Blüthenzeit, schönste Zeit
[324] Blüthenzeit, schönste Zeit. (Mit Illustration S. 321.) Ich denke eines Frühlingsspaziergangs indem ich unser Früblingsbild betrachte. Vor Jahren war es. Ich wanderte einsam, abseits einer Stadt in ländlicher Natur. In der Nähe keine Menschenstimme, nur Ammernruf und Lerchensang und der stille, sonnige, geheimnißvoll sich entfaltende Lenz. Ich schritt einen Hohlweg mit mannshohen Böschungen entlang, rechts oben von einer Hecke aus Hainbuchengebüsch begleitet.
Da rührte es sich hinter der Hecke, und ich sah auf und sah hinter der undichten sprossenden Hecke grelle Farben von Kinderkleidern. Leise stieg ich aufwärts, denn ich belausche gern Kinder.
Im Durchblick sah ich, was mir unvergeßlich eingeprägt ist. Eine blumige Wiese, darin zwei Blumen pflückende Kinder. Fünf Schritte vor mir aber kauerte ein süßes Geschöpf von vier Jahren, ein Blondkopf mit ernsthaften großen, blauen Augen, steif wie eine wendische Bauernbraut bei der Brautschmückung, und eine ältere Gespielin kniete vor ihr und steckte ihr das Haar voll Veilchen, Gänseblumen und Butterblumen. Ernsthaft und schweigend wurde die Arbeit verrichtet. Die Schattenstreifen und Schattenflecken von der Hecke fielen auf die Gruppe, nur das runde Rosengesichtchen mit den Blumen über sich leuchtete von Sonne.
Ich machte eine unvorsichtige Bewegung, und die großen blauen Kinderaugen wandten sich zu mir her, und über das Gesichtchen lief ein strahlendes Lächeln.
Ich hätte es küssen mögen, dieses Kind, aber ich that es nicht. Ich stieg in den Hohlweg nieder, und mein Herz sprach:
Das ist der Frühling! V. B.