel denkenden Weber kaum wieder. Er hatte die Schwachheit, ihn zu hassen, weil ihm seine musikalische Richtung antipathisch war. Ja noch mehr! Er gestand Rossini nicht einmal jene bedeutenden Eigenschaften zu, die er erkannt haben muß, weil sie unverkennbar sind. Ihm war und blieb er der musikalische Antichrist!

Doch er haßte Rossini zwar, aber er kannte seine Macht leider noch nicht im ganzen Umfange, denn er hatte den „Barbier“ noch nicht gesehen!

Die Frau Helmine von Chezy dichtete ihm nun einen Text, so absurd, so unpraktisch, so undramatisch, daß es kaum faßbar ist, wie ein so klarer Geist wie Weber sich durch den Wohllaut der Verse in dem Maße bestechen lassen konnte, ihn zu componiren. So wurde die „Euryanthe“ geschrieben. Die Wiener sagten später sehr treffend: Der Lysirat singt ja selbst die beste Kritik der Oper:

„Die Weise tadl’ ich nicht;
Doch wohl die Worte vom Gedicht!“

Inzwischen hatte Barbaja, im Verein mit seinem Freunde Rossini, für die Stagione, die auch „Euryanthe“ bringen sollte, eine italienische Truppe zusammengebracht, die in Bezug auf Vollkommenheit der Darstellung fast ohne Gleichen in der Kunstgeschichte ist. Da sangen die Rossini-Colbran, die Fodor-Mainville, die Eckerlin[WS 1], da war Lablache, Douzelli, David, Ambrogi, alles Lichter erster Größe, und sie führten den zu Musik gewordenen Jubel, den „Barbier von Sevilla“, die „Italienerin in Algier“, den „Othello“, die „Donna del Lago“ auf, diese Feuerwerke von Melodiefunken, diese Cascaden von musikalischem Schaumweine, diese elektrisirenden Thorheiten voll Schönheit und Glanz! Und der alle Herzen von Neuem erobernde Rossini, der trillernde, funkelnde, liebenswürdige „Schwan von Pesaro“, war kein finsterer Spontini, der sich schon Heere von Gegnern durch sein Erscheinen, Gehen und Reden schuf!

Als Weber immer mehr von dieser Oper, diesen Darstellern hörte, wurde er tief nachdenklich, und als er 1823 mit seinem Schüler, Julius Benedikt, nach Wien abreiste, um die Euryanthe aufzuführen, hörte man öfter als je aus seinem Munde seinen gottergebenen Wahlspruch: „Wie Gott will!“

[118] Es kam, wie Weber im Stillen gefürchtet hatte. Trotz des Beistandes der gut deutsch gesinnten, literarischen Blätter Wiens, trotz Kanne’s, Bäuerle’s, Castelli’s rastlosen Federn, die das Publicum im Voraus mit den Intentionen und Schönheiten der Euryanthe vertraut zu machen suchten, trotz des Beistandes der gewaltigen Gesellschaft „Ludlamshöhle“, deren Mitglied Weber, mit dem Ehrenprädicate „Agathus der Zieltreffer“ war, trotzdem, daß die Hauptrollen der Euryanthe in den Händen der Sontag, der Grünbaum, Heitzinger’s, Forti’s waren, trotzdem daß man bei den ersten drei Vorstellungen einen mächtigen Enthusiasmus forcirte, errang die Euryanthe doch nur einen Succès d’estime.

Gekürzt, zusammengestrichen, ließ sie bald die Häuser leer. „Das ist ungemüthliche Musik,“ hatte Franz Schubert gesagt. „Das Ding ist gut, lassen Sie es, wie es ist,“ sagte aber der Altmeister Beethoven auf Weber’s Frage. Und Weber ließ es, wie es ist, und das war wohlgethan; die jetzt herrschende Meinung von der Oper beweist es.

Die unermeßlichen Aufregungen auf der Reise nach Wien hatten, verbunden mit einer heftigen Erkältung, das Uebel, dessen Vorboten Weber schon lange spürte, zum Ausbruch gebracht; unheilbar lungenkrank kam er zurück. Mit tieferem Verständnisse und hohem Enthusiasmus für den Meister wurde die Oper 1825 in Berlin aufgenommen, nachdem endlose Intriguen des Ritter Spontini sie fast zwei Jahre lang von der Bühne dort fern gehalten hatten. Weber dirigirte sie selbst, war aber schon kaum mehr vermögend, sich dem Orchester verständlich zu machen, und sprach durch einen Dolmetscher mit den Fungirenden.

