« Kapitel A 7 Beschreibung des Oberamts Tübingen Kapitel B 2 »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
B.


Ortsbeschreibung,


in alphabetischer Reihe der den Oberamtsbezirk bildenden 30 Gemeinden oder Schultheißereien, jedoch unter Vorausstellung der Oberamtsstadt.

Die am Schluß beigefügten Tabellen gewähren übersichtliche Zusammenstellungen: I. der Bevölkerung, der Gebäude und des Viehstandes, II. des Flächenmaßes nach den verschiedenen Bestandtheilen und III. des Steuerkatasters, des Gemeinde- und Stiftungshaushaltes.


Tübingen,[1]

Gemeinde I. Klasse mit 8734 Einwohnern, worunter 693 Katholiken mit eigener Pfarrei, 20 Israeliten und 22 eigener Konfession. a) Tübingen Stadt, 8704 Einwohner, b) Ammern, K. Hofdomäne, 22 Einwohner, c) Schwärzloch, Hof, 8 Einwohner. – Evangelische Pfarrei; die Israeliten sind der israelitischen Kirchengemeinde Wankheim zugetheilt.[2]

Die Oberamtsstadt Tübingen[3] liegt unterm 26° 43′ 8,77″ östlicher Länge und 48° 31′ 12,94″ nördlicher Breite (St. Georgskirche),| 83/4 geometrische Stunden süd-südwestlich von Stuttgart. Die Erhebung über dem Mittelmeer beträgt 1189,2 württemb. Fuß = 1048,8 Pariser Fuß (Erdfläche am Kirchthurm der St. Georgenkirche), 1384 württ. Fuß = 1220,6 Par. Fuß (Erdfläche am Thurm des Observatoriums), 1107 württ. Fuß = 976 Par. Fuß (Nullpunkt am Pegel auf der Neckarbrücke).

Die Stadt ist der Sitz des Gerichtshofs für den Schwarzwaldkreis, der Landesuniversität, einer Generalsuperintendenz, sowie der verschiedenen Behörden und Beamten für den Oberamtsbezirk, mit Ausnahme des Forstamts, das seinen Sitz in Bebenhausen hat (siehe hier. den Abschnitt „Staats- und kirchliche Einrichtungen“), ferner eines Postamts, eines Bahnhofs und einer Telegraphenstation. Das Postamt befindet sich auf dem Bahnhof und nur noch eine Expedition für Briefe und leichtere Pakete innerhalb der Stadt.

Überdieß wohnen in Tübingen, mit Ausnahme der prakticirenden Universitätslehrer, 4 prakticirende Ärzte, 4 Oberjustizprokuratoren und 3 Rechtskonsulenten; auch bestehen daselbst 3 Apotheken.

Zwischen den reizenden Thälern des Neckars und der Ammer erhebt sich frei ein von Westen nach Osten ziehender Keuperhöhenzug, der 21/4 Stunden lang gestreckt bei Wurmlingen beginnt und bei Lustnau endigt. Im Westen des Höhenzugs ragt, wie ein Vorposten hingestellt, der kegelförmige Hügel mit der Wurmlinger Kapelle auf der Kuppe; östlich von diesem zieht lang hin der Ammerberg, dessen

1/81/4 Stunde breiter bewaldeter Rücken sich in der Richtung gegen Osten allmählig verschmälert und spitz zuläuft, woher wohl dieser Theil des Höhenzugs den Namen „Spitzberg“ erhalten haben mag. Von dem Spitzberg zieht nun ein ziemlich steil abfallender, sehr schmaler Rückenausläufer (Schloßberg) gegen den sich beträchtlich erhebenden, wohlgerundeten Österberg, mit dessen Fuß er noch zusammenhängt. Der Österberg bildet den östlichen Schlußhügel des Höhenzugs zwischen dem Neckar und der Ammer. Gerade auf den schmalen, allmählig abfallenden Rückenausläufer des Spitzbergs und in die Einsattelung, welche dieser mit dem ansehnlichen, sich breit ausdehnenden, steil ansteigenden Österberg bildet, ist das Schloß und wohl auch| der älteste Theil der Stadt hingebaut. Der tiefste Punkt der Einsattelung befindet sich an der Ostseite der St. Georgskirche; von hier an erhebt sich das Terrain wieder gegen das Kameralamtsgebäude, das schon auf einem kleinen Vorsprung des Österbergs, der Schulberg (mons anatolicus) genannt, liegt. Der Rückenausläufer des Spitzberges bildet an der Südseite einen steilen Abhang, an dessen Fuß der Neckar hinfließt, die Nordseite fällt ebenfalls stark ab, verflacht sich aber gegen unten in das ziemlich breite Ammerthal. So konnte eine größere Ausdehnung der Stadt am leichtesten auf der Nordseite geschehen. Das Schloß und die auf den Rückenausläufer gestellten Häuser waren also auf der Süd- und Nordseite von Natur fest und wurden an den von Westen und Osten her zugänglichen Seiten künstlich unzugänglich gemacht; wir haben demnach die Stadt in ihren ersten Anfängen als eine theils natürlich feste, theils künstlich befestigte Bergstadt zu betrachten.

Die erste Veranlassung zur Gründung derselben gab das an ihrem westlichen Ende hoch gelegene, stark befestigte Schloß Hohen-Tübingen, an welches die Stadt sich anschloß und in dessen Befestigung sie mittelst der von ihm ausgehenden Ringmauern gezogen wurde.

Schon in sehr früher Zeit mag sich die Stadt gegen Norden in die Ammerniederung erweitert haben, was die daselbst stehende, sehr alte St. Jakobskirche und andere ältere Gebäude nachweisen (s. hier. unten). Den ältesten Stadttheil müssen wir aber jedenfalls auf dem von Natur festen Rückenausläufer suchen, wofür auch die uralten Spuren der ursprünglich im frühromanischen Styl erbauten St. Georgskirche entschieden sprechen.[4] Ehe Tübingen unter württembergische Herrschaft kam, bestand es aus einer obern Stadt, wo die Reichen und Vornehmen wohnten, und einer untern Stadt, dem Wohnsitze des Mittelstandes. Eine neue Periode für die Stadt begann nach der Mitte des 15. Jahrhunderts, und besonders seit der Gründung der Universität, deren Gebäude um die St. Georgenkirche aufgeführt wurden und den noch heut bestehenden Hauptcharakter der Stadt vollendeten, nahm sie an Stattlichkeit und Größe zu.

So unzweckmäßig uns jetzt die Anlage eines großen Theils der Stadt erscheint, so zweckentsprechend war dieselbe den früheren Verhältnissen,| wo es sich hauptsächlich um den Schutz gegen Feinde handelte.

Im allgemeinen gehört die Lage der Stadt zu den seltenen, aber auch zu den reizendsten, nicht nur in unserem engeren Vaterlande, sondern auch weit über dessen Grenzen hinaus.

Ein fruchtbares, an Wein, Obst und Getreide reiches Land mit allen sich vereinigenden landschaftlichen Reizen umgibt die Stadt, welche an vielen Stellen, besonders vom Schloß aus, die freundlichsten Ausblicke in die gesegnete Umgegend gestattet; ersteigt man aber den nahen Österberg, so entrollt sich dem Auge eines der vollendetsten Landschaftsbilder, das uns nicht nur die nächste Umgebung von Tübingen, sondern auch die ferne liegenden Gegenden am herrlichsten darstellt. Wie eine langgestreckte schmale Insel erhebt sich zwischen den weiten Thalebenen des Neckars und der Ammer der steile, vielgegliederte Ammerberg, und so schweift einerseits das Auge in das reizende, durch stattliche Ortschaften und den raschen Fluß belebte Neckarthal, aus dem sich rechts mit Reben bepflanzte, links mit üppigen Laubwaldungen prangende Thalgehänge kräftig erheben; über letzteren dehnt sich ein fruchtbares, mit vielen Ortschaften besetztes flaches Land, in welches das anmuthige Steinlachthal tief einfurcht und bei Tübingen in das Neckarthal sich öffnet. Im Hintergrund erhebt sich majestätisch der mannigfaltig gegliederte Steilabfall der Alb mit seinen schön geformten Vorbergen, von den Lochen bis zum Rosenstein sichtbar. Den Blick gegen Westen gerichtet, wird man von dem wiesenreichen, stillen Ammerthale freundlich angesprochen, das von dem weitgedehnten, getreidereichen Gäu, dessen Hintergrund ein dunkelblauer Streifen des Schwarzwaldes bildet, gegen Tübingen heranzieht, sich hier dem Neckarthale auf ganz kleine Entfernung nähert, dann einen schönen Bogen um den Österberg beschreibt und an dessen östlichem Fuß in das Neckarthal eingeht.

Gegen Norden übersieht man den ausgedehnten, nahe zur Stadt herantretenden, üppig bewaldeten Schönbuch, der mit seinen abgeschiedenen, vielverzweigten Waldthälern einen ernsten Gegensatz zu der übrigen, fleißig angebauten Umgegend von Tübingen hervorruft.

Gegen Osten schweift der Blick das Neckarthal hinab und über die auf beiden Seiten desselben sich ausbreitende, mit vielen Ortschaften freundlich belebte Hochebene hinweg an die den Hintergrund bildende Alb.

Besonders günstig ist auch die Ansicht der Stadt, welche ein Punkt am Wege auf den Österberg, die sog. Wielandshöhe, in ihrer| ganzen Schönheit gestattet; die terrassenförmig aufsteigende Stadt mit der ansehnlichen Georgskirche im östlichen Theil und mit dem großartigen, hochgelegenen Schloß an der südwestlichen Ecke macht hier in Verbindung mit der reizenden Umgebung einen überaus schönen und seltsamen Eindruck.

Überhaupt bietet die Umgegend Tübingens sowohl in der Nähe, als auch in weiterem Umkreis eine seltene Menge der schönsten Spaziergänge; unter den nahen nennen wir: den Gang um die Stadt selbst, dann jene herrlichen Baumalleen, die sich auf dem Wöhrd hinziehen, ferner die stillen, zwischen schönen Gärten hinführenden Straßen thalabwärts zwischen dem Österberg und dem Neckar, am Philosophenbrunnen vorbei, oder thalaufwärts am südlichen Fuß des Schloßbergs hin. Unter den größeren Spazierwegen gehören wohl zu den reizendsten: über den Österberg nach Lustnau, über den Rücken des Ammerbergs nördlich hinab nach Schwärzloch, oder weiterhin auf dem Rücken fort nach der Ödenburg und der Wurmlinger Kapelle; ferner durch das nördlich von der Stadt gelegene Elysium, eine ganz einsame enge, mit prachtvollen Waldbäumen bewachsene Schlucht, hinauf zur Waldhauser Höhe nach Bebenhausen, dann über das Waldhörnle auf angenehmen Waldpfaden nach Wankheim und durch das stille Wankheimer Thälchen zur Stadt zurück; über das freundliche Derendingen nach Cresbach, über Pfrondorf auf den Einsiedel, durch das anmuthige Steinlachthal nach Gönningen und auf den Roßberg u. s. w.

Nachdem wir, vom Österberg[5] aus gesehen, ein Bild der Lage und der Umgebung von Tübingen kurz entworfen haben, wollen wir die Stadt selbst näher betrachten.

Die Figur der innerhalb der Mauern gelegenen Stadt nähert sich einem Rechteck, das eine Länge von etwa 2100′ und eine Breite von 1400′ hat (s. die Karte). Der südliche Theil der Stadt, welcher auf den Rückenausläufer des Spitzbergs, im engern Sinn des Schloßbergs und an dessen Seitengehänge hingebaut ist, hat eine sehr unebene, der nördliche und nordöstliche Theil dagegen eine ebene oder nur leicht ansteigende Lage. In Folge dieser Terrainverhältnisse ist auch die Anlage der Stadt, namentlich in dem hügeligen Theil derselben, eine unregelmäßige, winkelige, und die Straßen führen theilweise in Kurven um den Bergrücken oder sie ziehen in den Neigungslinien| der Abhänge steil hinunter. Etwas mehr Regelmäßigkeit in der Anlage finden wir in dem nördlichen, besonders aber in dem nordöstlichen Theil der Stadt, welch letzterer von einem den 9. September 1789 ausgebrochenen Brand in Asche gelegt und hierauf regelmäßig und schön wieder aufgebaut wurde. Die Grenzen des Brandes waren das Lustnauer Thor, die Mezgergasse, das Dekanatsgebäude, der Adler und der Pfleghof. Auch frühere Brandunglücke (s. unten) mögen einige Verschönerung der Stadt zur Folge gehabt haben. Auch unterstützte das württembergische Haus bei seiner Vorliebe für diese Stadt nach deren Erwerbung die Anlage hiesiger Neubauten. Die durchaus gepflasterten Straßen in der Altstadt sind mit wenig Ausnahmen nur von mäßiger Breite, nicht selten aber enge, steil ansteigende, zuweilen mit Staffeln versehene Gassen; an ihnen lagern sich, dicht gedrängt, die häufig etwas vor- oder zurückstehenden, größtentheils alten, mit den Giebelseiten gegen die Straße gekehrten Gebäude, deren Unterstöcke meist aus Stein, die übrigen, in der Regel etwas vorstoßenden Stockwerke aus Holz, und zwar vorherrschend aus Eichenholz erbaut sind. Eine Ausnahme machen mehrere bedeutendere Gebäude, die massiv aus Stein aufgeführt sind.

Was nun die alte Befestigung und Ummauerung der Stadt betrifft, so müssen wir mit dem ehemaligen, wohl befestigten Schloß (s. hier. unten) beginnen, welches die ursprüngliche, auf den Bergrücken hingebaute Stadt gegen Westen deckte und den Zugang zu ihr verhinderte; von ihm lief die alte, theilweise noch erhaltene Stadtmauer oben an dem südlichen Bergabhang (Neckarhalde) gegen die noch innerhalb der Mauer gelegene Münzgasse bis zur Georgskirche, um welche sie sich herumzog und von der aus sie wieder an der Nordseite des Bergrückens bis zur Pfalz führte. Welchen Zug sie auf dieser Seite hatte, kann nicht mehr ermittelt, sondern nur nach den Terrainverhältnissen noch vermuthet werden; ohne Zweifel lief sie am obern Rand des Bergabhanges hinter der Kirchgasse gegen den Burgsteig, welcher noch innerhalb der Mauer lag, bis zum nördlichen Ende des zunächst an dem Schlosse gezogenen tiefen Burggrabens. Die Ausdehnung der uranfänglichen Stadt war daher schmal und langgestreckt vom Schloß bis zur Kirche. An der Ostseite der Kirche lief ein Graben quer über den Bergrücken und erschwerte hier den Zugang zu dem festen Bergstädtchen. Auf dem Vorhügel des Österbergs,[6]| der jetzt das Kameralamtsgebäude auf der Kuppe trägt, war ohne Zweifel ursprünglich ein Vorwerk, später der befestigte Frohnhof der Pfalzgrafen von Tübingen; gegen Osten wurde er mittelst eines künstlichen tiefen Grabens von dem übrigen Terrain (Ausläufer des Österbergs) abgeschnitten, um die ursprüngliche Stadt auf der Ostseite noch unzugänglicher zu machen. Dieser Befestigungsgraben, wofür wir ihn offenbar ansehen müssen, wurde später noch tiefer geführt und ein Theil der Ammer hindurchgeleitet, nicht aber, wie allgemein angenommen wird, wegen der Durchführung des Ammerkanals ausschließlich angelegt.

Der eine Stunde lange Kanal wurde zwischen 1440–55 gegraben; den Bau bestritt die Stadt mit ihrem eigenen Gelde, weßhalb ihr auch Graf Ulrich von Württemberg als Vormund seiner Neffen Ludwig und Eberhard 1455 die Benützung der Ammer von Schwärzloch bis zu ihrem jetzigen Ausfluß zusicherte, besonders auch den Betrieb der Mühlen „in dem neuen Graben, so sie von der Stadt gegen den Österberg hin gemacht haben.“ Dieses Werk machte auch einen Neubau des betreffenden Theils der Stadtmauer nöthig und das Neckarthor wurde bis zum Kanal hinaus versetzt. – Das ursprüngliche Tübingen war nach Obigem im Westen durch die Pfalz, im Osten mittelst eines Vorwerks und zwei tiefer Gräben (Ammerkanalgraben und Graben an der Stadtkirche), an der Süd- und Nordseite aber durch die steilen Abhänge, an denen oben die Stadtmauer hinzog, theils natürlich, theils künstlich sehr fest und unzugänglich.

