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22. Gemeinde Neckarrems
mit Remseck, dritter Classe mit 816 Einwohner, worunter 4 Katholiken.


Die Markung liegt am östlichen Ende der Winnender Hochebene, auf der westlichen Grenze des Bezirkes und grenzt südlich an das Oberamt Canstatt, westlich an das Oberamt Ludwigsburg. Sie dehnt sich auf südwestlichen und nordöstlichen Abhängen des Remsthales und auf einer westlichen Abdachung des Neckarthales aus und geht, wie die Markung Hegnachs, gegen Süden in das Schmiedener Feld über. Die Rems, welche zunächst unter dem Orte mit dem Neckar sich vereinigt, macht starke Krümmungen; ihr fruchtbares Thal ist meist eng, ziemlich tief, hat steile felsige Seitenwände, kann aber wegen seiner tiefen Sohle nicht bewässert werden. Der Neckar macht wenige Krümmungen. Er und die Rems treten im Frühling regelmäßig, wie nach Hochgewittern aus und richten, da die Ufer ziemlich flach sind, oft starke Verwüstungen an, welche namentlich 1817 und 1824 schauervoll waren. Einen Bach hat die Markung nicht; im Thale sind jedoch mehrere Quellen, die aber theilweise vertrocknen. Einige haben reichliches gutes Wasser; eine derselben heißt das Krankenbrünnle. Bei Hochwasser und in der Laichzeit ist das Fischen frei, in der übrigen Zeit Privateigenthum, zu einem | kleinen Theil Eigenthum der Gemeinde, die aber kein Pachtgeld erhält. Auf der Rems wird der hiesige Holzgarten mit Holz versehen; auf dem Neckar gehen Holzflöße für den Rhein. Am unmittelbaren Ausflusse der Rems finden 3 bis 4 Schiffe Haltplatz und Schutz. Oberhalb der Neckarbrücke halten gewöhnlich Schiffe zum Übernachten, manchmal 3 bis 4, mit je 2 bis 3 Beinachen. Der Boden ist nur theilweise fruchtbar, meist rother, an den Seitenwänden und im Thal dünner, auf den Höhen tiefer gehender Thonboden; 1/3 ist ganz gering, mit mehr Steinen als Erde. Die gewöhnlichen Früchte des Unterlandes, die nicht eigentlich fetten Boden brauchen, gedeihen, weniger Ölfrüchte. Die Luft ist rein, mild und sehr gesund, so daß außer dem spurlos verschwundenen Schleim- und Nerven-Fieber im Jahr 1847 seit mehr als Menschengedenken hier keine ansteckende Krankheit war. Im Thale sind Frühlingsfröste häufig; Hagelschlag ist selten und nicht bedeutend. Im Verhältnisse zu dem gegenüber liegenden Neckargröningen ist die Ernte etwa 8 Tage später, was also vom Boden herrührt.

Neckarrems ist dem Forstamte Reichenberg und dem Cameralamte Waiblingen zugetheilt und der Sitz einer der S. 66 gedachten Filialverwaltungen der königl. Holzgartenverwaltung Stuttgart. Der Staat ist allein gefällberechtigt. Er erhebt 1050 fl. für den großen Zehenten, 192 fl. für den kleinen, 48 fl. für den Heu-, 150 fl. für den Wein- und 52 fl für den Noval-Zehenten, sowie 5 fl. Surrogatgelder, 13 fl. 32 kr. und 106 Sch. Frucht als Lehengefälle und 99 fl. 50 kr. für Bodenwein.

Die Lage des Pfarrdorfes Neckarrems, dessen Namen sich nach seiner natürlichen Lage gebildet hat, ist sehr schön, zumal durch den Einblick in das Neckarthal. Es liegt 1 Stunde nordwestlich von Waiblingen, theils am Abhang eines Hügels an der Rems hin, theils im Thal und ist gegen Norden und Osten offen und frei. Das Dorf ist reinlich und freundlich, etwas bergig und durch die Rems getheilt, über welche eine, beide Theile verbindende, steinerne Brücke führt, wofür ein Brückengeld erhoben wird, indeß über den Neckar eine bedeckte Holzbrücke geht. Ein Steg über die Rems dient mehr nur für die Zwecke des Holzgartens. Durch den Ort führt die gute und lebhafte Straße von Waiblingen nach Ludwigsburg; auch ist er durch Vicinalstraßen, welche die Gemeinde hoch zu stehen kommen, mit Winnenden und den andern Nachbarorten verbunden.

Neckarrems hat 115 Haupt- und 58 Neben-Gebäude. Über das Alter der so ziemlich in der Mitte des Ortes gelegenen Kirche zu St. Michael und Sebastian ließ sich nichts erheben; | auch ist ihre Bauart nicht bemerkenswerth. Sie wurde 1789 erweitert und restaurirt, der Kirchthurm aber 1787 neu aufgeführt. Die Baulast hat die Gemeinde. Der Begräbnißplatz umgibt die Kirche. Das nahe dabei liegende Pfarrhaus hat wegen des Kirchengutes der Staat; das nächst gelegene neue Schulhaus die Gemeinde zu bauen und zu erhalten.