Ruhe, Ruhe sollte nun die Losung des kränkelnden Meisters sein, Bäder und Landluft dem Stoffe die Kraft geben, noch einige Zeit dem Ringen des nach seiner Heimath sehnsüchtigen Genius zu widerstehen. Aber je durchsichtiger der Schleier wurde, der dem Meister das Jenseits verhüllte, je deutlicher er fühlte, daß er bald seine theure Caroline und die beiden Söhne, die sie ihm gegeben hatte, für immer werde verlassen müssen, umso eifriger ergriff er die Mittel, durch die er hoffte, den geliebten Seinen eine sorgenfreie Existenz nach seinem Tode sichern zu können.

Das Covent-Garden-Theater zu London bestellte den „Oberon“ bei ihm, dessen Text Planché gedichtet hatte. Er nahm die Bestellung und die Anträge, ihn selbst aufzuführen, Concerte in London zu dirigiren und zu geben, in der Hoffnung auf reichen Gewinn, an. Bei der Composition dieser Oper fand sich sein Genius auf den Weg zurück, den er bei Schöpfung des „Freischütz“ betreten hatte und auf dem Niemand nach ihm wieder mit solchem Glanze wandeln wird. Es ist in den Melodien des Oberon ein überirdischer Reiz, als hätten die Stimmen einer lichten Welt die schwerathmende Brust, das gebeugte Haupt des kranken Meisters schon umtönt, und wenn es ihm vergönnt gewesen wäre, wie er es wollte, nachträglich dem Werke, für die Darstellung in Deutschland, die Rundung und künstlerische Vollendung zu geben, welche die Tiefe des deutschen Sinnes verlangt, es würde unstreitig weitaus seine vollendetste Schöpfung geworden sein.

Am 16. Februar 1826 stieg Weber mit seinem Freunde, dem berühmten Flötisten Fürstenau, die halbvollendete Partitur des „Oberon“ unterm Arme, in den Wagen und begab sich, in kurzen Tagereisen, über Paris, wo ihm die glänzendste Aufnahme wurde und man in ihn drang, so bald als möglich für dort eine Oper zu schreiben, nach London. Bleischwer lag die trübe Atmosphäre und der kühle Nationalcharakter Englands auf der kranken Brust des Meisters, maßlose Anstrengungen bei der Direction der von ihm übernommenen Concerte, seines „Freischütz“ und endlich bei den Proben zu Oberon absorbirten rasch den Rest seiner Lebenskraft. Und dabei arbeitete er doch fort an der Partitur, nicht allein dieser Oper, sondern auch der von ihm unvollendet hinterlassenen, in London spurlos verschwundenen, komischen Oper „die drei Pintos“, und die Melodien quollen in unversiechbarem Strome aus einem Wesen, dessen Körper eben so hinfällig, wie seine Seele heimwehkrank war. Je mehr er seine Kräfte schwinden fühlte, um so heißer, unablässiger wurde diese Sehnsucht nach der Heimath, nach den Seinen, die [119] keine Pflege, keine Vorsorge des edlen Mannes, bei dem er wohnte, Sir George Smart, kein Zuspruch seiner deutschen Freunde, Fürstenau, Dr. Kind, Moscheles, Göschen etc., lindern konnte. Was half es ihm, daß die sonst so zurückhaltenden Engländer bei seinem Erscheinen in dem Theater sich jubelnd erhoben, ihn, Hüte und Tücher schwenkend, grüßten, daß ihm Ehren zu Theil wurden, wie nie einem Tondichter zuvor, daß der „Freischütz“ und der „Oberon“ unendlichen Erfolg hatten? - - Heim! heim! war seine Losung, fast sein einziger Gedanke! Kaum gönnte er sich noch Zeit, sein Concert zu geben, das ihm wenig eintrug, er gab die Rückreise nach Paris auf, kürzte seinen Aufenthalt ab: „Gott, Gott, nur erst im Wagen sitzen!“ war sein häufigster Ausruf. – Am 4. Juni Abends schied er von den Freunden, zum Tode krank, mit den Worten: „Wieder einen Tag dem Wiedersehen näher!“ begab sich ohne Hülfe in sein Zimmer, legte sich nieder – und schlief hinüber, wo alle Sehnsucht sich in seliges Wiedersehen in der ewigen Heimath wandelt. – Am 5. Juni fanden ihn die Freunde, nachdem sie spät am Tage sein Zimmer erbrochen hatten, wie ruhig schlummernd todt im Bett.[3] – Seine Leiche wurde in feierlichem Begängniß am 9. Juni 1826 in den Grüften der katholischen Moorfield-Capelle zu London beigesetzt.

