Bierverladung auf dem Münchener Centralbahnhof

Textdaten
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Autor: Arthur Achleitner
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Titel: Bierverladung auf dem Münchener Centralbahnhof
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 49, S. 833, 836
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[833]

Bierverladung auf dem Centralbahnhof in München.
Nach einer Zeichnung von Walther Püttner.

[836] Bierverladung auf dem Münchener Centralbahnhof. (Zu dem Bilde S. 833.) Es ist kaum eine allzu kühne Behauptung, wenn man sagt, man kenne die weißen Bierwagen überall, wohin Eisenbahnschienen führen, und überall begrüßt man sie als die „Bringer der Lust“. In der Studentenwelt feierte man lange schon „Bayerisch Bier und Leberwurst“ im Liede, und jetzt trinkt der Australier ebensogut wie der Bürger in San Francisko oder in Petersburg sein Glas „Münchener“, vom Berliner, Hamburger etc. ganz abgesehen, die auf das „Echte“ bald mehr geben als der Vollblut-Münchener selbst. Aus dem Münchener Bierversand ist ein Weltexport geworden, dessen Ausdehnung ein im Laderaum des Münchener Centralbahnhofs verbrachter Tag einigermaßen ahnen läßt. Genau 661 weiße sogenannte „Bierspecialwaggons“ sind Privateigenthum der Münchener Braufirmen, davon besitzt die größte Exportbrauerei, „Zum Spaten“, allein 140 Wagen, deren jeweilige Ladung auf einem dieser Brauerei zur Verfügung gestellten eigenen Ladeplatz im Centralbahnhof erfolgt. Die Herstellung eines Bierspecialwaggons mit Isolierwänden zum Schutz gegen Hitze und Kälte und mit dem Eiskühlapparat kostet 4200–4500 Mark. Ein solcher Wagen faßt dann bei 5000 Kilogramm Tragkraft 32, bei 10 000 Kilogramm Tragfähigkeit 61 bis 65 Hektoliter Bier.

Als sich die Brauindustrie Münchens hinsichtlich der Ausfuhr noch in der Entwicklung befand, war die Ablassung von sogenannten Bierzügen zeitlich auf einige Tage in der Woche beschränkt, und dabei mußte eine bestimmte Wagenzahl seitens der Brauereien eingestellt werden. In kurzer Zeit jedoch nahm der Bierversand eine gewaltige Ausdehnung an und es ist heute durchaus keine Seltenheit mehr, daß eine einzige Brauerei 25–30 Wagen mit 1800–2000 Hektolitern (gleich 3–4000 Fässern) an einem Tage verladen läßt. So gehen jetzt die Bierzüge täglich auf drei Linien ab, und zwar des Abends, je 30–35 Wagen auf der Strecke Aschaffenburg für die Rheinlande, ferner über Gemünden nach Mitteldeutschland und Hannover, Bremen und Hamburg und über Probstzella nach Berlin, Sachsen und Schlesien. Nach dem Osten, Westen und Süden dagegen werden eigene Bierzüge nicht abgelassen, sondern die Bierwagen in Güterzüge, nach Möglichkeit auch behufs der nothwendigen raschen Beförderung in Postzüge eingestellt.

Ein Versandtag bringt für Brauerei und Bahnverwaltung Arbeit in Hülle und Fülle. Früh gegen 3 Uhr beginnt in der Brauerei die Arbeit der Bierfüllung in frisch gepichte Fässer. Auf dem Bahnhofe harren die bereitgestellten Wagen der Beladung; die allmählich mit zum Wahrzeichen Münchens gewordenen Rollwagen, mit Hengsten schwersten Schlages bespannt, rasseln dem Bahnhof zu, eigene Beamte bringen die Scheine zum Packmeister der Bahn und zu den dort thätigen Zollbeamten. Hier wird alles vermerkt, die Ladungen werden behördlich bestätigt und die Amtsscheine behufs Buchung der ausgeführten Biermengen (Rückvergütung des Malzaufschlages) an die staatliche Zollbehörde und an das städtische Anschlagsamt geleitet. Sind die „Weißen“ mit dem beliebten Gerstensaft gefüllt, geschlossen und plombiert, dann beginnt die Zusammenstellung des Zugs von Ladeplatz zu Ladeplatz durch das Rangierpersonal der Staatsbahn, bis endlich nach heißer Tagesmühe der fertige Bierzug des Abends München verlassen kann. Jeder Tag aber bringt zugleich zurückkehrende weiße Wagen mit Bergen von leeren Fässern, die sofort umgeladen und der Reinigung zugeführt werden müssen. Das ist ein stetiges Gehen und Kommen, sodaß der Bahnhof immer mit weißen Wagen einem Hasenrücken gleich „gespickt“ erscheint, worüber die einfahrenden Fremden sich nicht genug wundern können. Man darf sagen, es gehen täglich beiläufig 100–120 Bierwagen mit 6–7000 Hektolitern Inhalt aus der bayerischen Hauptstadt, eine erkleckliche Menge des edlen Getränks zur Befriedigung ausländischen Durstes; je mehr es der warmen Jahreszeit zugeht, desto größer wird auch der Versand. Wenn sich dann noch durstige Deutsche irgendwo kongreßlich versammeln, dann rollen gleich zwei und drei Züge hintereinander weißglänzend durch die Nacht, manchmal einer einzigen Brauerei gehörend, eine gefesselte Bierüberschwemmung auf Schienen. So viel aber auch hinauswandern mag in die weite Welt bis über die völkerverbindenden Oceane, es bleibt uns daheim in München gottlob doch immer der nöthige Tropfen, der noch ’mal so gut schmeckt im Bewußtsein, daß der fremde Biertrinker in der Ferne bei jedem Schluck vom „Echten“ der Stadt gedenkt, die solche Flüssigkeit erzeugt. Arthur Achleitner.