In sehr früher Zeit erweiterte sich die Stadt an der Nordseite gegen die Haggasse[7] und von dort gegen den Brühl hinab an beiden Seiten der Ammer. Die St. Jakobskirche (Spitalkirche), früher eine Kapelle, stand vermuthlich längere Zeit außerhalb der Stadt auf dem Begräbnißplatz, bis sich auch in ihrer Nähe Gebäude, namentlich auch die des Spitals erhoben; übrigens trägt der zunächst der St. Jakobskirche, besonders der an ihr westlich gelegene Stadttheil stets das Gepräge eines Dorfs und mag wohl, wie noch heut zu Tage, mehr der Acker- und Weinbau treibenden Bevölkerung als Wohnstätte gedient haben. In der Nähe des Spitals entstanden sofort viele Gebäude, z. B. das Kornhaus, ferner ein namhafter Theil der Stadt, welcher nebst dem alten Rathhaus 1280 abbrannte und| wieder aufgebaut den Namen „Neustadt“ erhielt; von hier erweiterte sich die Stadt, nach früher vorkommenden Gebäuden zu schließen, einerseits gegen den Marktplatz, andererseits gegen die jetzige katholische Kirche, ursprünglich städtisches Zeughaus, weiter in den nordöstlichen Theil der Stadt, in das sogenannte Rübenloch, und von hier gegen das Wilhelmsstift, das ehemalige Franziskanerkloster, den Blaubeurer Pfleghof, und dehnte sich endlich bis zum Lustnauer Thor, an den Bebenhauser Pfleghof etc. aus. Nach dem Brande von 1280 verließen die adeligen und die reicheren Bürgerfamilien größtentheils den unteren Stadttheil und bauten sich näher am Schlosse, wie in der Neckarhalde, Burgsteig und Münzgasse größere Gebäude, welche den ungleich abgestuften Terrassen des gegen den Neckar geneigten Abhanges angefügt, auf der Thalseite auf starken Strebmauern, zum Theil auf der alten Stadtmauer, 6–7 Stockwerke hoch emporragen, während von der Bergseite her in das dritte Stockwerk zu ebener Erde gegangen werden kann.

Ob die allmählig sich bildende Stadt zu verschiedenen Zeiten gruppenweise mit einer Mauer umfriedigt wurde, oder ob die Befestigung der außerhalb der ursprünglichen Stadt gelegenen Stadttheile in einer Zeit geschah, läßt sich nicht mehr nachweisen. Dagegen wissen wir, daß in der Mitte des 15. Jahrhunderts die Stadt an der Südseite (Neckarhalde), soweit es thunlich war, ausgedehnt, und die Stadtmauer bis an den Neckar hinunter verlegt wurde; zu gleicher Zeit führte man sie durch den Ammerkanal um den ehemaligen Frohnhof und zog auch diesen in die Befestigung der Stadt. Die Mauern, Zwinger und Gräben, mit denen die namhaft vergrößerte Stadt umfriedigt und stark befestigt wurde, ist von jener Zeit an bis auf den heutigen Tag die gleiche geblieben, nur wurde die Mauer, welche ringsum mit einem Umgang versehen war, in neuerer Zeit größtentheils erniedrigt und an mehreren Stellen durchbrochen, wie auch die an ihr gestandenen Thürme theilweise fallen mußten. Die Anlage der Stadtmauern, welche auf den Anwachs der Stadt berechnet war, ist folgende: von der südwestlichen Ecke des stark befestigten Schlosses führt sie die Neckarhalde hinunter bis zum Hirschauer Thor, hier einen Winkel bildend, läuft sie dem Neckar entlang, der ursprünglich zunächst der Mauer floß und später etwas von ihr entfernt wurde, bis zum Seminar, von dem sie unterbrochen wird, und weiter bis an die südöstliche Ecke der Stadt zunächst des Neckarthors; hier bricht sie unter einem rechten Winkel ab, führt durch den Graben des Ammerkanals bis zum Lustnauer Thor, von da zum Schmidthor und| weiter bis an die nordwestliche Ecke der Stadt; bevor sie diese erreicht, ist sie etwas gekrümmt angelegt, vermuthlich nach dem ursprünglichen Lauf der Ammer sich richtend. Bei der nordwestlichen Ecke in einem spitzen Winkel abbrechend, führt sie an der Westseite der Stadt bis an die Kunstmühle, wo sie eine sogenannte Stelze bildet, weiter an das Hagthor und in ihrer Verlängerung bis an die Nordseite des Schlosses; somit schloß sich die Stadt, wie früher das ursprüngliche Bergstädtchen, an die Befestigung des Schlosses an und war von diesem wohl geschützt.

An der Stadtmauer und an dem Zwinger standen feste Thürme, von denen sich folgende noch erhalten haben: der nur theilweise noch vorhandene Diebsthurm zunächst dem Hirschauer Thor, der sogenannte Hölderlinsthurm an der Südseite der Stadt, welchen der unglückliche Dichter Hölderlin längere Zeit bewohnte, und ein Thurm an der südöstlichen Ecke der Stadtmauer am Neckarthor. Abgegangen sind: ein Thurm an der Südseite, einer an der Nordseite, der sogenannte Sauthurm an der nordwestlichen Ecke der Stadt und einer an der Kunstmühle. Überdieß erhoben sich starke Thürme über den Thoren, die ursprünglich Doppelthore waren und theils Anfangs, theils in den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts abgebrochen wurden. Die Thore der Stadt waren seit früher Zeit und sind noch jetzt folgende: das Hirschauer Thor an der südwestlichen Ecke der Stadt, das Neckarthor an der nordwestlichen Stadtecke, das Lustnauer Thor an der Ostseite, das Schmidthor an der Nordseite und das Hagthor an der Westseite der Stadt; von ihnen ist das Neckarthor Anfangs dieses Jahrhunderts, die übrigen sind von der Mitte der 20ger Jahre bis zum Jahr 1830 abgebrochen worden. An ihre Stelle traten Gatterthore, die aber seit der Aufhebung des Thorgeldes auch gefallen sind, so daß die Thore nur dem Namen nach noch bestehen.

Im allgemeinen trägt das innerhalb der Mauern gelegene Tübingen noch das echte Gepräge einer im Mittelalter wohl befestigten ansehnlichen Stadt und macht auch von Außen betrachtet diesen Eindruck, den wir in Verbindung mit der die Stadt umgebenden herrlichen Landschaft und freundlichen Gartenanlagen einen sehr malerischen nennen dürfen.

Ganz andere Physiognomien bieten die Vorstädte, welche im Laufe dieses Jahrhunderts entstanden und mit ihren modern städtischen Anlagen einen schroffen Gegensatz mit der Altstadt hervorrufen. Vor dem Lustnauer Thor entstand allmählig, seit 1818, die schön und breit angelegte, lang gedehnte Wilhelmsstraße, zugleich Landstraße| nach Stuttgart, an der sich das im Jahr 1845, den 31. Oktober eingeweihte großartige Universitätsgebäude mit seinen stattlichen Nebengebäuden erhob und nicht nur diesem Stadttheil die schönste Zierde verlieh, sondern auch zu dessen weiterer Entfaltung wesentlich beitrug.

Auch vor dem Neckarthor breitete sich jenseits und diesseits des Flusses vom Jahr 1812 an ein neuer Stadttheil, die Neckarvorstadt aus; neben ihr entstanden auf dem Wöhrd, der bisher eine kahle Weide, und nur mit einer Lindenallee besetzt war, Platanen-, Kastanien- und Akazienalleen, die herrlichsten schattigen Spaziergänge bietend. In neuester Zeit fand daselbst das ansehnliche Bahnhofgebäude mit seinen Anlagen und Nebengebäuden eine Stelle und vollendete hier den schönsten Theil der Stadt. Eine mit doppelter Pappelallee gezierte Schießstätte und der Turnplatz wurden auf dem unteren Wöhrd, und in dessen Nähe die Gasfabrik errichtet.

Vor dem Hirschauer Thor siedelten sich mehrere Familien in der Mitte ihrer Gärten an und vor dem Hagthor gesellten sich mehrere Privathäuser zu den schon längst bestehenden Mühlen und Ökonomiegebäuden. Minder bedeutend ist die Vorstadt vor dem Schmidthor, wo bis jetzt nur einige Häuser eine Stelle gefunden haben, von denen wir die neu angelegte Bierbrauerei von Otto Henne mit Wirthschaftsgebäuden und schönen Gartenanlagen besonders anführen.

Mit Ausnahme dieser neueren Veränderungen und Vergrößerungen ist die Stadt in früheren Zeiten beinahe 300 Jahre lang gleich groß geblieben und nur selten wurde ein neues Haus erbaut.

Von öffentlichen Plätzen innerhalb der ummauerten Stadt sind folgende zu nennen.

1. Der ansehnliche, etwas gegen Norden abhängige Marktplatz, eine der schönsten Partien der Altstadt, auf dem die Messen und Wochenmärkte abgehalten werden.

2. Der Platz an der krummen Brücke, auf dem der sogenannte Brettermarkt abgehalten wird.

3. Der Spitalkirchenplatz, zur Abhaltung der Obst- und Kartoffelmärkte benützt.

4. Die verbreiterte Straße nördlich der Stadtkirche, sie dient als Holzmarkt.

5. Der Platz südlich der Stadtkirche, hier wird der Hafenmarkt abgehalten.

6. Der Platz vor dem Klinikum.

Außerhalb der Stadt liegen:

| 1. Der Platz vor dem Gasthaus zum Engel.

2. Der Platz vor dem neuen Universitätsgebäude und hinter demselben schöne Gartenanlagen, die, wie auch der nahe liegende botanische Garten (s. hier. unten) dem Publikum geöffnet sind.

3. An der Südseite der Stadt, zwischen dem Neckar und dem Mühlbach, der mit Platanen-Alleen gezierte und im obern Theil zu einem Lustwäldchen angelegte kleine Wöhrd.

4. Der obere große Wöhrd mit Linden und Obstbaumalleen.

5. Der mittlere große Wöhrd mit Linden-, Kastanien- und Akazienalleen.

6. Der untere große Wöhrd mit der Schießstätte und doppelter Pappelallee; an diese reiht sich

7. der mit Linden besetzte Turnplatz.

Öffentliche Gebäude.

a. Dem Staat gehören:

Das Schloß Hohen-Tübingen (ehemaliger Pfalzgrafensitz) liegt auf der höchsten Stelle, nahe der südwestlichen Ecke der Stadt und ragt als besondere Zierde gebieterisch ernst über Stadt und Umgegend. Da die Anwesenheit der Römer hiesigen Orts bekundet ist, so liegt die Vermuthung nahe, es stehe auf dem Grunde einer römischen Befestigung. Die erstmalige Nennung eines castrum Twingia und hiemit Tübingens überhaupt fällt in’s Jahr 1078 (s. u.). In den letzten Zeiten des pfalzgräflich Tübingischen Besitzes[8] gerieth es sehr in Verfall, die württembergischen Fürsten aber besserten es wieder aus; vom Jahr 1451 an sollten dreizehn Jahre lang jährlich 200 fl. zur Befestigung verbaut werden, wovon die Stadt zwei Drittel, die zugehörigen Amtsorte ein Drittel zu zahlen hatten. Die Beifuhr von Kalk und Sand, die Arbeit der großen Stadtgräben und die Ausgrabung für die Grundlage der Mauern mußten aber durch Frohnden geleistet werden. Graf Eberhard im Bart hielt sich mit seinem Gefolge öfters hier auf; als er nach dem Empfang der Herzogswürde 1495 von Worms heimkehrte, kam er zuerst nach Tübingen. Derselbe starb im Schlosse den 24. Febr. 1496. Den eigentlichen Neubau begann Herzog Ulrich 1507. In der österreichischen Zeit Württembergs erbat sich K. Ferdinand, welcher im Jahr 1525 vom 16. August bis 1. Sept. und vom 7. Sept. bis 19. Nov., im Jahr| 1526 vom 17. März bis 8. April und vom 17. April bis 3. Mai allhier weilte, von dem Abt von Adelberg dessen Baumeister, hatte aber, so beschleunigt er den Weiterbau wünschte, wenig vollführt, als er 1534 das Land wieder räumen mußte. Nach der Wiedereinsetzung kam Herzog Ulrich 1535 wegen des Bauwesens selbst nach Tübingen, begleitet von dem Baumeister Heinz von Luther, der die Hauptleitung des Baues erhielt, Meister Balthasar von Darmstadt und Hieronymus Latz. Der obere, meist aus Holz bestehende Bau des Schlosses wurde niedergerissen; nur die Grundmauern und die von Ulrich früher erbauten Eckthürme blieben stehen; nun erhob sich der gewaltige steinerne Stock, starke Basteien wurden errichtet, da das Schloß nach den Regeln der damaligen Kriegskunst angelegt werden sollte. Verwendet hiezu wurden Steine vom Stift Einsiedel und vom Kloster Bebenhausen (Herolt Chronica v. Hall 67). Bis 1540 kostete Ulrichen der Schloßbau 64.387 fl., wozu die Stadt Tübingen 34.230 fl. herbeischießen mußte. Dieser Herzog verschied auf dem Schlosse am 6. Nov. 1550. Sein Sohn, Herzog Christoph, vollendete vornehmlich auch den innern Ausbau desselben. In dem Schloßgraben hatte er ein Paar Löwen, welche ihm Herzog Albrecht von Bayern 1553 zum Gruß geschickt hatte.

Der Weg zum Schlosse führt den steilen Burgsteig hinan. Jenseits eines weiten und tiefen Grabens erheben sich die Vorwerke; an ihrer nordöstlichen Ecke, am weitesten gegen die Stadt hin vorgeschoben, steht malerisch das äußere Thor und rechtshin schließt sich daran die große von Gebüsch überhangene Bastei mit ihren Kanonenlucken, oben zu einem Garten umgeschaffen. Ein starker steinerner Brückenbogen führt statt der früheren Fallbrücke hinüber zum Thore, dessen breite, aus großen Kalktuffquadern gefügte Mauerwand von kräftigem Gesimse bekrönt, von zwei kecken Erkerthürmchen flankirt wird und in der Mitte von dem tiefen triumphbogenartig umrahmten Thorweg durchbrochen wird. Eine Doppelsäulenstellung trägt hier über dem weiten Rundbogen ein vollständiges Gebälk und darüber ist ein riesiger runder Wappenschild, das herzoglich württembergische Wappen angebracht, vom Hosenbandorden umfaßt und um dasselbe wild umher Früchte, Fratzen, Geschnörkel. Über den beiden äußeren Säulen stehen, wie um das Wappen zu schützen, zwei Landsknechte in ihrer reichen abenteuerlichen Wehrtracht, der links die Hackenbüchse anlegend, der rechts mit beiden Händen sein Schwert schwingend. Das Thor ist ohne Zweifel unter Herzog Ulrich, jenes Wappen später unter Herzog Friedrich († 1608) ausgeführt worden.

| Die unten reich arabescirten, oben kanellirten toskanischen Säulen haben hohe Postamente; auf der Vorderseite der zwei zunächst dem Eingang stehenden ist in Relief links Viktoria, rechts Minerva, an den beiden andern Postamenten sind Fratzenmasken, an den Seiten sämtlicher Postamente Löwenköpfe angebracht. In den Zwickeln zwischen dem Rundbogen und dem Gebälke sitzt in hocherhabener Arbeit links Neptun, rechts Amphitrite; der Schlußstein des Rundbogens wird durch eine mächtige Fratze gebildet. Im Friese sind flach erhaben Waffen aller Art, Schwerter, Lanzen, Fahnen, Kanonen. Längs der äußeren Säulen stehen platt an der Wand in Flachrelief Faunen, in lange Konsolen mit Pferdefüßen ausgehend. Die Gliederungen sind durchaus skulpirt.

Zwischen beiden Säulen links geht ein rundbogiges Pförtchen und beide Eingänge münden in einen breiten langen Thorweg, dessen wohlgefügtes Tonnengewölbe durch schöne Gurten, die mit Diamanten und im Scheitel mit einer Rosette geziert sind, getheilt wird.

Im Thorweg führt links eine noch gothische Stabwerksthüre zur Wohnung des Meßners und Schloßwarts, rechts geht ein Eingang zu einigen Kasematten. Vom Thorweg aus führt der Weg, – links der furchtbar tiefe Graben gegen die Stadt hin, rechts die alte halb zerfallene Bastei, – an dem schönen ehrwürdigen Lindenbaum, welchen der Sage nach Herzog Ulrich pflanzte, vorüber zum zweiten Graben, aus dem sich das Schloß erhebt. Eine hölzerne Brücke, auf einem Steinpfeiler ruhend, führt in der Mitte hinüber in den zweiten Thorweg und durch diesen in den großen Schloßhof.

Der große rundbogige Eingang, rechts von ihm ein Pförtchen, ist wieder mit prächtiger Portalarchitektur umgeben. Drei reichverzierte Pilaster tragen ein vollständiges Gebälk und darüber prangt wieder ein großes, noch bemaltes herzoglich württembergisches Wappen. Das Portal ist merkwürdig unsymmetrisch, drei Pilaster umrahmen die beiden Rundbögen, dadurch aber, daß das Feld, worin das Pförtchen liegt, halb so weit ist als das, worin der große Rundbogen, und weil dessen Schlußstein als Kapitell eines vierten Pilasters behandelt ist, wird die Symmetrie wieder hergestellt. Als Fortsetzung der äußeren Pilaster stehen über dem reichskulpirten Gebälke zwei stolze Fahnenträger in voller Rüstung. Über den inneren Pilastern stehen, das große Wappen flankirend, Freisäulen, worauf zwei junge Trompeter; rechts und links von diesen Säulen sind große Viertelskreise, worin in Flachrelief Hirsch und Löwe. Innen im Hof entspricht diesem| Portal ein einfacheres, im Giebel wieder mit dem herzogl. württemb. Wappen geschmückt.

