« Kapitel B 15 Beschreibung des Oberamts Tübingen Kapitel B 17 »
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Kirchentellinsfurth,
mit der K. Hofdomäne Einsiedel, Hof, und zwei Mühlen,

Gemeinde II. Klasse mit 1332 Einwohnern, worunter 4 Kath. – Ev. Pfarrei; die Kath. sind nach Tübingen eingepfarrt. 13/4 St. östl. von Tübingen gelegen.

Der große Ort liegt hoch und frei auf dem westlichen Ende der zwischen dem Neckar- und dem Echazthale sich erhebenden Hochfläche und gewährt, aus der Ferne gesehen, mit seiner auf dem höchsten Punkte stehenden Kirche und dem Pfarrhause einen bedeutenden Anblick. Einige Häuser des Dorfes liegen unten im Neckarthale, zunächst des Einflusses der Echaz in den Neckar, die übrigen beginnen auf halber Höhe der Berges und ziehen sich in unregelmäßigen und gedrängten Gruppen an den reinlichen, gekandelten, sämtlich bergan führenden Straßen bis zur Kirche hinauf. Schöne Obstbaumwiesen umgeben fast rings den Ort und treten bis an die zum Theil stattlichen Häuser heran; von der Kirche aus hat man eine schöne Aussicht| über das Echazthal hinweg an die nahe und großartig aufsteigende Kette der Alb; außerhalb des Ortes, auf der sog. Degerschlachter Höhe, ist die Aussicht noch prächtiger.

Die Kirche, ganz am Südende auf dem alten ummauerten Friedhofe stehend, ist ein schlichtes spätgothisches Bauwerk, einschiffig ohne Strebepfeiler, mit halbachteckig geschlossenem Chore und Maßwerkfenstern; auf dem schlanken Westgiebel sitzt ein schönes Steinkreuz. Der Thurm steht nördlich am Chore, hat zwei alte mit Schießscharten versehene Stockwerke und ein neues hölzernes, das von spitzem Zeltdache bekrönt wird; an der Nordwestecke seines ersten Gurtgesimses sitzt ein großer Fratzenkopf. Das flachgedeckte Innere enthält einen hübschen spätgothischen Taufstein, der die Jahreszahl 1524 trägt; an dem Altare steht ein Krucifix aus derselben Zeit. Von dem frühern Taufstein liegt der achteckige Fuß vor dem Pfarrhause, die Schale im Pfarrgarten. An den Wänden des Chores sind verschiedene hübsche Epitaphien im Renaissancestil, das bemerkenswertheste von der Familie Im Hoff, angebracht, und am spitzbogigen Triumphbogen hängt eine Tafel von 1666 mit dem württembergischen Wappen und einer Inschrift in Versen, wonach die Kirche von Herzog Friedrich 1594 reformirt wurde. Nach einem Eintrag im Todtenbuch von 1633 fand man in der Nähe des Altars 2 rohgearbeitete steinerne Särge, deren Alter damals über 200 Jahre geschätzt wurde. Unter der dicken Tünche des Chors sind noch Spuren von Bemalung. Von den 3 Glocken hat die größte die Umschrift in gothischen Minuskeln: me resonante pia populi memento maria und gos mich joseger im 85. jar; auf der mittleren noch älteren steht in lateinischen Majuskeln: S. iohannes. lucas. marcus. madeus und dreimal ein kleines Relief, der Gekreuzigte mit Maria und Johannes; die dritte Glocke ward gegossen zu Reutlingen von Kurtz 1845.

Südlich am Chore steht die alte tonnengewölbte Sakristei, welche 2 spätgothische, aus Messing getriebene Taufbecken enthält; auf einem ist Mariä Verkündigung, neben ihr das Einhorn, dargestellt. Das Pförtchen, das in den Chor herausführt, hat eine mit schönem gothischem Eisenwerk beschlagene Thüre. Die Baulast der Kirche ruht auf der Stiftungspflege.

Der neue Begräbnißplatz wurde 1859 neben dem alten angelegt.

Das vom Staat zu unterhaltende hübsche Pfarrhaus hat eine treffliche freie Lage westlich von der Kirche und erlaubt eine schöne Aussicht.

