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Lustnau
mit Klosterhof.

Gemeinde II. Klasse mit 1363 Einwohnern, worunter 11 Kath. – Ev. Pfarrei; die Kath. sind nach Tübingen eingepfarrt. 1/2 St. nordöstl. von Tübingen gelegen.

Der Ort liegt malerisch an der Vereinigung der Thäler des Neckars, der Ammer und des Goldersbachs auf einem gegen Südwesten sich herab senkenden Schönbuch-Ausläufer, und ist theils an den südlich geneigten Abhang dieses Ausläufers, theils in die| Ammer-Thalebene unregelmäßig hingebaut. Das von Obstbaumwiesen rings umgebene Dorf gewährt mit seiner auf der höchsten Stelle stehenden schönen Kirche ein sehr ansprechendes Bild. Die meist kleinen, zuweilen mit hübschem Holzbau gezierten Häuser liegen zum Theil zerstreut, von Obstbaumgruppen und Blumengärtchen angenehm unterbrochen, an den gutgehaltenen, gekandelten, zur Hälfte unebenen Straßen; eine Straße ist sogar gepflastert. Sehr schöne Aussichten über die Thäler hinweg an die Albkette genießt man vom Österberge und von der Höhe bei Pfrondorf, dem Denzenberge, aus.

Die Kirche, auf dem Scheitel des in das Dorf hereinziehenden Bergrückens gelegen, ist umgeben von dem noch ummauerten alten ausgedehnten Friedhofe; gegen Süden steigt die Mauer, die theilweise noch mit dem Umgang versehen ist, sehr hoch an und macht einen burgartigen Eindruck. Die dem h. Kreuz, der h. Jungfrau, dem h. Martin, dem h. Fridolin, der h. Katharina und der h. Barbara geweihte Kirche zeigt im Ganzen spätgothische Formen, doch scheint ein Theil ihrer Umfassungsmauern älter zu sein; 1495 ward sie wieder erbaut und bildet ein breites, von gefüllten Spitzbogenfenstern erhelltes Schiff, an das sich ein niedrigerer und viel schmälerer rechteckiger Chor mit geraden Sprossenfenstern anschließt. In der Westwand des Schiffes sitzt in der Höhe ein kleines Fenster mit höchst alterthümlichem Maßwerk. Der unten tonnengewölbte Thurm steht südlich am Chore, ist bis zum dritten Geschoß, dem Glockenhause, sehr alt und nur mit Schießscharten versehen; das Glockenhaus wurde im Jahre 1862–63 nach den Entwürfen des Bauinspektors Zahn mit einem Aufwand von 7000 fl. in schönen gothischen Formen neu aufgesetzt und bildet ein hohes, achteckiges, von Spitzsäulen und großen Maßwerkfenstern belebtes Geschoß mit schlankem Zeltdache, so daß der Thurm weithin eine Zierde der Gegend geworden ist. Nördlich baut sich an den Chor eine sehr alte tonnengewölbte Kapelle an. Das Innere ist flachgedeckt, der Triumphbogen spitz, spätgothisch; die 1701 erbaute Orgel verdeckt den Chor; die Kirche ist überhaupt durch Emporen verbaut, an der Brüstung der westlichen Empore sind Bilder aus dem neuen Testamente angemalt. Der Taufstein ist mit spätgothischem Fischblasenwerk verziert, die hölzerne Kanzel im späten Renaissancestil gehalten und bemalt; auf dem Altare steht ein hölzernes Krucifix. Im zweiten Fenster der Nordwand des Schiffes befindet sich ein kleines zierliches Glasgemälde, das Brustbild des Herzogs Friedrich von Württemberg in der Tracht jener Zeit, daneben das württembergische Wappen und die Inschrift: Julius Friederich| Hertzog zu württemberg. vormundt vnd Administrator 1632. In der Nordwand des Chors sieht man das sehr hübsche Grabsteinchen eines sieben Wochen alten Kindes eingesetzt; es ist in zierlichem Röckchen und Häubchen, die Hände faltend dargestellt und starb den 4. Mai 1651. Auf dem Boden des Chores erhielten sich einige alte Fliese. Von den drei Glocken ist die größte sehr alt und mit den Namen der vier Evangelisten umschrieben; auf der mittleren steht: Anno 1686 Soli Deo gloria; um die dritte Glocke geht oben ein sehr schönes Band aus Fischchen und Lilien und die Umschrift: Peter und Johannes die Rosier haben mich gegossen anno 1696; darunter steht: Gott allein die Ehr. M. Ernestus Conradus Reinhardt und Johannes Harprecht Vogt; ferner ein Relief, Christus am Kreuz, und das Wappen der Rosier, Rosen und darauf eine Glocke.

