« Kapitel B 32 Beschreibung des Oberamts Waiblingen [[Beschreibung des Oberamts Waiblingen/|]] »
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33. Gemeinde Winnenden,[1]
mit Schloß Winnenthal, Gemeinde zweiter Classe mit 3291 Einwohnern, worunter 9 Katholiken.


a) Winnenden, Stadt, früher Oberamtsstadt, auf der bei Baach erwähnten Hochebene, 2 Stunden nordöstlich von Waiblingen, mit diesem durch die S. 77 erwähnte nach Hall führende, neue Steige verbunden. Die Erhebung über dem Mittelmeere beträgt unter dem Wachthurm 887,2, an der Kirche 898,7 Pariser Fuß. Winnenden ist der Sitz eines königl. Hofcameralamtes, eines Hofkammerförsters und einer Postexpedition ohne Stall. Der Name der Stadt mag auf ursprüngliche windische d. i. slavische Anbauer hinweisen.

Sämmtliche Zehenten auf der ganzen Markung stehen der königl. Hofdomainenkammer zu, welche sie an die Stadt verpachtet hat. Die Stadt ist dem Forstamt Reichberg zugetheilt. Der Capitalwerth der seit 1818 der Hofdomainenkammer abgekauften Grundgefälle beträgt 19.078 fl. 8 kr. Die Gefälle, welche der Fürst von Öttingen-Wallerstein schon im sechzehnten Jahrhunderte zu beziehen hatte, sind 1838 und 1847 durch Kauf an die Hofdomainenkammer übergegangen, und letztere hat außer einigen Laudemien und den Zehenten nur noch 4 fl. 19 kr. Geld, 4 Eimer 4 Imi Bodenwein, 4 Scheffel Roggen, 4 Scheffel 4 Simri Dinkel und 4 Scheffel 5 Simri Haber zu erheben.

Im Süden und Osten umgeben die Stadt in der Entfernung von 1/41/2 Stunde die S. 3 erwähnten letzten Ausläufer des | Welzheimer Waldes, indeß westlich oben gedachte Ebene bis zum Stromberg hin sich ausdehnt, und nördlich durch die Löwensteiner Berge begrenzt ist. Von dem südlich gelegenen Roßberg eröffnet sich eine freundliche Fernsicht.

Winnenden liegt auf einem Rücken zwischen den zwei S. 7 genannten von Osten nach Westen streichenden Thälchen, von welchen das eine nördlich, das andere südlich die Stadt begrenzt. Beide sind anfangs enge und tief, erweitern und verflachen sich aber gegen Westen. Ihre Abfälle sind östlich von der Stadt etwas steil, in der Nähe derselben aber flach und überall mit Wald, Baumgärten und Weinbergen besetzt; ihr Grund ist bewässert, besteht meist in Wiesen, und ist fruchtbar und selten einer Überschwemmung ausgesetzt. Das erstere Thälchen ist vom Buchenbach, der nördlich von Winnenden fließt, das andere vom südlich fließenden Zipfelbach, der sich sofort westwärts wendet, bewässert. Der Buchenbach wird von den zahlreichen Färbereien und Gerbereien Winnendens häufig benutzt und treibt unterhalb der Stadt noch eine Tuchscheererei. Das Wasser ist oberhalb der Stadt klar, unterhalb derselben schmutzig. Quellen sind zwar viele in der Umgebung; sie sind aber theilweise sehr schwach, theilweise tief gelegen, so daß die Stadt und Winnenthal ihr Quellwasser in gegen eine Stunde langen Wasserleitungen herbeiführen müssen. Dieselbe, die außerdem noch mehrere Pumpbrunnen hat, erhält dadurch sehr reichliches und gutes Trinkwasser. Im Zipfelbachthale zwischen Winnenden und Schwaickheim befinden sich zwei als unergründlich angesehene Quellen, der sogenannte große und kleine Teufelsbrunnen, von welchen der erstere zu einer Sage Anlaß gegeben hat, wonach einst ein Mädchen mit ihrem Kinde sich ertränkte und nun dort von Zeit zu Zeit als Gespenst sich zeigen soll. Er ist durch Gebüsch und Sumpfboden ziemlich schwer zugänglich und fließt zu jeder Jahreszeit reichlich. Der hier befindlichen Mineralquellen ist S. 11 gedacht. Im Schloßgarten ist noch ein kleiner See, der durch in demselben entspringende Quellen gespeist wird. Nördlich von Winnenden scheint der Buchenbach zu einem großen See aufgestaut gewesen zu seyn, wie aus dem Namen der dort liegenden „Seewiesen“ und des das Thal nördlich begrenzenden Hügels „der Seehalde“ hervorgeht. Auch unterhalb der Stadt gegen Leutenbach sind Erderhöhungen, die gleichfalls auf einen ehemaligen See schließen lassen. Im Jahre 1537 werden ein See des Commenthurs (bei Winnenthal), ein See oberhalb des Bades, ein neuer See und eine Seemühle genannt.

Da die Stadt auf einer kleinen Anhöhe liegt, und nur in einiger Ferne von Bergen umgrenzt ist, so bietet sie einen freien | Anblick. Die Anhöhe fällt gegen Norden ziemlich stark ab; gegen Süden ist die Abdachung viel geringer. Der Boden ist fruchtbar, an einigen Stellen etwas schwer, meist aus Lehm und Humus bestehend. Er geht meistens tief und hat Keupermergel zur Grundlage. Die Luft ist rein, trocken und mild; bedeutende Nebel sind selten. An einzelnen Stellen sind im Sommer Morgens und Abends sehr kühle scharfe Durchzüge, daher auch in den Thälern weiche Pflanzen leicht von Frühlingsfrösten leiden. Die Ernte ist einige Tage später als in Waiblingen, aber doch noch 8 Tage früher, als in Oppelsbom und anderen höher gelegenen Orten. Hagelschlag ist selten; der Korberkopf und das Hohreusch bilden eine Wetterscheide (S. 22). Das Aussehen der Stadt ist freundlich, besser als dasjenige Waiblingens. Die starken Mauern, womit sie nebst einem tiefen Graben umgeben war, sind vielfach durchbrochen und der Graben meist ausgefüllt. Die Hauptstraße, welche auf dem Kamme des gedachten Hügels hinläuft, ist ziemlich breit und erträglich gerade. Die zweite Straße ist schon ziemlich schmal, fällt aber etwas steil gegen Norden ab; die übrigen Straßen sind enge kleine Gäßchen. Die Vorstadt ist freundlicher. Durch Winnenden führt die äußerst frequente Stuttgart-Haller Staatsstraße; auch ist es durch die S. 77 gedachten Commerzialstraßen mit Ludwigsburg, Schorndorf und dem Welzheimer Walde in Verbindung gesetzt, wodurch der Verkehr der Stadt sehr an Lebhaftigkeit gewinnt.