Das Schulhaus enthält 3 Lehrzimmer und die Wohnung des| Schulmeisters; überdieß ist noch ein zweiter Schulmeister und ein Unterlehrer an der Schule angestellt.

Das Rathhaus ist schon ein älteres Gebäude und trägt die Jahreszahl 1785.

Dann befindet sich am südöstlichen Saume des Dorfes das sog. Schloß, das im Jahr 1602 samt den dazu gehörigen Gütern von Herzog Friedrich von Württemberg an Peter v. Imhof zu Urach verkauft wurde, bei welcher Familie es bis 1742 blieb. Später kam es an einige adelige Familien, worunter die v. Gaisberg, bis es im Jahr 1776 an hiesige Bauern verkauft wurde. Es stammt aus dem 16. Jahrhundert, steht am Ende eines ausgedehnten Gartens, der von einer alten, hohen, theilweise noch mit Schießscharten versehenen Mauer umschlossen wird, und ist ein großes dreistockiges Gebäude mit steinernem erstem Stock, starkem Eichenbalkenwerk in den höheren Geschossen und mächtigem Giebel. Unten in der weiten Flur tragen achteckige Steinpfeiler die theilweise noch bemalte Eichenbalkendecke; an der Nordseite des Schlosses tritt ein hübscher, halbachteckiger Ausbau hervor. Im Westen steht das dazu gehörige sog. Schlößle, auch noch im Renaissancestil gehalten und mit steinernem, von reichgegliederten Rundbogenthüren durchbrochenem Unterstock.

Links an der Straße nach Altenburg steht ferner noch im Dorfe, gegenüber dem Schloßgarten, eine alte steinerne Scheune mit zwei sehr großen Einfahrtthoren und einem Renaissancebaldachine, in dessen Fries ein Wappenschild mit einem Steinmetzzeichen und die Jahreszahl 1554 zu sehen ist.

Ein Armenhaus besteht.

Gutes Trinkwasser liefern 4 laufende und 16 Pumpbrunnen; bei anhaltender Trockenheit tritt Wassermangel ein und das Wasser muß dann von dem sog. Weiherbronnen, der einzigen Quelle außerhalb des Ortes, geholt werden.

Über die Markung fließen der Neckar, die Echaz, der Boppelenslochbach und der Schlierbach; bei ihrem Austreten verursachen sie oft beträchtlichen Schaden.

Eine Wette ist vorhanden.

Vicinalstraßen gehen von hier nach Lustnau, Einsiedel, Pliezhausen, Walddorf, Wannweil, Degerschlacht, Sickenhausen und Altenburg.

Der Ort hat eine Eisenbahnstation mit Postexpedition, die im Echazthal unfern der Einmündung der Echaz in den Neckar in einem ansprechenden Stile hingebaut ist.

| Über den Neckar und über die Echaz geht je eine hölzerne Brücke; ihre Unterhaltung hat die Gemeinde.

Die Einwohner, meistens groß und kräftig, erreichen nicht selten ein hohes Alter; gegenwärtig leben 5 über 80 Jahre alte Personen im Orte, sie sind fleißig, sparsam, geordnet, auch größtentheils religiösen Sinnes; ihre Volkstracht ist beinahe ganz abgegangen.

Neben den Haupterwerbsquellen, Feldbau und Viehzucht, bieten die auf der Markung liegenden Steinbrüche mancherlei Gelegenheit zu Arbeit und Verdienst; sie liefern weiße grobkörnige Keupersandsteine, die als Bausteine auch auswärts Absatz finden; daneben werden die Sand- und Kiesbänke des Neckars und eine Lehmgrube ausgebeutet. Unter den Gewerbetreibenden sind die Maurer am stärksten vertreten und arbeiten viel auswärts.

Außerhalb des Ortes befinden sich an der Echaz 2 Mahlmühlen, eine mit 4 Mahlgängen und 1 Gerbgang, die andere mit 2 Mahlgängen und 1 Gerbgang; ferner eine Ölmühle mit 1 Ölgang und eine Sägmühle mit 2 Reibtischen.

Eine Bierbrauerei, 3 Schildwirthschaften, 1 Kaufladen und 2 Kramläden bestehen.