Das Schloß ist ein gewaltiger viereckiger Bau, der einen großen, rechteckigen Hof einschließt, gegen Nord und Süd weit über den schmalen Rücken hinausgreift und hier von hohen Untermauern getragen wird, so daß der Hofraum viel höher liegt als die Erdfläche an diesen beiden Seiten. Von außen gesehen bildet das Schloß eine ziemlich unbelebte, nur an den Ecken durch die Thürme gegliederte Masse mit Fenstern aus verschiedenen Zeiten und von verschiedenen Formen. Die Mauern sind gegen Osten und Süden dick beworfen. Bei genauer Betrachtung der Schloßmauern ergibt sich sowohl aus ihrem Gefüge als aus den uralten Steinmetzzeichen ihrer Quader, daß beinahe durchaus die Mauern der alten Pfalz noch aufrecht stehen bis zu der Höhe des zweiten Stockes, daß also diese schon von mächtigem Umfange war, wie auch begreiflich ist, wenn man die Bedeutung des hier herrschenden Hauses erwägt. An den vier Umfassungsmauern des großen Hofes sieht man deutlich, wie hier die spätgothischen und modernen Fenster eingesetzt wurden, ebenso an der äußeren nördlichen Seite, wo sich unter den spätgothischen und großen modernen Rundbogenfenstern noch einige romanische Rundbogenfensterchen erhielten. Vor die östliche Außenmauer der Pfalz wurde durch Ulrich eine niedrigere Mauer gebaut und von Herzog Friedrich mit einer Galerie geschmückt.

Gegen Süden scheint die ursprüngliche Mauer noch ganz zu stehen, gegen Westen haben sich vor dem eigentlichen Schloßviereck noch bedeutende Trümmer erhalten. Hier zieht sich, durch einen jetzt ausgefüllten breiten Graben getrennt, der Überrest einer 10′ starken uralten Mauer in etwas schiefer Richtung als Hochmantel hin, den schmalen Bergrücken quer abschließend. Gegen Süd und Nord stößt dieser Mantel an Bauten, deren Erdgeschosse noch alt sind; an seiner Westseite dehnt sich ein sehr breiter Graben, jetzt theilweise mit Trümmern erfüllt und davor schiebt sich auf dem Scheitel des ganz schmalen, zu beiden Seiten sofort steilabfallenden Rückens, das sogenannte Schänzle vor, gewiß schon seit alter Zeit ein festes Werk. Unter dem Schlosse, namentlich unter seinen nördlichen und westlichen Theilen befinden sich ausgedehnte unterirdische Räume, die auch von dem alten Pfalzgrafenbau her stammen.

Das Schloß, wie es jetzt ist, hat gegen den Hof hin zwei, gegen außen drei Geschosse, seine nordöstliche Ecke stützt ein hoher runder Thurm mit Kanonenlucken und kühnen steinernen Wasserspeiern, erbaut| von Herzog Ulrich 1507; auf ihm befindet sich jetzt das astronomische Observatorium; an der südlichen Ecke stand ein ganz ähnlicher 1516 erbauter Thurm, der am 4. März 1647 von den Franzosen vor dem Sturme auf das Schloß (s. u.) weggesprengt und nach erfolgter Übergabe durch einen niedrigeren, weit und spitzig vorspringenden fünfeckigen Thurm ersetzt wurde. Die nordwestliche Seite wurde, nachdem 1542 der hintere Wall gegen das Hagthor plötzlich zusammengestürzt war und einige Häuser mit seinen Trümmern bedeckt hatte, über den Gängen und Verließen der älteren Zeit aufgeführt. An der Nordwestecke des Schlosses ragt eine stattliche viereckige Bastei aus dem Graben empor und an der südwestlichen Ecke deckt ein dicker runder Thurm, der älteste des ganzen Schlosses, den hinteren Schloßeingang. Hier führt ein altes Ausfallthörchen, über sich einen rechteckigen Schutzerker tragend, gegen Süden hinaus. Zwischen beiden Werken liegen seit langer Zeit in Trümmern der Pulverthurm und das Zeughaus.

Der ausgedehnte, fast noch einmal so lange als breite Schloßhof hat in den vier Ecken aus der Zeit des Neubaues steinerne Treppenausbauten, worunter an der Nordwestseite ein schöner, außen achteckiger, innen runder Schneckenthurm; an dem südöstlichen Treppenhause sind unter den Treppen Grabplatten aus spätgothischer Zeit verwendet.

An der Südseite des Hofes führt in den Bibliotheksaal ein großes, dem inneren Schloßthor ähnliches Portal von ausgezeichneter Renaissancearbeit; es ist noch vollkommen erhalten und mit feinem flach erhabenem Arabeskenwerk reichlich geschmückt. Die Wände des zweiten Stockes bestehen hier aus tüchtigem Holzbau, an der Südseite hin zieht ein weit hinaus ragender Laufgang; Herzog Friedrich hatte einst einen solchen um den ganzen Hof herumgeführt.

Im ersten Stockwerk des aus vier Flügeln bestehenden Schlosses enthält der südliche die ehemalige Schloßkirche (s. unten), einen freundlichen Betsaal mit Taufstein und Orgel, Übungsstätte für die angehenden evangelischen Prediger, zum Gebrauch des 1816 von dem damaligen Professor Bahnmaier eingerichteten Predigerinstituts. Hier befindet sich auch ein Ölgemälde von 1715, die Kreuzigung Christi darstellend, auf dem die Namen der damaligen Artilleristen, Stuckjunker, Büchsenmeister und Zeugwarte angegeben sind. Weiterhin gegen Westen das alte jetzt wieder neu eingerichtete, noch gewölbte Laboratorium und sonstige gewölbte Räume, endlich ein Gefängniß, des Teufels Küche genannt.

| Den ganzen Nordflügel nimmt der Bibliotheksaal ein, der ehemalige Rittersaal, 220′ lang, 50′ breit und 21′ hoch. In seinen hohen Fensternischen stehen gute Gipsabgüsse antiker Statuen. Daselbst ist auch die Schandtafel aufgehängt, welche die Namen der Ritter, 62 an der Zahl, nennt, die im Jahr 1520 das Schloß Tübingen an das Bundesheer übergaben (s. hierüber unten). In der Mitte des Saals wird, gegen das Ammerthal hin, die Mauer unterbrochen und öffnet sich hier, auf zwei reichen gebauchten Renaissancesäulen ruhend, in drei netzgewölbte rechteckige Nischen, von denen die mittlere bedeutend breiter ist und weiter hinausspringt; die Fenster dieses schönen Ausbaues sind noch die alten und bezeichnen den Übergang vom Gothischen zur Renaissance, sie haben gothisches Stabwerk, das sich oben in unterwärts gekehrten Bögen zusammenschließt und in der Mitte durch eine steinerne Sprosse getheilt wird. Diese Fenster gingen im ganzen Rittersaal umher, und wurden durch moderne große rundbogige ersetzt. Man sieht Steine von ihnen noch eingemauert an der Außenwand des Schlosses gegen das Ammerthal hin. Ähnliche nur kleinere Fenster, die alle aus der Zeit Herzog Ulrichs stammen, erhielten sich an der Innenwand des Ostflügels. Das obere Stockwerk des Schlosses, welches namentlich seit 1818 immer mehr zu akademischen Zwecken verwendet wurde, enthält im östlichen Flügel die Wohngelasse für den Professor der Physik und einiger Bediensteten, im westlichen Flügel die Wohnung des ersten Bibliothekars; die übrigen Räume sind für die Bibliothek benützt. Das östliche Zimmer des Südflügels hat eine hübsche Holzdecke, und im nächsten sind zwei zierliche hölzerne Renaissanceportale. Von den Thürmen enthält der nordwestliche, seit 1752 mit der Sternwarte versehen, im oberen Geschoß Raum für die astronomischen Instrumente, im mittleren einen schönen Saal mit alterthümlichem Getäfel, der jetzt den physikalischen Hörsaal bildet, und im ersten das Münz- und Antiquitäten-Kabinet u. s. w. (s. unten bei der Geschichte der Universität). Die Decken der Säle werden in der Mitte von je einer gewundenen Holzsäule gestützt.

In dem fünfeckigen Thurm befinden sich die oberamtsgerichtlichen Gefängnisse und die Wohngelasse des Oberamtsgerichtsdieners.

Der Thurm an der südwestlichen Schloßecke enthält die ehemalige Küche und Backanstalt. In dem an denselben anstoßenden Gebäude, die kalte Herberge genannt, einst die Wohnung des Schloßwachtmeisters, wohnt ein bei der Bibliothek Angestellter.

| Im Schloßhof steht ein vierröhriger Brunnen mit korbartigem Aufsatz auf der steinernen Brunnensäule.

Die Stadt Tübingen war von Alters her verpflichtet, vier Wächter auf dem Schlosse zu halten, 1520 aber enthob sie Kaiser Karl V. dieser Verpflichtung; dafür mußte Stadt und Amt jährlich 50 fl. 10 Schill. zahlen, welche Abgabe später abgeschafft wurde.

Nicht minder großartig sind die unterirdischen Räume des Schlosses. In dem großen Keller unter den nordwestlichen Theilen befindet sich der uralte runde Ziehbrunnen; er geht bis unter die Sohle des Neckars, also mehr denn 300′ tief hinunter, hat die bedeutende Weite von etwa 14′ und ist auf das sorgsamste aus Quadern gemauert. Schon die Größe und Schönheit dieses unterirdischen Werkes zeugt von der Macht und Herrlichkeit der alten Pfalzanlage. Unter dem einstigen Rittersaale dehnt sich ein großer hochgewölbter Keller, in welchem das berühmte Faß, das große Buch genannt, liegt. Herzog Ulrich ließ es 1548 durch Meister Simon von Bönnigheim verfertigen, der zu den Böden und Dauben 40, zu den Felgen 50 Eichenstämme erhielt; zum Lohn bekam der Meister 150 fl. und ein Hofkleid. Das Faß ist 24′ lang, 141/2′ hoch und hält 286 württemb. Eimer oder 45.760 württemb. Maas. Unter der nordwestlichen Bastei und einem Theil des Hofraums finden sich mannigfache Gänge, die in frühere Rittergefängnisse münden, sowie ein großer runder Raum mit kugelförmigem Gewölbe und einer Galerie in halber Höhe, zu dem aus dem Innern des Schlosses ein eigener Gang führte; man hält ihn für die Stätte des heimlichen Gerichts. Unter dem mit 20′ dicken Mauern aufgeführten südwestlichen Thurme liegt das eigentliche Burgverließ, der sogenannte Haspelthurm, ein gewölbter, etwa 30′ tiefer Raum, ohne eine andere Öffnung, als die im Scheitel des Kugelgewölbes, durch welche der Unglückliche hinuntergehaspelt wurde.

2. Die dem h. Georg, dem h. Martin und der h. Maria geweihte Stifts- oder Kollegiatkirche (Stadtkirche), gewöhnlich Georgenkirche genannt, von der übrigens nur der Chor Eigenthum des Staats ist, während das Langhaus der Spitalpflege, und der Thurm der Stadtgemeinde gehört, hat eine schöne hohe Lage im südöstlichen Theil der Stadt.

Laut der Inschrift des an der südwestlichen Ecke eingemauerten, mit einem frühromanischen Greifen und Löwen gezierten Steines, steht dieser Stein an der dritten Kirche auf dieser Hofstatt; die Inschrift lautet: der. stain. lit. an. di drd. kirche uf diser hofstat. Von der ersten Kirche, die schon in sehr früher Zeit aufgeführt wurde, erhielten| sich außer dem ebengenannten Steine der Löwe und der Drache, die jetzt am Nordportal der Kirche eingesetzt sind, sowie verschiedene in das Quaderwerk eingemauerte Steine mit Rundbögchen, Theile des alten Rundbogenfrieses, oder mit uralten Steinmetzzeichen. An der Ostseite des jetzigen Thurmes zeigen sich noch Spuren eines hier einst angebaut gewesenen flachen Giebels; der dazu gehörende Bau war bedeutend niedriger und stand weiter gegen Süden, als die jetzige Kirche; sind es wohl die schwachen Andeutungen der ersten, romanischen Anlage ?

Das Jahr der Gründung des Thurms ist nicht auf uns gekommen; dem Stile seiner untern Halle nach zu schließen, fällt sie in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts. Hiemit stimmt auch die Inschrift eines Grabsteins an dem großen spitzbogigen Eingang seiner Nordseite überein.

† albrecht hurnus der alt und Irmel sin hus-
frow und albrecht hurnus der jung und adelheit
kesslerin von bondorf agnis von husen und adel-
heit schniderin all sin husfrowen anno domini
MCCCCXXXX.

Die zweite Kirche wurde wenigstens in ihren westlichen Theilen gleichzeitig mit dem Thurm aufgeführt, und, wie die neueste Abhebung des Bodens der jetzigen ergab, in einer Breite von 60′ angelegt; auch die Höhe und Form ihres Daches läßt sich noch genau verfolgen an dem steinernen Schutzgesimse, das an der Ostseite des Thurmes hinläuft; es war beträchtlich niedriger als das jetzige Dach. Die südlich vom Chore stehende zweistockige mit zwei Netzgewölben übersprengte Kapelle fällt ihrem Stile und ihrer Stellung nach auch noch vor die Zeit der dritten Anlage, man sieht den über Eck stehenden Strebepfeiler ihrer südwestlichen Ecke in die jetzige Ostwand des Langhauses eingebaut. Der Thurm war ursprünglich auf drei Seiten frei; man sieht noch an seinen östlichen Ecken ganz deutlich, wie hier die alte Westwand der Kirche mit Verzahnung in den Thurm eingriff; diese Mauer wurde später weggerissen, als man den ganzen Bau erweiterte und die dritte, die jetzt stehende spätgothische Kirche baute; man begann sie 1470 unter Eberhard im Bart, die früheren Verhältnisse genügten lange nicht mehr, die Kirche wurde jetzt auf 104′ lichte Breite erweitert, mit dem Chore fuhr man bis an den äußersten Rand der uralten Stadtmauer hinaus, so daß man, um einen Umgang zu gewinnen, einen Laufgang erkerartig hinausbauen mußte, den man mit schönem durchbrochenem Steingeländer versah. Ebenso| brachte man die Westwand des Schiffes mit der Westseite des Thurmes in eine Flucht, und baute zu Seiten des Thurmes zwei netzgewölbte Emporen über einander. Der Chorbau, mit dem man begann, und den man in großen kühnen Verhältnissen und schlichten strengen Formen aufführte, gewann durch seine Stellung noch bedeutend an Großartigkeit; er schließt in halbem Achteck, wird von schlanken, oben mit einer Spitzsäule geschmückten Streben gestützt, und von hohen mit schönem Maßwerk gefüllten Spitzbogenfenstern erhellt. An den drei östlichen Strebepfeilern stehen unten je zwei Steinbilder von guter Arbeit unter reichen Baldachinen; von Süden gegen Norden: Johannes der Evangelist und Ecce homo; Maria mit dem Kinde und St. Georg; Paulus und Petrus. In der Ecke des Chors und des nördlichen Seitenschiffes führt ein schöner steinerner Schneckenthurm auf den Dachboden der Kirche.

Am südöstlichen Strebepfeiler des Chors steht die Inschrift anno dom. 1470. iar. am. 28. tag. des. merczen. ward. der. erst. stain. gelegt. an. den. kor. Das Langhaus der Kirche ward dreischiffig mit nach innen gezogenen Strebepfeilern, so daß zu Seiten der Nebenschiffe Kapellenreihen entstanden, angelegt. Laut Inschrift an der Südseite anno dom. 1478. iar. am. 29. tag. des. aprellen. ward. der. erst. stain. gelegt. an. die. syten; mit der Westwand wurde, wie schon bemerkt, herausgefahren bis in die Flucht der Westwand des Thurms und man brachte hier die steinernen auf Netzgewölben ruhenden Emporen an; diese, sowie die Netzgewölbe über ihnen, sind herausgebrochen; gegen die Nordwestecke hin steht hier: anno dom. 1483. an. sanct. urbans tag. ward. geleit. der. erst. stain. an. der. seitten.

Das Langhaus zeigt spätere und schlaffere gothische Formen als der Chor; die Güte des Stils nimmt den Jahreszahlen nach sichtlich ab. Die Fenster des nördlichen Seitenschiffes sind statt der Maßwerke mit Reliefs erfüllt, eine Anordnung die sonst nirgends vorkommt.

Im Rundfenster bei der nordöstlichen Ecke ist der h. Martin dargestellt, wie er seinen Mantel mit dem Bettler theilt, dann in den Spitzbögen der nächsten Fenster der h. Georg, wie er die Jungfrau vom Drachen erlöst, und die Krönung Mariä.

An der Ostwand dieses Seitenschiffes befindet sich in einem Rundfenster ebenfalls ein solches Relief, das sogenannte Wahrzeichen von Tübingen, der h. Georg als Märtyrer, dargestellt als Jüngling, der auf das Rad geflochten ist.

| Diese Reliefs zeigen sich gleich gegen außen wie gegen innen, hier haben sie noch die alte Bemalung.[9]

Der Haupteingang der Kirche ist jetzt an der Nordwand, nahe dem Chore, und mit einer großen netzgewölbten Vorhalle geschmückt, in dem Schlußstein Maria mit dem Kinde. Zu Seiten der spätspitzbogigen Pforte ist jener romanische Drache und Löwe eingemauert und an der Holzthüre noch ein eherner romanischer Thürklopfer (Pantherkopf) angebracht.

