LXXVI. Durham und seine Cathedrale Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zweiter Band (1835) von Joseph Meyer
LXXVII. Bonn
LXXVIII. Interlaken in der Schweiz
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BONN

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LXXVII. Bonn.




Wieder einmal betreten wir das Gestade des Rheins, jene gepriesene Gegend des Vaterlandes, wo die Allmacht mit verschwenderischer Hand ihre schönsten Gaben ausstreute, jenen weiten Tempel der Natur, in welchem der gemüthliche Mensch nie ohne Andacht verweilen kann.

Bonn, der Schlußstein gleichsam von diesem Tempel, vereinigt in seiner Umgebung Alles noch einmal, was das Rheinthal, von Mainz abwärts, Schönes beut. – Das Angenehme und Malerische wechseln mit dem Grandiosen und Romantischen der Landschaft in reizender Mannichfaltigkeit. Klare, murmelnde Bäche mit stillen, heimlichen Gründen, neben einem gewaltigen, stolz sich dahinwälzenden Strome, dessen Rücken Seeschiffe trägt; breite Fluren, blumige Auen, üppige Weingärten neben schattigen Hainen und dunkeln Wäldern; sanfte Hügel und freundliche Niederungen; daneben tiefe Thäler zwischen hohen Bergen, ausgeschmückt mit allen Reizen der Felsennatur; dazu auf Höhen und in Ebenen die vielen Ruinen von Römerkastellen, Burgen, Klöstern und Schlössern, welche, mit den glänzenden Palästen der Neuzeit, gleichsam wie ein Panorama der Weltgeschichte an dem Blicke vorüberziehen: – Alles dieß zusammen findet sich in einem Kreise von wenigen Stunden, von dem Bonn selbst den Mittelpunkt bildet. –

Diese Stadt, unter den Rheinstädten eine der ansehnlichsten, ist zugleich der ältesten eine. Schon vor der Römerzeit war sie vorhanden – und hieß ARA UBIORUM, Hauptort der tapfern Ubier, eines beide Ufer des Niederrheins bewohnenden Germanenstammes. Nach dessen Ueberwältigung durch die Römer hieß sie Bonna, CASTRA BONNENSIA. – Die 16. Legion hatte hier, bis zum Verfall des Weltreichs, ihr Lager. Constantin der Große erweiterte und befestigte die Stadt; und seine Mutter, Helene, stiftete und bauete das Münster.

In dem chaotischen Zustande, der den Untergang Rom’s und die Völkerwanderung zur Folge hatte, wurde Bonn verheert; aber immer erhob es sich bald wieder aus den Trümmern. Unter den Carolingern brannten es die [80] einfallenden Normänner zweimal nieder; doch schon um seiner strategischen Wichtigkeit willen ward es eben so schnell wieder aufgebaut und gegen das 13. Jahrhundert[WS 1] war es bereits eine der ansehnlichsten und schönsten Städte am untern Rheinstrom. 1268 wählte es Erzbischof Engelbert von Köln zu seiner Residenz; und seitdem blieb es der Lieblingssitz der folgenden Kurfürsten bis zur Franzosenherrschaft. Die häufigen Kriege, in welche diese Fürsten zu allen Zeiten verwickelt waren, und die unserm Bonn mehrmalige Belagerungen und Verwüstungen zuzogen, schlugen seinem Wachsthum und Wohlstand die tiefsten Wunden; die Munifizenz der Kurfürsten inzwischen machte, daß sie immer schnell wieder vernarbten. 1795 nahmen die Franzosen Besitz vom ganzen linken Rheinufer; und aus einer kurfürstlichen Residenzstadt wurde Bonn eine Unterpräfektur der Französischen Republik, – später des Kaiserreichs. 1814 aus der Franzosen Hände durch die Alliirten befreit, blieb es einige Jahre unter provisorischer Verwaltung, bis es, 1818, zur Rheinprovinz geschlagen, an Preußen fiel. Friedrich Wilhelm III. erkor es zur preußischen Rhein-Universität, die er mit königlicher Freigebigkeit ausstattete und welche die Grundlage des gegenwärtigen Erwerbs und Wohlstandes seiner Bewohner geworden ist. Bonn ward dadurch der Mittelpunkt des geistigen Verkehrs für die schönen Lande des Niederrheins, und die großen Männer im Reiche der Wissenschaft, welche hier lehrten und noch lehren, – (A. W. v. Schlegel, Niebuhr, Makeldey, Hasse, v. Walther, Augusti, Nees von Esenbeck etc.) – haben ihm Weltberühmtheit gegeben.

Bonn zählt gegenwärtig etwa 12,000 Einwohner. Sein Inneres hat das Gemüthliche der alten deutschen Städte; aber nicht das Düstere und die Zeichen des Verfalls so vieler. Es ist dabei heiter und anmuthig. Unter seinen Gebäuden ist das Münster merkwürdig als eine der ältesten christlichen Kirchen am Rhein. Sie ward um das Jahr 310 gegründet, erneuert und erweitert im 12. Jahrhundert. Sie enthält sehenswerthe Denkmäler. Die Martinskirche ist nicht weniger alt. – Die ehemalige kurfürstliche Residenz, jetzt die Universität, ist einer der schönsten Paläste Deutschlands. Er steht auf einer Anhöhe am Südende der Stadt und die Hauptfaçade, gegen den Rhein zugekehrt, bietet einen prachtvollen Anblick. Von der Terrasse derselben genießt man eine schöne Aussicht auf das Siebengebirge mit seinen Castellen und Klöstern und in die lachende Gegend. Eine schattige Kastanien-Allee, die Lieblingspromenade der Bonner, verbindet den Palast mit dem Lustschlosse Clemensruhe in Poppelsdorf, das vom Könige der Universität als Wohnung für Professoren und zur Bewahrung naturhistorischer Sammlungen ebenfalls überlassen wurde. Die weiten Gartenanlagen des Schlosses bilden jetzt den botanischen Garten, den größten und reichsten in ganz Deutschland. – Als ein Muster des gothischen Baustyls ist das Rathhaus sehenswerth, und an mehren Privatgebäuden in und in der Nähe der Stadt erkennt man noch Spuren römischen Ursprungs. –



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Jarhundert