Die Vermögensverhältnisse gehören zu den besseren; der begütertste Burger besitzt 50, der Mittelmann 15 Morgen Grundeigenthum.

Mit Ausnahme der Gehänge gegen das Neckarthal und dessen Seitenthäler bildet die mittelgroße Markung, namentlich so weit sie für den Feldbau benützt wird, eine flachwellige Ebene und hat im allgemeinen einen fruchtbaren Boden, der zum größeren Theil aus tiefgründigem Lehm besteht und entweder von dem Stubensandstein, oder von den oberen Keupermergeln unterlagert wird; an Stellen, wo letzterer der Oberfläche nahe liegt oder gar dieselbe bildet, erscheint ein etwas schwerer Thonboden. An den Gehängen zeigt sich ein sandiger (Zersetzung des Stubensandsteins) oder ein thoniger Boden (Zersetzung der mittleren Keupermergel). In der Neckarthalebene erscheinen Alluvionen, die theils mit Sand, theils mit Geröllen gemengt sind.

Das Klima ist mild, zuweilen schaden kalte Nebel und Frühlingsfröste, dagegen ist Hagelschlag sehr selten; der Österberg soll eine Wetterscheide bilden.

Die Landwirthschaft wird sehr fleißig und gut betrieben und landwirthschaftliche Neuerungen, wie die Anwendung des flandrischen| Pflugs, der eisernen Egge, der Repssämaschine etc. haben Eingang gefunden.

Von den Getreidearten werden vorherrschend Dinkel, Gerste und von Brachgewächsen Kartoffeln, welche sehr gut gedeihen, Futterkräuter, Angersen und Kohlraben gebaut. Von Handelsgewächsen kommen Flachs, Hanf und Reps zum Anbau; sie werden theilweise, namentlich Hanf, in ziemlich großer Ausdehnung nach außen abgesetzt. Über den eigenen Bedarf können etwa 1000 Scheffel Dinkel und 600 Scheffel Gerste verkauft werden.

Der ausgedehnte Wiesenbau liefert ein ziemlich gutes Futter, das im Ort selbst verbraucht wird.

Von geringer Bedeutung ist der Weinbau, der mehr und mehr anderen Kulturarten den Platz räumt und gegenwärtig nur noch auf 16 Morgen, von denen etwa die Hälfte im Ertrag steht, getrieben wird. Man pflanzt vorzugsweise sog. Putscheren und Sylvaner, die einen sehr mittelmäßigen Wein liefern, dessen Preise in den letzten 10 Jahren 30–40 fl. vom Eimer betrugen; verkauft wird übrigens nur ganz wenig.

Von namhafter Ausdehnung ist die Obstzucht, zu deren Überwachung und Pflege ein besonderer Baumwart von Seiten der Gemeinde aufgestellt ist. Man zieht hauptsächlich die gewöhnlichen Mostsorten und Zwetschgen. In guten Jahren wird sehr viel Obst nach außen verkauft.

Die 336 Morgen großen Gemeindewaldungen ertragen jährlich 32 Klafter und 5–6000 Stück Wellen; das Holz wird verkauft und von dem Erlös jedem Bürger jährlich 2–4 fl. gereicht, der Rest mit etwa 1250 fl. fließt in die Gemeindekasse.

Die Sommer- und Herbstweide ist an einen fremden Schäfer, der im Vorsommer 150–200 St., im Nachsommer 300–600 St. Bastardschafe laufen läßt, um etwa 400 fl. jährlich verpachtet, überdieß sichert der Pfercherlös der Gemeindekasse eine Rente von etwa 500 fl.

Aus den vorhandenen etwa 64 Morgen großen Allmanden, welche an die Ortsbürger ausgetheilt sind, bezieht die Gemeindekasse 108 fl. und aus verpachteten Äckern und selbst bewirthschafteten Wiesen etwa 600 fl.

Die Viehzucht ist in ganz gutem Zustande; man hält eine tüchtige Landrace mit Simmenthaler Kreuzung, die durch 3 Zuchtstiere unterhalten wird. Der Viehhandel ist nicht ausgedehnt und die Viehmastung unbedeutend.

| Schweinezucht (halbenglische Race) wird ziemlich stark getrieben und sowohl viele Ferkel als auch gemästete Schweine finden theils auf den Märkten in Tübingen, theils an Metzger Absatz.