Der ehemals auf drei Seiten freie Thurm bildete einst unten eine gewölbte Vorhalle; er hat einen großen Spitzbogen gegen Süd und Nord und ein einfach schönes Spitzbogenportal gegen Osten, den früheren Haupteingang. Seine drei unteren Stockwerke sind ganz schlicht und nur mit schießschartenähnlichen Fensterchen versehen, vom vierten Stock an geht er vom Viereck ins Achteck über, was in angenehmer Weise durch vier hohe Schrägen an den sich in Spitzsäulchen fortsetzenden Ecken vermittelt wird. Die vier senkrechten Seiten sind je durch ein mächtiges schlankes Doppelfenster belebt. Dieses hohe Stockwerk, das Glockenhaus, wird von einem Kranz bekrönt, über dem ein schlanker mit Krabben besetzter achteckiger Steinhelm die Bewegung der vier hohen Schrägen weiter führt; er ist leider nur halb vollendet und kam um das Jahr 1529 durch eine geschweifte Spitzhaube mit vier Dachluckenthürmchen und einer Laterne zum Abschlusse.

| Der Thurm hat in seinen obern Geschossen große Ähnlichkeit mit dem älteren der Marienkirche im nahen Reutlingen; seine Höhe beträgt bis zum Knopf 190′, die Breite 30′. Zwei Schneckenthürmchen an der Süd- und Nordwand des Thurmes, stehen in der Vorhalle der Kirche eingebaut.

In der Schräge des nördlichen Doppelfensters des Thurmes steht eingemeißelt 1468, ganz mit dem Stil übereinstimmend, und ist als Erbauungszeit dieses Stockwerkes anzunehmen. Auf dem Thurme sind 6 Glocken, die kleine auf dem Kranze vom Jahre 1598. Die im Glockenhause hängen in zwei Reihen übereinander; von den zwei unteren ist die östliche die größte, 66 Centner schwer und hat die Inschrift:

o rex glorie XPE veni cum pace. lucas. marcus. matheus. iohes. adam. cr. bodemmer me fecit. ave maria gracia plena dom. tecum. anno dom. MCCCCXI. Die westliche Glocke, 40 Centner schwer, mit Flechtwerk verziert, an dessen Knoten Lilien abwechseln mit dem Tübinger Wappen, hat die Inschrift: durch unser frowen er lit man mich anno domini MCCCCLVIIII. lucas. marcus. matheus. ioannes. und darunter: fulminis emittas cirille vernula cristi. procul sagittas ne nos ledant nece cristi; sie kostete 400 fl.

In der zweiten Reihe hat die größte (westliche) zur Umschrift die vier Evangelistennamen mit der Jahreszahl 1448, die beiden anderen sind aus neuerer Zeit, eine, die sogenannte Taufglocke, gegossen von Johannes Wolf 1716, die andere, die sogenannte Beichtglocke, von 1632.

Das Langhaus, 153′ lang im Lichten, 104′ breit, dreischiffig und mit Kapellenreihen, und wohl- und scharf-gegliederten Pfeilern hatte bis 1866 eine störende flache Decke; und erst in genanntem Jahre ward nach dem ursprünglichen Entwurfe unter der Leitung des Oberbauraths Leins das Mittelschiff beträchtlich erhöht und alle drei Schiffe mit prächtigen, wirksam bemalten Sterngewölben (aus Töpfen) bedeckt, so daß der ganze Raum jetzt einen höchst weiten und großartigen Eindruck macht. Die Länge der ganzen Kirche beträgt 220′.

Die Kirche hat in der Anlage wie in den einzelnen Formen, z. B. in der Bildung der Strebepfeiler und der Schiffpfeiler große Ähnlichkeit mit der Stiftskirche in Stuttgart.

An der westlichen Wand des nördlichen Seitenschiffes sitzt als Gurtträger ein Engel, der zwei Schilde hält, auf dem einen ist das bärtige Brustbild des Baumeisters der Kirche, auf dem andern sein Steinmetzzeichen und die Jahreszahl 1478; unter den Schilden steht: hans augstaindrever stainmecz von wisenstaig.

| Quer vor den Chor, gerade über dem Altare, stellt sich der im reichsten und spätesten gothischen Geschmack gehaltene steinerne Lettner, vorn von vier mit Statuen besetzten Pfeilern getragen, innen netzgewölbt mit schönen Schlußsteinen. Die Statuen wurden theilweise neu gefertigt, die Gewölbe reich bemalt mit Blumenranken auf blauem Grunde.

Der Taufstein und die steinerne Kanzel, in sehr reichem und schwungvollem Stile gehalten, sind ohne Zweifel von demselben Meister gearbeitet; am Taufstein steht 1649, er wurde aber schon 1497 von der Familie Bräuning gestiftet. Um die Brüstung der Kanzel stehen in Relief die ausdrucksvollen Gestalten der vier Evangelisten und der Maria; die mit schön durchbrochenem Geländer versehene Treppe wird von der Figur des Steinmetzen unterstützt. Der schlanke Schalldeckel ist von Holz, ebenfalls spätgothisch und von trefflicher Arbeit.

Der Altar, von schönem altem Eisengitter umgeben, wurde neu hergestellt und zwar als sehr reicher steinerner Tisch im Geschmack der Kanzel. Die harthölzernen Chorstühle von ausgezeichnetem Stil, und noch aus der guten gothischen Zeit stammend, stehen jetzt sämtlich im Westen der Kirche und sind mit den Brustbildern der alten Propheten, Patriarchen u. s. w. und mit herrlichem kraftvollem Laubwerk geschmückt; die neuen Bänke wurden auch in ansprechendem gothischen Stile verfertigt, deßgleichen die im Süden, Westen und Norden hinziehenden Emporen, so daß jetzt in der Kirche Alles auf das Schönste zusammenstimmt.

Der einschiffige Chor, durch ein schmiedeisernes Gitter abgeschlossen, bildet den würdigsten Abschluß. Herrlich leuchten die drei hohen Glasfenster; sein reiches Netzgewölbe, aus Säulchen, an denen unten umher die lebensgroßen Gestalten der 12 Apostel stehen, hervorwachsend, strebt in schönen Schlußsteinen zusammen und ein wahrhaft ergreifender Anblick sind jene Reihen von Grabmälern, die den ganzen Boden des Chors bedecken, wo auf prachtvollen, von Löwen getragenen Grabplatten die edlen Steinbilder, die Hände gefaltet, in heiligem Frieden schlummern.

Auf den Schlußsteinen sind dargestellt ein Engel, einen Schild mit dem Georgenkreuz haltend, das Wappen von Württemberg und Mantua, S. Georg, Maria mit dem Kinde und um diese reihen sich an den nächsten Knoten des Gewölbes vier Engelchen. Das ganze Chorgewölbe war einst farbig und wurde jetzt wieder unter der Leitung des Bauinspektors Kapff prachtvoll bemalt mit goldenen Blumen| und Sternen auf himmelblauem Grunde. – Man kann jetzt mit Recht die Tübinger Kirche zu den schönsten des Landes zählen. Die Kosten der Restauration betragen samt der noch zu erneuernden Orgel 60–70.000 fl., wozu der Staat 1800 fl. beisteuerte.

Die Glasgemälde, die drei östlichen Fenster erfüllend, stammen aus der Zeit der Erbauung des Chores und wurden 1857 durch Glasmaler Pfort wieder zusammengesetzt und ergänzt. Sie stellen verschiedene Begebenheiten aus dem neuen Testament vor, von prächtigem gothischem Stab- und Blumenwerk umrahmt; unten sind die Bildnisse Graf Eberhards, seiner Gemahlin und seiner Umgebung angebracht. An der südlichen Wand befindet sich ein gemalter Flügelaltar aus der Ulmer Schule mit der Jahreszahl 1520. Die äußeren Flügel stellen Christus am Ölberg und den Stifter des Altars mit Frau und drei Töchtern dar. Innen ist auf dem linken Flügel die Kreuzschleppung, auf dem rechten die Grablegung (eigentlich die Salbung des h. Leichnams), in mitten die Kreuzigung, ein großes, figurenreiches, ergreifendes Bild. Sowohl in der Anordnung als in der Zeichnung und in der Farbe sind diese Bilder trefflich zu nennen.

Der Chor ist – von 1450 an – die Grablege der württembergischen Regenten Uracher Linie, im 16. Jahrhundert des ganzen Hauses. Diese Bestimmung gab ihm übrigens erst Herzog Ulrich († 1550), nachdem die Stuttgarter Stiftskirche lange Zeit die alleinige Gruft enthalten hatte, seit der Landestheilung von 1442 aber die Uracher Linie zu Güterstein, der letzte derselben, Herzog Eberhard im Bart, im Stift Einsiedel beerdigt worden war. Nach Errichtung der hiesigen Grabstätte verlegte Herzog Ulrich hieher 1537 den genannten Herzog Eberhard, 1538 die Gütersteiner Leichname.

Die Grabmäler der württembergischen Fürsten, deren Leichen jede in einem eigenen Grabe darunter ruhen, liegen in vier Reihen, wovon die drei ersten Reihen aus der besten Zeit der deutschen Renaissance stammen. An der südöstlichen Ecke des Chorschlusses ruht Eberhard im Bart († 1496) mit langem Bart und langem schlichtem Haupthaar, zu Häupten steht ihm der Helm; sein zarter Körper liegt in voller Rüstung. Hinter dem Grabmale schimmert an der Wand das eigentliche, im herrlichsten gothischen Stil gehaltene Grabdenkmal Eberhards, es ist eine große, dunkelroth gefärbte Bleiplatte, in welche der Palmbaum mit dem Attempto und davor das große herzoglich-württemb. Wappen in reichen Farben und Vergoldung (als Kupferplatte) eingelassen sind; es stammt ohne Zweifel aus dem Stift Einsiedel. Neben Eberhard ruht Herzog Ulrich († 1550) auch in voller Rüstung, sein Bart| und Haupthaar ist kurz, sein Körperbau kräftig, der mächtige Kopf von leidenschaftlichem Ausdruck. Neben ihm ruht seine Gemahlin Sabina († 1564) in einfacher Klostertracht mit Haube und dem Band über dem Mund.

Die zweite Reihe eröffnet Eva Christina, Graf Georgs von Württemberg 1575 im siebzehnten Jahre gestorbene Tochter; ein schönes Mädchenbild mit langen blonden Haaren; sie trägt ein prachtvolles, von goldenen Perlen und Blumen durchwirktes Purpurkleid mit enganliegenden hochgeachselten Ärmeln und großer Halskrause. Dann folgt das herrliche Denkmal Graf Ludwigs († 1450) und seiner Gemahlin Mechthilde, Prinzessin von Rheinpfalz und Bayern († 1482), Mutter Graf Eberhards im Bart. Graf Ludwig, in voller Rüstung, hat den Helm auf dem bartlosen kriegerischen Haupte, die linke Hand am Schwerte; seine Gemahlin mit dem sanften Antlitz, umhüllt in herrlich-reichen Falten ein weiter Mantel; ihre Statue ist wohl die vortrefflichste von allen. In prachtvollem Brokatgewande mit weiten Schleppärmeln, den jungfräulichen Kranz auf den langhinfließenden Haaren ruht daneben Ulrichs und Sabinens früh gestorbene Tochter Anna († 1530); ihr zur Seite steht – nicht wie die bisher genannten aus Keupersandstein, sondern aus weißem Marmor gemeißelt, das prächtige Denkmal des jungen Herzogs Rudolf von Braunschweig-Lüneburg, Bischofs von Halberstadt († 1616). Die Grabplatte wird von vier wilden Hunden getragen; der schöne Jüngling mit dem reichen Lockenhaare liegt, die Hände faltend, in einfachem goldgesäumtem Priesterrock. In der dritten Reihe steht gerade vor dem ebengenannten das gleichfalls marmorne und gleich ausgezeichnete Denkmal des jungen Herzogs Johann Georg von Norwegen und Schleswig-Holstein († im Collegium illustre 1613). Er liegt in prachtvollster Rüstung; daneben ruht Herzog Christoph mit dem schönen gütigen Ausdruck des Gesichts († 1568) und neben ihm seine Gemahlin Anna Maria in Klostertracht († 1589). Weiterhin ihr junggestorbener Sohn Prinz Eberhard († 1568). Die letzte Reihe wird gebildet durch die beiden noch größeren außerordentlich prächtigen Marmordenkmäler Herzog Ludwigs († 1593) und seiner Gemahlin Dorothea Ursula, Tochter des Markgrafen von Baden († 1583). Diese sind im spätesten Renaissancegeschmack gehalten und wurden gefertigt 1583. Die hohen Postamente zeigen Medaillons mit sehr feinem erhabenen Bildwerk; bei Ludwig biblische Schlachtscenen, bei Ursula Scenen aus der Leidensgeschichte; um die Postamente sitzen bei Ludwig sechs männliche Freifiguren, die Werke des Kriegs, bei| Ursula vier weibliche, die Werke des Friedens vorstellend. Ludwig trägt eine prachtvolle Rüstung, seine Gemahlin reichen Reifrock mit zierlichen Hals und Handkrausen. Außer den marmornen sind sämtliche Denkmäler bemalt; die Grabplatten mit Inschriften versehen, ruhen auf Löwen oder Hirschen, Christophs Gemahlin auf Widdern, die je zu zwei an der Ecke in einem Kopf endigen. Zu Füßen der Männer liegt ein Löwe, zu Füßen der Frauen ein Hündchen.

Ein Theil dieser Bildwerke ward verfertigt von Lienhardt Bomhawer (auch Baumhawer), Bildhauer, Bürger zu Tübingen. Laut seiner Eingabe an den Herzog Ludwig von Württemberg vom Februar 1573 ist er damals „im 13. Jahr häuslich in Tübingen gesessen und in der Zeit seine Nahrung mit seiner Hände Arbeit und der ihm vom Allmächtigen verliehenen Kunst zu suchen bemüht gewesen, wie er denn weil. H. Christophs und H. Eberhards, des H. Ludwigs älteren Bruders, wie auch anderer verstorbener fürstlicher Personen Württembergs Grabsteine gehauen.“

Im Chor sind ferner beerdigt:

Christophs Söhne Maximilian † 1557 und Ulrich † 1558; Johannes Georg Churfürst von Sachsen † 1691; Pfalzgraf a. R. Georg Otto † 1635, dieser hat ein schönes Marmorgrabmal, und Graf Anton Heinrich von Oldenburg † 1617.

Die Kirche ist ferner Grabstätte verschiedener berühmter Männer, wie des Crusius, † 1607, des Jak. Heerbrand, † 1604, des Andr. Osiander, † 1612, des Jak. Andreä, † 1590; dann des Stratiotenführers Georg Samaras (fällt 1519 vor Tübingen), des Hans Ungnad zu Sonnegg, † 1564 u. s. f.

Von den Grabmälern sind die an Kunstwerth bedeutendsten:

Außen an der Südwand der Kirche.

1) Das große, schön vergitterte Renaissancegrabmal des Johann Hochmann, Doktor der Rechte und Professor in Tübingen, Stifter des Hochmanns-Collegium, gest. 24. Juli 1603, und seiner Gattin Maria, geborne Rucker, gest. 1616.

2) Der Grabstein des Melchior Calwer, gest. 24. Februar 1563 und seiner Gattinnen.

3) Der schöne Grabstein des im Alter von 17 Jahren verstorbenen Jakob Kotze, Ritter in Germersleben und Klein-Öschersleben, starb als Student den 10. Oktober 1606. Der Jüngling ist lebensgroß in reicher spanischer Tracht dargestellt.

4) Der Grabstein des Johannes Gockel, eines zur lutherischen Kirche übergegangenen kath. Geistlichen aus Benzingen.

| An der Nordseite des Chors:

1. Das sehr schöne, reiche und große Renaissancegrabmal des Andreas Laubmaier, Doktor der Rechte, Professor etc., gest. 19. Aug. 1604, und dessen Ehefrau geb. Reiz.

2. Das Grabmal des David Schegk, Doktor der Rechte und Professor; gest. 14. Oktober 1577.

Im Innern der Kirche.

In der Vorhalle:

1. Das prachtvolle, sehr große und reiche Marmordenkmal des Fritz von der Schulenburg, Sohn Albrechts, geb. 3. Nov. 1591, gest. 30. Jan. 1613. Die Bildsäule des Jünglings ist von vortrefflicher Arbeit.

2. Das ebenfalls prächtige Marmordenkmal des Christoph Skiel, Sohn Albrechts Skiel, Herrn zu Füssingen, und K. dänischen Raths, gestorben als Student 1623.

3. Das sehr hübsche und zarte Marmordenkmal des Wilhelm Ernst Graf von und zu Waldeck, der letzte in dieser Linie; starb als Student 16. Sept. 1598.

4. Ein spätgothisches aus Sandstein, eine Nonne in flacherhabener Arbeit, mit der Umschrift: anno domi. 1506 am 13. tag des hornung starb die edel und vesta schmellerin cunrat von first hausfraw gewesen.

5. Eine ähnliche flach erhabene Frauengestalt; Anna von First geb. von Neineck, gest. den 25. April 1570.

6. Ein großes schön gemaltes hölzernes Epitaphium mit der Inschrift: Anno 1614 Den 7. Augusti Starb Hanß Christoff Herter Von Und zu Herteneckh Und Tußlingen der Letste seines Stammens und namens; weiter heißt es, er ward nach echter Rittersitte mit Schild und Helm begraben.

7. Das Grabmal des Hans Conrat von First, Herr zu Horstai und Seybers, gest. 6. März 1561; seine Gattin Ursula, geborene Schmeller, gest. 13. Februar 1560. Es ist darauf ein Ritter groß ausgehauen.

An der Ostwand des Schiffes stehen:

1. Das des Hans Caspar von Anweyl, Obervogt, gest. 12. Okt. 1562, seiner Gattin Catharina von Neuneck, gest. 21. Juni 1593, und deren Sohn Hans Albrecht, gest. 1563.

