« Kapitel B 4 Beschreibung des Oberamts Waldsee Kapitel BW »
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5. Gemeinde Ingoldingen,
461 Einwohner.
  • 1) Ingoldingen ein katholisches Pfarrdorf 31/2 Stunden nordöstlich von Waldsee, mit 307 Einwohnern, C. A. Waldsee, F. A. Ochsenhausen. Der Zehenten gehört zu 2/3 dem Staat und zu 1/3 dem Hospital zu Biberach. Das Patronat ist königlich. Die Grundlasten des Gemeindebezirks betragen 313 fl. in Geld, und 2.005 fl. in Natural-Gefällen. Sie werden von dem Staat bezogen, mit Ausnahme eines kleinen Theils, den die Kirchen- und die Gemeinde-Pflege des Orts und die Univ. Freiburg haben. Außer den zur Gemeinde gehörigen Parzellen gehörte zur Pfarrei Ingoldingen auch der Weiler Appendorf, wurde aber 1808 nach Schweinhausen eingepfarrt und dagegen 1809 der Ort Grodt, Oberamts Biberach, zugetheilt. Die ganze Pfarrgemeinde hat nur eine Schule mit einem Lehrer zu I.

    Ingoldingen liegt nahe an der Riß, hat eine offene freundliche Lage und wird durch die Federach bewässert. Die meist mittelmäßigen Felder sind durch erhöhte Betriebsamkeit| ergiebig. Der Ort hat eine Kirche zum heiligen Georg, ein Schulhaus, ein Pfarrhaus mit Ökonomie-Gebäuden, eine herrschaftliche Zehentscheuer und eine Schildwirthschaft. Die Baulast am Pfarrhaus hat der Staat, an der Kirche die Kirchenpflege und subsidiär die Zehentherren, wovon jedoch der Hospital in Biberach seine Verpflichtung bestreitet, die nun im Rechtsweg in Anspruch genommen wird.

    Ingoldingen gehörte mit Degernau, Voggenreute und Schickenmühle der Benediktiner-Abtei St. Georg auf dem Schwarzwald, nachher in Villingen, und bildete seit dem westphälischen Frieden eine eigene zu der österreichischen Landvogtei, dem Ober- und Kreis-Amt Altdorf gehörige Vogtei und kam mit dieser an die Krone Würtemberg. Mit der Vogtei war der Blutbann verbunden, welchen das Pflegamt zu Ingoldingen nebst der niedern Gerichtsbarkeit ausübte. Die Steuern wurden, in runder Summe jährlich 150 fl., an Österreich bezahlt. Die Jagd gehörte zur freien Pürsch.

    Ingoldingen war in den ältesten Zeiten in dem Besitze der Edlen von Degernau und scheint durch die Stifter der Abtei St. Georg, Hetzilo und Hesso, schon mit der Stiftung im Jahr 1083 an das Kloster gekommen zu seyn. Von den Stiftern war wenigstens Hetzel, wenn nicht auch Hesso, ein Herr von Degernau; in einer Urkunde von 1095, nach welcher dasselbe von Papst Urban II. in päpstlichen Schutz genommen wird, werden übrigens beide, nobiles de Degerau, als Stifter bezeichnet. Nach der weitern Urkunde vom 14. April 1139, worin Papst Innocenz II. die Privilegien des Klosters bestätigt, und Hesso und Hetzilo als Stifter genannt werden, finden sich Villa Degernauw und Ingeltingen schon im Besitz desselben.[1] Auch in der Bestätigungs-Urkunde Papst Alexanders III. vom 26. März 1179 ist Villa Degernowe und Ingeltilgen – hier erstmals cum ecclesia – als Besitzung des Klosters,| in welcher die Herrschaft Ingoldingen auch fortwährend blieb, aufgezeichnet.[2] Übrigens kommt noch 1227 ein Heinrich von Ingoldingen vor. Unrichtig ist aber wohl die Behauptung von Hanselmann (Weiterer Beweis etc. Beil. 143), daß Ingeltingen 1243 dem Konrad von Schmalneck (Schmaleck), Erbschenken des ehemaligen Herzogthums Schwaben, mit dem Schirm der Kirche von Gottfried von Hohenlohe zu Lehen übertragen worden sey; wahrscheinlich verwechselt er Ingoldingen mit dem Städtchen Ingelfingen im Hohenlohischen. Die Kirche wurde mit päpstlicher Bewilligung vom 14. Febr. 1481 dem Kloster incorporirt und von 1509 an in der Regel von einem Conventualen versehen, der zugleich die Verwaltung besorgte, bis unter Kaiser Joseph II. ein eigener Pfleger für die Herrschaft aufgestellt wurde. Sämmtliche Einkünfte von Ingoldingen wurden 1809 dem königl. Cameral-Amt Waldsee inkamerirt und der Pfarrer mit 550 fl. Besoldung salarirt.
  • 2) Degernau, ein kathol. Weiler mit 135 Einwohner, Filial von Ingoldingen mit einer Kapelle zum heiligen Laurenz und einer herrschaftlichen Zehentscheuer. Zehenten etc. wie bei Ingoldingen, womit es von den ältesten Zeiten her verbunden war; siehe oben. Auf dem Schloßberg, auf welchem die bemerkte Kapelle steht, stand ehemals die Burg der Edlen von Degernau oder Tegernau, wovon aber jetzt nichts mehr zu sehen ist.
  • 3) Schickenmühle, ein katholischer Hof und Mühle an der Riß, unterhalb Ingoldingen, mit 7 Einwohnern, Bestandtheil der vormaligen Vogtei Ingoldingen.|
  • 4) Voggenreute, ein kathol. Weiler mit 2 Wohnhäusern und 12 Einwohnern. Er soll erst lange nach dem Übergang von Ingoldingen in den Besitz der Abtei St. Georg entstanden seyn; nach einer andern und sicherern Nachricht aber war er schon im Jahre 1311 im Besitze des Klosters Baindt.


  1. Gerbert, Hist. silvae nigrae T. I. p. 284 und T. III. p. 73 n. 48.
  2. Neugart C. D. N. 878. Nur auf kurze Zeit nahm Würtemberg im Jahr 1566 von der Herrschaft Besitz, als von einem Theil des reformirten Würtembergischen Klosters St. Georgen. Es geschah mit bewaffneter Hand, bald aber vertrieb die Österreichische Landvogtei gleichfalls mit Gewalt den Würtembergischen Pfleger zu Ingoldingen und stellte das Besitzthum dem nach Villingen geflüchteten Abt und Convent des Klosters St. Georgen zurück.