Von Geflügel zieht man hauptsächlich Gänse, die theilweise nach außen verkauft werden.

Die Bienenzucht ist mittelmäßig und erlaubt einigen Verkauf an Honig und Wachs.

Die Fischerei im Neckar ist Privateigenthum und nicht von Belang; es kommen Aale, Hechte, Barben, Weißfische, Schuppfische und Rothaugen vor, die theils im Ort, theils nach Reutlingen und Tübingen abgesetzt werden.

Stiftungen von früher im Ort ansässigen Adeligen und von Ortseinwohnern sind 2175 fl. vorhanden; die Zinse werden zu gewissen Zeiten theils in Geld, theils in Brod an Ortsarme ausgetheilt. Ferner besteht die sog. Walkerstiftung, welche im Jahr 1386 von einem Walker in Reutlingen gemacht wurde. Bei der im Jahr 1699 zwischen Reutlingen und den hiesigen Walkern vorgenommenen Theilung betrug der Antheil der letzteren 1000 fl., die nunmehr bis zu 5000 fl. angewachsen sind, aus deren Zinsen bedürftige Ortsangehörige, welche den Namen Walker führen, in Krankheits- und andern Fällen unterstützt, auch Kindern die Schulgelder, Beiträge zu Schulbüchern, Lehrgelder etc. gegeben werden.

Eine von Kusterdingen unter dem Namen „Heerstraße“ herkommende Römerstraße führte bei der Mühle über die Echaz und weiter über Kirchentellinsfurth nach Altenburg. Ganz in der Nähe dieses Übergangs wurde von dem Müller Christian Weber vor 30 Jahren das römische Standbild einer Victoria im Bett der Echaz aufgefunden. Die Römer hatten also hier eine Furth über die Echaz, an deren Stelle nach einer Urkunde von 1296 früher der Weiler Thällinsfurth stand; sie lautet: Kirchheim daz Dorf bi dem Nekker und die Mulstatt zu Tällinsfurth betreffend den Hellerzins aus der an dem Echazfluß stehenden Mahlmühle, allwo vorhin das Weiler Thälinsfurth stand. Kirchheim lag auf der Anhöhe bei der Kirche, Thälinsfurth an dem alten Flußübergang im Echazthale, hieraus wird sich der Ortsname Kirchentellinsfurth wohl am sichersten erklären lassen.

Gegenüber von Kirchentellinsfurth, jenseits des Neckars, kommt die Flurbenennung „auf den Römern“ vor; hier fand man schon Gemäuer und Überreste von einer gepflasterten Straße, die dem Thale entlang auf der linken Seite des Neckars geführt haben und römischen Ursprungs sein soll.

| An der östlichen Seite des Dorfes stand in den sog. Käpelesgärten eine Kapelle, von der man zuweilen noch Ziegel etc. findet. Südlich vom Ort kommen die Flurnamen „obere und untere Bürge“ vor, die auf eine abgegangene Befestigung hindeuten, von der übrigens keine Spuren aufzufinden sind, dagegen soll es dort spuken, was in der Regel an Stellen behauptet wird, auf denen früher Gebäude etc. standen.

Der Name K. ist zusammengesetzt aus den Namen zweier zusammengeschmolzener Orte, Kirchheim und Tellinsfurth (Kilchain, Taelisfurt. 1275. Freiburger Diöcesanarchiv 1, 78, s. auch unten die Urk. von 1296; Tällisfurt, Kirchan. 1395. Schmid. Mon. Hoh. 777; noch 1483 Aug. 11, als bereits auch der jetzige Name üblich war, kommt Kirchheim allein vor).