2. Das Grabmal des Professors Chr. Gottlob Storr, gest. 1805, ein Pfeiler mit Marmorbüste.

3. Das des Friedrich Jacob von Anweil, Obervogt, gest. 1540.

| 4. Ein schönes Grabmal, ein Ritter in Lebensgröße, mit der Inschrift: Anno domi. 1560 uff den 3. novembris ist verschaiden der edel und vest Hainrich Osthaim Erbschenk Burckvogt hie zu Tubingen gewest.

5. Das Grabmal des Wolff Dietrich Megentzer von Feldorf, Obervogt zu Wilberg, gest. 20. August 1569.

6. Ein Ritter auf einem Löwen stehend; Hans Conrad von Wernau, gest. 1553.

7. Das einfache Marmordenkmal des 1793 den 21. April verstorbenen Carl Christian Hofacker, Doktor der Rechte und Professor.

8. Ein zweites Grabmal des schon genannten Fritz von der Schulenburg, ohne Zweifel sofort nach seiner Bestattung gesetzt.

An der Südseite der Kirche:

1. Das hübsche Grabmal des Johann Reiske, Studenten aus Steiermark, gest. 6. Mai 1617; es hat mit dem Stil des Marktbrunnens auffallende Ähnlichkeit.

2. Das des Wilhelm von Janowitz, gest. 1. Mai 1562; dessen Gemahlin Anna, geb. von Sachsenheim, gest. 23. Febr. 1553.

3. Das des Hans Truchsäs von Höfingen zu Höfingen und Krespach, gest. 28. Nov. 1576.

An der Nordseite der Kirche.

1. Das Marmordenkmal des Jacob Schegk, Doktor der Philosophie und Medicin, gest. den 9. Mai 1587.

2. Das Marmordenkmal des Gottfried Graf zu Ötingen, gest. 23. Aug. 1596.

3. Das Grabmal der Elisabetha, Georg Hizlers, Professors der griechischen Sprache allhier, Ehefrau, gest. 6. Juni 1585.

4. Das sehr hübsche des Ferdinandt Ernst Freyherr Von Bernerdin Zum Pernthur und Sindlingen. Seines Alters 21 Jahr 5 Mon. 12 Tag, gest. 26. Juni 1659.

5. Das ebenfalls sehr zierliche der Maria Cleophe Leutrum von Ertingen, Joh. Sticcels Ehefrau, gest. 12. Dec. 1564.

6. Ein großer Ritter, ohne Inschrifttafel, mit dem Wappen der von Weitingen.

Vom Chore aus führt südlich eine mit sehr schöner eisenbeschlagener Holzthüre versehene Pforte in die beiden Sakristeien. Die erste wird durch den Unterstock des schon genannten zweistockigen gothischen Anbaues gebildet, hat ein Netzgewölbe mit noch bemalten Schlußsteinen, worauf Maria mit dem Kinde und ein Engel mit dem Tübinger Wappen; der zweite Stock dieses Anbaues, das ehemalige| Archiv, ist ebenfalls netzgewölbt und von der Kirche aus durch eine ganz neue steinerne Prachttreppe zugänglich. Der zweite Sakristeiraum, ein späterer niedriger gothischer Anbau, die eigentliche Sakristei, ist auch netzgewölbt und an den Wänden hängen kleine Ölbilder früherer Pröbste und Geistlichen, darunter das sehr ausdrucksvolle des alten Crusius. [10]

3. Die in den Jahren 1841/45, nach dem Entwurf des Oberbauraths Barth mit einem Aufwand von 180.000 fl. in großartigen Verhältnissen erbaute neue Universität liegt frei am Ende der Wilhelmsstraße und besteht aus einem dreistockigen Hauptgebäude und zwei freistehenden zweistockigen Flügelbauten. Die Gebäude sind in einfach-edlem antikem Stil aus Sandsteinquadern aufgeführt, und in den Mitten ihrer Schauseiten, wo sich auch die Eingänge befinden, durch Balkone, die auf Säulen ruhen, ausgezeichnet. Das Innere enthält in der Mitte einen durch zwei Stockwerke gehenden, schön ausgemalten Saal für akademische Feierlichkeiten, 14 Hörsäle, einen Prüfungssaal, einen Sitzungssaal für den Senat, und die erforderlichen Kanzleizimmer. Die Senats- und Fakultätszimmer sind mit Bildnissen der Professoren von der Zeit der Stiftung der Universität bis auf unsere Tage geschmückt. Der östlich vom Hauptgebäude gelegene Bau enthält das chemische Laboratorium nebst Hörsaal und Professorenwohnung, der westlich gelegene den botanischen Hörsaal und Professorenwohnung.

4. Das evangelische Seminar oder das Stift, an der Neckarhalde gelegen, besteht aus dem alten und dem neuen Bau und enthält noch bedeutende Reste des früheren Augustinerklosters (s. unten). Der alte Bau, ein alterthümliches vierstockiges Gebäude steht mit der Nordseite in dem alten inneren Stadtgraben, sogenannten Bärengraben, und erhielt seine jetzige Gestalt im Jahr 1560; er enthält gegen Osten die jetzt zur Bibliothek eingerichtete Kirche, an deren mit Strebepfeilern versehenem polygonem Chorschluß zwei Inschriften mit der Jahreszahl 1513 angebracht sind. Im untersten Stockwerke befindet sich eine alte gothische Halle, die gegenwärtig als Holzmagazin benützt wird. Der viel tiefer gelegenene sogenannte neue Bau lehnt sich an den alten Bau an und schließt einen viereckigen| Hofraum ein, der von Pfeiler-Arkaden umgeben und vermuthlich an die Stelle des ursprünglichen Kreuzganges getreten ist; von letzterem erhielt sich noch eine spitzbogige Arkade; auch die südliche, von starken Strebepfeilern unterstützte Mauer des Unterstocks stammt noch aus alter Zeit, wie ihre gedreiten gothischen Fenster bekunden. Der Bau wurde im Jahr 1668 den älteren Theilen aufgesetzt, um 1792–96 unter Herzog Carl mit einem Aufwand von 58.000 fl. umgebaut und bildet nun ein einfaches 3stockiges Gebäude, das im ersten Stock des nördlichen Flügels den großen, auf hölzernen Säulen ruhenden Speisesaal enthält; die übrigen Gelasse des alten und neuen Bau’s dienen als Lehrsäle und zu Wohnungen der Seminaristen und Repetenten. An der östlichen Seite liegt ein ummauerter Hofraum, an dessen Eingang das zweistockige Ephoratsgebäude steht. Der südliche Flügel des neuen Bau’s tritt etwas über die äußere Stadtmauer heraus; an ihm und der westlich anstoßenden Zwingermauer dehnt sich längs des Neckars der große Stiftsgarten hin.

5. Das in der langen Gasse gelegene Convict, das ehemalige 1588–92 von Herzog Ludwig erbaute Collegium illustre, wurde im Jahr 1817 für das katholische Seminar, Wilhelmsstift, eingerichtet und bildet ein mächtiges dreistockiges Steinhaus mit schlichten geraden Sprossenfenstern, kräftigen Gesimsen und hohen verzierten Renaissancegiebeln und umschließt einen großen rechteckigen Hof. Es ward auf der Stelle des ganz abgerissenen Franziskanerklosters errichtet, zum Theil aus Steinen, welche aus dem 1580 abgebrochenen Stift Einsiedel herbeigeschafft wurden; Baumeister war Georg Behr. An seiner Ostseite, in der Nähe der Nordostecke, steht ein großer runder Thurm, an seiner Westseite ein kleinerer, an seiner stumpfen Südostecke sind über dem weiten Rundbogeneingang zwei große Inschrifttafeln, dazwischen das württembergische Wappen, Alles in reicher Fassung und ausgezeichnetem Spätrenaissencegeschmack, angebracht. Im Hofe, um den einst eine Pfeilerhalle ging, von der sich an der Südseite noch Spuren erhielten, steht an der Nordwand ein schöner runder Treppenthurm. Der tiefe Ziehbrunnen im Hofe ist zugemauert, dafür läuft jetzt ein einröhriger Brunnen. Hinter dem Gebäude liegt ein großer Garten. Das Convictsgebäude enthält die Lehrsäle, die Wohnungen des Direktors, der Convictoren, der Repetenten und des Famulus.

An der Westseite des Convictgartens steht die katholische Kirche, ursprünglich städtisches Zeughaus, später Ballhaus und 1817–18 mit einem Aufwand von 8000 fl. zur Kirche eingerichtet; sie ist in einem ganz einfachen, modernen Rundbogenstil erbaut. Das Innere,| ein lichter, rechteckiger, freundlich bemalter Raum, hat flache Kreuzgewölbe und wird durch den modern gothischen Hochaltar, sowie durch hübsche, an den Pfeilern angebrachte Bilder, Stationen, in ansprechender Weise belebt: Kanzel und Orgel sind ebenfalls in modern gothischem Stil gehalten; letztere wurde aus dem Dominikanerkloster in Mergentheim hieher versetzt. An der östlichen Wand ist ein hölzernes Krucifix aus früherer Zeit angebracht. Im allgemeinen ist die Kirche für die katholische Bevölkerung der Stadt zu klein.

6. Das im Jahr 1805 erbaute Klinikum, ein großartiges 3stockiges Gebäude auf der Stelle der ehemaligen 1482 erbauten Bursa, enthält die Räume für die Kranken und Gebärenden, die Wohnungen des Professors, der zwei Assistenten und des Speise- und Hausmeisters.

7. Das außerhalb der Stadt am nordwestlichen Abhang des Österbergs, im ehemaligen Plouquet’schen Garten frei und angenehm gelegene Anatomiegebäude ward in den Jahren 1832–35 in einfachem modernem Stil erbaut und bildet einen zweistockigen Mittelbau mit zwei dreistockigen Eckbauten (s. unten).

8. Das Krankenhaus der Universität steht frei in einem Garten hinter dem neuen Universitätsgebäude, unfern der alten Lustnauer Landstraße; es wurde mit einem Aufwand von 120.000 fl. in den Jahren 1842–46 in einem einfachen modernen Stil dreistockig erbaut. Hier finden Kranke aus dem ganzen Lande theils gegen Bezahlung, theils unentgeltlich Aufnahme und ärztliche Behandlung, wie auch die Studirenden der Medicin und Chirurgie Gelegenheit, ihre Kenntnisse praktisch zu erweitern (s. unten).

9. Der am Ende der Wilhelmsstraße befindliche Universitäts-Marstall enthält im unteren Stockwerk die Stallungen, im oberen die Wohnung des Stallmeisters. Neben demselben steht das Reithaus und vor diesem befindet sich auch eine offene Reitbahn.

10. Das frühere Universitätsgebäude (Aula nova), bei der Stiftskirche gelegen und so an die innere Stadtmauer hingebaut, daß es auf der Nordseite 3, auf den andern Seiten 5 Stockwerke hat. Das im Jahr 1547 erbaute und 1777 in einfachem Zopfstil restaurirte Gebäude ist mit einem von Säulen gestützten Balkon versehen und enthält im Frontispice das württembergische Wappen; ausgeführt wurde die Restauration durch Hauptmann Fischer. In demselben sind die Naturaliensammlungen aufgestellt. An dieses Gebäude reihen sich 4 neben einander stehende Gebäude für 3 Professoren und den Universitätskassier, sämtlich angenehm mit schöner Aussicht in das Neckarthal| gelegen. In dem größten dieser Wohngebäude befindet sich im unteren Stockwerk der Universitäts-Tanzsaal.

11. Der neue Bau gegenüber der Westseite der Stiftskirche wurde 1663–65 an der Stelle des 1624 abgebrannten Dekanathauses erbaut und zur Aufnahme des Martinianums bestimmt; in Verbindung mit ihm wurde eine Buchhandlung errichtet, welche 1665 J. G. Cotta übernahm und zu der das Haus der Herren von Tübingen erkauft worden war. Der neue Bau enthält die Wohnungen der Stipendiaten und des Hausmeisters; an ihn reiht sich die frühere Kanzlerwohnung, jetzt Institut für Technologie, mit einer von Poppe gestifteten Modellsammlung.

12. Der Bebenhäuser Pfleghof, am Westabhang des Schulberges gelegen, bildet ein großes schiefwinkliges Gebäude mit zwei gegen Südost weit vorspringenden Flügeln und wurde auf Grund viel älterer Gebäulichkeiten zwischen den Jahren 1492 und 1501 in den letzten Formen des gothischen Geschmackes neu aufgebaut. Es hat zwei Stockwerke, das untere steinerne Geschoß mit ausgedehnten Hallen, in denen mächtige Eichenholzpfeiler das schwere eichene Deckengezimmer tragen. Die Halle des Mittelbaues, die sich mit weiten Spitzbogen gegen Südost, gegen den Hof hin, öffnet, dient jetzt als Turnhalle und daneben liegt an der südwestlichen Ecke die frühere kleine Kirche, jetzt Registratur des Gerichtshofes. Es ist ein durch spätgothisch gefüllte Spitzbogenfenster erhellter rechteckiger Raum, den ein reiches schönes, noch trefflich bemaltes Netzgewölbe überspannt. Auf den Schlußsteinen sind die vier Evangelisten, die Mutter Gottes, das Württembergische und das Tübinger Wappen angebracht. An der Nordseite ist ein schöner aus Werkstein gehauener Engel, der die Wappenschilde von Bebenhausen und von Cisterz hält; auf seinem Spruchbande steht Bernhardus abbas de magstat 1492. Eine geradgestürzte, reich mit Stabwerk umfaßte Pforte führt an der Südseite in das Kirchlein, sie hat eine schöngeschnitzte Holzthüre und im Sturz das Bebenhäuser Wappen samt der Inschrift soli Deo gloria 1492. Über diesem Eingang erhebt sich ein reicher, von zwei Spitzsäulen flankirter Baldachin, und daneben an der Südwestecke steht unter schlankem Baldachine Maria mit dem Kinde. Die westliche Seite des Pfleghofes, gegen die Pfleghofgasse hin, wird von zwei weiten spitzbogigen Thoren und gegen die nordwestliche Ecke hin von einem reichen, mit einem Baldachin überdachten Eingange durchbrochen. Das zweite Stockwerk zeigt gegen den Hof heraus kräftigen Holzbau und einen hohen malerischen Aufbau zum Emporziehen der Früchte.| Außer den schon angeführten Gelassen befinden sich im Pfleghofe noch Scheunen, Stallungen, sodann der große Fechtboden der Studenten und im nördlichen Flügel die Wohnungen der Landjäger. Im Hofe steht das ehemalige Zehenthäuschen mit einem Brunnen im Erdgeschosse.

13. Das aus zwei Flügeln bestehende Oberamtsgerichtsgebäude mit Garten und Hofraum ist in modernem Stil dreistockig erbaut und liegt zunächst des Hirschauer Thors; es war ursprünglich Münzgebäude und seit einigen Jahrhunderten in Privathänden, aus denen es im Jahr 1818 erkauft und zu seiner gegenwärtigen Bestimmung eingerichtet wurde.

14. Das dreistockige, geräumige Oberamtsgebäude mit freundlichem, zu einem Gärtchen umgeschaffenen Vorplatz steht an der Westseite des Convicts und stammt noch aus älterer Zeit. An der Ostseite des Vorplatzes befindet sich die Wohnung des Oberamtsdieners.

15. An der Stelle der Behausung des Abts von Bebenhausen, welche mit dem Pfleghof in Verbindung stund und 1501 abbrannte, wurde das gegenwärtige Kameralamtsgebäude errichtet; es ist ein zweistockiges, gegen Osten mit einem kleinen Erker geschmücktes Haus, hat eine reizende Lage auf der Kuppe des Schulberges und wird samt dem südlich anstoßenden Kameralamtsgarten gegen den Ammerdurchstich und gegen die Neckargasse hin von mächtigen Ring- und Terrassenmauern umgeben. In einem Nebengebäude ist die Wohnung des Kameralamtsdieners eingerichtet. Von Haus und Garten aus genießt man eine schöne Aussicht über Stadt und Umgegend. Auf der südlichen Ringmauer steht eine große steinerne Sonnenuhr aus gothischer Zeit, die schon 1660 erneuert wurde.

16. Das am Lustnauer Thor frei und angenehm gelegene Dekanathaus, ein ansehnliches dreistockiges Gebäude, das die Wohnungen des evang. Stadtpfarrers (Dekan) und des dritten Frühpredigers enthält.

17. Das schöne dreistockige Oberhelferathaus steht am Neckarthor.

18. Das in der Hafengasse stehende dreistockige gut erhaltene Helferathaus.

19. Ein zweistockiges Haus auf dem Graben enthält die Wohnung des ersten Frühpredigers; das dreistockige des zweiten Frühpredigers steht in der Neckarhalde mit schöner Aussicht in das Neckarthal; der dritte Frühprediger wohnt am Lustnauer Thor (s. oben) und der vierte hat keine Amtswohnung.

20. Der außerhalb (südlich) der Stadt angenehm gelegene Bahnhof mit seinen Nebengebäuden und Gartenanlagen wurde im Jahr| 1862 in schönem modernem Rundbogenstil ganz aus Quadern aufgeführt; es ist ein großartiges zweistockiges Gebäude mit einer Pfeilerhalle gegen die Stadt und einem Aufbau in der Mitte, welcher einen Glockengiebel trägt.