Winnenden hat 371 Haupt- und 104 Neben-Gebäude. Die Häuser sind meist ziemlich groß und – mit Ausnahme von vier steinernen Gebäuden – von Holz mit Fachwerk. Sie stehen enge bei einander und sind in den Seitengäßchen meist klein, zum Theil erbärmlich. Von den Thorthürmen steht nur noch der Schwaickheimer; er befindet sich jetzt mitten in der Stadt und gewährt einen stattlichen Anblick. Ein Schloß, das in der Stadt stand, und wo z. B. 1478 der Vogt wohnte, muß schon lange abgegangen seyn. An öffentlichen Gebäuden sind zu nennen:

Die Schloßkirche zum heiligen Jacob, welche im fünfzehnten Jahrhundert vom deutschen Orden erbaut ward. Bei dem hienach zu erwähnenden Schlosse Winnenthal stehend ist sie gleichwohl die Mutterkirche der Stadt. Sie ist von einfacher, schöner gothischen Bauart, enthält aber Spuren noch älterer Baureste. Der Hochaltar von kunstreicher Schnitzarbeit trägt die Jahreszahl 1520 und stellt Scenen aus der Legende des heiligen Jacob in halb erhabener Arbeit dar (S. würt. Jahrb. 1841 S. 228). Unter den Statuen will man auch den heiligen Wendelin[2] erkennen. An | der Seite des Chors sind einige Grabdenkmale der Breuning zu Buchenbach und des letzten 1608 hier gestorbenen deutsch-ordenschen Commenthurs, Johann v. Gleichen; im Fürstenstand ein Stuckrelief, wahrscheinlich von 1698. Die steinerne Kanzel ist getragen von einem aus Stein gehauenen Pilger, umgeben von dem Heiland und den 4 Evangelisten (W. Jahrb. a. a. O.). Der Thurm ist niederer geblieben als die Kirche, welche übrigens für die große Pfarrgemeinde nicht mehr zureicht.

Die sogenannte Stadtkirche oder Bernhardscapelle, in der Stadt, 1713 nach der 1693 erfolgten Einäscherung der Stadt neu aufgebaut, hat einen häßlichen Thurm, faßt kaum die Hälfte so viel Menschen, als die Schloßkirche und bietet nichts Merkwürdiges dar. Beide Kirchen sind in ziemlich gutem Zustand und von der Stiftungspflege Winnenden, jedoch unter bestimmten Beiträgen der Filialien, zu bauen und zu erhalten. In der letzteren werden die Kinderlehren und Wochengottesdienste, in der Schloßkirche die Predigten gehalten. Die Wohnung des Stadtpfarrers liegt bei der Stadtkirche, das Diaconathaus nicht ferne davon; beide Gebäude hat die königl. Hofdomainenkammer, welche auch die Geistlichen besoldet, im Bau zu erhalten. In dem 1846 von der Stadt erbauten Schulhaus ist auch die lateinische und Real-Schule untergebracht. Dasselbe ist in dem engsten und schmutzigsten Theile der Stadt gelegen. Es soll hier zuvor das Beguinenhaus, (s. unten) gewesen sein, und das Volk will wissen, daß sich, wenn im nächsten Jahre guter Wein zu erwarten sey, in den Nächten vom Advent bis Weihnachten zuweilen ein stattliches Schwein in denselben sehen lasse.

Das Gebäude, worin sich seit 1831 das königl. Hofcameralamt befindet, steht in der Hauptstraße. Ebenso das stattliche Rathhaus. Der hofkammerliche Fruchtkasten, ein neues gut gebautes Gebäude, ist weithin sichtbar. Die Rettungsanstalt Paulinenpflege liegt am südlichen, die mit derselben verbundene Taubstummenanstalt am südöstlichen Ende der Stadt.

Was die Einwohner und Bevölkerungsverhältnisse betrifft, so hatte Winnenden mit Winnenthal am 3. Decbr. 1846 1595 männliche, 1696 weibliche, zusammen 3291 Angehörige, die, mit Ausnahme von 9 Katholiken, sämmtlich evangelischer Religion sind. Davon waren abwesend 543 und zufällig ebenso viele Fremde anwesend, weßhalb die Zahl der Ortsanwesenden dieselbe blieb. Im Jahre 1832, 1. November hatte die Stadt 3050 | Angehörige (1466 männliche, 1584 weibliche); davon waren 287 abwesend, dagegen 328 Fremde anwesend, so daß sich die ortsanwesende Bevölkerung damals auf 3091 stellte. Die Zahl der Ehen betrug 1832 521; im Jahre 1846 515; die Familienzahl war 1846 714. Es kommen sonach für dieses Jahr auf 1 Ehe 6,4, auf 1 Familie 4,6 Angehörige.

Geboren wurden im Durchschnitt von 1836/46 jährlich 128,1, darunter uneheliche 10,1. Auf 1000 Einwohner kommen hienach 38,9 Geburten, oder 1 Geburt auf 25,7 Einwohner. Unter 100 Geburten befanden sich 7,9 uneheliche, oder die unehelichen verhalten sich zu den ehelichen[ER 1] wie 1:11,6, ein Verhältniß, das sich günstiger zeigt als das für den ganzen Bezirk (1:9,9).

Gestorben sind nach jenem Durchschnitt von 1836/46 jährlich 106,7; es kommen also auf 1000 Angehörige 32,4 Todesfälle, oder 1 Todesfall auf 30,9 Angehörige, und zwar bei 1000 Personen männlichen Geschlechts 33,0; bei 1000 Personen weibl. Geschlechts 31,7 Todesfälle. Auf 100 Gestorbene kommen 120,1 Geborene.

Der Überschuß der Geborenen über die Gestorbenen, d. h. der natürliche Zuwachs der Bevölkerung betrug in dem Jahrzehent 1836/46 214 Personen (107 männl., 107 weibl.); die Abnahme durch Wanderung 67 (19 männl., 48 weibl.); der Zuwachs überhaupt 281 (126 männl., 155 weibl.) oder 9,3 Procent der Bevölkerung. Nach der Aufnahme von 1846, 3. December, befanden sich hier Übersechzigjährige 265, oder auf 1000 Angehörige 80,5, während auf die gleiche Anzahl im Bezirk 71,5, im ganzen Land deren 75,7 kommen.

Berühmte Winnender sind:

Hunnius, Ägid., geb. den 21. Decbr. 1550, in Tübingen für die Theologie gebildet, 1574 Diaconus in Tübingen, 1576 Professor in Marburg, 1592 in Wittenberg, bekannt durch seine Controversien mit den gelehrtesten Reformirten und Flacianern, deßgleichen durch seine Theilnahme an verschiedenen Religionsgesprächen. Er starb den 4. April 1603. Seine lateinischen Werke sind 1607 bis 9 in 5 Foliobänden zusammengedruckt worden.