Kirchheim tritt am 1. Nov. 1007 erstmals in die Geschichte ein, als K. Heinrich II. an das von ihm gegründete Bisthum Bamberg stiftete locum (proprietatis suae) Kirihheim dictum in pago Sulichgowe et in comitatu Hessini situm cum omnibus pertinentiis (Wirt. Urk.-Buch 1, 246), worunter aber jedenfalls nicht der ganze Ort verstanden ist. Über solch Bambergischen Besitz hat sich aus späterer Zeit nichts Urkundliches mehr erhalten. Da aber die Hohenberger Grafen wenigstens weiter oben am Neckar vom Hochstift Bamberg Lehen trugen, so mögen die hiesigen gräflich hohenbergischen (seit 1381 österreichischen) Besitzungen von der obigen Vergabung abzuleiten sein.

Ein hiesiger Hauptbesitz war in Händen der Pfalzgrafen von Tübingen. Ulricus de Chirchaim ist am 8. Mai 1233 Zeuge des Pfalzgrafen Rudolf von Tübingen (Wirt. Urk.-Buch 3, 328). In Zeiten der Minderjährigkeit der Grafen Eberhard und Rudolf von Tübingen, im Jahr 1283, behaupteten die hiesigen Bauern von gewissen Gütern eben diesen Grafen steuerpflichtig zu sein, im Widerstreit mit den Ansprüchen des Klosters Bebenhausen (Schmid Mon. Hohenb. 68). Volljährig geworden, verkauften diese Grafen im Jahr 1296 unter anderem „Kyrchain das Dorf bi dem Necker und Kunrades des Ritters von Wildenowe (ihres) Dienstmannes Mülstat ze Tällinsfurt“ an Albrecht Bächt, Bürgermeister zu Reutlingen (Schmid Pfalzgr. Urk. 57).

Als hohenbergische Lehen werden aufgeführt: 1358 drei Höfe mit 17, 13 und 18 Jauchert Ackers; 1366 ein Hof mit 15 Jauchert Ackers und 13 Mannsmahd Wiesen; später (unter Österreich) 1395 12 Morgen Wiesen (zwischen K. und Wildenau) und ein Fischwasser| im Neckar; 1405 Gülten und Zinse von einem Hof nebst der Vogtei desselben; 1406 44 Jauchert Ackers und 2 Mannsmahd Wiesen; 1458 Häuser, Hofstätten und Äcker; 1473 der halbe große Zehnte und ein Fischwasser.[1] Mit diesen Besitzungen waren von Hohenberg, seit 1381 von Österreich, belehnt: Bürgergeschlechter von Reutlingen (die Bächte[2], Ammanne und Walker), die Kirchen-, Schul- und Almosenpflege daselbst, auch mehrere Edelleute: die von Gomaringen, Kusterdingen, die Volen von Wildenau und die von Höfingen (Schmid Gr. v. Hohenb. 525. Zu Höfingen s. auch Lichnovsky Habsburg 7 Regg. Nr. 1709). Am 8. Jan. 1498 bekannten Michael von Wolkenstein, kaiserlicher Rath und Kämmerer, und Cyprian von Sarntein, kaiserlicher Protonotar, daß K. Maximilian I. ihnen die Vogtei in K. mit hohen und niedern Gerichten, Obrigkeit, Zwingen, Bännen, Fällen, Freveln, Bußen, Vogteien etc. zu Lehen gab, worauf sie aus besonderer Geneigtheit den kaiserlichen Sekretär Matthäus Lang und Bernhard Motzbeck zu gleichen Theilen mit kaiserlicher Bewilligung daran Theil nehmen ließen; in diese Gemeinschaft sollten aber die Güter, welche Motzbeck früher in K. besessen, nicht eingeschlossen sein. Die Bauern von K. machten jedoch den neuen Besitzern Schwierigkeiten und letztere suchten sich dadurch zu helfen, daß sie 1507 an den einflußreichen Erbmarschall Herzog Ulrichs von Württemberg, Konrad Thumb von Neuburg, 1/3 des Orts abtraten. Bald aber erscheint als Herr des Dorfes Beat Widmann, tyrolischer Kanzler, mit welchem 1529 die damalige österreichische Regierung in Württemberg wegen der hiesigen Malefizsachen einen Vertrag schloß. Bei seiner Familie blieb der Ort, bis ihn 1594 Christoph Widmann von Mühringen – allod sowohl als österreichisches Lehen – an Herzog Friedrich von Württemberg für 14.300 fl. verkaufte (Sattler Herz. 5, 183). Der Ritterkanton Neckarschwarzwald, zu welchem K. bisher gehört hatte, bat den Herzog am 12. Dez. 1595, ihm auch ferner die Kollektation in K. zu gewähren. Jedoch erst in dem Vertrag Württembergs mit der Reichsritterschaft vom 30. Okt. 1769 wurde dieselbe mit zugehörigen Rechten an Württemberg für immer überlassen. Das Kirchentellinsfurter Lehenstück,| insbesondere das Vogteirecht über das hiesige Dachhausers Gut, erhielt Württemberg von Österreich beziehungsweise von dem Innsbrucker Lehenshof verliehen (Breyer Elem. ed 2a S. 108) bis zum Übergang der Oberhoheit an Württemberg im Jahr 1806.