Die Baulast der Kirche ruht aus der Stiftungspflege, die des Thurmes auf der Gemeinde.

Im Jahr 1859 wurde der neue Begräbnißplatz nordöstlich vom Ort angelegt.

Das sehr freundliche zweistockige Pfarrhaus mit hübschem Garten, wohlgeschlossenem Hofe und reizender Aussicht in das Neckarthal hat der Staat zu unterhalten. Östlich von der Kirche liegt hoch und gesund das große dreistockige 1789 erbaute Schulhaus, welches drei Lehrzimmer, die Wohnung des Schulmeisters und die des Unterlehrers enthält.

Das sehr schön gelegene Rathhaus mit herrlicher Aussicht in das Neckarthal ward 1824 an der Stelle des früheren erbaut; im Rathszimmer bewahrt es zwei alte Glasgemälde: 1) das Württembergische Wappen mit der Unterschrift: Fides Spes. Von Gottes Gnaden Eberhart Hertzog zu Württemberg vnd Deckh Graue zu Mimppellgart Herr zu Heydenheim etc. 1653. 2) Ein Wappen, im Schild eine Schlange, auf dem Helm eine Taube zwischen zwei Büffelhörnern; unter dem Wappen steht: Johannes Bab der Zeit Bebenhaußischer Ambtschreiber zu Lustnaw 1653; über dem Wappen: Gott lieben ist besser denn alles wissen.

Das Schloß der Herrn von Lustnau stand am südwestlichen Ende des Ortes unfern der Mühle in der Thalebene beim Einflusse des Goldersbaches in die Ammer.

Diese genannte Mühle, ein hübsches alterthümliches Haus, trägt die Inschrift:

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 Anno Christi
 1615
Ward Dise Mühl gebawt
Galt das Simr: Kernen
Von 21 bis 22 batz.

Ein Gemeindebackhaus ward 1863–64 angelegt und wird stark benützt.

Eine Kelter mit einem Baume besteht.

Sehr gutes Trinkwasser liefern jetzt hinreichend vier laufende und zehn Pumpbrunnen; drei der laufenden werden in neuester Zeit durch den 1/8 Stunde östlich vom Dorf entspringenden, in eisernen Deucheln hergeleiteten Weiherbrunnen gespeist, der in 24 Stunden 300 Eimer Wasser liefert und erst in neuerer Zeit angelegt wurde. Überdieß fließen über die Markung der Bobbeleslochbach, die Ramslach, der Kirnbach, der Goldersbach, die Ammer und der Neckar; sie treten zuweilen aus, doch schadet nur der Neckar und hauptsächlich dadurch, weil man wegen seines Austretens genöthigt ist, die Thalebene, die sich für den Ackerbau vortrefflich eignen würde, als Wiesen zu benützen. In der Nähe des Rathhauses bestand früher ein sog. Hungerbrunnen, der aber seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts nicht mehr geflossen ist.

Die Blaulach liegt größtentheils auf der Markung; sie mißt an der tiefsten Stelle 14′ und ist ein Überrest des alten Neckars, der 1660 und 1778–80 regulirt wurde.

Die alte 1740 und die neue 1842 erbaute Staatsstraße von Tübingen nach Dettenhausen und weiterhin nach Stuttgart geht hier durch; ferner führt eine Vicinalstraße nach Kirchentellinsfurth.