Lyser (Leyser), Polykarp, geb. den 18. März 1552. Nach Vollendung seiner theologischen Studien in Tübingen wurde er 1573 als Pfarrer nach Göllersdorf, 1576 als Professor der Theologie, Assessor des Consistoriums und Superintendent nach Wittenberg befördert. Im Jahre 1588 folgte er einem Rufe als Coadjutor und Superintendent zu Braunschweig, kehrte aber 1593 an die Universität Wittenberg zurück. Im Jahre 1594 wurde er Oberhofprediger in Dresden, als welcher er den 22. Februar 1610 verschied. Er machte sich berühmt als Mitverfasser der Formula | Concordiae, durch seine vielen theologischen Werke und seine Glaubensstreitigkeiten mit Sam. Huber und Jac. Gretser.

Sigwart, Joh. Georg, geb. den 16. October 1554, studirte zu Tübingen, wurde daselbst 1584 Diaconus, 1587 ordentlicher Professor der Theologie, 1589 Stadtpfarrer und Specialsuperintendent, auch Superattendent des theologischen Stifts. Der Streit mit den Reformirten nahm ihn sehr in Anspruch; von seinen Schriften machte ihn besonders seine Disputationen über das christliche Glaubensbekenntniß und die für die Augsburgische Confession bekannt. Er starb als Rektor der Tübinger Hochschule im Jahre 1618.

Grüninger, Erasm., geb. den 14. November 1566. Seine Studien begann er in Heidelberg, wo er in der Sprachkunde und Weltweisheit große Fortschritte machte, ging aber, als die Evangelischen dort vertrieben wurden, nach Tübingen, um dort die Theologie zu absolviren. Er wurde 1591 Diaconus in Kirchheim, 1592 in Stuttgart, 1594 Pastor an der St. Leonhardskirche daselbst, 1597 Superintendent zu Canstatt, 1598 Hofprediger und Consistorialrath, 1612 Abt zu Maulbronn, 1614 Propst zu Stuttgart, als welcher er den 19. December 1631 starb. Er war ausgezeichnet als Kanzelredner und zugleich ein guter Musiker.

Bengel, Joh. Albrecht, Sohn des hiesigen Diaconus Albrecht Bengel, geb. den 24. Juni 1687. Nach Vollendung der theologischen Studien in Tübingen wurde er 1713 Klosterpräceptor und Prediger in Denkendorf, 1741 herzoglicher Rath und Probst im Kloster Herbrechtingen, 1749 Prälat zu Alpirsbach; sein Tod erfolgte am 2. November 1752. Er erlangte große Berühmtheit durch seinen kritischen Scharfsinn, seine Verdienste um die neutestamentliche Kritik und Exegese, seine vielen theologischen Schriften, besonders aber auch durch seine Lehre vom tausendjährigen Reiche. Vergleiche über ihn J. Chr. F. Burk, J. A. Bengel’s Leben und Wirken. Stuttgart 1831. 8.

Die Gesundheitsverhältnisse und der Grund der scrophulösen Krankheiten sind schon S. 37 angegeben. Im Übrigen ist der Gesundheitszustand erwünscht. In Sitten und Lebensweise zeichnen sich die Einwohner vor jenen der Umgebung nicht aus; nur ist eigenthümlich, daß sie ihre Kleidungsstoffe beinahe durchaus selbst bereiten und verfertigen. Fleiß und Betriebsamkeit ist unter der Mehrzahl vorherrschend. Diejenigen, welche der pietistischen Richtung angehören, ragen nicht bloß durch höheren Gewerbsfleiß und mehr Wohlhabenheit, sondern auch durch regere Theilnahme an öffentlichen Wohlthätigkeitsanstalten und an der christlichen Mission hervor. Die Nahrungsquellen fließen aus der Gewerbsindustrie | und der Landwirthschaft. Im Allgemeinen wird wahrgenommen, daß die Wohlhabenheit abnimmt. Zwar ist noch ein tüchtiger vermöglicher Mittelstand hier, aber die Zahl Derer, namentlich aus der Klasse der Handwerker, welche öffentlicher Unterstützung bedürfen, nimmt von Jahr zu Jahr zu, und es wird namentlich in den die Gewerbsindustrie so sehr belebenden Wochenmärkten die Ursache des Vermögenszerfalls vieler Einwohner gefunden, da der Handwerksmann es für seine heilige Pflicht hält, jedesmal an solchen Tagen von Nachmittags 2 Uhr an das Wirthshaus zu besuchen und von einer Schenke zur andern zu gehen, und die Genußsucht überhaupt sehr im Schwunge ist. Übrigens werden wenige Familien hier seyn, welche nicht in gewöhnlichen Jahren Sonntags ihr Fleisch auf ihrem Tische sehen, und auch der hiesige Weingärtner hat vor vielen seiner Standesgenossen das voraus, daß er, wenn es irgend etwas Wein gibt, immer einen Trunk in den Keller bekommt, da es hier und in der Umgegend allgemeine Sitte ist, nur den Vorlaß zu verkaufen. Bemerkenswerth ist die Eifersucht zwischen Waiblingen und Winnenden, welchen man schon vor der Aufhebung des Oberamtes Winnenden wahrgenommen haben will.

Die Markung begreift 1067/8 Morgen Gärten und Länder, 16635/8 Morgen Äcker, wovon 3732/8 willkürlich gebaut werden, 6261/8 Morgen Wiesen, von denen nur 32/8 einmähdig sind, und 3251/8 Morgen Weinberg. Es kommen also im Durchschnitt etwas mehr als 4 Morgen Baufeldes auf eine Familie. Die Äcker sind fruchtbar und alle Arten von in Württemberg gepflanzten Gewächsen gedeihen auch hier ganz gut. Eigentliche Bauern finden sich nur wenige, dagegen eine ziemliche Anzahl Weingärtner, die neben ihren Weinbergen noch so viel Ackerfeld und Wiesen besitzen, daß sie eine oder zwei Kühe ernähren können, mit denen sie dann auch ihre Äcker, soweit sie dieselben nicht mit Handarbeit bestellen, bearbeiten. Überdieß gibt es wenige Handwerker, welche nicht auch ihr Stückchen Acker in jedem Felde haben; viele derselben besitzen so viel, daß sie in gewöhnlichen Jahren keine Frucht und kein Brod kaufen dürfen. Unter diesen Umständen ist es einleuchtend, daß nur wenige Grundeigenthümer sich finden, die mehr Güter besitzen, als sie zu ihrem eigenen Unterhalte bedürfen und auch erklärlich, daß hauptsächlich nur Roggen, besonders aber Dinkel und Weizen gebaut, und wohl kein Getreide nach Außen verkauft wird. Des Weinbaues, der hier und in Bürg sehr alt seyn soll, und des Erzeugnisses ist im allgem. Theil S. 54 gedacht. Helgenberg und Stöckach sind die besten Halden. Des Hopfenbaues ist S. 52 erwähnt. Durchschnittlich wird der Morgen Acker oder Wiese um 600 fl., Weinberg um 500 fl. verkauft.

| Aus den oben angegebenen Gründen bietet auch die Viehzucht nichts Besonderes dar. Der Viehstand beträgt 75 Pferde, 60 Ochsen, 424 Kühe, 90 Stück Schmalvieh, 453 Bastardschafe, 104 Schweine, 12 Ziegen und 44 Bienenstöcke.