Nebenbei hatte ein hiesiges Gut die 1596 unter die Reichsritterschaft in Schwaben aufgenommene Familie Imhof, von der sich ein im Jahr 1707 mit Johann Ernst ausgestorbener Zweig „von K.“ schrieb (Stetten Gesch. der adel. Geschlechter in Augsburg 174).

Die hiesige Kirche wurde den 7. Dez. 1479 dem St. Georgenstift in Tübingen einverleibt.

Die Reformation, welche allerdings schon 1532 in dem damaligen Prediger Hans Schradin einen warmen Vertreter gehabt hatte, wurde erst 1594, als der Ort an Württemberg gekommen war, allgemein eingeführt.

Zu der Gemeinde gehört

Einsiedel, K. Hofdomäne, Sitz eines Revierförsters, liegt 3/4 Stunden nördlich vom Mutterort auf einer einsamen Hochfläche inmitten fruchtbarer, rings von Wald umgebenen Feldungen. Gegen Süden erblickt man über den Wald hinweg die nahe großartige Kette der Alb in ihrer ganzen Ausdehnung.

Der Hof Einsiedel besteht aus mehreren, theils neueren, theils älteren sehr ansehnlichen Gebäuden; die neueren, zu denen die Meiereigebäude und die Wohnung des Pächters gehören, umlagern am südwestlichen Ende des Gebäudekomplexes einen ausgedehnten Hofraum. Von hier gelangt man in nördlicher Richtung zu den großartigen Stallungen, unter denen sich ein Gebäude mit zwei Nebenflügeln besonders auszeichnet; es schließt mittelst einer die zwei Flügel verbindenden Mauer einen großen viereckigen Hofraum ein und an den Rücken des Mittelbaues lehnt sich ein zweiter, noch etwas größerer Hof an, der theilweise mit Gebäuden umgeben ist. Nahe (nordöstlich) des großen Stallgebäudes steht das alte, von Graf Eberhard im Bart um 1482 ursprünglich erbaute, ehemalige Jagdschlößchen, welches nach dem unten zu nennenden Stifte späterhin seinen Namen Einsiedel erhielt; dasselbe erscheint noch ziemlich wohl erhalten als ein längliches, zweistockiges, von zierlichen Sprossenfenstern belebtes Steinhaus, das samt einigen Nebengebäuden noch jetzt von Graben und Zwinger umgeben ist. Ein tonnengewölbter Thorweg führt an seiner südwestlichen Ecke in den ehemaligen Schloßhof, der jetzt in einen freundlichen Garten umgewandelt ist und worin an der Stelle des der Sage nach von Graf Eberhard aus Palästina mitgebrachten und hier gepflanzten Weißdorns| ein neuer, auch wieder zum Baum erwachsener steht. Auf der Seite gegen den Garten hinaus ist am Schloß ein steinernes Treppenthürmchen angebaut und eine zierliche auf Holzsäulen ruhende Gallerie (Loggia), jetzt von wilden Reben überwuchert; statt der hölzernen Säulen standen einst achteckige Steinpfeiler. Im Erdgeschoß sind Räume, in denen kräftige Holzpfeiler und hübsche Steinkonsolen die theilweise noch bemalte Holzdecke tragen. Im obern Stockwerk haben sich gegen Süden noch drei alte, jetzt nicht mehr bewohnte Zimmer erhalten; sie bewahren noch Öfen mit alten, vielleicht noch aus der Zeit Eberhards herrührenden irdenen Aufsätzen im schönsten Renaissancestil, zwei mit Ornamenten, der dritte mit trefflichen allegorischen Darstellungen in Rundbogennischen. Die neueren eisernen Untersätze der Öfen sind in den Jahren 1616, 1711 und 1771 gegossen worden. Die übrigen Gelasse des Schlößchens, namentlich die des an der Nordseite anstoßenden Flügels sind vom K. Revierförster bewohnt und benützt.

