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Titel: Blut und Gebirgsluft
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aus: Die Gartenlaube, Heft 25, S. 428
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
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[428] Blut und Gebirgsluft. Wir wissen seit geraumer Zeit, daß die Höhenluft nachdrücklich und in bestimmten Grenzen auch heilsam auf den menschlichen Körper einwirkt. Die Aerzte nennen das Gebirgsklima ein erregendes, aber sie sind nicht imstande, zu erklären, auf welche Weise sich dieser wohlthätige Einfluß geltend macht. Einiges Licht in unsere Kenntniß von den Umwälzungen, die sich im Körper beim Verlassen der Tiefebene vollziehen, wurde neuerdings durch Studien über die sogenannte „Bergkrankheit“, die beim Besteigen hoher Gipfel zu entstehen pflegt, gebracht. Je höher wir steigen, desto dünner wird die Luft. Sie bleibt sich zwar in ihrer Zusammensetzung annähernd gleich, aber dem Gewichte nach ist in einem Liter Bergluft weniger Sauerstoff enthalten als in einem Liter Luft der Tiefebene. Wenn z. B. am Meeresspiegel in 1 Liter Luft 100 Gewichtstheile Sauerstoff enthalten sind, so sinkt die Menge des belebenden Gases bei 1000 m Höhe auf 88,2%, bei 2000 m auf 77,8% und bei 5000 m beinahe auf die Hälfte, nämlich 53,5%. Mit jedem Athemzug führt somit die Lunge in dem Hochgebirge dem Blute weniger Sauerstoff zu als in der Tiefebene. Wie nun Blutuntersuchungen von Leuten, die sich im Hochgebirge aufhielten, gezeigt haben, paßt sich der Körper den neuen Verhältnissen an. Die rothen Blutkörperchen sind es, die sich in der Lunge mit dem Sauerstoff beladen und ihn mit dem Blutkreislauf allen Organen des Körpers zuführen. Beim Aufenthalt im Hochgebirge wächst nun die Zahl der rothen Blutkörperchen im Menschen um viele Millionen; verläßt man aber das Hochgebirge und kehrt in die Tiefebene zurück, so nimmt die Zahl der rothen Blutzellen wieder ab. Denselben Vorgang hat man auch bei den Lamas festgestellt, die auf den Hochplateaus der südamerikanischen Anden leben. Diese eigenartigen Wirkungen sind neuerdings auch in Deutschland schon in Höhen von 600 bis 700 m beobachtet worden und sie beweisen wohl, daß die Heilsamkeit des Aufenthalts im Gebirgsklima nicht allein in der Reinheit der Gebirgsluft und im Bergsteigen zu suchen ist. Der verminderte Luftdruck scheint die Lebensthätigkeit einzelner Zellen besonders zu steigern, und da die Zellen den Kampf gegen unsere Feinde, die Bakterien, zum großen Theile führen, so erweisen sich die Einflüsse der Höhenluft vielleicht gerade aus diesem Grunde so heilsam gegen die wichtigste der bakteriellen Krankheiten, gegen die Lungenschwindsucht. *