Nach der revidirten Liste hat Winnenden folgende Gewerbe:

M. G.   M. G.
Band- und Bortenwirker 4 Nagelschmiede  6 1
Barbiere 2 1 Nähterinnen 3
Baumwolleweber 8 1 Pflästerer 1
Bäcker 23 12 Rothgerber 25 12
Beindrechsler 1 1 Seckler 5 3
Buchbinder 2 1 Seiler 4
Bürstenbinder 1 Sattler 7 3
Färber 6 6 Seifensieder 5 2
Feldmesser 1 Schäfer 1 1
Flaschner 2 Schirmmacher 1
Glaser 4 Schneider 17 9
Goldarbeiter 1 Schlosser 6 2
Hafner 4 Schreiner 14 6
Hauderer 2 Schuhmacher 32 7
Holzdrechsler 4 Steinhauer 5 5
Holzmesser 1 Stuhlmacher 1 1
Hufschmiede 6 4 Strumpfweber 3 1
Hutmacher 2 Strumpfstricker 1
Kammmacher 2 Tuchmacher 16 9
Kornmesser 6 Tuchscheerer 3 2
Kübler 9 2 Uhrenmacher 2
Küfer 5 4 Wagner 4 3
Kupferschmiede 2 Weißgerber 2
Lakirer 1 1 Zeugmacher 2 1
Leineweber 6 2 Zeugschmiede 1 1
Leimsieder 1 Ziegler 1 2
Lumpensammler 2 Zimmerleute 7 3
Lohnmetzger 2 Zinngießer 1
Messerschmied 1 Zuckerbäcker 4 2
Metzger 17 12

Zusammen an Handwerkern 308 Meister und 123 Gehilfen, mit einem Steuerkataster von 835 fl. 24 kr. – Apotheken sind 2 in Winnenden mit 3 Gehilfen. Mit Handel und Fabrication beschäftigen sich 14 mit 8 Gehilfen, sowie 4 Kleinhändler, zusammen 240 fl. 24 kr. Steuerkataster. – Mühlen und andere Werke sind 4 vorhanden, mit 26 fl. 36 kr. Steuerkataster. – Die Zahl der Schildwirthschaften ist 9 mit 6 Gehilfen, die der andern Wirthschaften 32, und die der Getränkefabriken 8, zusammen mit einem Steuerkataster von 168 fl. 48 kr.

Die Gewerbe sind zahlreicher als in der Oberamtsstadt, aber doch ist der Betrieb im Allgemeinen nicht viel stärker als dort.

Unter den Gewerben stehen hier oben an: die Gerber, welche aber in den letzten Jahren durch die Ungunst der Zeiten bedeutend | Noth gelitten haben; die Färber, namentlich die Schönfärberei von Hägele, der in Burgstall, Oberamts Marbach, auch eine mechanische Wollenspinnerei besitzt; die Tuchmacher, wovon aber nur diejenigen, die mit ziemlichen Mitteln anfangen können, selbstständig sich fortbringen, indeß die übrigen meist für andere Meister oder für Tuchhandlungen nach dem Stück arbeiten; die große Zahl der Bäcker und Metzger, welchen besonders, da sie meistens zugleich Weinschank treiben, die Wochenmärkte ihren Verdienst geben; die Schildwirthe und die nicht unbeträchtliche Anzahl Kaufleute und Conditoren, von welch’ letztern einer die Lebkuchenbäckerei ziemlich ins Große treibt; sowie die Schreiner, wovon die meisten ihr gutes Auskommen haben, und die Schuhmacher. – Die Fabrication von Strohhüten nach italienischer Art, welche 1831 nicht unansehnlich war, hat aufgehört.

Winnenden hat einen Wochenmarkt und jährlich 4 Vieh- und 3 Kram-Märkte. Die Wochenmärkte sind hauptsächlich der damit verbundenen Fruchtmärkte wegen mehr besucht, als in manchen gleich großen Städten die Jahrmärkte.

Es kamen zu Markt

Sch. Dinkel Sch. Haber Summe des Erlöses.
1843 13.351 2989 120.124 fl.
1844 16.113 3013 116.377 fl.
1845 16.993 2546 125.230 fl.
1846 15.567 2691 150.614 fl.
1847 13.736 2561 151.588 fl.
1848 13.763 2424 086.387 fl.

Von der weiten fruchtreichen Ebene der Umgegend und aus noch entfernteren Gegenden wird weit die meiste Frucht auf die Schranne geführt, während zugleich vom Welzheimer Walde an jeden Wochenmarkt bedeutende Quantitäten von Pfählen, Schnittwaaren und Brennholz dahin gebracht werden. Der Umsatz auf den Viehmärkten, die von weither besucht sind, ist noch bedeutender und kann zu 200.000 fl. jährlich angenommen werden.

Das Vermögen der Stadt besteht nach der Rechnung von 1846/47 (Tabelle IV.) in 5793/4 Morgen Grundeigenthum, 12.734 fl. verzinslichen Capitalien und 2337 fl. sonstigen Forderungen, worauf 12.000 fl. verzinsliche und 1409 fl. sonstige Forderungen lasten. Die Einkünfte der Stadtpflege betragen 9869 fl., die Ausgaben aber 13.423 fl., die Amtsumlage 613 fl., und die Gemeindeumlage 3500 fl.; letztere etwas mehr als die Staatssteuer. Es ist noch nicht lange her, daß die Ausgaben der Stadt fast ganz aus dem Ertrag ihres Vermögens bestritten werden konnten; der oben erwähnte Andrang hilfsbedürftiger Gemeindeangehöriger erklärt aber hinlänglich die letzterwähnte Erscheinung.

| Das Stadtwappen besteht in einem weißen Schild, worin als Herzschild, mit Laubwerk umgeben, das ursprüngliche württembergische Wappen, die drei Hirschhörner im goldenen Felde.