Das Schloß, welches Graf Eberhard klein aber kunstreich, doch mehr zum Vergnügen als zur Pracht als Jagdschloß erbaute, war früher dreistockig von behauenen Steinen aufgeführt und enthielt die Gelasse des Grafen und seines adeligen Gefolges. Das Dach war platt nach italienischer Art (wohl eine italienische Reminiscenz des Herzogs) und im untern Stockwerk öffnete sich eine große Halle für das Gesinde, welches jedoch, wie auch Adelige, außerhalb des Schlosses schlafen mußte. Ein Wächter hütete das Thor und über den rings um das Schloß laufenden Graben führte eine Zugbrücke, die Nachts ausgezogen wurde. In Verbindung mit dem Schloß stand ein fester Thurm (mit der Inschrift Attempto und dem Erbauungsjahr 1482), worin viele Bettstellen sich befanden. Am 25. Mai 1619 Vormittags zwischen 10 und 11 Uhr zerstörte ein Brand einen großen Theil des Schlosses und den im Hofraum grünenden Weißdorn; derselbe war in der Mitte des 17. Jahrhunderts 52 Ellen weit ausgebreitet und ruhte auf 40 Säulen (Jo. Val. Andreae vita ab ipso conscripta, ed. Rheinwald S. 258). Herzog Johann Friedrich ließ das Schloß mit einem Aufwand von 2000 fl. wieder herstellen und später baute auch Herzog Karl Eugen allhier.

Neben dem Schloß stiftete Graf Eberhard 1492 das Bruderhaus St. Petersstift zum Einsiedel. Aus Eichenholz errichtet, brannte das Gebäude am 6. Jan. 1580 völlig ab und wurde nicht wieder aufgebaut. Die Steine der ebenfalls ausgebrannten Kirche sind zum Bau des Kollegium illustre in Tübingen verwendet worden, welches| auch die Einkünfte des Klosters erhielt. Schon 1537 hatte hiesige Steine der Herzog Ulrich von Württemberg zum Tübinger Schloßbau gebraucht (Herolt Chronik von Hall S. 67 h. v. Schönhuth). Die Gebäude sind sämtlich Eigenthum der K. Hofdomänenkammer und der hier wohnende K. Revierförster hat an dieselbe für Wohnung und Garten ein Pachtgeld zu entrichten.

Gutes Trinkwasser liefern 2 laufende Brunnen, die mittelst einer 1/8 Stunde langen von Westen hergeführten Wasserleitung gespeist werden.

Südöstlich am Ort liegen 3 Weiher; am Schloß bestand früher ein ausgemauerter Fischteich.

Von dem Hof aus gehen nach allen Richtungen Feld- und Verbindungswege, die nicht allein den Verkehr mit der Umgegend herstellen, sondern auch den Anbau des Feldes erleichtern.

Das zum Hof gehörige 10085/8 Morgen große Gut, worunter 9757/8 Morgen nutzbare Fläche, wurde nebst 21 Ökonomie- und Wohngebäuden im Jahr 1823 von der K. Finanzkammer an die K. Hofdomänenkammer verkauft, welch letztere es an einen Beständer verpachtet hat.

Die Lage der Feldgüter ist eben und der meist aus Lehm bestehende fruchtbare Boden wird durch die ihm zu Theil werdende tüchtige Bearbeitung täglich noch nutzbringender gemacht.

Die äußerst rationelle Bewirthschaftung des Guts geschieht in 9 Rotationen; an Vieh sind gegenwärtig 12 Pferde und 86 Stück Rindvieh (Kreuzung der Rigi- mit der Holländer Race) aufgestellt, auch läßt der Pächter 1260 Stück feine Bastardschafe auf der Markung laufen.