Über den Neckar geht eine hölzerne Brücke, über den Goldersbach gehen 2 steinerne, darunter die beim Adler, und 2 hölzerne Stege; ferner führen 2 steinerne Brücken über den sog. Landgraben. Mit Ausnahme der Brücke beim Adler und der Stege ruht die Unterhaltung derselben auf dem Staate.

Die Einwohner, ein gesunder und ziemlich kräftiger Schlag, sind geordnet, fleißig, sparsam und meist von kirchlichem Sinne; sie erreichen nicht selten ein hohes Alter; sechs Ortsangehörige sind gegenwärtig 80 Jahre und darüber alt, einer zählt sogar 93 Jahre. Wegen der nahen Blaulach kommen Fieber häufig vor. Die Tracht der meisten Einwohner ist städtisch.

Ein ausgezeichneter Lustnauer ist Stephan Christoph Harpprecht, Sohn des Vogtes, geb. am 12. Jun. 1676, Professor der| Rechte in Tübingen, württembergischer Regierungsrath 1709, nach manchem Ämterwechsel in verschiedenen Staaten herzoglich-braunschweigischer Geheimerrath 1730, gest. in Wien als fürstlich Lichtensteinischer Geheimerrath 1735. K. Karl VI. erhob ihn in den Adelstand als Harpprecht von Harpprechtstein.

Haupterwerbsquellen sind Feldbau, Weinbau, Obstbau und Viehzucht; sodann finden sich Liaskalksteinbrüche, die gutes Straßenmaterial liefern, eine Lehmgrube und Kiesbänke am Neckar.

Unter den Gewerbetreibenden sind Maurer und Zimmerleute zahlreich vertreten und arbeiten auch nach außen; drei Schildwirthschaften, worunter eine mit Bierbrauerei, die namhafte Geschäfte macht; zwei Kaufläden und ein Kramladen bestehen.

Dann befindet sich hier eine Ziegelhütte mit Drainirrohrfabrikation und eine Mühle mit drei Mahl- und einem Gerbgange.

Die Vermögensverhältnisse der Einwohner gehören zu den mittleren; der begütertste Bürger besitzt 40, der Mittelmann 12–15 und die ärmere Klasse 1–31/2 Morgen; einige haben gar kein Grundeigenthum. Hiesige Bürger besitzen etwa 20 Morgen auf Pfrondorfer Markung, dagegen haben Bürger von Kirchentellinsfurth und Kusterdingen Weinberge und Wiesen auf hiesiger Markung.

Die ziemlich große, wenig arrondirte Markung, von der ein namhafter Theil mit Wald bestockt ist, hat mit Ausnahme der Gehänge gegen die Thäler des Neckars, der Ammer, des Goldersbachs und des Kirnbachs, eine ziemlich ebene, – in dem Ammerthale und in dem 1/4 Stunde breiten Neckarthale aber eine ganz ebene Lage. Die klimatischen Verhältnisse sind im allgemeinen günstig, indessen schaden Frühlingsfröste und kalte, aus den Thälern aufsteigende Nebel nicht selten den feineren Gewächsen, wie auch der Trauben- und Obstblüthe. Aus dem von Norden herziehenden Bebenhauser Thal kommt häufig eine auffallend kalte Luftströmung.

Der Boden ist im allgemeinen fruchtbar und besteht auf der Anhöhe gegen Pfrondorf aus Lehm, dem in unbedeutender Tiefe der Liaskalk als Unterlage dient; an den Gehängen erscheinen die Zersetzungen des Keupers, die theils für den Weinbau, größtentheils aber für den Waldbau benützt werden. Auf der Formationsgrenze zwischen Lias und Keuper tritt ein thoniger, nicht durchlassender Boden auf und im Neckarthal herrscht ein sandiger Lehm vor. Den Boden sucht man durch gute Düngung, namentlich auch mittelst fleißig gesammelter Jauche, zu verbessern.