Doch es war, als sei die Heimath-Sehnsucht des todten Meisters nicht mit ihm gestorben, als bewegte sie edle Herzen, die ihn ehrten, auch seine Asche dahin zu führen, wohin sein unsterbliches Theil längst zurückgekehrt war.

Deutsche Freunde traten im Jahre 1842 zu dem vermorschenden Sarge in Moorfield, der in den nächsten Jahren mit „an der Reihe war“, aus der Gruft „weggeräumt“ zu werden. Dr. Gumbihler forderte die Deutschen auf, die Asche eines ihrer populärsten Künstler nicht in alle Winde verstreuen zu lassen; Ferdinand Heine, der langjährige Freund Weber’s, aber rief: „Führt seine Asche nach dem Lande seiner Sehnsucht, zu den Seinen, in die Mitte des deutschen Volks zurück!“ Der Aufruf fand Anklang, der würdige alte Buchhändler Arnold legte Subscriptionsbogen aus, der Dresdner Gesangverein „Liedertafel“ gab, von seinem Liedermeister, Richard Wagner, angeregt, ein großes Concert zur Beschaffung von Mitteln für die „Translocation von Weber’s Asche“.

Diese Gesangsgesellschaft behielt fortan das Geschäftliche der Angelegenheit in Händen, sie wählte ein Comité, aus Richard Wagner, Hofrath Schulz, Professor Löwe, Anwalt Flemming, Ferdinand Heine, Tonkünstler Brauer und Banquier Lötze bestehend, das für diesen Zweck thätig sein sollte. Aufrufe an die Bühnen wurden erlassen, Vorstellungen zu geben. Die Bühnen zu Dresden und Berlin folgten dem Aufrufe und lieferten die Gesammterträge von zwei Vorstellungen in die Hände des Comité’s ab. Kein Abzug war von den Erträgnissen gemacht worden, außer dem Honorar, das sich Frau Jenny Lind-Goldschmidt für die Darstellung der Agathe hatte zahlen lassen.

Die so erzielten Summen reichten für den Zweck aus, und im Jahre 1844 begab sich Weber’s ältester Sohn nach London, um bei den die Auslieferung der Leiche und den Transport derselben betreffenden Geschäften, denen auch Weber’s zu London lebender Schüler Julius Benedikt und der preußische General-Consul Hebeler thätige Beihülfe liehen, mitzuwirken.

Inzwischen war nach Semper’s Zeichnung eine Gruft von einfach edler Form auf dem katholischen Kirchhofe zu Dresden erbaut worden. Weber sollte nicht der Erste sein, der sie bewohnte. Das jüngste Mitglied seiner Familie, sein Sohn Alexander, ein zu schönen Hoffnungen berechtigender Maler, schied aus der Fülle des Lebens, kaum zwanzig Jahre alt, um ihm auf dem dunklen Pfade voran zu gehen. Der einfache Leichenzug des Jünglings beschritt am 2. November 1844 denselben Weg, den am 15. December desselben Jahres der unermeßliche Conduct, der die Asche des Meisters zur letzten Ruhe führte, unter Gesang, Musik und Fackelglanz und der Theilnahme von vielen Tausenden durchmaß.

Nachdem dies Ziel erreicht war, der theure Todte in der Heimath schlief, fanden sich noch überschießende Mittel vor. Da tauchte der Gedanke auf, sie als Anfang eines Fonds zu betrachten, der zur Errichtung eines Monuments für C. M. v. Weber zusammen zu bringen sein würde. Das Comité entwickelte nun neue Thätigkeit. Neue Aufrufe zu Concerten und Vorstellungen wurden an die Gesangvereine und Theater, zu Beitragen an das Publicum erlassen. Doch fast ohne alles Resultat. Die Theater, die Hunderttausende mit Weber’s Opern erworben, die Gesangvereine, die seine Lieder und Chöre in allen Theilen der Welt gesungen hatten, ließen Nichts von sich vernehmen, als es einmal ein kleines Opfer zu seiner Ehre zu bringen galt. Kein Hoftheater regte sich, und nur die kleine Nürnberger Bühne, unter des wackern Röder Leitung, steuerte einen Abendertrag, während das Hamburger Stadttheater die erhöhte Stimmung bei festlicher Ausschiffung der von England angekommenen Leiche Weber’s benutzt und eine sehr einträgliche Vorstellung für – Rechnung der Theaterverwaltung gegeben hatte. Im Jahre 1849 trat Meyerbeer als auswärtiges Mitglied mit in das Comité, in welchem zugleich Wagner, nach seiner Flucht von Dresden, durch Reissiger ersetzt worden war, ohne daß jedoch durch diese neuen Kräfte dem Comité auch neue Hülfsquellen zugeführt worden wären.