Die Schweinezucht wird ziemlich ausgedehnt betrieben.

Über die bei Einsiedel aufgefundenen römischen und deutschen Alterthümer s. den allgemeinen Theil, Abschn. „Alterthümer“.

Mit dem hiesigen Stifte, zu dessen Erbauung Graf Eberhard sein Muttererbe verwandte (Reyscher Sammlung 2, 11), beabsichtigte der Graf eine Anstalt, in welcher verdiente Männer aus dem Adel-, dem Bürgerstand und der Geistlichkeit zusammenleben und ohne Mönchsregel doch in Gemeinschaft der Güter und im Genusse der Wohlthaten, die ihnen der Stifter bereitet hatte, den Rest ihres Lebens zubringen könnten. Er bestellte 1 Probst (als Vorstand des Ganzen), 12 Kanoniker (Priester und Kleriker), 1 Meister (Obersten in weltlichen Geschäften), 24 Laienbrüder (12 rittermäßige und 12 bürgerliche). Das gesetzliche Alter zur Aufnahme war 34 Jahre, nur Adelige durften| auch früher aufgenommen werden. Die Kleidung der Geistlichen war die ordentliche derartiger Stifter, die der Laienbrüder bestund in einem Oberrock (bis an die Schuhe), Mantel, Kappe und Hosen, alles blau; auf der linken Brust war der Mantel mit dem Schlüssel St. Peters (des Patrons Graf Eberhards) und der päpstlichen Krone bestickt. Den Probst (der erste war Gabriel Biel, † allhier 1495, der letzte Konrad Brunus, † 1552 und in Bebenhausen beerdigt) sollten die Geistlichen mit 2 Laien, den Meister die Laien mit 2 Geistlichen wählen. Mit beiden stund an der Spitze der Verwaltung ein aus Geistlichen und Laien gewählter Rath. Den Geistlichen wurde geboten, sich nicht in weltliche Geschäfte zu mischen, sondern sich mit dem Gottesdienst, mit Studiren und Schreiben zu beschäftigen, den Bürgerlichen aber mit Drechseln, Schnitzeln, Netzemachen, Buchbinderei u. s. w. Alle sollten sich des Müssiggangs enthalten. Den Adeligen wurde ein Jagdbezirk im Schönbuch angewiesen. Gegen den Andrang der Gäste bestanden besondere Verordnungen; im Hause durfte kein Fremder übernachten. Der Graf wies dem Stift einen beträchtlichen Bezirk im Schönbuch an zu Güteranlagen, einen andern zu Bau-, Brenn- und Werkholz; der Abt Bernhard von Bebenhausen überließ ihm hiezu am 20. Jan. 1492 auch einen bestimmten Raum. In seinem Testament vermachte Eberhard dem Stift alle seine goldenen und silbernen Gewänder und erwählte es zu seinem Begräbniß.

Nach des Stifters Tod gerieth aber die Anstalt bald in Zerfall, zum Theil wegen innerer Uneinigkeit der Brüder. Der nachfolgende Herzog Eberhard II. meinte, das Geld könnte zu Errichtung eines andern oder zu Verbesserung eines schon bestehenden Kollegialstifts oder auch zu Bildung geschickter Stiftsgeistlicher verwendet werden. Auf dem Tübinger Landtage von 1514 aber wurde das Stift von dem Verdammungsurtheil, welches damals die andern Stifter traf, ausdrücklich ausgenommen (Reyscher Samml. 2, 49). Der Bauernkrieg von 1525 brachte ihm großen Schaden, und als 1534 Herzog Ulrich sein Land wieder gewann, war es in gar schlechtem Zustande und ging nun vollends ganz ein. (Zum Ganzen vergl. Stälin. Wirt. Gesch. 3, 740.)



  1. Das Fischwasser zu K. gegen Gniebel über gelegen ertauscht 1473 Graf Eberhard von Württemberg von dem Grafen Jost Niclaus von Zollern. Steinhofer 3, 223.
  2. Nach Steinhofer 2, 234 hätten Albrecht und Friedrich Bächten Gebrüder ihren Theil, so sie an K. gehabt, am 6. Jan. 1316 dem Kl. Bebenhausen geschenkt.
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