Textdaten
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Autor: R. A.
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Titel: Bismarck in München
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aus: Die Gartenlaube
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[512] Bismarck in München. (Zu den Bildern S. 488 und S. 489.) Ein Wiederaufleben der Begeisterung vom Jahre 1870, ein hohes Aufflammen des Patriotismus in den Herzen der Jugend, ein tausendstimmiger Dank- und Ehrenruf fär den Mitbegründer des Deutschen Reiches, auch von seiten solcher, die in Fragen der inneren Politik nicht immer mit ihm einig gewesen – das waren die jüngstvergangenen Bismarcktage in München.

Viele Tausende drängte es, dem großen aus Amt und Würden Geschiedenen zuzurufen: Dein Volk ist nicht undankbar, du lebst auf ewig in unseren Herzen! Und die Hoffnung, daß der Widerhall dieses Rufes manche Bitterkeit in dem seinigen sänftigen dürfte, trieb zu Kundgebungen, wie sie gewaltiger und rührender dem Fürsten kaum irgendwo dargebracht wurden.

Auch bekam München nicht den „eisernen Kanzler“ zu sehen, sondern einen mildgewordenen Mann, der nur die ehrfurchtgebietende Ruhe des Alters, aber keine seiner Hinfälligkeiten zeigt. Stramm bewegte sich die hohe Gestalt ohne Zeichen von Ermüdung noch am letzten Abend dieser vielbesetzten Tage, aufs liebenswürdigfte dankte der Fürst wieder und wieder für den stets neu aufbrausenden Jubelruf um seinen Wagen, wenn er die Villa Lenbach verließ, vor welcher den ganzen Tag Hunderte gedrängt standen. Die Münchener haben ihn auch östers sprechen hören: im Glaspalast, im Rathhaus und bei den großen Ovationen, am heitersten wohl der Kreis seiner Verehrer in der Künstlergesellschaft „Allotria“, wo er, von Lenbach geleitet, Sonnabend den 24. Juni eintrat und einen Ehrentrunk aus der großen, vom Willkomm im Jahre 1886 her benannten „Bismarckkanne“ thun mußte. Indem der Fürst sich entschuldigte, es nicht jenem Bürgermeister von Rothenburg nachmachen zu können, der durch das Leeren einer solchen Kanne die Stadt rettete, that er doch einen herzhaften Zug und sprach dann seinen Dank für den festlichen Empfang aus, mit der humoristischen Wendung schließend:

„Wir haben im Norden auch ein Bier, es ist zwar naß, aber nicht das! Ich trinke auf das Wohl des Vereins, Sie müssen aber mit einstimmen, sonst ist mein Hoch zu dünn!“ Wie daraufhin eingestimmt wurde, kann man sich wohl leicht vorstellen.

Abends aber, als Musik und Trommelschlag von den Propyläen her erklang und in ungeheurem Zuge die männliche Jugend von München, Schüler, Studenten, Künstler, Sänger, Turner, Schützen und Vereine aller Art, Standarten und Kränze tragend, vor der weit herausspringenden Gartenterrasse des Lenbachhauses vorbeidefilierte, während auf dieser hochaufgerichtet die mächtige Greisengestalt stand und auf den unermeßlichen Jubel herabschaute, da hatte jeder aus der dichtgedrängten Zuschauermenge das Gefühl eines unvergeßlichen geschichtlichen Momentes.

Nachdem dann Lieder und Ansprachen verklungen waren, trat Bismarck zum Reden vor; in die plötzlich eingetretene athemlose Stille hinein erschallte seine Stimme, und in beweglichen Worten legte er der Jugend die Treue gegen das große Vaterland ans Herz. Aus allen seinen Münchener Reden war in immer neuer Wendung die gleiche Mahnung zu hören; am feierlichsten erklang sie aber an diesem Abend, und in Tausenden von jungen Herzen fand sie einen Widerhall, der so lange dauern wird, als diese selbst schlagen. Es lag wie eine große Weihe auf der vieltausendköpfigen Versammlung, jeder mochte die Bedeutung dieser Stunde fühlen; denn nachdem Bismarck geendet, brach ein Jubel aus, der alles Frühere weit überbot, die Fahnen wehten, Blumen wurden zu ihm emporgeworfen. Die allgemeine Begeisterung kannte keine Grenzen und beruhigte sich erst, als der Fürst und seine Umgebung die Terrasse schon lange verlassen hatten. R. A. 

[488]

Fürst Bismarck beim Fackelzug auf der Terrasse des Lenbachschen Hauses.
Nach einer Zeichnung von Fritz Bergen.

[489]

v. Lenbach. 0 Gen.-Int. v. Perfall.
 Frau v. Lenbach.       Fürst Bismarck.
Prof. Schweninger.   Fürstin Bismarck.

Der Besuch des Fürsten Bismarck in der „Allotria“ zu München.
Nach einer Zeichnung von Fritz Bergen.