Der Gemeinde gehören folgende Gebäude:

1. Das Rathhaus an der Westseite des Marktplatzes gelegen, ward im Jahr 1435 erbaut, 1698 erstmals und 1848 das letztemal erneuert; es ist ein großartiges, vierstockiges, altehrwürdiges Gebäude, dessen aus starken Eichenbalken gezimmerte Stockwerke noch die alten Fenstergruppen und dazwischen noch Malereien (dunkelgrau auf hellgrau) aus der Zeit der ersten Erneuerung zeigen. Über den Fenstern des oberen Stocks erhielt sich noch von der ursprünglichen Bemalung ein prächtiger vielfarbiger Fries (gothisches Blumenwerk). Der in reichem Zopfstil gehaltene Giebel hat eine 1511 verfertigte künstliche Uhr, welche die Stunden, den Stand der Sonne im Thierkreis und den Stand des Mondes angibt. Auf dem Giebel sitzt ein Glockenthürmchen mit der Inschrift: anno domini 1508 renovirt 1698 und 1848; über dem Thürmchen hängt in sehr schönem Schmiedeisenwerk eine weitere Glocke. An der Südostecke des Rathhauses ist am Tragbalken des ersten Stocks das Bild des h. Urban und am Eingang der Ostseite das Tübingensche Wappen mit den das Hirschhorn haltenden Armen in einem Pfosten ausgeschnitten. Das Innere des Rathhauses trägt noch das echte Gepräge eines stattlichen mittelalterlichen Gebäudes; im unteren Stockwerk enthält es das Polizeilokal, Räume für die Feuerwehrgeräthschaften etc. Früher war hier die Hauptmetzig, die Salzstube, ein Wagenspeicher und das sog. Speckkämmerchen, ein Gefängniß für Zechbrüder, Kirchenschwänzer etc. Im zweiten Stockwerke befinden sich Kanzleizimmer und ein großer Saal, die sog. Lederbühne, mit schönem Gebälk- und Säulenwerk; an letzterem kleine ausgeschnittene Wappen, die theilweise noch bemalt sind und auf die frühere Bemalung des jetzt weiß getünchten Saals schließen lassen. Das dritte Stockwerk enthält Kanzleizimmer, den Sitzungssaal für den Gemeinderath und das Gerichtsnotariat. Die alten Fenster dieses Stockwerks sind an den Zwischenbalken theilweise schön geschnitzt. In dem Zimmer des Stadtschultheißen zeigt eine gemalte Fensterscheibe das Stadtwappen mit der Jahreszahl 1556. Über dem Eingang in den Sitzungssaal ist die Justitia angemalt und dabei steht:

Die Gerechtigkeit bin ich genannt,
Dem Reich und Armen gleich bekannt,
Die Augen mir verbunden sein
Der Reich und Arm hab gleichen Schein.
 1596.

| Der Saal selbst ist mit einer gewölbten Holzdecke versehen und enthält eine gemalte Scheibe mit dem Wappen der Stadt und der Aufschrift: Leonhard Schwert; auch ist in demselben eine gemalte Uhrtafel mit den württembergischen Wappenschildern angebracht. Die Hausflur zeigt noch alte Wandmalereien. In dem 4ten Stockwerke befinden sich die Schwurgerichtskanzleien, der Schwurgerichtssaal und in einem angebauten Hintergebäude polizeiliche und oberamtliche Gefängnisse. Der Schwurgerichtssaal, ursprünglich Hofgerichtsstube, hat eine flache Balkendecke, alte Schiebfenster mit gegossenen runden Scheiben und eine Uhr, die wie auch die schon angeführte mit dem Uhrwerk im Giebel des Gebäudes in Verbindung steht. Die gegen den Marktplatz gehenden Fenster enthalten folgende gemalte Glasscheiben:

1. Das württembergische Wappen, ob demselben Scenen aus dem alten Testament, zu Seiten je eine Figur mit der Aufschrift: Gaudium, Concordia. Unter dem Wappen steht: Von Gottes Gnaden Ludwig Herzog von Wirtemberg etc. Anno domini 1572.

2. Im Mittelfeld das Wappen der Herren v. Remchingen, unter demselben die Inschrift: Wilhelm v. Remchingen, der Zeitt F. Württ. Rath Hoffrichter zu Tuwingen undt Obervogt zu Urach anno domini 1613. In der oberen Ecke rechts das Wappen derer v. Offenburg mit der Unterschrift: Hans Heinrich v. Offenburg Württ. Rath und Hoffgerichts Beysitzer zu Tübingen. In der obern Ecke links das Wappen der Herren v. Weiler mit der Unterschrift: Burkhart v. Weiler F. Württ. Rath Hoffgerichts-Beysitzer zu Tuwingen und Obervogt zu Schorndorf. In der untern Ecke rechts ein Wappen mit zwei schwarzen Flügeln in goldenem Feld, auf dem Helm zwei silberne Flügel, Unterschrift zerbrochen. In der untern Ecke links das Wappen der Herren v. Sigmarshofen; Unterschrift: Johann Wilhelm Goldrich v. Sügmarshoffen F. W. Rath zu Stuttgartten und Hofgerichts-Beysitzer zu Tüwingen.

3. Im Mittelfeld das Wappen der Herren v. Closen, Unterschrift: Georg Ehrenreich v. Closen Freiherr zu Haidenburg auf Bläsiberg und Wankheim F. Wirtt. Rath Hofrichter und Obervogt zu Palingen, Tuttlingen, Ebingen und Rosenfeld anno 1686. In der obern Ecke rechts das v. Burtenbach’sche Wappen. Unterschrift verdorben 1686. In der obern Ecke links das v. Varnbüler’sche Wappen; Unterschrift: Johann Eberhard Varnbüler v. Hemmingen F. W. Rath, Oberhofmeister des f. Collegii, Hoffgerichtsassessor und Obervogt zu Tübingen, Herrenberg und Sulz. 1686. In der untern| untern Ecke rechts das Wappen der Herren v. Bidenbach; Unterschrift: Fridrich Wilhelm v. Bidenbach zu Treuenfels und Oßweil F. W. Rath etc. 1686. In der untern Ecke links das v. Gaisberg’sche Wappen; Unterschrift: Joh. Heinrich v. Gaisberg zu Schelklingen F. W. Oberhofrath und Hoffgerichtsassessor 1686.

Auf dem Rathhaus sind ferner zwei alterthümliche Gegenstände aufbewahrt, der eine besteht in einem sehr alten aus Elfenbein schön gearbeiteten, mit Reliefen (Jagdscenen) versehenen, 2′ langen Blashorn, das der verstorbene Geheime Legationsrath v. Kölle, ein geborener Tübinger, seiner Vaterstadt schenkte. Der andere ist ein silberner, reich vergoldeter Becher, den die Stadt Reutlingen der Stadt Tübingen aus Dankbarkeit wegen Hilfeleistung bei einem Brandunglück in R. zum Geschenk machte; auf demselben sind künstlich eingravirt zwei schildehaltende Figuren, aus einem der Schilde steht Pax, auf dem andern Concordia; ferner sind angebracht Moses und David, zwischen denen folgender Vers zu lesen ist:

Auf Erden kain besser Kleinod
Als fridsam ainig Nachbar seind,
Solchs Reutlinge neulich hat erfarn
In Feuer Not wie auch Tübinga vor Jarn,
Zum Dank und Denken Reutlinga hat,
Den Becher geschenkt Tubing der Stat.
  1594.

2. Der angenehm gelegene Gerichtshof, ein stattliches, dreistockiges Gebäude, das die Ecke des Hafen-Marktes und der neuen Straße bildet; es wurde im Jahr 1818 auf der Stelle des ehemaligen Gasthofs zum Adler neu erbaut und enthält die Wohnung des Gerichtshofs-Direktors und die Kanzleigelasse für den Gerichtshof.

3. Das ansehnliche, aus 4 Stockwerken bestehende, 1829–30 erbaute Gymnasium, der ehemalige Autenrieth’sche Bau, steht zunächst am abgegangenen Lustnauer Thor; das untere Stockwerk ist vermiethet, im zweiten und dritten befinden sich je 6 Lehrzimmer und das vierte Stockwerk ist zur Wohnung des Rektors eingerichtet.

4. Die Realschule, der obern Ecke des Pfleghofgebäudes gegenüber liegend, seit 1861 in dem früheren Lyceal-Schulgebäude (schola anatolica), ist ein vierstockiges Gebäude, das im Erdgeschoß 2 Lehrzimmer, im zweiten und dritten Stockwerke je 3 Lehrzimmer und im vierten Stock ein Lehrzimmer und die Wohnung des Famulus enthält.

| 5. Die deutsche Knabenschule, zugleich Kaufhaus (ursprünglich Kornhaus), in der Kornhausstraße gelegen, enthält im untern Raum die Fruchtschranne, im zweiten Stockwerk 3 Lehrzimmer und Wohngelasse für 3 Unterlehrer, im dritten Stockwerk 2 Lehrzimmer und 2 Lehrerwohnungen. Dieses ehemalige Kornhaus gilt in seinen Grundmauern für das älteste der noch vorhandenen Häuser der Stadt; es diente schon in den frühesten Zeiten nicht bloß zum städtischen Speicher, sondern auch in seinen oberen Räumen zu Bürgerversammlungen und Hochzeitslustbarkeiten. Die an einem seiner Pfeiler eingemeißelte Zahl 473, d. i. 1473, wird wohl nur die Zeit eines Umbaues bedeuten.

6. Die deutsche Mädchenschule (ehemaliges Fakultätshaus) in der Münzgasse, enthält 9 Lehrzimmer.

7. Das Stadtmagazin, früher herrschaftlicher Fruchtkasten und Kelter, in der Schmiedthorgasse; in dem unteren Raum desselben werden verschiedene, der Stadt gehörige Materialien, Gerätschaften etc. aufbewahrt, die oberen Räume dienen als Trockenböden für Hopfen.

8. Das alte Schießhaus vor dem Neckarthor an der Steinlach, jetzt Badhaus, welches die Stadt verpachtet.

Im Eigenthum der Stiftungspflege stehen folgende Gebäude:

1. Die Spitalkirche zu St. Jacob liegt frei im nordwestlichen Theil der Stadt, mitten in dem früheren großen Kirchhof, welcher noch im 16. Jahrhundert die große Leichlege hieß. Außer dem in spätgothischem Stil erbauten Chore ist das einschiffige, flachgedeckte Langhaus noch der alte romanische Bau, in Urkunden häufig nur die Kapelle zu St. Jacob genannt. Von den schmalen, tiefeingeschrägten Rundbogenfensterchen haben sich an den wohlgefügten Langseiten noch einige erhalten, sonst sind große spätgothische Spitzbogenfenster und in die fensterlose Westseite ein Spitzbogenportal eingebrochen worden. Um den Bau zu fördern, beschlossen 1502 Probst, Ober- und Untervogt, daß die Brüderschaft der Handwerker und Weingärtner aufgehoben und abgethan, ihr Vermögen an Baarschaft und Gülten aber in Betracht der nothdürftigen Armuth des Gotteshauses diesem übergeben werden sollte. Die Kirche ward am 15. Mai 1520 mit ihren, den Heiligen Konrad, Wendel, Christoph, Anna und Genovefa gewidmeten Altären von Bischof Hugo von Constanz neu geweiht und zu Gunsten der weiteren Herstellung mit Ablaß versehen. Der etwas schmälere geräumige Chor ist halbachteckig geschlossen und hat an der Ostseite die Inschrift: anno domini 1500 in dem Xtag des brachmonetz ist gelegt der erst stain an dissem kor; er zeigt schlanke mit Maßwerk gefüllte Fenster und einfache Strebepfeiler, die das reiche herrliche Netzgewölbe| des Innern stützen. Dieses Gewölbe ist noch durchaus trefflich bemalt mit Flammen und Blumen und enthält auf seinen schönen Schlußsteinen einen Engel, das Tübinger Wappen haltend, einen Engel, das herzogl. württemb. Wappen haltend, den h. Jacobus d. Ä., den h. Urban, den h. Mattheus und Maria mit dem Kinde. An den Wänden des Chors und des Langhauses hängen viele gemalte Epitaphien aus der Renaissance-Zeit, das wichtigste links im Chore vom Jahr 1542, von der Form eines Flügelaltars; der Boden ist mit meist ausgetretenen Grabplatten bedeckt, darunter einige von bayerischen Offizieren aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges. Zu bemerken ist das steinerne Grabmal an der nördlichen Wand des Langhauses, Mann und Frau in Klostertracht mit der Inschrift: Anno 1504 starb der erbar mann ludwig … Die hübsche gothische Orgel, sowie die Kanzel ist neu; Taufstein besitzt die Kirche keinen, weil sie nur den Rang einer Kapelle hat. An der westlichen Wand stehen gutgeschnitzte spätgothische Chorstühle. An der östlichen Wand des Langhauses ist links vom spitzbogigen Triumphbogen eine räthselhafte, hastig bewegte Relieffigur eingemauert, leider bis zur Unkenntlichkeit übertüncht. Außen am jetzigen Chor sind auch verschiedene Steine mit rohem romanischem Bildwerk, vom früheren Chor herrührend, eingesetzt, darunter an der Südseite eine Sonne mit Händen, an altegyptische Symbole erinnernd; an der Ostwand des Chores ein uraltes Kreuzpartikel über einer kleinen Rundbogenlünette und an der Nordseite des Langhauses das kleine Relief eines Bockes. Auf dem Westgiebel erhebt sich ein hölzerner Dachreiter. An den Chor ist südlich die kleine netzgewölbte Sacristei angebaut. Im Jahr 1799 wurde die Kirche in ein Kriegsmagazin verwandelt und ihr Gottesdienst auf die Frühstunden in die Stiftskirche verlegt. Der Platz südlich vor der Kirche war früher Friedhof; hier stand eine uralte Kapelle, die in den vierziger Jahren abgebrochen wurde, und das Steinbild des h. Jacobus auf einer Opfersäule mit der Jahreszahl 1517. Die Kapelle diente von 1593 an lange Zeit als Anatomiegebäude und wurde hiedurch die Schule weltberühmter Anatomen und Physiologen, wie eines Albrecht von Haller etc.

2. Die Spitalgebäude in der Schmiedthorgasse wurden nach dem Brande von 1530 wieder neu aufgebaut und zu Ende des vorigen und Anfangs des gegenwärtigen Jahrhunderts durchgreifend erneuert; sie bestehen aus dem massiven Wohnhaus mit hölzernem Thürmchen (Dachreiter), das mit verschiedenen ausgedehnten Ökonomiegebäuden (Fruchtkasten, 2 Scheunen und Farrenstall) einen namhaften| Hofraum einschließt; ein weiteres Gebäude ist zur Industrieschule eingerichtet. Im Spital sind gegenwärtig 30 (16 männliche und 14 weibliche) arme und gebrechliche Personen untergebracht, denen unentgeltlich Kost, Kleidung und Wohnung gegeben wird; auch erhalten noch 130 Personen Unterstützung von dem Spital. Überdieß wohnt der Hausvater mit Familie im Spitalgebäude. Der Oberamts-Arzt besorgt die innerlichen Kranken, der Stadtarmen-Wundarzt die chirurgischen Fälle. Außer den eigentlichen Hospitaliten werden zeitweise kranke Personen aus der Stadt, wie aus dem In- und Ausland aufgenommen und verpflegt. Zwei geräumige Zimmer sind der Kleinkinderbewahranstalt überlassen.

3. Das 1702 erbaute Seelhaus am kleinen Ammerle, bewohnt von dem Seelhausvater und 4 unbemittelten Familien, welche hier unentgeltliche Wohnungen haben; ursprünglich hatte es die Bestimmung, arme Reisende einige Tage zu beherbergen.

4. Das Armenhaus (Gutleuthaus), 1/4 Stunde nordöstlich von der Stadt gelegen, ist zur Aufnahme von Personen bestimmt, die mit ansteckenden oder eckelerregenden Krankheiten behaftet sind. Im Hintergebäude, dem ehemaligen Lazarethhaus, sind simpelhafte, epileptische etc. Kranke und einige Irren untergebracht.

Ferner ist Eigenthum der Stiftungspflege der 4 Morgen große, außerhalb der Stadt am Käsenbach gelegene Begräbnißplatz mit seinen theilweise schönen Grabmonumenten; 1829 neu angelegt.

Das 1822 erbaute und 1846 namhaft erweiterte Museum, ein stattliches, dreistockiges Gebäude, das die Ecke von der Wilhelmsstraße und Grabenstraße bildet, ist Eigenthum der Museumsgesellschaft und enthält mehrere Lesezimmer, einen Ballsaal, Billardzimmer, Wirthschaftszimmer etc.

Eine Lesegesellschaft, das Bürgermuseum genannt, im Eifertschen Haus, wurde 1821 von 70 Bürgern gegründet.

An den Pfleghof grenzt das im Jahr 1793 von Professor Märklin schön und ansehnlich erbaute Hochmannianum, das bis 1837 im Privatbesitz war und dann durch Kauf auf die Hochmann’sche Universitätsstiftung als Hochmannianum übergieng; es enthält die Wohnungen der Stipendiaten, des Professors und des Aufwärters In dem Gebäude, welches früher hier gestanden hatte, wohnte Crusius.

Außer den öffentlichen Gebäuden nennen wir noch:

1. Das Haus, in welchem Ludwig Uhland das Licht der Welt erblickte, steht in der Neckarhalde (Nro. 139) und erlaubt eine freundliche| Aussicht in das Neckar- und Steinlachthal, wie an einen Theil der Alb.