Die Landwirthschaft wird mit Anwendung des Brabanter und| Suppinger Pflugs, wie auch anderer verbesserter Ackergeräthe, gut betrieben, wobei hauptsächlich Dinkel, Gerste und ziemlich viel Einkorn zum Anbau kommen. In der Brache zieht man Kartoffeln, dreiblättrigen Klee, Angersen, Kohlraben, Flachs, Hanf und nur wenig Reps. Seit neuerer Zeit hat auch der Hopfenbau mit gutem Erfolg Eingang gefunden und dehnt sich bereits über 25 Morgen aus. Von den Getreideerzeugnissen können jährlich gegen 250 Schffl. Dinkel und 150 Schffl. Gerste nach außen verkauft werden. Auf der Markung liegen 130 Morgen Staatsgüter, welche zu dem Klosterhof gehörten und nun in kleinen Abtheilungen an die Ortsbürger verpachtet werden.

Der Wiesenbau ist ausgedehnt und liefert ein gutes nahrhaftes Futter; die durchaus zweimähdigen Wiesen können nicht bewässert werden.

Weinberge sind etwa 50 Morgen vorhanden, von denen übrigens nur die Hälfte mit Reben bestockt ist, während die andere Hälfte theils mit Hopfen, theils mit anderen Kulturgewächsen bepflanzt wird. Man pflegt Drollinger, Gutedel, weiße Elblinge, Sylvaner und wenig Klevner, die einen mittelguten Wein liefern. Auf den Morgen rechnet man 2000–2500 Stöcke und 4–5 Eimer Ertrag. Die Preise eines Eimers bewegten sich in den Jahren 1811 von 46–50 fl., 1857 von 30–36 fl., 1865 von 60–70 fl. Der Wein wird größtentheils im Ort verbraucht.

Die im Zunehmen begriffene Obstzucht ist bedeutend und gegenwärtig läßt die Gemeinde 10 Morgen zu Obstbaumgütern anlegen; es werden vorzugsweise Luiken, Fleiner, Goldparmäne, Knausbirnen, Palmischbirnen, Mostbirnen, Bratbirnen und ziemlich Zwetschgen gepflanzt. Das Obst gedeiht gerne und erlaubt in günstigen Jahren einen ziemlich namhaften Verkauf nach Tübingen.

Die Gemeinde besitzt 770 Morgen Waldungen, darunter sind 260 Morgen, die im Jahr 1822 für eine Schönbuchsgerechtigkeit erhalten wurden; der jährliche in 180 Klaftern und 10.000 Stück Wellen bestehende Ertrag wird verkauft und von dem Erlös, der 7000–7500 fl. beträgt, erhält jeder Bürger 6 fl., der Rest mit etwa 5000 fl. fließt in die Gemeindekasse.

Eigentliche Weiden sind 40 Morgen vorhanden, die nebst der Brach-, Stoppel- und Wiesenweide an einen auswärtigen Schafhalter um 315 fl. gegenwärtig verpachtet werden; überdieß trägt die Pferchnutzung der Gemeindekasse 3–400 fl. jährlich ein.

Die vorhandenen 40 Morgen Allmanden werden theils verpachtet, theils Bürgern um kleine Summen lebenslänglich überlassen,| was der Gemeinde eine jährliche Rente von 70 fl. sichert. Auch besitzt die Gemeinde 50 Morgen Feldgüter, die sie um 24 fl. vom Morgen verpachtet.

Die Pferdezucht ist ganz unbedeutend, dagegen die Zucht des Rindviehs sehr namhaft; es ist ein tüchtiger Neckarschlag aufgestellt, der durch drei Farren (zwei von Neckar- und einer von Simmenthaler Race) nachgezüchtet und verbessert wird. Der Handel mit Vieh ist nicht beträchtlich, dagegen bringt der Milchverkauf nach Tübingen jährlich gegen 1500 fl. in den Ort.

Auf der Markung laufen im Vorsommer 150 – im Nachsommer 300 St. Bastardschafe; die Wolle wird auf dem Kirchheimer Markt abgesetzt und der Abstoß der Schafe geschieht nach Frankreich.

Eigentliche Schweinezucht besteht nicht und sämtliche Ferkel (halbenglische oder Landrace) werden von außen eingeführt und für den eigenen Bedarf gemästet.

Mit selbst gezogenem Geflügel, namentlich mit Gänsen, findet einiger Handel nach Tübingen statt.

