Beschreibung des Oberamts Wangen/Kapitel B 16
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16. Gemeinde Neuravensburg,
bestehend aus 20 (51) Parzellen (darunter 1 Dorf und 2 Pfarrweiler) auf 18 Markungen, mit 1020 kathol. Einwohnern. Dieser Gemeindebezirk, die ehemalige Herrschaft Neuravensburg, deren Geschichte unten bei dem Orte dieses Namens angegeben werden wird, ist der südwestlichste des Oberamts, von dem Oberamt Tettnang, der fürstlich sigmaringen’schen Herrschaft Achberg und dem königlich bayerischen Gebiet (Landgericht Lindau) beinahe ganz eingeschlossen. Die obere Argen fließt durch einen Theil des Bezirks und vereinigt sich an der Tettnanger Oberamtsgrenze mit der untern, so daß die vereinigte Argen auf eine halbe Stunde die Oberamtsgrenze bildet. Außerdem ist der Bezirk von dem Schwarzenbach und einigen bedeutenden Weihern, dem Hüttenweiler-, Neuravensburger-, Kohlbronnen-, Riederweiher und Blauensee bewässert. Das Terrain ist hügelig, der Boden fruchtbar. Da dieser Bezirk unter allen Gemeinden des Oberamts die niedrigste Lage hat, und sich südwärts nach dem Bodensee senkt, von welchem er nur zwei kleine Stunden entfernt ist, so ist das Klima das mildeste im Oberamt, und nähert sich schon der Temperatur der Seegegenden. Obstkultur findet man daher hier mehr als sonst im Allgäu; doch wird auch hier mehr Spät- als Frühobst gezogen, da kalte Nebel und Frühlingsfröste dem letzteren, wie auch dem Hanf, der hier sehr fleißig gebaut wird, und zarteren Gartengewächsen oft nachtheilig sind. Die Viehzucht steht im Ganzen dem Feldbau nach. Auszeichnung verdient als Viehzüchter der Wirth Bruder in Neuravensburg, s. oben. Die Vereinödung wurde in den Jahren| 1775–90 ausgeführt. Die Gemeindebürger leben in mittlerem Wohlstande. Auch der Gewerbsbetrieb ist nicht ganz unbedeutend. Da Neuravensburg früher eine besondere Herrschaft bildete, so hatte es eine eigene Zunftlade und die Gewerbe sind ziemlich vollständig besetzt, wiewohl nur auf das eigene Bedürfniß beschränkt. Daß die sehr frequente Straße von Wangen nach Lindau mitten durch den Bezirk führt, ist ein günstiger Umstand, und bringt namentlich in die Wirthschaftsgewerbe einiges Leben. Von Wasserwerken verdienen zwei Eisenhämmer und zwei Mahlmühlen Erwähnung. Sennereien gibt es drei. Durch den unten anzuführenden Kaufsvertrag sind sämmtliche grundherrliche, Patronats- und andere Rechte an den Staat übergegangen. Die Zehntverhältnisse betreffend, so bezahlt die Pfarrgemeinde Roggenzell (nach ihrem früheren Bestand, wonach die Parzellen Föhlschmitten, Grub und Mindbuch noch zu ihr gehörten) aus vertragsmäßigem Zeitpacht ein Geldsurrogat an den Staat von 1212 fl. In der Pfarrgemeinde Schwarzenbach ist die Pfarrei zehntberechtigt, mit Ausnahme der eben genannten drei Parzellen. Heu- und Blutzehnten werden nicht gereicht. Die Gemeinde theilt sich in die zwei Pfarrsprengel Roggenzell und Schwarzenbach so, daß zu den ersteren Neuravensburg, Bettensweiler, Dabensweiler, Hub, Hüttenweiler, Kocherbauer, Moos, Reute, Ried, Roggenzell, Strohdorf und Trollenhof, zu der letzteren Dametsweiler, Degetsweiler, Engetsweiler, Föhlschmitten, Grub, Mindbuch, Schwarzenbach und Untermooweiler, je mit ihren Nebenparzellen gehören. An jedem der beiden Pfarrsitze befindet sich die Schule für den Pfarrsprengel. Jede der genannten Parzellen bildet eine eigene Markung mit Ausnahme des Weilers Kocherbauer und des Hofs Trollenhof.
- 1) Neuravensburg, kath. Dorf mit 110 Einw., nebst der Mahlmühle Hagmühle mit 8 Einw.
- 2) Bettensweiler, Weiler mit 29 Einw., nebst Gugelis, Weiler mit 16 Einw. Bettensweiler (am Hüttenweiler Weiher) ist einer der ältesten beglaubigten Orte Württembergs. Im Jahr 735 vergabt Rinulf seine Güter zu Pettinwillare sammt seinem Knechte Allidulf an das Kloster St. Gallen und im Jahr 864 ein Samuel| mit seinem Weibe Wildrud alle ihre Güter in Pettenwilare an dasselbe Kloster.[10]
- 3) Dabensweiler, Weiler mit 79 Einw., nebst a) Altschmitte, Weiler mit 6 Einw., b) Fuchsbühl, Hof mit 8 Einw., c) Hunderiß, Hof mit 5 Einw., d) Loch, Weiler mit 8 Einw.
