« Kapitel B 13 Beschreibung des Oberamts Tübingen Kapitel B 15 »
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Immenhausen,

Gemeinde III. Klasse mit 381 Einwohnern. – Dorf, Filial von Mähringen. 11/2 Stunden südöstlich von Tübingen gelegen.

Der Ort liegt schön und frei auf der Hochfläche, den sog. Härdten, zwischen dem Steinlach- und dem Echazthale, in einem flachen, südwestlich gegen den Ehrenbach ziehenden Thälchen; man erblickt von hier aus die herrliche Albkette vom Stuiffen bis zu den Lochen. Der Ort ist äußerst freundlich und einladend; seine stattlichen, nicht selten aus geschnitztem Balkenwerk gezimmerten Bauernhäuser liegen zerstreut und werden durch schöne Obstbaumwiesen unterbrochen; Reben ranken daran hinauf, und als ein besonderer Schmuck sind, wie überhaupt in den Orten aus den Härdten, vor den Fenstern ausgeschnittene und bemalte Stockbretter angebracht, über die der reichste Nelkenflor herabhängt; zudem hat fast jedes Haus sein Blumengärtchen. Die breiten, reinlichen Straßen sind chaussirt und gekandelt. Am Südende des Dorfes am Abhang und doch frei und hoch liegt die Kirche, von dem zum Theil noch ummauerten alten Friedhof umgeben. Sie ist in spätgothischem Stile mit schöngefüllten Spitzbogenfenstern erbaut und macht innen und außen einen sehr angenehmen Eindruck; 1687 wurde sie erneuert. Das Schiff hat eine flache Decke und ein spitzer Triumphbogen führt in den halbachteckig geschlossenen, netzgewölbten Chor. Die gothisch gefaßte Orgel steht auf der westlichen Empore;| die neue Sakristei ist nördlich an den Chor gebaut. Der malerische, hölzerne Thurm sitzt auf dem Chordache, geht vom Viereck in das Achteck über und endigt mit vierseitigem Zeltdache. Von seinen drei Glocken ist die größte prachtvoll gearbeitet, mit einem aus Fischchen und Lilien und einem aus Muscheln und Fruchtschnüren gebildeten Bande umlegt und hat die Aufschrift: Soli Deo gloria Johannes Rosier; sodann dessen Wappen, mit 3 Engelchen verziert, und das Relief Christi am Kreuz; die zweite Glocke ward gegossen in Reutlingen von Kurtz 1864, die dritte ist ganz klein und alt. Die Baulast der Kirche ruht auf der Stiftung.

Der Begräbnißplatz ist seit 1822 außerhalb des Orts angelegt.

Das Rathhaus, welches zugleich das Gemeindebackhaus in sich begreift, wurde 1835 erbaut; das Schulhaus 1832 neu hergestellt, es enthält ein Lehrzimmer und die Wohnung des Schulmeisters.

Ein Armenhaus besteht.

Gutes Trinkwasser liefern reichlich 4 laufende Brunnen, die Markung ist überhaupt sehr quellenreich; ferner fließt der Ehrenbach hindurch. Im Orte sind 2 Wetten.

Vicinalstraßen gehen nach Mähringen, Ohmenhausen und Dußlingen. Über den Ehrenbach führen außerhalb des Orts ein kleine steinerne Brücke und ein hölzerner Steg, deren Unterhaltung der Gemeinde obliegt.

Die Einwohner, ein gesunder kräftiger Schlag ohne Gebrechen, haben angenehme Gesichtszüge, vorherrschend blonde Haare und blaue Augen, namentlich trifft man viele schöne Kinder; die meisten erreichen ein hohes Alter; gegenwärtig sind 3 Personen, die das 80. Jahr überschritten haben, im Ort.

Der Charakter der Einwohner ist lobenswerth; es zeigt sich viel Fleiß, Regsamkeit, Ordnungsliebe und religiöser Sinn. Die so kleidsame Volkstracht ist leider im Abgehen.

Haupterwerbsquellen sind Feldbau und Viehzucht; dann bieten die auf der Markung befindlichen Liaskalksteinbrüche, die gute Pflastersteine liefern, Gelegenheit zu Arbeit und Verdienst. Unter den Gewerben ist die Linnenspinnerei zu nennen, die sehr bedeutend betrieben wird und stark nach außen absetzt. Im Ort besteht ein Kramladen. Die Vermögensverhältnisse sind im allgemeinen gut; der begütertste Bürger hat 40, der Mittelmann 12 Morgen Grundeigenthum; die ärmeren Einwohner besitzen außer ihren Allmandtheilen wenig. Auf fremder Markung haben sie etwa 10 Morgen. Die ziemlich große Ortsmarkung| bildet ein ebenes, flachwelliges Land, reich an Obst und Getreide.

