« Kapitel B 23 Beschreibung des Oberamts Tübingen Kapitel B 25 »
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Rommelsbach,

Gemeinde III. Klasse mit 675 Einwohnern, worunter 3 Kath. – Ev. Pfarrei; die Kath. sind nach Tübingen eingepfarrt. 3 St. östl. von Tübingen gelegen.

Der sehr freundliche, nicht große Ort liegt auf der südlich vom Neckarthal sich erhebenden Hochfläche und zwar an dem warmen und vor Winden geschützten Südabhange eines flachen, westlich ziehenden Seitenthälchens des Wiesenbachthales. Vom Dorfe selbst, wie auch von der nördlich gelegenen Höhe aus, z. B. auf der Oferdinger Straße, hat man eine herrliche Aussicht an die ganze Alb. Die stattlichen, oft malerischen, von Reben umrankten Bauernhäuser stehen ziemlich zerstreut an den reinlichen gekandelten Straßen und werden wohlthuend unterbrochen von schönen Blumengärtchen und hohen schattigen Obstbaumgruppen, die von den rings den Ort umgebenden Obstbaumwiesen bis an die Straßen herantreten. Auch sind die meisten Häuser mit reichen Blumenbrettern freundlich verziert.

Die geräumige, in neuem Rundbogenstil gehaltene Kirche steht mitten im Dorf auf hoher Terrasse, ward im Jahre 1827 ganz aus Stein nach dem Entwurfe des Oberbauraths Groß auf Gemeindekosten erbaut und bildet einen weiten rechteckigen Raum mit östlich eingebautem Thurme. Im flachgedeckten Innern laufen rings an den Wänden Emporen hin und das Gebäude macht außen und innen weniger den Eindruck einer Kirche, als den eines freundlichen Betsaales; außer einer schönen Orgel und den Bildern Luthers und Melanchthons enthält es nichts bemerkenswertes. Der Thurm ist gegen oben von Holz und mit plattem vierseitigem Zeltdache bedeckt; von seinen zwei Glocken hat die größere die Umschrift: goß mich Christian Ginther 1739 zu Königsbronn, die kleinere: benedictum sit nomen Domini. vivos voco, mortuos plango. Georg Christian Schmelz goß mich in Biberach, sodann folgt das Relief des h. Georg und die weitere Aufschrift: Zum Andenken der Stifterin von der Glocke Anna Barbara Raiser 1817. Die Baulast ruht auf der Gemeinde.

Der neue, 1830 östlich am Ort angelegte Begräbnißplatz hat eine schöne Lage, bedarf aber der Trockenlegung.

| Schul- und Rathhaus sind in einem 1840 erbauten, sehr ansehnlichen vierstockigen Gebäude vereinigt, das außer den Gelassen für den Gemeinderath zwei Lehrzimmer, die sehr freundliche Wohnung des Schulmeisters, sowie im unteren Stock Räume für das Gemeindebackhaus und die Gemeindedörre enthält. An der Schule ist ein Schulmeister und ein Lehrgehilfe angestellt.

Vortreffliches Trinkwasser liefern im Überfluß ein laufender und acht Pumpbrunnen, ersterer wird in hölzernen Deucheln hergeleitet; auch außerhalb des Ortes ist die Markung quellenreich und es lassen sich mit Leichtigkeit Brunnen graben.

An östlichem Ende des Ortes besteht eine große Wette.

Vicinalstraßen führen von hier nach Oferdingen, Metzingen, Reutlingen, Altenburg und Sickenhausen. Die Entfernung von der nächsten Eisenbahnstation Betzingen beträgt 1 Stunde, die nach Reutlingen 11/8 Stunde.

Steinerne Brücken befinden sich auf der Metzinger, Reutlinger und Sickenhauser Straße; ihre Unterhaltung hat die Gemeinde. Die Einwohner, fleißige, sparsame und geordnete Leute, sind ein kräftiger, gesunder Menschenschlag und erreichen nicht selten ein hohes Alter; gegenwärtig leben sechs über 80 Jahre alte Personen im Ort, von denen die älteste 891/2 Jahre zählt. Die alte kleidsame Volkstracht weicht leider nach und nach auch hier der städtischen.