Der älteste bekannte Pfarrherr ist Berthold Leutpriester, welcher am 9. September 1297 als Zeuge erscheint. Neben demselben standen einige Caplane, wovon einer Caplan der Bruderschaft unserer lieben Frau war. Die Parochie Winnenden ist eine der größten und daher wohl auch ältesten des Landes. Der erste evangelische Prediger war Achatius Seehofer, der seines Glaubens wegen aus Bayern vertrieben, von Herzog Ulrich 1537 hier angestellt wurde. Wie schon bald nach der Reformation, so stehen jetzt, nachdem die zweite Helfersstelle wieder errichtet worden, ein Stadtpfarrer und zwei Diaconen an derselben, deren Ernennung von jeher dem Landesherrn zugestanden hat. Filialien sind die Gemeinden Baach, Breuningsweiler, Bürg, Hahnweiler, Höfen, Leutenbach und Nellmersbach, so daß der Pfarrsprengel zu den größten des Landes gehört. Bis vor Kurzem hatten auch die Gemeinden Birkmannsweiler und Hertmannsweiler zu demselben gehört. Die Filialisten gehören auch todt hierher, da für sie der hiesige Gottesacker gemeinschaftlich ist. Derselbe liegt in einiger Entfernung von der Stadt, an der Straße nach Schorndorf und hat eine gefällige Anlage.

Ein hiesiges Beguinenhaus wurde nach der Reformation der Stadt zum Schulhaus übergeben.

Martin Schulmeister wird schon 1480, der lateinischen Schule wird bereits beim Jahr 1557 gedacht. An derselben steht ein Präceptor, zu dessen Besoldung der Staat nichts beiträgt. Die daneben bestandene Stelle eines Collaborators wurde 1832 in eine Vorlehrersstelle verwandelt und im Jahr 1846 in eine Reallehrersstelle umgebildet. An der Volksschule stehen 2 Schulmeister, 1 Unterlehrer und 2 Lehrgehilfen. Für diese bestehen zwei Stiftungen von 50 fl. und 130 fl.

Ein Hospital scheint nie vorhanden gewesen zu seyn. Ein später eingegangenes Siechenhaus wird 1537 erwähnt. Zu Unterstützung der Armen durch Arbeit besteht ein Verein von Privaten, der in den letzten Theurungsjahren Viele mit Spinnen, Stricken und Häckeln beschäftigt und sich auch durch Ankauf und Abgabe von Steckkartoffeln verdient gemacht hat. Auch ist ein Armenhaus vorhanden. Das Vermögen der Stiftungspflege bestand nach der Rechnung von 1846/47 in 21/8 Morgen Grundeigenthum und 3767 fl. Capitalien, worauf 550 fl. Schulden haften; die Einnahmen sind 1484 fl., die Ausgaben aber 2679 fl. Als besondere Stiftung sind diejenigen 50 fl. jährliches Almosen, welche | die am 20. December 1698 im Schlosse Winnenthal verstorbene Wittwe des Herzogs Friedrich Karl von Württemberg, Eleonore Juliane, Prinzessin von Brandenburg, vermacht hat und alljährlich am 12. September durch das Königl. Hofcameralamt unter die Armen der Stadt und deren Filialien vertheilt werden, zu erwähnen.

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Eine übrigens nicht auf die Stadt und das Amt beschränkte Privatanstalt ist die in den obenerwähnten Gebäuden befindliche Paulinenpflege.[3] Sie entstand im Jahr 1823, nachdem schon im Jahr zuvor durch den damaligen Helfer Heim ein Privatverein zu Erziehung verwahrloster Kinder sich gebildet hatte. Die Anstalt wurde den 7. August 1823 unter einem Lehrer als Hausvater mit 20 vollsinnigen Kindern eröffnet und ihr zum Gedächtnisse daran, daß Ihre Majestät die Königin die Kosten der ersten Einrichtung übernommen, der Name, den sie von da an führt, gegeben. Am 22. Juli 1827 wurden die Gründer öffentlich belobt. Der Zweck derselben ist: theils verwahrloste vollsinnige, theils taubstumme Kinder durch christliche Erziehung und Unterricht dem sittlichen Verderben zu entreißen. Sie zerfällt daher in die Rettungsanstalt und in die Taubstummenanstalt, welche räumlich getrennt sind, und hat Zöglinge aus allen evangelischen Theilen des Landes. Die erstere zählt gewöhnlich 65–70 Kinder (ungefähr 2/3 Knaben und 1/3 Mädchen), die Taubstummenanstalt 25–30 (in gleichem Geschlechtsverhältnisse). Zum Ankaufe des Hauses für die letztere erhielt die Anstalt 1837 von Sr. Majestät dem Könige ein Geschenk von 1000 fl. Im Ganzen sind 4 Lehrer angestellt: der Inspektor, welcher in beiden Häusern Unterricht gibt und Hausvater der Taubstummenanstalt ist, der Hausvater der Rettungsanstalt, welcher zugleich die Ökonomie leitet, und zwei Taubstummenlehrer. Unterricht in weiblichen Arbeiten geben die beiden Aufseherinnen. Außerdem besteht unter 2 Aufsehern und den genannten 2 Aufseherinnen die Beschäftigung: bei den Knaben in ökonomischen Arbeiten in Haus und Feld, in gröberen und feineren Strohgeflechten, Verfertigung von Enden- und Litzen-Schuhen, Bändelweben etc., bei den Mädchen im Stricken, Nähen, Spinnen, Unterstützung der Mägde in der Küche u. dgl. Die Leitung der Anstalt führt ein aus 7 hiesigen und 6 auswärtigen Mitgliedern bestehender Ausschuß; die unmittelbare Aufsicht über beide Haushaltungen hat der Inspektor, | welcher auch die Kasse führt. Die Kinder werden gewöhnlich im Alter vom 6–10. Jahr aufgenommen und gegen ein Kostgeld bis zur Confirmation behalten, das bei vollsinnigen 40 fl., bei taubstummen 72 fl. beträgt, in den meisten Fällen aber nach den Umständen ermäßigt oder ganz erlassen wird. Die Unterbringung der Kinder nach Umfluß der Schulzeit ist zunächst Sache der betreffenden Behörden, wird indeß doch meistens durch die Anstalt besorgt, so zwar, daß sowohl die taubstummen als die vollsinnigen Knaben Handwerkern in die Lehre gegeben, die Mädchen aber als Kindsmägde verdingt werden. Die Anstalt besitzt keinen eigentlichen Fond. Das Capitalvermögen ist nur etwa 300 fl. und das sonstige Vermögen besteht bloß aus den Gebäuden und 12–13 Morgen Güterstücken. Dagegen betrugen die Schulden auf 1. Juli 1847 nahezu 5000 fl. Die Ausgaben der Anstalt belaufen sich jährlich auf mehr als 7000 fl., welche nicht ganz zur Hälfte durch die Kostgelder der Zöglinge, im Übrigen aber durch freiwillige Beiträge gedeckt werden, worunter die von Ihren Majestäten dem Könige und der Königin und von der Königl. Centralleitung des Wohlthätigkeitsvereins verwilligten die bedeutendsten sind. – Zu erwähnen ist noch, daß bis 1833 auch blinde Zöglinge in die Anstalt aufgenommen wurden und von 1829 bis 1837 auch ein Privatschullehrer-Seminar mit derselben verbunden war.