- 4) Dametsweiler, Hof mit 4 Einw., eine Sennerei.
- 5) Degetsweiler, Weiler mit 32 Einw., nebst a) Aichhof, Hof mit 7 Einw., und b) Rothen, Weiler mit 10 Einw.
- 6) Engetsweiler, Weiler mit 54 Einw., nebst a) Irgenhaus, Hof mit 6 Einw., und b) Kögelshof, Hof mit 9 Einw.
- 7) Föhlschmitten, Weiler mit 37 Einw., nebst a) Maierhalden, Hof mit 11 Einw., und b) Wuhr, Haus mit 7 Einw. Föhlschmitten, gegenüber dem Schloßberg an der Argen gelegen, ist im Jahr 1814 von der Pfarrei Roggenzell der Pfarrei Schwarzenbach zugetheilt worden.
- 8) Grub, Weiler mit 24 Einw., nebst Hinterberg, Hof mit 5 Einw.; das kirchliche Verhältniß wie bei Föhlschmitten.
- 9) Hub, Weiler mit 23 Einw.
- 10) Hüttenweiler, Weiler mit 32 Einw., nebst a) Halders, Hof mit 8 Einw., b) Metzgerhof, Hof mit 5 Einw., c) Schlachters, Hof mit 5 Einw. Hüttenweiler ist der südlichste Ort des Oberamts; der davon benannte Weiher ist von Abt Ulrich von St. Gallen im J. 1484 erweitert und zu einem großen Fischteich eingerichtet worden.
- 11) Locherbauer, Weiler mit 6 Einw., gehört zur Markung Bettensweiler, an der Landstraße nach Lindau.
- 12) Mindbuch, Weiler mit 36 Einw., nebst a) Argenhof, Hof mit 3 Einw., b) Dittis, Hof mit 4 Einw., c) Friedhag, Hof mit 8 Einw., d) Gugelloch, Hof mit 9 Einw. Das kirchliche Verhältniß s. oben bei Föhlschmitten.
- 13) Moos, Weiler mit 29 Einw.
- 14) Reute, Weiler mit 28 Einw., nebst a) Bachhof, Hof mit 8 Einw., und b) Bergler, Hof mit 4 Einw. Durch Reute führt die Landstraße von Wangen nach Lindau.
- 15) Ried, Weiler mit 38 Einw., nebst a) Buhlmüller, Hof mit 7 Einw., und b) Weißenhaus, Haus mit 9 Einw. |
- 16) Roggenzell, kath. Pfarrweiler mit 42 Einw. Roggenzell liegt 21/2 St. von Wangen, an der Landstraße von da nach Lindau. Die Pfarrkirche zum heil. Gallus, ein altes unscheinbares Gebäude, welches das Haupt des heil. Märtyrers Faustus bewahrte, ist 1839 abgebrochen und dafür auf Staatskosten im folgenden Jahre eine neue Kirche erbaut worden, die einen gefälligen Eindruck macht. Die alte Kirche war ehemals Filialkirche von Siegmarszell in Bayern, wurde aber 1480 vom Stift St. Gallen mit bischöflicher Zustimmung zu einer Pfarrkirche erhoben. Mit dem Patronat- und Zehntrecht ging auch die Baulast der Kirche und Pfarrwohnung an den Staat über. Der Kirchenfonds hat 4500 fl. Kapital. Eine Schule besteht für den Pfarrsprengel.
- 17) Schwarzenbach, kath. Pfarrweiler mit 87 Einw., nebst a) Ferdishof, Hof mit 18 Einw., b) Kiesgrub, Hof mit 2 Einw., c) Knolper, Weiler mit 14 Einw., d) Mendler, Hof mit 8 Einw. Schwarzenbach hat eine angenehme Lage im Argenthale an der Mündung des Schwarzenbachs in die obere Argen und an der Straße von Wangen nach Lindau, 13/4 St. von ersterem Orte. Der Ort und seine Pfarrkirche gehört zu den ältesten der Umgegend, schon 815, als Hadupert, Hatto’s Sohn, sein väterliches Erbe im Argungau (pago Argunense) dem Kloster St. Gallen schenkt, kommt Swarzinpach vor, und zwar mit einem Priester Theodold. Eben so wurde 856 die Schenkung Reginberts von Niederwangen in „Suarzunpac“ verhandelt. Die Kirche zu St. Felix und Regula steht auf einer kleinen Anhöhe und wurde 1663 neu gebaut. 1577 belehnt das Kloster St. Gallen die Söhne Christophs von Sirgenstein mit dem Vogtrecht in Schwarzenbach. Der Kirchenfonds hat nur ungefähr 1200 fl. Kapital; Ausfälle decken die Beiträge der Kirchengenossen und subsidiär der Zehntherr, welches hier die Pfarrei ist. Das Pfarrhaus wurde 1816 neu gebaut; die Baulast trägt die Pfarrei. Die Pfarrschule hat Einen Lehrer. Von Niederwangen ist Schuppenberg hieher eingepfarrt und der Pfarrei zehntpflichtig. Im dreißigjährigen Krieg (1633) wurde der Ort von den Schweden gänzlich eingeäschert.