In namhafter Ausdehnung und mit gutem Erfolg wird die Bienenzucht getrieben; Wachs und Honig kommt zum Verkauf nach außen.

Die Fischerei ist mittelmäßig und beschränkt sich auf Weißfische, Barben, Schuppfische und Hechte; im Goldersbach kommen Forellen und Krebse vor. Das Fischrecht im Neckar und im Goldersbach hat der Staat, welcher es verpachtet.

Zu der Gemeinde gehört der nur einige 100 Schritte nördlich von Lustnau, am Eingang in das Goldersbachthal gelegene Klosterhof; er besteht aus einem einfachen zweistockigen Steinhaus, das nach seinen Bauformen dem 16. Jahrhundert angehört und über dessen Eingang das Wappen von Bebenhausen angebracht ist. Außer diesem sind noch einige Ökonomiegebäude, einst nebst einem Hofraum und Garten von einer sehr hohen, mit Befestigungsthürmen flankirten Mauer umgeben, welche beinahe die halbe Breite des Thales einnahm; von ihr stehen jetzt nur noch die gegen Westen gelegenen Theile mit einem runden, und an der nordwestlichen Ecke mit einem viereckigen trümmerhaften Thurme. Der Hof gehörte dem Staat, der die Gebäude und die innerhalb der Ringmauer gelegenen Güter theils in den 1820er Jahren an eine Gesellschaft, theils in den 1840er Jahren an die Gemeinde Lustnau verkaufte; die außerhalb der Mauer gelegenen Güter behielt der Staat, der sie nun an Ortsbürger verpachtet (s. oben). Die Gesellschaft benützt hauptsächlich das| Wohngebäude und gründete hier im Jahr 1841 unter dem Namen Sophienpflege eine Erziehungsanstalt für verwahrloste Kinder, in der gegenwärtig 15–16 Kinder Aufnahme finden. An der Anstalt steht ein Lehrer, zugleich Verwalter, ein Aufseher und eine Aufseherin. Früher war hier der Sitz des Vogts nachher Oberamtmanns des Klosteramts Bebenhausen.

Von Alterthümern sind zu nennen ein Grabhügel im Staatswald Kirnberg; auch lag auf der Markung der längst abgegangene Ort Stiffurt, bereits 1229 unter den Besitzungen des Klosters Bebenhausen genannt.

Lustnau (d. i. zer lusten Ouwe, zur lustigen Au) gehörte ursprünglich den Grafen (Pfalzgrafen) von Tübingen, aus deren Reihe z. B. Rudolf 1256 das Kl. Marchthal mit hiesigem Weingarten, Eberhard 1292 das Kl. Bebenhausen mit dem Fischwasser im Neckar von der Katzensteige an bis zu der Kalchgrube beschenkten und Heinrich genannt Wilhelm und Gottfried 1339 ebendahin ihre Hintersassen in L., Steinbös (s. Pfrondorf) etc. verkauften.

Während der blutigen Feindschaft zwischen Tübingen und Hohenberg wurde L. am 24. März 1292 von den Hohenberger Grafen Albert und seinem Oheim Burkhard mit Brand und Plünderung schwer heimgesucht.

Angesessen und begütert allhier und in der Umgegend (z. B. in Pfrondorf) waren die Herren von L., ein pfalzgräflich tübingisches Dienstmannengeschlecht, welches auch von den Grafen von Hohenberg (Schmid, Gr. v. Hohenberg 526) und von den Herren von Stöffeln Lehen trug. Sie führten als Wappen einen silbernen Hirschkopf mit Geweih im blauen Felde und waren verwandt mit den Herren von Wildenau (bei Rübgarten), deren Wappen gleichfalls einen Hirschkopf darstellt. (Der Hirschkopf ist noch jetzt das Ortssiegel von L.).