Auf dem Hügel, der eine Landzunge zwischen Neckar und Rems bildet, wo sich noch unbedeutende Trümmer der zerstörten Burg Remseck (s. unten), mit theilweise noch sichtbarem Wall und Graben zeigen, hat Major v. Grimm unlängst an der Stelle der früheren Kleemeisterei ein äußerst gefälliges Schlößchen in gothischem Styl mit Thurm und Belvedere nebst schönen Gartenanlagen erbaut, welches eben so sehr zur Zierde der Gegend gereicht, als die freundlichste Aussicht auf Fluß und Landschaft gewährt. Das Wasser muß jedoch im Dorf unten geholt werden.

Die Einwohner sind sparsam, nicht unverständig, werden aber als gemüthlos geschildert und sollen etwas Hartes und Rauhes haben. Wer arbeiten will, findet in der Regel sein Auskommen. Im Allgemeinen ist aber der Vermögensstand weniger als mittelmäßig; es hat eine ziemliche Anzahl ganz Armer. Ihre Kleidertracht gleicht der der Unterländer. Im Jahr 1792 waren hier 519 Einwohner. Sie treiben Ackerbau, weniger Weinbau.

Die Markung begreift 305/8 Morgen Gärten, 9365/8 Morgen Acker, 906/8 Morgen Wiese und 1386/8 Morgen Weinberg. Es kommen also etwa 71/2 Morgen Baufeld auf eine Familie. Der Boden erlaubt keinen besondern Aufschwung der Landwirthschaft, auch nicht den Anbau von Handelsgewächsen. Doch wird die Mistjauche benützt und der Schwerzische Pflug immer häufiger. Zwei Kühe oder Ochsen ziehen am Doppeljoch den Pflug. Die Brache wird eingebaut, Dinkel, der gerne und um 15 bis 30 kr. theurer als in der Nachbarschaft gekauft wird, sowie Roggen, Gerste, Weizen und Haber gedeihen. Man rechnet an Aussaat 4 S. Haber, 6 S. Dinkel, 3 S. Roggen, und an Ertrag 6 Sch. Haber, 8 Sch. Dinkel und 3 Sch. Roggen. Als Futterkraut wird Klee hauptsächlich gebaut. Die Wiesen sind ergiebig; können aber nicht gewässert werden. Ein Morgen kostet 120–300 fl. Die Weinberge liegen allermeist äußerst günstig gegen Süden an einer steilen Felswand längs der Rems, gegen Winde geschützt, haben aber leider Lehmboden. Sie sind mit Sylvanern, Drollingern, Gutedeln und Elblingen bestockt. Der Ertrag ist vom Morgen nur 1–2 Eimer. Die „Berge“ ertragen den theuersten Wein. Er ist roth und lieblich, verliert aber bei längerer Lagerung an Gehalt. Ein Morgen Weinberg wird zu 200–800 fl. verkauft. Die Obstzucht ist im | Zunehmen, beschränkt sich aber auf Mostobst, doch wird auch viel gedörrt. Privaten besitzen 93 Morgen Laubwald. Die gesunde Schafwaide ist an den Ortsschäfer verpachtet. Die Rindviehzucht zeichnet sich nicht aus; doch ist die Farrenhaltung gut. Die Schafe sind seit 20 Jahren meist Bastarde. Die Fischerei im Neckar und in der Rems wird als Nebengeschäft betrieben. An Gewerben ist zunächst eine Kundenmühle mit 6 Mahl- und 1 Gerb-Gang hervorzuheben, welche mit Turbine durch rheinbayerische Maschinisten eingerichtet wurde, und womit eine Säg- und Reib-Mühle verbunden ist. Außerdem ist eine Ziegelhütte, deren Waare nach Stuttgart und nächste Umgebung geht, und eine mit Pferden getriebene Ölmühle vorhanden. Die Gewerbeliste führt außerdem 3 Schiffer, 2 Fischer, 3 Schreiner, 7 Weber, 1 Rothgerber etc. auf. Schmied Johann Danenhauer schweißt englischen Hutmanstahl auf Eisen auf und wurde deßwegen öffentlich belobt (Corresp. Bl. des landwirthschaftl. Vereins 1828, 211). Bemerkenswerth ist der Zwischenhandel, welchen einige Einwohner mit Hasen, Rehen, wälschen Hühnern und anderem Geflügel treiben, in dem sie dieselbe theilweise in Bayern aufkaufen und sowohl im Inlande als nach Baden und Frankreich absetzen. Er hat in neuerer Zeit abgenommen.