1

b) Das vormalige Schloß Winnenthal, mit der Irren-Heilanstalt (30 ortsangehörige Einwohner), liegt auf der südlichen Seite der Stadt, etwa 1/8 Stunde von derselben entfernt, zunächst dem Zipfelbachthälchen. Dasselbe besteht aus einem massiven, 345 Schuh langen Mittelgebäude von drei Stockwerken und zwei theilweise aus Fachwerk aufgebauten Flügelgebäuden (dem Cavaliers- und Commenthur-Bau), deren jeder 1271/2 Schuh lang und dreistockig ist. An beide Flügel sind massive Tobzellengebäude von einem Stockwerk angebaut. Außerdem ist noch das sogenannte Jägerhaus, nun für ökonomische Zwecke bestimmt, zu erwähnen. Das Marstallgebäude ist abgebrochen. Bei der Anstalt befinden sich 18–19 Morgen Gartenanlagen, worin sich ein 38 Ruthen großer See, welcher eine eigene Quelle hat, befindet. Zwei Pumpbrunnen in demselben liefern ein reichliches Wasser von mineralischen Bestandtheilen. Der Obstertrag aus dem Garten verspricht für die Zukunft mehr als er bisher gewesen, da am 31. Mai 1838 ein Sturm 334 der schönsten Bäume, die später wieder aus der Schule zu Hohenheim ersetzt wurden, umgerissen hatte. Im äußeren Hofe ist ein Monument vom Jahr 1733 in der Wand angebracht, welches Herzog Karl Alexander, als er hier sich aufhielt, einem Mopshund setzen ließ, der ihn in den Kriegen gegen die | Türken begleitet, sich bei Belgrad von ihm verloren und ihn hier im Schlosse wieder aufgefunden hatte.

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Das Schloß wurde nach seiner Erwerbung durch Herzog Eberhard III. zu einem Apanagenschloß bestimmt, als welches dasselbe von verschiedenen Gliedern der württembergischen Regentenfamilie bewohnt ward. Nach dem schon mehrmals erwähnten Tausche der Hofdomainenkammer mit dem Staat benützte König Friedrich das Schloß als Jagdschloß, bis es später zu einer Kaserne für eine Abtheilung der reitenden Artillerie eingerichtet wurde. Im Jahr 1816 aber wurde dasselbe, als ein Bestandtheil des Privateigenthums der regierenden Familie, dem königl. Hofdomainenkammergut einverleibt und theils dem Hofkameralverwalter und dem Hofkammerförster zur Wohnung angewiesen, theils als Fruchtkasten benützt, die dazu gehörigen Güter aber verpachtet. In dem sogenannten Jägerhaus wurde später eine Strohflechtanstalt betrieben. Nachdem jedoch Seine Majestät der König den Entschluß gefaßt hatte, eine von der Verwahrungsanstalt von Geisteskranken abgesonderte Irrenheilanstalt zu errichten und die Wahl auf dieses Schloß gefallen war, wurde dasselbe mit den dazu gehörigen Gärten am 18. April 1831 durch den Staat von der königl. Hofdomainenkammer um die Summe von 30.000 fl. käuflich erworben. Die Anstalt wurde am 1. März 1834 eröffnet. An derselben stehen und wohnen hier: der Director der Anstalt, mit einem Assistenzarzte, ein Öconomieverwalter mit einem Buchhalter, ein Oberwärter, der zugleich Hauswundarzt ist, eine Oberwärterin, 10 Krankenwärter, 8 Krankenwärterinnen, ein Gärtner und 13 weitere Officianten und Dienstboten. Bei der Einrichtung der Gebäude und bei der Abtheilung der Hof- und Garten-Räume wurde für Absonderung der Geschlechter, der verschiedenen Formen und Stufen der Krankheit und Genesung, sowie der verschiedenen Verpflegungsclassen, in welche die Kranken eintreten, gesorgt. Die Zimmer derselben sind durchaus freundlich und den Wohneinrichtungen gesunder Menschen gleichgestellt. Säle für gemeinschaftliche Beschäftigung, Speisung und Unterhaltung sind mit in den Wohnabtheilungen begriffen. Jede der beiden Hauptabtheilungen des Hauses besitzt ihre eigene mit den erforderlichen Apparaten für Douche-, Spritz-, Sturz etc.-Bäder versehene Badanstalt. Die Anstalt ist auf eine Normalzahl von 100 Kranken berechnet, wird aber, da diese Zahl dem Bedürfnisse nicht mehr genügt, eine weitere Ausdehnung bedürfen. Die Kranken werden in Absicht auf Wohnung und Nahrung nach drei Classen verpflegt, deren Wahl in der Regel von ihren Vertretern abhängt. Auch Ausländer werden aufgenommen; sie stehen jedoch in Collisionsfällen | den Inländern nach und für sie erhöhen sich die Ansätze in allen Classen (I. 438 fl., II. 292 fl., III. 182 fl. 30 kr. jährlich) um ein Viertheil. Bei landesangehörigen Armen, für welche die Privatwohlthätigkeit oder die öffentlichen Kassen eintreten, kann das Verpflegungsgeld auf 100 fl. ermäßigt werden. Noch ist zu erwähnen, daß Louise von Kammel, geborne Theurer, zu Winterbach, im Jahr 1839 mit der Bestimmung 1500 fl. gestiftet hat, daß die Zinsen arme Kranke der Anstalt erhalten sollen.


Geschichtliches.

Von Winnenden schrieb sich ein freiherrliches Geschlecht, dessen älteste Stammburg das nahe gelegene Bürg (s. d.) gewesen zu seyn scheint und dessen Herrschaft dem nachherigen Amte Winnenden oder der nordöstlichen Hälfte des jetzigen Oberamtsbezirkes entsprach. Der älteste und einzige freie Herr, welcher sich von Winnenden nannte, ist Gottfried, welcher in den Hoflagern K. Friedrichs I. (1181, Mai 25., auf Hohenstaufen) und seines Sohnes K. Heinrichs VI. (1193, März 28., in Speier, Juni 20. in Gmünd und noch 1196 Juni, 24., in Ober-Ehenheim) erscheint. Von diesem Gottfried, welcher mit einer Gräfin von Rordorf vermählt gewesen zu seyn scheint, ging um 1200, wahrscheinlich durch eine Erbtochter Adelheid, die Herrschaft auf das freiherrliche Haus der von Neuffen und zwar zunächst auf Heinrich von Neuffen, den Gemahl der Erbtochter über, welcher dem als Minnesänger berühmten Sohne den Namen des mütterlichen Großvaters, Gottfried, beilegte. Um 1210 besuchte genannten Heinrich und dessen Gemahlin im castrum, quod Windin dicitur, der Abt Eberhard von Salem und erwirkte seinem Kloster den Besitz früher gräflich rordorfischer Rechte auf einen Ort bei Salem (Stälin Wirt. Gesch. 2, 578). In Winnenden[4] lebte die Gemahlin des angeführten Minnesängers von Neuffen und an diesem Orte stellte Berthold von Neuffen den 1. August 1279 eine Urkunde aus (Mone Anzeiger 1835, 137).