2. Das eigentliche Uhland’sche Haus, in welchem Uhland viele Jahre lebte und 1862 starb, steht mit der Vorderseite gegen die Neckarbrücke; es wurde im Jahr 1829 von dem Professor der Baukunst Heigelin für den damaligen Kanzler v. Wächter erbaut und 1836 an Uhland verkauft.

3. Bei der Kirchenstaffel steht das Haus (Nro. 67) des Nikodemus Frischlin, von dem ein bedeckter Gang auf den Stiftskirchenplatz führt.

4. Die sog. Klause, ein ehemaliges Beguinenhaus, auf der rechten Seite des Ammerkanals, unfern des Spitals gelegen.

5. Das ehemalige, nun in Privathände übergegangene Wag- und Salzhaus steht dem alten Rathhaus gegenüber und zeigt noch jetzt das Tübinger Wappen mit der Jahreszahl 1477. Unweit davon stand das städtische Zeughaus (s. oben), unterhalb desselben die sog. „alte Eiche“, dicht an der Ammer der Marstall etc.

Abgegangene bemerkenswerthe Gebäude sind: Das Nonnenhaus (ehemals Blaubeurer Hof) im nordöstlichen Theil der Stadt, ein abgegangenes Frauenkloster, bei dem auch ein der h. Ursula geweihtes Kirchlein stand.

Außerhalb der Stadt standen mehrere, durch die Reformation eingegangene Kapellen: St. Wendel am Neckar, St. Antonius und St. Sebastian vor dem Schmiedthor an der Ammer, St. Urban wahrscheinlich am Schloßberg und St. Nicolai auf der Zelg Wendfeld (1296 Wemmenvelt, 1339 Wemvelt) beim Wankheimer Thälchen.[11] Hier bestund ein Hof, welchen die Grafen Eberhard und Rudolf von Tübingen 1296 an Albrecht Becht, Bürgermeister von Reutlingen, verkauften (Schmid Urk. 57). Von ihm kam er bald wieder in andere Hände; Rüdiger von Wurmlingen veräußerte 1339 die Vogtei darüber an das Kloster St. Blasien auf dem Schwarzwald und an Heinrich Widemaier, Bürger zu Tübingen (eb. 218). Von diesen kam er an den Tübinger Spital, der noch 3 Morgen Acker auf dem Wemfeld (auch Wennfeld) besitzt.

Noch haben wir das schön gelegene sog. Schlößchen zu erwähnen, welches sich der um Tübingen so verdiente Professor Joh. Osiander († 1724) als Sommerhaus auf einer Anhöhe nördlich der Stadt| erbaute; jetzt in eine Weingärtnerswohnung umgewandelt, zeigt es an den Vertäfelungen noch Reste von Malereien und sinnigen Sprüchen.

Auf der Wielandshöhe steht ein Gartenhäuschen, in welchem Wieland (1750) zu seinen frühesten Dichtungen begeistert worden sein soll.

Trinkwasser liefern 16 laufende und viele Pumpbrunnen hinreichend, so daß auch in den trockensten Jahrgängen nie Wassermangel entsteht. Das Wasser ist im allgemeinen ziemlich gut und Hülsenfrüchte kochen weich in demselben, auch wird es von dem Vieh gerne getrunken.

Von den Brunnen sind besonders zu nennen:

1. Der auf dem Marktplatz stehende, in sehr schönem, reichem Renaissancestil gehaltene Marktbrunnen; sein achteckiger steinerner Trog ist mit bandartigem Flechtwerk verziert und die hohe vierseitige Brunnensäule speit aus 4 kräftigen Löwenköpfen das Wasser. Von den Nixen, die an seinen Ecken saßen, ist nur eine noch erhalten. Schöne Muschelnischen gliedern die Seiten der Brunnensäule, in der südlichen steht noch eine wohlerhaltene, in der nördlichen eine verstümmelte 21/2′ hohe weibliche Figur; an den Ecken treten langgestreckte Fratzenkonsolen heraus und über ihnen sitzt auf kühnen Schnörkeln je ein Knabe, das Postament flankirend, welches den überlebensgroßen, an einem Meerungethüm stehenden Neptun trägt. Die Figuren und Ornamente sind aus feinkörnigem Keuperwerkstein sorgfältig und trefflich gearbeitet.

2. Der an der Nordseite der Stadtkirche stehende, dreiröhrige Georgenbrunnen (Jörgenbrunnen) ist ganz aus Gußeisen mit einer modern gothischen Spitzsäule als Brunnenstock gefertigt und trägt am Brunnentrog die Jahreszahl 1842; er trat an die Stelle des 1523 errichteten, steinernen, mit der Statue des St. Georg geschmückten Brunnens.

3. Der im Schloßhof stehende, einröhrige Schloßbrunnen hat auf seiner steinernen Brunnensäule einen korbartigen Aufsatz.

4. Der dreiröhrige Brunnen im Hofraum des evang. Stifts ist aus Gußeisen in einfachem Rococostil gefertigt und trägt am Brunnentrog das württemb. Wappen und die Jahreszahl 1705.

Die übrigen Brunnen sind 1–2röhrig.

Das Wasser wird in bleiernen und eisernen Röhren in folgenden Leitungen den Brunnen zugeführt:

1. Gefaßte Quellen aus dem Österberg, von der Waldhauser Höhe, aus der Thesisklinge, aus dem Heiland und aus dem Igelsloch| kommen im Ammerthal zusammen und werden gemeinschaftlich in die Stadt geleitet, um dort den Marktbrunnen, den Georgenbrunnen, den Brunnen im Convict und einen Brunnen im sog. Rübenloch zu speisen.

2. Die 1/4 Stunde lange Leitung aus dem westlich der Stadt gelegenen Hälmling speist den Schloßbrunnen.

3. Die vom südlichen Österberg 1/4 Stunde lang herkommende Leitung speist den Neckarthorbrunnen (Philosophenbrunnen), welcher das beste Wasser in die Stadt liefert.

4. Die Quelle vom 1/4 Stunde westlich der Stadt gelegenen sog. Wildbädle führt zum Hagthorbrunnen.

5. Von den Weinbergen Hasenbühl wird in einer 1/4 Stunde langen Leitung das Wasser dem Spitalbrunnen zugeführt.

6. Die Quelle in der 3/4 Stunden nördlich von der Stadt gelegenen Stelleklinge speist den Klosterbrunnen, den Krankenhausbrunnen, den Brunnen am Klinikum und den Haggassenbrunnen.

7. Zunächst (südlich) der Stadt entspringt eine Quelle, welche den Brunnen beim Hirschauer Thor mit sehr gutem Wasser versieht, der jedoch in ganz trockenem Sommer ziemlich spärlich fließt.

Früher hatte Tübingen 2 Badanstalten, 1) eine Badstube am Ammerkanal, welcher schon im Jahr 1337 eine zweite, die „newe Badstub“ folgte, „zwischen dem Spital und der gemeinen Straß gelegen“, in späterer Zeit auch Zwirnersbad und Hirschbad genannt; 2) das Neckarbad lag außerhalb der Stadt „vor dem oberen Neckartürlein“, und wird 1383 erstmals genannt. Gegenwärtig sind für Badlustige mehrere Badhäuschen am Neckar errichtet und überdieß ist auf dem oberen Wöhrd der Mühlbach zu einem Bassin für Badende geschwellt.

Außer den angeführten gefaßten Quellen befinden sich nur noch einige unbedeutende Feldquellen auf der Markung.

Periodisch fließende Quellen, sog. Hungerbrunnen, sind zwei vorhanden, eine hinter der Mühle am Österberg, die andere im unteren Hohlweg nordwestlich der Stadt.

Ferner berühren die Markung der Neckar, die Ammer, die Steinlach, der Hembach, der Weilerbach, der Käsenbach, der Landgraben, der Mühlbach und der Augraben.

Der an der südlichen Seite der Stadt hinfließende Neckar, dessen früher etwas gekrümmter Lauf künstlich gerade geführt wurde, hat in der Nähe der Stadt eine Breite von 110–175′ und eine Tiefe von 3–5′; er beherbergt vorherrschend Weißfische, Barben, selten| Aale und Forellen. Das Fischrecht hat der Staat, der es seit einigen hundert Jahren an die Familie Mozer in Tübingen um ein mäßiges Pachtgeld verleiht. Die Langholzflößerei auf dem Fluß ist sehr namhaft, jedoch für die Stadt nicht nutzbringend, weil daselbst nicht angehalten wird. Bei starken Regengüssen und raschem Schneeabgang tritt der Neckar zuweilen über sein Bett, wobei er selten großen Schaden anrichtet und die Stadt nicht erreicht. Im gegenwärtigen Jahrhundert waren die höchsten Wasserstände in den Jahren 1807, 1824 und 1851.

Die Ammer fließt auf der entgegengesetzten (nördlichen) Seite der Stadt; von ihr ist in der Nähe des Ammerhofs ein Kanal abgeleitet, der durch den unteren Theil der Stadt führt und sich außerhalb der östlichen Stadtmauer in 2 Arme theilt, von denen einer durch den Durchschnitt am Österberg dem Neckar, der andere dem botanischen Garten entlang wieder der Ammer zugeleitet wird. Wegen des geringen Falls der Ammer bildeten sich in der Nähe der Stadt häufig Sümpfe und Moräste, auch wurde die Stadt selbst durch die Schwellung des Flusses von Überschwemmungen und durch die schädliche Ausdünstung der stehen gebliebenen Altwasser von Krankheiten aller Art heimgesucht, deßhalb entschloß man sich zwischen 1440–1455 den Ammerkanal größtentheils unterirdisch und gewölbt durch den Einschnitt (Graben) am Österberg zu führen (s. oben), um der Ammer einen rascheren Abfluß zu geben und hiedurch die Versumpfungen des Amerthals zu beseitigen. Den Ammerkanal hat die Stadt zu unterhalten. Die eigentliche Ammer fließt in einem Bogen um die Nordseite des Österbergs und mündet bei Lustnau in den Neckar. Die Ammer tritt seltener aus als der Neckar, setzt aber bei größeren Überschwemmungen einen bedeutenden Theil der unteren Stadt unter Wasser, während sie auf dem Felde wenig Schaden anrichtet. Im Jahr 1613 verursachte ein Wolkenbruch eine solche Überschwemmung in der unteren Stadt, daß das Wasser bei dem Ballhaus (jetzt katholische Kirche) mannstief stand. Flößerei kann nicht getrieben werden, dagegen bietet der Ammerkanal den Gewerben, namentlich den Mühlwerken, seine Kräfte. Fische kommen in der Ammer nicht vor.

In die Ammer münden auf der Markung: der Hembach zwischen Ammerhof und Schwärzloch, der Weiherbach 1/4 Stunde westlich von Tübingen und der Käsenbach unterhalb der Stadt; ein Arm geht an der Ziegelhütte ab und mündet bei Lustnau in den Goldersbach.

Die Steinlach, welche am südöstlichen Ende der Stadt mit dem| Neckar sich verbindet und im Jahr 1862 korrigirt und gerade geführt wurde, trocknet nicht selten ganz aus; nach starken Regengüssen oder wenn der Schnee schnell abgeht, lauft sie jedoch stark an und bringt bedeutende Massen von Geschieben bis in die Nähe ihrer Einmündung, um sie hier abzulagern.

Von der Steinlach geht in der Nähe des Bläsibads ein Arm, der Mühlbach, ab, der unterhalb der Neckarbrücke in den Neckar mündet. In den Mühlbach fließt 1/8 Stunde südlich von der Stadt der Landgraben.

Hinter dem Armenhaus (Gutleuthaus) besteht ein kleiner Weiher, in welchem Fische gezogen werden.

Brücken: die Neckarbrücke, welche über den Neckar und den Mühlbach (alter Neckar genannt) führt; sie ist von Stein mit 5 flach gesprengten Bögen und halbachteckigen erkerartigen Austritten auf den Pfeilern und wurde in den 1480er Jahren an der Stelle einer hölzernen erbaut, 1489 vollendet. Nachdem sie durch mehrere Überschwemmungen und namentlich durch die Eisgänge in den Jahren 1824 und 1825 bedeutend schadhaft geworden war, mußte sie mit namhaftem Kostenaufwand im Jahr 1827 ausgebessert werden.

Über die Steinlach führen zunächst der Stadt 2 Brücken, die eine von Stein mit 2 Pfeilern für die Landstraße nach Hechingen, die andere mit 2 steinernen Pfeilern und sonst von Eisen konstruirt für die Eisenbahn. Die Unterhaltung der beiden Brücken hat der Staat.

Zwischen der Neckar- und der Steinlachbrücke führt ein gemauerter Straßendamm mit 2 Haupt- und 3 kleineren Durchlässen; die Unterhaltung desselben ist gegenwärtig in Unterhandlung.

Innerhalb der Stadt führen kleinere steinerne Brücken über den Ammerkanal: beim Gymnasium, beim Museum, eine in der Grabenstraße, eine beim Kornhaus, die sog. krumme Brücke beim Spital, eine am Hagthor und eine vor dem Hagthor; sie werden sämtlich von der Stadt unterhalten.

Über die eigentliche (alte) Ammer führen: eine Brücke beim Universitätsgebäude, eine beim Schmiedthor und eine für Fußgänger unfern der nordwestlichen Ecke der Stadt; ihre Unterhaltung hat ebenfalls die Stadt zu bestreiten.

Außerhalb Etters sind 2 steinerne Brücken bei Schwärzloch, die eine über die Ammer, die andere über den Ammerkanal angelegt, ferner eine beim Gutleuthaus und eine auf dem Wöhrd in der Akazienallee; eine hölzerne fahrbare Brücke führt über den Weilerbach.| Die Brücken außerhalb Etters mit Einschluß der Brücke auf dem Wöhrd sind sämtlich zur Hälfte von dem Staat und zur Hälfte von der Gemeinde zu unterhalten.

Hölzerne Stege sind angelegt: einer über den Neckar bei dem Hirschauer Thor, sog. Hirschauer Steg (ein frühester schon 1508 gebaut), zwei über den Mühlbach und viele über die Ammer und den Ammerkanal, welche alle von der Gemeinde unterhalten werden.

Brückengeld wird nicht erhoben, dagegen Pflastergeld, welches der Gemeindekasse 550–560 fl. jährlich einträgt.

Die Stadt wird seit dem Jahr 1862 mit Gas beleuchtet; die Erbauung der Gasfabrik, wie auch die ganze Gasleitung und Einrichtung ist von der Gemeinde unternommen worden.

Bevölkerung der Stadt Tübingen.

Die Bevölkerung der Stadt Tübingen bestand:

a) aus ortsangehörigen

männl. weibl. zusammen
            Personen.
im Jahr 1793 3162 3406 6568
hiezu Simple und Krüppelhafte 15
6583
im Jahr 1811 3134 3354 6448
im Jahr 1827 3551 3604 7155
im Jahr 1834 3535 3733 7268
im Jahr 1846 4056 3921 7977
im Jahr 1858 3790 3976 7766
im Jahr 1864 4026 4155 8181;

b) aus ortsanwesenden

männl. weibl.
Personen.      
im Jahr 1834 a) unter
b) über
14 Jahr 1023
3471
1063
3053
8610
im Jahr 1846 a) unter
b) über
14 Jahr 1170
3796
1137
3279
9382
im Jahr 1858 a) unter
b) über
14 Jahr 1000
3202
982
3109
8293
im Jahr 1864 a) unter
b) über
14 Jahr 986
3469
962
3317
8734
Nach den 3 letzten Zählungen der ortsanwesenden Bevölkerung für Zollvereinszwecke waren in Tübingen:|
Unverheirathete Verheirathete Verwittwete Geschiedene
männl. weibl. männl. weibl. männl. weibl. m. w.
im Jahr 1858 2908 2588 1130 1119 151 366 13 18
im Jahr 1861 3120 2700 1183 1167 144 368 9 18
im Jahr 1864 3079 2690 1215 1206 150 372 11 11
Evangelische Katholiken Eig. Conf. Israeliten Ausländer
männl. weibl. männl. weibl. m. w. m. w. m. w.
im Jahr 1858 3778 3897 409 178 5 11 10 5 178 27
im Jahr 1861 4017 4059 418 182 9 8 12 4 240 50
im Jahr 1864 3953 4046 475 218 17 5 10 10 262 36

Nach der im Jahr 1862 angeordneten besonderen Zählung der ortsanwesenden Bevölkerung vom 3. Dezember 1861 nach Altersklassen wurden in Tübingen gezahlt:

männl. weibl.
Personen.      
Von   0–  5 Jahren 355 393
Von   5–10 Jahren 341 336
Von 10–15 Jahren 422 381
Von 15–20 Jahren 707 524
Von 20–25 Jahren 812 452
Von 25–30 Jahren 316 354
Von 30–35 Jahren 236 296
Von 35–40 Jahren 226 305
Von 40–45 Jahren 195 230
Von 45–50 Jahren 212 223
Von 50–55 Jahren 186 209
Von 55–60 Jahren 153 161
Von 60–65 Jahren 114 133
Von 65–70 Jahren 96 108
Von 70–75 Jahren 49 80
Von 75–80 Jahren 20 41
Von 80–85 Jahren 17 16
Von 85–90 Jahren 3 6
über 90 Jahren
4460 4248.

Die eingebornen Einwohner sind im allgemeinen körperlich nicht besonders ansehnlich und kräftig, jedoch findet man, namentlich unter dem Weingärtnerstand, viele ausdauernde und an harte Arbeit gewöhnte Leute.