Haupterwerbsquellen sind Feldbau, Obstbau und Viehzucht; die auf der Markung befindlichen Liaskalksteinbrüche, welche Straßenmaterial liefern, sind von wenig Bedeutung; dagegen bietet die nahe Stadt Reutlingen viele Gelegenheit zu Arbeit und Verdienst.

Unter den Gewerben sind Maurer und Schreiner am stärksten vertreten und arbeiten auch nach außen; ferner befinden sich zwei Blasbalgmacher hier, die beträchtliche Geschäfte machen; zwei Schildwirthschaften und drei Kramläden bestehen.

Die Vermögensverhältnisse der meisten Einwohner sind gut; der begütertste Bürger besitzt 32, der Mittelmann 15 und der unbemittelste 1 Morgen neben dem Genuß von Allmandtheilen. Gemeindeunterstützung genießt gegenwärtig Niemand im Orte.

Das Klima ist mild und gestattet auch den Anbau feinerer Gewächse; Hagelschlag kam seit 40 Jahren nicht mehr vor.

Die nicht große, größtentheils ebene Markung hat einen fruchtbaren Boden, der zu 2/3 aus einem leichten Lehm, zu 1/3 aus einem etwas schwerem Thon besteht und dessen Ertrag durch kräftige Düngung (Stalldünger, Jauche, Gips, Kompost, Asche) gesteigert wird.

| Die Landwirthschaft wird sehr fleißig und rationell betrieben; verbesserte Ackergeräthe, wie Brabanter und Suppinger Pflüge, eiserne Eggen, Walzen, Repsämaschinen, einfache Joche, haben längst Eingang gefunden. Von den Getreidefrüchten baut man hauptsächlich Dinkel, Gerste und Haber; von denselben werden über den eigenen Bedarf jährlich gegen 200 Scheffel auf der Schranne in Reutlingen abgesetzt. Neben den gewöhnlichen Brachgewächsen kommen noch Reps, Flachs, Hanf und in neuerer Zeit Hopfen zum Anbau. Flachs und Hanf werden in größerer Ausdehnung gebaut und wegen ihrer Güte auf den Jahrmärkten in Urach mit bedeutendem Erlös abgesetzt.

Die durchaus zweimähdigen Wiesen ertragen gutes Futter, das jedoch für den namhaften Viehstand nicht zureicht, daher neben einem beträchtlichen Futterkräuteranbau noch Futter zugekauft werden muß.

Von großer Bedeutung ist die Obstzucht, zu deren Beaufsichtigung ein besonderer Baumwart aufgestellt ist; das Obst gedeiht sehr gerne und erlaubt in günstigen Jahrgängen einen Verkauf von etwa 1500 Simri. Man pflanzt vorzugsweise Luiken, Fleiner, Reinetten, Brunnäpfel, Bratbirnen, Knausbirnen, Palmischbirnen, Träublesbirnen und Zwetschgen.

Die Gemeinde besitzt 93 Morgen mit Laub- und Nadelhölzern gemischt bestockte Waldungen, deren in 25 Klaftern und 1500 St. Wellen bestehender Ertrag größtentheils unter die Ortsbürger vertheilt wird, wobei jeder 1/8 Klafter und 10–15 St. Wellen erhält; überdieß fließen für verkauftes Holz etwa 150 fl. in die Gemeindekasse, welche zu Kulturkosten etc. verwendet werden.

Wegen des Anbaus der Allmanden ist nur noch die Herbst- und Frühlingsweide vorhanden, die an den Ortsschäfer und einige Privaten um 200 fl. jährlich verpachtet wird. Die Pferchnutzung trägt gegen 600 fl. ein.

An Allmanden sind 264 Morgen vorhanden, wovon 247 Morgen kultivirt und an die Bürger zur Benützung überlassen sind; jeder Bürger entrichtet hiefür 1 fl. 18 kr., was der Gemeindekasse jährlich 190 fl. einträgt. Die Allmanden sind nach Altersklassen vertheilt, so daß die ältesten Ortsbürger 2 Morgen und 21/2 Viertel erhalten. Auch besitzt die Gemeinde 17 Morgen Güter, die sie um 56 fl. jährlich verpachtet.

Die Rindviehzucht beschäftigt sich mit einem guten Landschlag, der durch 2 Farren (einer von Simmenthaler- und einer von Landschlagrace) nachgezüchtet wird. Der Handel mit Vieh ist nicht bedeutend,| dagegen findet einiger Milchverkauf nach Reutlingen statt. Die Pferdezucht ist von keinem Belang. Auf der Markung laufen 400 St. Bastardschafe, die auch im Ort Überwinterung finden. Die Wolle wird nach Metzingen und Reutlingen abgesetzt.