Der erste bekannte Herr von L. ist Udalricus de Lustnow, um 1100 Zeuge bei einer Schenkung an das Kl. Hirschau, folgen dann Kraft von L., im 12. Jahrhundert Wohlthäter des genannten Klosters (Cod. Hirs. 31b. 68a), Walther 1191 und Eberhard 1236, die beiden letzteren in Bebenhauser Urkunden genannt, in welchen dieses Geschlecht am häufigsten vorkommt. Meist öfter wiederkehrende Namen aus dem Schlusse des 13. Jahrhunderts bis zum Erlöschen des Geschlechts am Ende des 15. Jahrhunderts sind Walther, Konrad, Johannes, Burkhard, Ludwig (ein solcher war Schultheiß in Tübingen 1296 ff.), Dietrich, Friedrich, Hans, Ostertag und Wilhelm; Beinamen, wie Specht und Elsenbaum mahnen an den| Schönbuch (1261 Waltherus Spêht, Ber. dictu Elssinboun et C. frater ejus milites de Lustinowe, 1270 Burcardus Spêht, 1283 Heinricus dictus Speîte, 1293 Bur. de Lustenowe dictus Speht. Mone Zeitschr. 3, 201. 213. 435. 14, 349). Der bedeutsamste Beiname ist jedoch der: die Todten. Ein Edler von L., erzählt Crusius, ward für todt hinausgetragen und beigesetzt, kam aber in der Nacht lebendig zurück mit umgeschlagenem Leichentuch, seine Frau zögerte, ihn aufzunehmen, sie zeugten aber nachher noch fünf Kinder und diese nannte man „die Todten von Lustnau“.[1]

Der Ort L. kam allmählig ganz in die Hände des Klosters Bebenhausen, großentheils durch die Mildthätigkeit der Pfalzgrafen von Tübingen und der genannten Herren von L., von welchen manche eben in diesem Kloster ihre Grablege fanden. Ums J. 1226 schenkte letzterem auch Heinrich von Hailfingen, Ritter, Äcker, Holz und Gesträuch auf dem Tinzemberc (jetzt Denzenberg, nordöstlich von L., Wirt. Urk.-Buch 3, 184), welche er dem Pfalzgrafen Rudolf, von dem er sie zu Lehen trug, aufgab, worauf sie der Pfalzgraf dem Kloster als freies Eigenthum überließ. (Mone Zeitschr. 3, 107.) Es begriff die Bestätigungsbulle P. Gregors IX. vom 8. März 1229 für das Kl. Bebenhausen bereits dessen hiesige Güter. Noch im Jahr 1303 erhielt letzteres Besitzungen der Herren von Lustnau in L., Studach und Steingeböß verschrieben. (Mone 15, 221).

Nach der Reformation wurde L. der Sitz des Klosteroberamts. Zur Pflege L. gehörten L., Pfrondorf und Steinbös. (Über der Herrschaft Württemberg hohe maleficische Obrigkeit im Flecken L., s. Reyscher, Statut. Rechte 198.)

An der Kirche kommen als Geistliche vor Landolt um 1120 (Pertz Script. 10, 99), C. plebanus 1266, Waltherus decanus 1270 (Mone 3, 208. 215). Graf Wilhelm von Tübingen († um 1253) schenkte sie (cum attinenciis ad jurisdictionem ejusdem ecclesiae spectantibus universis) an das Kl. Bebenhausen, was am 22. Juli 1276 dessen Sohn, Graf Ulrich, bestätigte (Mone 3, 226). Unter Abt Konrad (1320–53) durfte das Kloster sie sich einverleiben. Sie erfreute sich reichen Ablasses, 1318, 1322 (damals von P. Johann XXII. selbst), 1370–1371 (als sie Alters| halber zur Hälfte eingefallen war) 1434. (Crusius Annal. Suev. 3, 210. 211. 280. 362.)[2]

In früheren Zeiten war der hiesige ev. Pfarrer zugleich Specialsuperintendent des Bebenhäuser Sprengels.



  1. Ludwig Uhland bei Pfeiffer Germania 8, 65 ff., mit vielen Nachweisungen über die Familie überhaupt. In Urkunden ist der Beiname „die Todten“ nicht erhalten.
  2. Über ein hiesiges Frauenkloster (Besold Virg. 551) verlautet nichts sicheres Urkundliches. (Mone Zeitschr. 3, 201).
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