- 18) Strohdorf, Weiler mit 14 Einw.
- 19) Trollenhof, Hof mit 5 Einw., zur Markung Dabensweiler gehörig.
- 20) Unter-Mooweiler, Weiler mit 79 Einw., nebst a)Füßinger, Hof mit 6 Einw., b) Schmalholz, Hof mit 7 Einw., c) Tegernmoos, Hof mit 4 Einw. Untermooweiler war Eigenthum der Sirgen von Sirgenstein, und wurde um die Mitte des 17ten Jahrh. deren Erben vom Abte Pius von St. Gallen um 8200 fl. abgekauft, blieb aber fortwährend zum Ritterkanton Allg. Bodensee| steuerbar und stand unter österreichischer hoher Jurisdiktion, s. oben. Der Ort hat eine von der Parzellar-Gemeinde unterhaltene, schon 1312 erbaute Kapelle zum h. Nikolaus, in welcher der Pfarrer von Schwarzenbach jährl. 14 Messen zu lesen hat. Wilhelm von Neidegg besaß hier den halben Zehnten als Laienzehnten und stiftete ihn 1437 mit einem Jahrstag zur Pfarrei.
- ↑ Wir folgen in dieser ältern Geschichte von Neuravensburg einer gütigst mitgetheilten Untersuchung des Herrn Domkapitulars von Vanotti.
- ↑ Sulgeri Annal. Zwief. T. I. p. 58. Vergl. Tschudi, Schweizerchronik I. S. 74.
- ↑ „Ob nun alle diese, die sich von Ravensburg schrieben, auch im Besitze von Neuravensburg waren, oder ob sie diesen Namen nicht als Ammanne (Ministri) der Hohenstaufen in der Stadt Ravensburg führten, dürfte bei Einigen zweifelhaft seyn.“ v. Vanotti.
- ↑ Er starb nach Tschudi 1260, jedenfalls vor 1270, da ihn eine Urkunde von 1271 Henricum de Ravensb. piae mem. nennt.
- ↑ Tschudi's Schweizerchronik I. S. 159: „1260 starb Heinrich von Nuwenravenspurg fry ohne Liberben. Er was Abt Berchtolden von St. Gallen Mumen Sune und was ouch sin Gottzhuß Dienstmann, denn er sin Schloß und Stettlin Ravensburg vom Gottzhuß St. Gallen zu Lehen hat, deßhalb die Burg und Stettlin dem Gottzhuß ledig heimfiel.... Nun hatt der von Ravensburg Blutzfründ, die vermeintend Erben zu sin, unterstunden sich des Guts zu unterwinden ... mußtend aber abstan –“
- ↑ Der Wohnsitz der Ritter von Schönenstein in der Nähe von Neuravensburg war ein Lehen von St. Gallen. In der Fehde des Abtes Bertold mit dem Bischof Werner von Constanz (1260) war Konrad von Schönenstein auf der Seite des Abtes. Im Jahr 1418 wurde von St. Gallen der Burgstall Schönenstein dem Burkart Negel und Burkart von Heimenhofen geliehen, dagegen erhielt Lutz von Schönenstein 1419 die Kastenvogtei über die Kirche zu Sigmars als ein St. Gallisches Lehen.
- ↑ Den 10. Oktober 1408 verlieh König Ruprecht den Zoll zu Neuravensburg als heimgefallenes Lehen seinem Landvogt in Schwaben, dem Grafen Hug von Werdenberg (Chmel. Reg. p. 164). 1570 bewilligt Abt Joachim von St. Gallen den österreichischen Amtleuten zu Neuravensburg, einen neuen Zoll aufzurichten, jedoch unbeschadet der niedern Gerichtsbarkeit des Stiftes (Urk. des K. Arch.).
- ↑ Noch jetzt trägt ein Distrikt, aus Baumgut, Ackerland und Wiese bestehend, den Namen „die alte Stadt.“
- ↑ Die Übergabe erfolgte den 10. Sept. 1806 zu Weingarten durch den franz. General Börner an den k. württ. Kommissär, Freih. von Maucler. Im Januar 1806 hatte sich Bayern durch ein Militärkommando auf eine Zeitlang in faktischen Besitz gesetzt; dieser wurde auch durch Vertrag vom 6. Juni von Württemberg anerkannt. Untermooweiler wurde – als ritterschaftlich – erst durch den Vertrag vom 13. Okt. 1806 von Bayern an Württemberg abgetreten.
- ↑ Neugart (C. D. 9 et 420) will beidesmal Bätschwyl im Zürichgau verstehen, gewiß mit Unrecht; denn Bettensweiler ist eine uralte Besitzung St. Gallens, und in letzterer Urkunde deutet ja der Name des Gaugrafen Gozbert deutlich genug auf diese Gegend, da er um jene Zeit Graf des Nibelgau’s war. Auch das Patachinwilare, wo ein Priester Patacho mit seinem Bruder Sigbert Güter von St. Gallen eintauscht (839. Neug. 296), ist vielleicht unser Bettensweiler.