Die Zucht der Schweine von englischer Race ist sehr bedeutend; von den vorhandenen 50 Mutterschweinen werden jährlich gegen 1000 Ferkel erzeugt, die theils auf dem Markt in Tübingen, theils aufgemästet an Reutlinger Metzger abgesetzt werden.

Geflügelzucht wird nur für den eigenen Bedarf getrieben.

An Stiftungen von verschiedenen Ortsbürgern sind 1021 fl. 13 kr. vorhanden, deren Zinse nach dem Willen der Stifter theils zu Unterstützung der Ortsarmen, theils für die Schüler der Ortsschule verwendet werden.

Ein von Degerschlacht herkommender uralter Weg, der Reis- auch Reitweg genannt, den wir ohne Bedenken für einen römischen erklären dürfen, führt etwa 500 Schritte südlich vom Ort vorüber und nahe der östlichen Markungsgrenze über die sog. Teufelsbrücke am Reichenbach; er soll früher die Poststraße von Tübingen nach Metzingen gewesen sein. Im Ort selbst wird eine Straße das Heergäßle genannt, die ohne Zweifel in obigen Weg einlief.

Auf der Markung bestand früher das sog. „Römerwäldle“, ein ungefähr 3 Morgen großes, mit einem Wall umfriedigtes Eichenwäldchen. Unfern desselben, auf den sog. Bühlen, befanden sich bis zum Jahr 1825 7 altgermanische Todtenhügel, von denen 6 auf Veranlassung des dermaligen Schultheißen Schäfer, der sich für Alterthumskunde besonders interessirt, geöffnet wurden (s. hier. den allmeinen Theil, Abschnitt: deutsche Alterthümer).

Im hiesigen Lagerbuch von 1581 wird eine 1/4 Stunde östlich von Rommelsbach gelegene Stelle in den jetzigen Reichenbacher Wiesen „der Wiesenhäuser Hof“ genannt. Der Brunnen von diesem Hof ist noch vorhanden und auf einer angrenzenden Allmand sieht man noch alte, gegen 30′ breite Ackerbeete.

In demselben Lagerbuch werden auch die „Kapelensäcker“, welche auf den Oferdinger Weg bei den Kreuzsteinen stoßen, genannt.

Die ältesten Schreibweisen (um 1090 ff.) sind Romanisbach, Romansbach, Rumolsbach.

R. gehörte, wie Altenburg, den Grafen von Achalm-Urach, theilte dessen Schicksale, und kam gleichfalls 1444 an Württemberg (s. Altenburg).

Um 1090 tritt der Ort in die Geschichte ein durch die Stiftungen,| welche der Graf Liutold von Achalm und einer seiner Dienstleute, Ernst, an das Kloster Zwiefalten machten, wo neben dem Kloster noch ein paar weitere Erwerbungen glückten. (Necrol. Zwifalt. bei Hess Mon. Guelf. 246, Berthold bei Pertz Script. 10, 105. 112. 117. 119. 123.) Der Zwiefalter-Antheil gieng 1750 nach dem damaligen Bestand durch Vertrag an Württemberg über.

Den großen Fruchtzehnten, Heuzehnten und einige Lehengüter besaß der Johanniterorden, dessen Besitz 1809 durch Württemberg inkamerirt wurde.

In kirchlicher Beziehung war der Ort ursprünglich Filial von Oferdingen. Der Johannitercommenthur Wolf Schenk von Andeck bestätigte 1401 die Stiftung der Frühmeßpfründe, welche damals von den Rommelsbachern gemacht wurde und fortan Filial von Oferdingen blieb. Das Präsentationsrecht zu dieser Pfründe wurde durch Vertrag von 1586 von dem Johanniterorden an Württemberg abgetreten. Im J. 1681, als er 40 Bürger zählte, gründete der Ort auf eigene Kosten eine Pfarrei und stellte Kirche und Pfarrhaus her. In der Pestzeit des J. 1611 starb der Ort bis auf wenige Bürger ganz aus.

Am 2. Jun. 1703 war allhier das Hauptquartier des Herzogs Eberhard Ludwig von Württemberg (v. Martens 564).


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