Der neuffische Besitz von Winnenden[5] dauerte indeß kein | ganzes Jahrhundert; schon im Jahr 1277 kam die halbe Herrschaft durch Liutgart von Neuffen an ihren Gemahl Konrad von Weinsberg, welcher auch die andere Hälfte für dargeliehenes Geld von seinem Schwager Berthold von Neuffen († vor 1285) erwarb. Derselbe Konrad verpfändete die ganze Herrschaft den 14. Februar 1323 und verkaufte sie den 10. October 1325 an Württemberg für 4660 Pfund Heller (Senkenb. Sel. hist. 2, 228).[6]

Von nun an blieb Winnenden Stadt und Amt stets württembergisch; nur eine ganz kurze Verpfändung im Jahr 1441, durch Graf Ulrich an Anselm von Iberg für 12.361 fl. trat ein. Bei der Landestheilung, welche an Georgi 1441 stattgefunden, war Winnenden mit Amt an genannten Graf Ulrich gekommen gewesen; derselbe verschrieb im Jahr 1442 diesen Besitz seiner Gemahlin Margarethe. Im Stuttgarter Vertrag vom 22. April 1485, zwischen Graf Eberhard V. und VI., wurde das Schloß und die Stadt Winnenden dem letztern zugewiesen. (Steinhofer 3, 425.) Am 14. März 1520 mußte Winnenden der Herzogin Sabina, welche hierauf und auf Waiblingen mit ihrer Morgengabe verschrieben war, huldigen. (S. Waiblingen.) An Grundherrn finden wir 1524 die Herrschaft, welche verschiedene Gefälle und 2 Höfe und 13 Lehen, die Grafen von Öttingen, welche 7, den hiesigen Heiligen, der 7, und die hiesige Pfarrei, die 9 Lehen besaßen.

Von der Herrschaft Winnenden ging zu Lehen ein Schenkenamt, dessen Inhaber Rudolfus pincerna dictus de Wineden (so genannt in einer Kl. Salemer Urkunde von 1280. Cod. Salem. in Karlsruhe 3, 66) mit einem Bruder Konrad in den 1280ger Jahren vorkommt. Diese Schenken wohnten auf der Veste Bürg (s. d.), welche im Jahr 1404 Schenk Konrad von Winnenden neu hergestellt und mit Thürmen versehen haben soll. Mya Schenkin von Winnenden (1433) war an Johann Truchseß von Höfingen verheirathet, welchem sie Güter der Schenken zubrachte. Jakob Schenk von Winnenden begleitete im Jahr 1468 den Grafen Eberhard im Bart nach Palästina. Burkhard Schenk, Jakobs Sohn, soll 1487 sein Lehen verloren haben. Sein Bruder Bernhard war im Jahr 1488 Hauptmann der Stadt Ulm. Nach ihm verschwindet die Familie.

Ein weiteres Winnender Geschlecht sind die Böschen von Winnenden. Böscho de Winedin ist im Jahr 1279 Zeuge Bertholds von Neuffen (Mone Anzeiger 1835, 138). Im Jahr 1400 kommt vor | Fürderer Bösch von Winnenden (Crus. Ann. 3, 325); eine Base Fürderers wird im J. 1433 obige Mya Schenkin von Winnenden genannt.

Im 16. Jahrhundert erscheint das zum niedern Adel gehörige Geschlecht der Rau von Winnenden. Hans Raw von Winnenden, Schwiegersohn Wilhelms Truchseßen von Höfingen, kaufte dessen Erben im Jahr 1500 ihren Antheil an Oberndorf und Poltringen ab (Gabelk.), derselbe war in den Jahren 1512 und 1513 österreichischer Statthalter in Rothenburg am Neckar (Rittersch. Replik. 1704 Beil. p). Wolfgang Rau von Winnenden, welcher im Jahr 1521 das von Daniel Nothaft erkaufte Schloß Helfenberg zu Lehen empfing, wurde im Jahr 1525 von den aufrührerischen Bauern ermordet. Wolf Rau von Winnenden war 1627 in Baden-Durlach’schen Hofdiensten. Im Laufe des 17. Jahrhunderts zog diese Familie nach der Wetterau.

Was von dem Amte Winnenden nicht über die Herren von Weinsberg an das Haus Württemberg gekommen war, bestand in der Deutschordenskommende Winnenden, welche im Jahr 1291 erstmals vorkommt und eine Stiftung der Herren von Winnenden oder der von Neuffen, wenn nicht gar der Hohenstaufen gewesen zu seyn scheint; im obigen Jahre, den 28. Januar, schenkte Richenza, Wittwe Bertholds von Neuffen, derselben sechs Huben von Allmersbach. Im Jahr 1482, December 4., verkaufte der Commenthur Jörg Truchseß von Waldeck das „große Ordenshaus uf dem steinernen Stock“ zu Winnenden sammt Capelle, Pfisterei Stall und Hof für 200 fl. an Reinhard von Gärtringen, dieser im Jahr 1488 an Graf Eberhard den altern von Württemberg, (Steinhofer 3, 478), worauf der Orden außerhalb der Stadt ein neues Haus mit Asylrecht erbaute.

Von den hiesigen Commenthuren ist folgende Reihe bekannt: „Bruder Heinrich von Bachenstein, Comthur von Winnenden, des deutschen Hauses Schafner“ 1292 Sept. 11., Johann von Sachsenheim 1426, Burkhard von Westerstetten 1444, Stephan von Hoggingen 1447, Georg von Wollmershausen 1475, Georg Truchseß von Waldeck, genannt Heimerdinger, 1480. 1499, Heinrich von Neuneck 1515 † 1541 Nov. 30., Sigm. Stettner von Holdermannstetten 1542, Johann von Bellersheim 1545. 1566, Christoph von Dachroden 1573. 1587, Johann Cuno von Hohenegg 1587. 1591, Georg von Reinstein 1600, Johann von Gleichen (war evangelischen Glaubensbekenntnisses) 1602, † 1608 Febr. 6. zu Winnenden, Wolf Erhard von Muggenthal 1609, Bernh. Wilhelm von Schwalbach 1611. 1612, Ludolf Jakob von Landenberg 1612, Johann Theobald Hundpiß von Waldrambs 1627. 1629, Johann Konrad von Lichtenstein 1629. 1637, Johann Jacob von Daun 1636. 1638, Rudolf Wigulejus Hund von Lauterbach 1638, † 1646 Oct. 18. zu Virnsberg, Joh. Adam Lösch von Hilkershausen 1644. 1655, Joh. Bernhard von Elkershausen, gen. Klüppel 1653. 1657, Joh. Ludwig von Goggenbach 1657, Franz Rudolf von Haunsberg 1655. 1658, Liborius Christian von Sparr 1658 bis 1665.

| Am 29. September 1665 verkaufte der Deutschordens-, Hoch- und Deutsch-Meister Johann Kaspar von Ampringen die ganze Comthurei Winnenden mit dem Commendenhof zu Winnenden und aller Zugehör an Weilern, Höfen und Gütern,[7] ferner Jurisdiction, Schatzung, Patronatrecht für 48.000 fl. an Herzog Eberhard III., welcher die ganze Erwerbung dem Kammerschreibereigut einverleibte, das deutsche Haus in ein schönes Schloß, Winnenthal (eigentlich Winnenden im Thal) genannt, umwandelte und einen Hofmeister, zugleich geistlichen Verwalter in Stadt und Amt, hieher setzte.