Ohne die Beiträge einiger Fürsten hätte damals aller weitere Zufluß zu den Mitteln des Comité aufgehört. Vom deutschen Volke, das Weber liebt, vom deutschen Publicum, das sich durch seine Werke ergötzen läßt, sind nicht hundert Thaler an Beiträgen in die Fonds zur Errichtung eines Denkmals für ihn geflossen!

Nichts desto weniger schritt das Comité muthig vorwärts. Schnorr von Carolsfeld wurde, als es sich nun um die Herstellung des Monuments handelte, als große künstlerische Autorität in das Comité gewählt, und mit glücklichem Griffe und unter seinem erleuchteten Rathe wurde Rietschel die Ausführung der Bildsäule übertragen.

Während das herrliche Werk unter den Händen des großen Meisters entstand, nahm der pecuniäre Theil des Unternehmens unangenehme Formen an. Alle Beiträge hatten aufgehört, und ohne die edle Thätigkeit einer berühmten deutschen Frau wäre möglicherweise das Ganze entweder ganz unvollendet geblieben oder doch erst spät zu Stande gekommen.

Frau Bürde-Ney bestimmte den Ertrag eines großen, in Hamburg von ihr gegebenen Concerts für das Denkmal. Das Haus war brechend voll, aber die Rechnungen, welche die Mitwirkenden, der Localbesitzer etc. machten, ganz überaus hoch. Es blieb also nur ein so geringer Reingewinn übrig, daß es dem Takte der trefflichen Künstlerin widerstrebte, ihn zu dem von ihr so hoch gehaltenen Zwecke zu spenden. Sie fügte zu dem Opfer ein neues in Gestalt des vollen Honorars einer Gastdarstellung in Berlin.

Dies gab den Impuls zu neuen Bestrebungen. Die Theater zu Berlin und Dresden veranstalteten festliche Vorstellungen, Dawison, der stets gern sein großes Talent mit in die Wagschale wirft, wenn es der Ehre der Kunst und der Künstler gilt, hielt eine seiner Meistervorlesungen, die Frau von Bock (Schröder-Devrient) sang, ihrem alten Meister und Lehrer zu Ehren, eines ihrer letzten Lieder, und das Collegium der Dresdner Stadtverordneten spendete, mit nicht genug anzuerkennendem würdigem Sinne, die Summe von 1000 Thalern, als Beitrag zu den Kosten der Herstellung des Monuments.

So sah sich das Comité, dessen Vorsitz, nach des Hofrath Schulz Tode, der treffliche Aesthetiker, Professor Hettner, eingenommen hatte, bald im Besitze aller erforderlichen Mittel. Der Guß wurde auf dem Lauchhammer mit gewohnter Meisterschaft vollendet, Schlesien sendete einen seiner reinsten Granite zum Postamente, und so konnte das schöne Werk, nachdem die meisten der Mitglieder des Comité’s (die Herren Heine, Löwe, Flemming, Brauer, Lötze) durch 20 volle Jahre nach dem vorgesetzten Ziele mit wahrhaft rührender Ausdauer gestrebt hatten, am 11. Oct. 1860 enthüllt werden.

Das schöne Standbild (das unsere Abbildung giebt) ist eines der wenigen, die in Deutschland bisher den Helden deutschen Geistesringens gesetzt worden sind, und ehrt in gleicher Weise den Meister, den es darstellt, wie den, der es bildete, und die Männer, denen es sein Dasein dankt.

  1. Sohn des großen Componisten, Verfasser des im Jahre 1852 erschienenen Epos: „Roland’s Graalfahrt“.
    D. Red.
  2. Johann Gänsbacher war ein ungemein feinfühlender Musiker, daneben aber auch vortrefflicher Büchsenschütze.
  3. Im Sommer dieses Jahres erscheint eine ausführliche Biographie C. M. von Weber’s von dessen Sohne, dem Verfasser obiger Skizze. Dieses Werk, zu dem eine ungemein große Menge ungedruckten und andern Personen völlig unzugänglichen Materials benutzt worden ist, verspricht interessante Mittheilungen über Lebens- und Musikverhältnisse verschiedener Hauptstädte etc. zu bringen. Verknüpft wird damit eine neue Ausgabe von Weber’s hinterlassenen Schriften werden.
    D. Red.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Ekherlin