Der Boden besteht theils aus einem fruchtbaren Lehm, theils ist er thonhaltig, die Feuchtigkeit nicht gerne durchlassend, daher in nassen Jahrgängen minder ergiebig. Am besten gedeiht Dinkel, Haber und Gerste, während feinere Gewächse, wie z. B. Welschkorn, wegen der häufigen Frühlingsfröste nicht gebaut werden. Hagelschlag ist selten.

Die Landwirthschaft wird mit Anwendung verbesserter Ackergeräthe (Brabanter Pflug, eiserne Egge, Walze, Repssämaschine) sehr gut betrieben und durch tüchtige Düngungsmittel der Ertrag des Bodens möglichst zu steigern gesucht. Außer den gewöhnlichen Getreidearten baut man Kartoffeln, dreiblättrigen Klee, Angersen, Erbsen, Kraut, und von Handelsgewächsen, welche zum Theil nach außen verkauft werden, Flachs, Hanf und Reps. Zum Hopfenbau werden 2 Morgen Gemeindegüter benützt. Von den Getreideerzeugnissen kommen jährlich etwa 300 Scheffel Dinkel und 80 Scheffel Gerste nach Tübingen und Reutlingen zum Verkauf.

Der Wiesenbau ist bedeutend und liefert reichlich gutes Futter.

Die immer noch im Zunehmen begriffene Obstzucht wird sehr ausgedehnt betrieben und zu ihrer Überwachung und Pflege hat die Gemeinde einen besonderen Baumwart aufgestellt, man pflanzt vorzugsweise Fleiner, Goldparmäne, Reinetten, Bratbirnen, Palmischbirnen, Schillingsbirnen, Zwetschgen und wenig Kirschen. In reichen Jahren können 4–500 Säcke nach außen abgesetzt werden.

Eigentliche Weiden sind 80 Morgen vorhanden; sie sind nebst der Brach- und Stoppelweide an einen fremden Schäfer, der 200 Stück feine spanische Schafe laufen läßt, um 375 fl. verpachtet; überdieß trägt die Pferchnutzung 370–380 fl. der Gemeindekasse ein.

Die 95 Morgen Gemeindewaldungen ertragen jährlich 25 Klafter und 2200 Stück Wellen; hievon erhält jeder Bürger 1/2 Klafter und 25 Stück Wellen; der Rest wird verkauft und der Erlös mit etwa 500 fl. zu Gemeindezwecken verwendet.

An Allmanden sind 50 Morgen vorhanden, welche den Ortsbürgern gegen eine Gemeindesteuer von 65 fl. zur Benützung überlassen werden; außer diesen bestehen noch 6 Morgen Gemeindegüter, aus denen 110 fl. Pachtgeld an die Gemeindekasse entrichtet wird.

Was die Viehzucht betrifft, so ist die der Pferde nicht bedeutend, dagegen die des Rindviehs, welche sich mit einer Kreuzung von Simmenthaler und Neckarschlagrace befaßt, sehr gut und wird durch 2 Farren, einer von reiner Simmenthaler, der andere von gekreuzter| Race, nachgezüchtet und verbessert. Der Handel mit Vieh auf benachbarten Märkten ist namhaft.

Auch die Schweinezucht wird in ziemlicher Ausdehnung betrieben; man züchtet die englische Race und verkauft viele Ferkel auf den Märkten in Tübingen; der Verkauf an Mastschweinen ist minder bedeutend.

Geflügel wird zahlreich gezogen und zum Theil nach außen abgesetzt.

Die nicht bedeutende Bienenzucht nimmt ab.

Ein Stiftungsvermögen von 29.000 fl. ist vorhanden; auf demselben ruht die Baulast der Kirche und Schule, sowie die Besoldung des Lehrers; das übrige wird zu Armenzwecken verwendet.

Auf dem ursprünglichen Kirchhof wurden schon alte Gräber aufgefunden, die außer den Skeletten Schwerter, Lanzenspitzen etc. enthielten.

I. erscheint als „Himenhusen“ in der Geschichte des im 11. Jahrhundert mit hiesigem Besitz bedachten Klosters Zwiefalten (Pertz Script. 10, 74). Eine andere Schreibweise ist Hymenhusen (1296 eb. 14, 382. 1338 Schmid Pfalzgr. 395. 1379 Gayler Reutl. bis 1577 S. 181). Es saßen allhier Vasallen der Pfalzgrafen von Tübingen, z. B. ein Wolfram im Jahr 1291. Kloster Blaubeuren erhielt hiesige Güter im 12. Jahrhundert, Kloster Pfullingen im Jahr 1280.

Der Ort überhaupt gelangte in unbekannter Zeit an das Kloster Bebenhausen.


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