Durch Codicill vom 1. Juli 1674 überließ genannter Herzog das Schloß als Apanage seinem zweiten Prinzen Friedrich Carl. Dieser, Administrator des Herzogthums während der Minderjährigkeit Herzog Eberhard Ludwigs, verschönerte solchen Sitz (Würt. Jahrb. 1837, 415), und wohnte hier, zumal nach aufgehobener Administrationsregierung bis zu seinem, am 20. December 1698, erfolgten Ende, und nach ihm noch seine Wittwe, Eleonore Juliane, geborne Markgräfin von Brandenburg-Ansbach bis zu ihrem im Jahr 1712 erfolgten Wegzuge nach Ansbach. Die von ihm ausgehende Linie, welche durch seinen Sohn Herzog Carl Alexander im Jahr 1733 zur Regierung von Württemberg gelangte und die einzige noch blühende des württembergischen Hauses ist, heißt die Winnenthalische. Am 27. September 1734 starb zu Winnenthal der jüngere Bruder des eben erwähnten Herzogs Carl Alexander, Prinz Heinrich Friedrich von Württemberg, kaiserlicher Generalfeldzeugmeister. Im Jahr 1795 erhält die Wittwe des am 20. Mai d. J. verstorbenen Herzogs Ludwig Eugen von Württemberg, Sophie Albertine, geborne Gräfin von Beichlingen, das Schloß Winnenthal, in welchem sie am 10. Mai 1807 verschied. Dasselbe war 1795/96 mit einem Aufwand von 31.621 fl. verschönert und restaurirt worden.

Um auf die Schicksale Winnendens und seiner Umgebung im Kriege überzugehen, so brachte im Jahr 1514 der arme Konrad das ganze Amt in große Aufregung. Am 7. April 1519 ergab sich die Stadt den siegreichen Waffen des schwäbischen Bundes (Steinhofer 4, 68. 567). Während des dreißigjährigen Krieges wurden | im Juli 1631 kaiserliche Truppen nach Winnenden gelegt. Am 27. März 1638 wurde die Stadt von herumstreifenden Kaiserlichen geplündert. Den 1. Januar 1643 fiel sie der Plünderung des französisch-weimarischen Heeres anheim. Im April 1645 war das Hauptquartier der bayerischen Truppen allhier, und im April 1648 hausten die Schweden wie Feinde (v. Martens Geschichte 307, 403, 431, 459, 487).

Im Jahr 1616 wüthete eine pestartige Krankheit in so hohem Grade, daß in diesem einzigen Jahre in Winnenden und in den Filialien 1226 Personen starben, und daß in den heißesten Tagen 30 bis 40 an einem Tage begraben wurden.

Besonders übel erging es der Stadt beim Einfall der Franzosen im Jahr 1693; von diesen wurde im Juli die Stadt ausgeplündert, am 25. Juli (4. August) in Brand gesteckt und ausgebrannt (240 Häuser); auch das Schloß Winnenthal wurde damals ruinirt.

Im spanischen Erbfolgekrieg 1707 standen hier die Franzosen auf ihrem Rückzug Ende Monats Juni (v. Martens 612, 613). Im August 1800 hatte der französische General Lacoste hier sein Hauptquartier. In der Nacht vom 25. auf den 26. Juni 1848 brannten 11 Wohnhäuser und 4 Scheunen ab, 13 weitere Gebäude wurden mehr oder weniger beschädigt.

Ein abgegangener Hof bei Winnenden ist der Siebenhof, welcher 1/4 Stunde südöstlich von der Stadt lag.


  1. An Literatur ist bloß zu nennen: Descriptio urbis Winnendae, von M. David Pistorius, Studenten der Theologie, einem geborenen Winnender. Tubingae 1605. 4. Sie enthält in lateinischen und deutschen Versen viele geschichtliche Merkwürdigkeiten.
  2. Der Schutzpatron Winnendens soll der h. Wendelin gewesen seyn, und auf dem Holzmarkte soll noch im vorigen Jahrhundert eine diesem Heiligen geweihte Capelle gestanden haben.
  3. Außer den alljährlichen Rechenschaftsberichten s. „Beschreibung der Paulinenpflege zu Winnenden, nach der 1833 erneuerten Hausordnung“ Stuttgart, ohne Jahrzahl.
  4. „Stat ze Winden,“ sagt der Minnesänger Gotfried von Neuffen, in v. d. Hagen Minnes. I., 54.
  5. Über die Verbindung, in welche die Herrschaft Winnenden mit der Herrschaft Neuffen kam, ist der Verkaufsbrief von Neuffen vom Jahr 1301 zu vergleichen: es wird nämlich Neuffen von Konrad von Weinsberg an Württemberg verkauft „ane diu liute umbe die sunderbäre also gerette ist. swer ze Winden hört, ist der ze Nifen sezhaft, der sol ze Nifen hören, alle die wil er da gesezzen ist. un swenne er ze Nifen nit sezzehaft ist, so hört er wider ze Windin. Swer ouch von Nifen ze Winden sezzehaft ist oder in andern vesten, der hört uns an.“
  6. Wenn noch im Jahr 1427 Konrad von Weinsberg in einem Lehnsrevers, welchen er dem Bischof Friedrich von Worms ausstellt, auch „Wynneden Burg und Statt mit aller seiner Zugehörde“ aufführt (Schannat Hist. ep. Worm. I, 246), so sind dieß Ansprüche ohne alle Geltung.
  7. Es waren noch Rechte und Gefälle in Winnenden, Höfen, Hahnweiler, Leutenbach, Nellmersbach, Hertmannsweiler, Degenhof, Baach, Bürg, Birkmannsweiler, Lehnenberg, Breuningsweiler und Ölhardtsweiler. – Mit Ausnahme von Winnenden, Hahnweiler bildeten diese Orte, wozu noch Bretzenacker, Buoch, Öschelbronn, Oppelsbom, Reichenbach, Rettersburg und Steinach kamen, das sog. äußere Gericht, das auch zu den Unterhaltungskosten der Stadtmauer von Winnenden beizutragen hatte.

Errata

  1. S. 206, L. 10 korrigiert gemäß Beschreibung des Oberamts Schorndorf S. 199.
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