Die Pfarrei hat kein Filial. Das Patronat ist königlich. Die Katholiken sind nach Öffingen eingepfarrt. An der Schule stehen ein Schulmeister und ein Lehrgehilfe. Eine Industrieschule. Die Einkünfte der Gemeindepflege, darunter 130–150 fl. von dem oben gedachten Brückengeld, sind bedeutend, da Neckarrems das größte Capitalvermögen (33.248 fl.) besitzt, daher keine Gemeindeumlage nöthig ist.

Neckarrems, seit seiner Nennung unter württembergischer Oberherrlichkeit stehend, erscheint am Frühesten[1] im Jahr 1264; Wolframus advocatus de Reemse ist damals Zeuge. Dieser Vogt Wolfram war ein Ministerial Graf Ulrichs II. von Württemberg, welcher in den Jahren 1268, 1277 und 1279 und wohl auch sonst, allein oder mit seinem Bruder Graf Eberhard dem Erlauchten, hier zeitweise Hoflager hielt. Genannter Wolfram war nicht lange vorher gestorben, als im Jahr 1269, Mai 25., Graf Ulrich von Württemberg seiner Wittwe Judenta ein Gut in Uhlbach eignete. Er hatte einen gleichnamigen Sohn, welcher am 18. Januar 1270 als Zeuge vorkommt (Sattler Grafen 1, Beil. 3). – In späterer | Zeit nennt sich von Rems der Edelknecht Ruf, welcher 1360 den abgegangenen Hof Kostensol zwischen Waiblingen und Hegnach von Württemberg zu Lehen gehabt (Sattler Topogr. 110).

Den 10. November 1286 übergab Graf Eberhard von Württemberg die Burg Rems an K. Rudolf, welcher sie auch durch den Frieden vom 23. October 1287 als Pfand behielt (Sattler Grafen, 1. Beil. 11). Später erscheint K. Adolf im Besitz, aber schon 1298, November 19., erhielt sie Graf Eberhard der Erlauchte für den Beistand, welchen er dem K. Albrecht gegen K. Adolf geleistet, von Albrecht wieder zurück (Sattler a. a. O. Beil. 23), nach einem Versprechen, welches Albrecht noch als Herzog von Österreich den 7. Mai 1298 dem Grafen gemacht hatte (Gabelk.). Nach dieser Wiedererwerbung hielt sich genannter Graf Eberhard öfters hier auf, z. B. im April 1302 und Januar 1303. Im Jahr 1312, zur Zeit der Ächtung des Grafen durch K. Heinrich VII., wurde die Veste zerstört. Zur Wiederherstellung wurde erst spät wieder geschritten; erst Hans Nothaft, welcher 1436 hier saß, setzte sie in’s Werk. Im Jahr 1576 wurde indeß Alles bis auf einen Thurm abgebrochen, der letzte, 60 Fuß hoch und mit 7–8 Fuß dicken Mauern, stund noch 1792, stürzte aber im April dieses Jahres plötzlich zusammen, so daß jetzt von der alten Burg überhaupt kaum noch Spuren vorhanden sind (vergl. oben).

Vor dem Jahre 1434 war Neckarrems an die Schenken von Limpurg versetzt gewesen, im genannten Jahre aber wieder eingelöst (Sattler, Topogr. 339); im Jahr 1464 verkaufte Graf Ulrich von Württemberg an Hans von Bernhausen den Burgstall Rems und das Dorf Rems auf Wiederlösung (Steinhofer 3, 116), welche nicht lange hernach statt gefunden haben mag. Im Jahr 1494 besaß die Herrschaft die Mühle, 3 Höfe und 2 Lehen und der hiesige Heilige das sogenannte Lichtlehen.

Hundert Morgen Holz bei Neckarrems ertauschte im Jahr 1369, September 11., Reinhard von Neuhausen von Graf Eberhard von Württemberg (Sattler, Grafen 1. Beil. 139). Derselbe Graf gibt 1393 dem Ulrich Gaisberg 6 Schilling Heller, 6 Scheffel Korn und 4 Morgen Weinberge dahier zu Mannlehen.

Der älteste bekannte Pfarrherr ist Albertus plebanus in Raemse in einer Bebenhauser Urkunde vom 6. Januar 1279. Graf Ulrich von Württemberg überließ im Jahr 1454 dem Stift Stuttgart zum Theil als Ersatz für den Schaden, welchen das Stift durch seine Bauten in Stuttgart erlitt, den Kirchensatz mit der Kirche, welche 1460 dem Stift incorporirt wurde. Die Stuttgarter Stiftsherren stifteten im Jahr 1498 hier eine Caplaneipfründe. Auch war in der Kirche eine Brüderschaft zu St. Sebastian. | Der große Zehente gehörte dem Stift, der kleine dem Ortspfarrer, der auch vom Stift besoldet wurde.
  1. Eine ins Jahr 1204 gesetzte Zerstörung von Neckarrems, welches damals ein Raubhaus gewesen seyn soll, durch König Philipp, ist nicht documentirt.
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