C. F. Dürr, Reichenbach, Vogtl., Fabrik reinwollener Flanelle, Kleider- und Konfektionsstoffe
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Die Stadt Reichenbach im Vogtlande wird noch mehrfach in diesem Werke als blühender Fabrikort genannt, dessen schnelles Emporwachsen unter den sächsischen Städten geradezu beispiellos dasteht. Wie viel sie in dieser Hinsicht den in ihr einheimischen Industrie-Firmen zu danken hat, ist an anderer Stelle ebenfalls gebührend hervorgehoben worden, und es bedarf hier nur des Hinweises darauf. Eines jener Geschäftshäuser nun, die wesentlich zu der glücklichen Entwicklung dieses vor wenig Jahrzehnten noch unbedeutenden Ortes beigetragen haben, ist die Textilfirma C. F. Dürr. Dieselbe wurde am 20. April 1854 vom Vater der jetzigen Inhaber, Herrn Carl Friedrich Dürr, ins Leben gerufen, und zwar unter ganz bescheidenen Verhältnissen. Anfänglich beschäftigte sich dieselbe ausschließlich mit dem Vertrieb von Kamm-Garnwaren, Shawls und Tüchern. Diese Artikel wurden von Handwebern gefertigt und in Lohnfärbereien und Appreturanstalten veredelt. C. F. Dürr beschränkte sich damals lediglich mit der Konzentration dieses Zweiges der vogtländischen Hausindustrie und legte vor allem den Schwerpunkt seiner kaufmännischen Thätigkeit auf den Besuch der Messen in Leipzig und Frankfurt a. O., die zu jener Zeit noch mehr wie heute in Flor standen.
Der deutsch-französische Krieg 1870/71 bewirkte darauf eine durchgreifende Umwälzung im Geschäftsbetrieb. Es ist schon mehrfach darauf hingedeutet worden, daß die Mobilmachung der Armee gewisse Branchen der Textilindustrie in geradezu fieberhafte Thätigkeit versetzte, weil der Feldzug einen plötzlichen großen Bedarf an Decken, Kleider- und Verbandstoffen hervorrief. So auch hier. Die Firma C. F. Dürr wurde mit der Lieferung von Flanell für die Armee beauftragt, wodurch zuerst ihre Aufmerksamkeit auf diesen Artikel gelenkt wurde. Sie begann von da ab sich mit der Fabrikation desselben zu beschäftigen und zog später noch die Herstellung von Kleider- und Konfektionsstoffen in den Bereich ihrer Thätigkeit.
[Ξ] Das Haus hat diesen Branchenwechsel nicht zu bereuen gehabt, denn es hat sich seitdem zu einem der renommiertesten Vertreter dieser Artikel emporgearbeitet und gehört gegenwärtig mit zu den ersten Firmen am Platze. Anfangs befand sich die Streichgarnspinnerei, deren Errichtung durch die Fabrikation von Flanellen sich nötig machte, in erpachteten Räumen. Auf die Dauer indes ließ sich dieser Zustand nicht aufrecht erhalten, und so erbaute denn die Firma im Jahre 1881 die jetzige stattliche Fabrikanlage in Reichenbach. Gleichzeitig fügte sie der schon bestehenden mechanischen Spinnerei auch mechanische Weberei und Appretur hinzu. Bald sollten indes auch diese Anlagen für den immer mehr wachsenden Betrieb zu eng werden. Eine abermalige Erweiterung machte sich nötig, weshalb ein Zweigetablissement, nämlich eine eigene Färberei in Beiersdorf bei Reichenbach ins Leben gerufen wurde. Dorthin wurde schließlich auch die Appreturanstalt verlegt, während in Reichenbach selbst die mechanische Weberei noch bedeutende Vergrößerungen erfuhr. –
Das Absatzgebiet der Firma C. F. Dürr ist hauptsächlich Deutschland; jedoch ist auch der Export nach Norwegen, Schweden, Dänemark, England, Nord- und Südamerika ziemlich bedeutend. Die Fabrik beschäftigt gegenwärtig über 200 Arbeiter. Drei Dampfkessel mit ca. 350 □m Heizfläche und zwei Dampfmaschinen von zusammen 120 Pferdekräften bilden die Kraftquellen, welche das Etablissement in Betrieb erhalten.
Im Jahre 1876 am 30. November trat der älteste Sohn des Begründers, Herr Edmund Dürr als Teilhaber in das Geschäft ein. Ihm folgte am 29. November 1883 sein Bruder, Herr Albert Dürr. Beide waren vorher schon lange Zeit als Mitarbeiter ihres Vaters thätig gewesen. Vor etwa zwei Jahren zog sich sodann der letztere in das Privatleben zurück und seitdem sind beide Herren alleinige Inhaber der Firma.