Zu den besonderen Gebräuchen gehören das Backen der Seelwecken am 2. November, was früher allgemein war, jetzt aber nur noch von einzelnen Bäckern gethan wird; ferner die sog. Paupernanstalt, nach der arme Singschüler unter Anführung eines Kantors gegen jährliche Beneficien jeden Donnerstag vor den Häusern mildthätiger| Familien ihr Salve singen. Diese Sitte, ähnlich der Currende in Sachsen, rührt von der im Jahr 1474 gegründeten „Salvebrüderschaft“ zu der Pfarrkirche zu Tübingen her; sie wurde gestiftet von Pfaff Conrad Breuning von Offterdingen, Pfarrer zu Tübingen, Gott zu Lob, auch zu Ehren der seiner heiligen Mutter, der Himmelskönigin und Jungfrowen St. Maria und dem himmlischen Heere und zum Heyl der Leute. Für die Feierlichkeiten derselben, die in Jahrestagen, Messen und Processionen in Begleitung von Kaplanen und Schulmeistern, mit Gesang von Kantorschülern, bei brennenden Kerzen und unter Glockengeläute bestanden, stiftete der genannte Breuning die nöthigen Geldsummen, daß unter Anderem der Kantor 1 Pfd. und die armen Schüler, so das Salve helfen singen, zusammen 3 Pfd. und jeder eines Pfennings werth Brod bekommen sollten. Die alljährlichen Maientage sind seit 2 Jahren eingestellt worden.

Die Haupterwerbsquellen bestehen in Gewerben, Feldbau, Weinbau, Viehzucht und Taglohnarbeiten; eigentliche Bauern gibt es nicht, dagegen beschäftigen sich die meisten Gewerbetreibenden nebenbei mit Landwirthschaft, namentlich haben die Wirthe meist auch einen größeren Güterbesitz. Beinahe die Hälfte der Bürger sind Weingärtner, die nebenbei einigen Ackerbau treiben. Die Vermögensumstände gehören mit Ausnahme einzelner Wohlhabenden und Reichen zu den mittelmäßigen und der bedeutendste Güterbesitz, neben dem übrigens noch Gewerbe getrieben wird, beträgt gegenwärtig etwa 30 Morgen, der mittlere 15–20 Morgen und der geringste 1–3 Morgen; nur wenige haben gar keinen Grundbesitz.

Was die Gewerbe betrifft, so gehört Tübingen, so viele Gewerbetreibende es auch aufzuzählen hat, keineswegs zu den gewerbsamen Städten des Landes, indem der Betrieb der meisten Gewerbe nur auf das Bedürfniß der Einwohner, nicht aber auf den Absatz nach Außen berechnet ist.

Der neueste Stand der Gewerbetreibenden ist folgender:|
Meist. Gehilf.   Meist. Gehilf.
Bäcker 35 14 Lohmüller 1
Barbiere 2 2 Maurer u. Steinhauer 6 8
Bierbrauer 5 12 Mechaniker 4 4
Bleicher 1 Messerschmiede 4
Bortenwirker (Posam.) 5 Metzger 63 12
Buchbinder 19 3 Müller 6 8
Buchdrucker 3 11 Musiker 4
Buchhändler 6 5 Nadler 1
Büchsenmacher 1 1 Nätherinnen 18
Bürstenmacher 4 Nagelschmiede 4 2
Conditoren 8 1 Pferdevermiether 37
Dreher 8 3 Pflästerer 6
Färber 3 2 Photographen 4 1
Feilenhauer 2 Porcellainmaler 1 1
Fischer 1 Roth- u. Weißgerber 9 3
Flaschner 8 2 Sägmüller 1
Friseure 1 1 Sattler u. Tapeziere 15 3
Fruchtwäger 3 Schäfer 1
Gärtner 2 Schirmmacher 2
Gipser u. Zimmermaler 13 3 Schleifer 1
Glaser 15 Schlosser 10 5
Gold- u. Silberarbeiter 2 Schmiede 4 4
Graveure 1 Schneider 45 13
Gürtler 1 Schreiner 25 12
Hafner 9 2 Schuhmacher 70 11
Hammerschmiede (Kupfer-) 1 1 Seifensieder 8
Holzmesser 4 Seiler 5 1
Hopfenmakler 1 Seckler 4 4
Hutmacher 4 1 Siebmacher 1
Instrumentenmacher, chir. 4 2 Strumpfstricker 1
Kaminfeger 1 1 Trödel-, Obst-, Mehl- u. Viehhändler 23
Kammmacher 1 Tuchmacher 2
Kaufleute in d. Innung 22 Tuchscheerer 3
      "       Hopfenhändler 4 Uhrmacher 5 1
      "       Weinhändler 1 Wagenspanner 2
Klaviermacher 1 1 Wagner 4 1
Kleiderhändler 6 Wascherinnen 9
Korbmacher 3 Weber 1
Krämer 7 Wirthe-, Schild- 16 2
Küfer und Kübler 14 7      "      Speise- 20
Kürschner 2      "      Gassen- 21
Kupferschmiede 2 1 Zeugschmiede 2 1
Kutscher 7 1 Ziegler 3 3
Leistschneider 2 Zimmerleute 5 10
Lithographen 2 1 Zinngießer 2
Sodann befinden sich noch hier:|
Meist. Gehilf.   Meist. Gehilf.
Apotheken 3 3 Essigsiedereien 4
Brantweinbrennereien 19 Güterspeditionen 4 2
Dienstmann Institute 1 6

Vergleicht man mit dieser Zusammenstellung frühere Listen, wie von den Jahren 1796–1799, von 1819 und von 1835–1837 (s. Württemb. Jahrbücher, Jahrg. 1837, Heft I., S. 122); so zeigen sich im allgemeinen keine sehr bedeutenden Veränderungen bei den Gewerben in den genannten Zeiträumen, jedoch erscheint im Einzelnen mancher Zuwachs und auch einige Abnahme; es haben sich z. B. seit 1796 und insbesondere seit 1819 die Buchhandlungen und Antiquare in der Zahl verdoppelt, dagegen haben die mit diesem Verkehr zusammenhängenden Gewerbe der Buchdruckereien einige Verminderung erlitten, nachdem die so bedeutenden J. G. Cottaschen Unternehmungen sich allmählig gänzlich von der Stadt weggezogen haben. Auch die Bäcker, Metzger und Schneider waren früher zahlreicher vertreten. Einzelne Gewerbe sind ferner in bedeutende Abnahme, ja fast in gänzlichen Stillstand gekommen, wie Tuchmacher, Zeugmacher, Stück- und Strumpfweber etc.; vermehrt wurden und neu entstanden sind: Büchsenmacher, Beindreher, Essigsieder, Feilenhauer, Mechaniker etc.

Werke, welche sämtlich von dem Ammerkanal in Bewegung gesetzt werden (ehedem bestunden auch Mühlen am Neckar, schon 1272 eine), sind folgende vorhanden:

1) Die sogen. Neckarmühle (frühere Walkmühle) mit 3 Mahlgängen und einem Gerbgang; ihr gegenüber steht

2) Die Neumühle (frühere Pulvermühle) mit 3 Mahlgängen und einem Gerbgang.

3) Die Grabenmühle am Lustnauer Thor mit 6 Mahlgängen und einem Gerbgang.

4) Die Kunstmühle am Hagthor mit 4 Mahlgängen und einem Gerbgang.

5) Die obere Hagthor-Mühle mit 3 Mahlgängen und einem Gerbgang; neben ihr eine Sägmühle.

6) Die Gerstenmühle beim Hagthor mit einem Gerstengang, einer Ölpresse, 8 Gipsstampfen und 2 Hanfreiben.

7) Neben der letztern steht eine Lohmühle.

8) Eine Schleifmühle und mechanische Werkstätte (frühere Pulvermühle) liegt westlich von der Stadt.

9) Oberhalb der letzteren steht der Kupferhammer mit zwei Hämmern.

| 10) Die obere, 1/8 Stunde westlich von der Stadt gelegene Mühle (frühere Schleifmühle) mit 4 Mahlgängen und einem Gerbgang.

11) Eine Eisen- und Schmiedwarenfabrik.

12) Eine Kunstdüngerfabrik.

Schildwirthschaften, worunter 5 mit Bierbrauereien, sind 11 vorhanden.

Ziegelhütten bestehen 3, eine an der Herrenberger Straße und 2 an der alten Lustnauer Straße.

Einen großen Einfluß auf den Geschäftsbetrieb übt die Anwesenheit der vielen Universitätsangehörigen, welche nicht nur den größten Theil ihrer Bedürfnisse in der Stadt beziehen, sondern auch den Einwohnern manchfache Gelegenheit geben, durch persönliche Dienste sich Einnahmen zu verschaffen. Außer den eigentlichen Bedienten leisten manche Häuserbesitzer den Studenten, die bei ihnen in der Miethe wohnen, die tägliche Bedienung, andere haben Beschäftigung und Verdienst durch Verabreichung der Kost, Besorgung der Wäsche etc. Die Kutscher sichern sich durch Vermiethung von Pferden und Gefährten eine gute Einnahme; es sind gegenwärtig 7 und 37 Pferdevermiether in der Stadt.

Der Handel beschränkt sich hauptsächlich auf den Einzelverkauf; die bedeutendsten Geschäfte werden im Buchhandel gemacht, der durch das Bedürfniß der Universitäts-Angehörigen einen verhältnißmäßig großen Absatz hat. Es bestehen dermalen 7 Verlags- und Sortimentsbuchhandlungen, worunter 2 Antiquariatshandlungen. Buchdruckereien sind 3 vorhanden.

Ein altes Gewerbe ist das der Tuchmacher, das schon im 14. Jahrhundert vorkommt und in der letzten Hälfte des 15. Jahrhunderts wird noch die Farbe am Lustnauer Thor erwähnt. Noch im vorigen Jahrhundert wurden leichte Wollenzeuge in größerer Quantität verfertigt und in namhafter Ausdehnung auf der Zurzacher Messe abgesetzt, allein auch diese Fabrikation kam allmählig herunter. Die Metzger waren von Alters her ein starker Theil der Bürgerschaft mit mehreren Vorrechten, aber auch mit besonderer Verpflichtung zu Botenverrichtungen etc. Die erste Bierbrauerei wurde zu Anfang des 17. Jahrhunderts errichtet und die Gerberei begann nach dem Ende des dreißigjährigen Kriegs wieder aufzublühen.

Die Markung von Tübingen ist mit Einschluß der Parzellen Ammern und Schwärzloch sehr ausgedehnt und die größte im Oberamtsbezirk; sie wird von den Thälern des Neckars, der Ammer und von deren Seitenthälern vielfach durchfurcht und besteht daher, mit Ausnahme| der Thalebenen und der nördlich von der Stadt gelegenen Hochebene, meist aus Thalgehängen, die größtentheils steil abfallen und auf den sommerlichen Seiten für den Weinbau, auf der winterlichen für den Waldbau benützt werden.

Der Boden ist im allgemeinen fruchtbar, jedoch sehr verschieden; im Neckar- und Steinlachthal herrschen Sand und Geschiebe vor, letztere werden stellenweise so häufig, daß sie den Boden unergiebig machen. Die Ammerthalebene ist moorgründig, so daß an einzelnen Stellen, z. B. am Weilerbach, Torf gestochen werden kann, der jedoch nicht in den Handel kommt. An den flachen Ausläufern der Thalabhänge lagert ein fruchtbarer Lehm, der gegen die Thalgehänge allmählig schwerer, thoniger wird und an den Gehängen selbst in Keupermergel oder in einen starken Thonboden (Verwitterung des Keupermergels) übergeht. Auf den Anhöhen ist der Boden theils sandig (Verwitterung des Stubensandsteins), theils schwer und gebunden (Verwitterung der oberen Keuperletten).

Auf der Anhöhe nordöstlich der Stadt wird Liaskalkstein zu Pflastersteinen gebrochen, auf dem Österberg baut man den weißen Keupersandstein (Stubensandstein) zu Bausteinen und Fegsand ab; ferner sind 2 sehr bedeutende Lehmgruben angelegt und eine Töpfergrube befindet sich beim Ursprung des Käsenbachs. Sand und Kies gewinnt man am Neckar und an der Steinlach. Gips wurde früher am Ammerberg gebrochen.

Die klimatischen Verhältnisse sind günstig und unterstützen den Anbau aller in Württemberg vorkommenden Kulturgewächse; übrigens bringt die Nähe des Schwarzwaldes und der Alb im Frühjahr und Herbst häufige Nachtfröste, die nicht selten dem Weinstock und der Obstblüthe verderblich werden. Hagelschlag kommt seltener vor und trifft die Markung nie ganz, indem die Höhe von Eckenweiler im Oberamt Horb nach Schüblers Beobachtungen eine Wetterscheide, welche die Gewitter bei Tübingen bestimmt, bildet. Von da aus nehmen die Gewitter entweder ihre Richtung in das Neckarthal oder in das Ammerthal, wozu dann auch noch eine untergeordnete Wetterscheide, der zwischen beiden Thälern hinziehende Ammerberg (Spitzberg), wesentlich beiträgt, und so kommt es, daß wenn es im Ammerthal hagelt, das Neckarthal verschont bleibt und umgekehrt; indessen ist Hagelschlag im Ammerthal häufiger als im Neckarthal. Nebel, die vom Neckar aufsteigen, sind häufig und halten länger an als anderwärts, weil das bei Kirchentellinsfurth enger werdende Neckarthal eine freie Luftströmung nicht gestattet; häufig ist daher das Neckarthal noch| vom Nebel bedeckt, während auf der Alb und im Ammerthal hell die Sonne scheint.

Was nun die Einwirkung des Klima’s auf die Gesundheit der Einwohner betrifft, so kann diese eine günstige genannt werden; wenn auch die etwas frischere Luft empfindlichen Lungen vielleicht weniger zusagt, so verursacht sie doch keine Lungenkrankheiten. Schleimfieber kommen zwar sporadisch vor, steigern sich aber beinahe nie zur eigentlichen Epidemie. Wechselfieber und kalte Fieber treten in den am Neckar gelegenen Wohnungen zuweilen auf und scheinen auch in einigen sich festgesetzt zu haben.

Die Landwirthschaft wird fleißig und gut betrieben; landwirthschaftliche Neuerungen, wie die Einführung verbesserter Ackergeräthe, zweckmäßig angelegter Düngerstätten etc. haben erfreulichen Eingang gefunden. Zur Verbesserung des Bodens verwendet man, außer dem gewöhnlichen Stalldünger, Jauche, Kompost, Knochenmehl, Guano und den Pferch.

Der Ackerbau wird nicht in einem geregelten System, sondern meist willkürlich betrieben und das Ackerland wegen des bergigen Terrains beinahe zur Hälfte mit der Hacke bearbeitet, das übrige größtentheils von benachbarten Bauern um den Lohn gepflügt. Von den Cerealien kommen vorzugsweise Dinkel und Gerste, weniger Haber, und Roggen nur wegen des Bindstrohs, zum Anbau; von den Brachgewächsen pflanzt man Kartoffeln, sehr viel Futterkräuter (dreiblättrigen Klee und Luzerne), viel Welschkorn, Angersen, Kohlraben, Ackerbohnen etc. Von den Handelsgewächsen ist es hauptsächlich der Hopfen, der sich seit 20 Jahren über etwa 600 Morgen ausgedehnt hat und einen durchschnittlichen Ertrag von 4000–5000 Centner jährlich abwirft; er gedeiht sehr gut und ist gleich dem Rottenburger Hopfen gesucht. Der Absatz geht vorzugsweise an Händler aus Bayern und aus der Rheingegend. Ferner baut man ziemlich viel Mohn, Flachs und Hanf für den eigenen Bedarf und nur ganz wenig Reps. Auf herzoglichen Befehl von 1708 wurden 20 Morgen mit Tabak angepflanzt, die Sache aber bald wieder aufgegeben, weil der Boden für unpassend gefunden wurde.

Bei einer Aussaat von 8 Sri. Dinkel, 4 Sri Gerste und eben so viel Haber auf den Morgen, beträgt die Ernte in den besseren Lagen 10–12, in den geringeren 6–8 Scheff. Dinkel, 6–8 Scheff. Gerste und 6–7 Scheff. Haber. Die Preise eines Morgens Acker bewegen sich von 400–1300 fl.; die häufigsten sind 800 fl. Das Getreideerzeugniß wird nicht nur in der Stadt vollständig verbraucht, sondern es muß auch noch vieles zugekauft werden.

| Der Wiesenbau ist sehr ausgedehnt und liefert von den im Neckarthal und an den Bergabhängen gelegenen Wiesen ein vortreffliches Futter, während ein Theil des Ammerthales saures Futter erzeugt. Die durchgängig zweimähdigen, nicht wässerbaren Wiesen ertragen im Neckarthal 20 Ctr. Heu und 10 Ctr. Öhmd, im Ammerthal 25–30 Ctr. Heu und 12–15 Ctr. Öhmd vom Morgen. Die niedersten Preise eines Morgens Wiese betragen gegenwärtig 600 fl., die höchsten 1400 fl.

Der Gartenbau bildet eine erkleckliche Einnahmsquelle der Einwohner; außer den 3 Handelsgärtnern, die Gemüsebau und Blumenzucht treiben, werden viel Gemüse- und Gartengewächse von den Weingärtnern gebaut und auf den Wochenmärkten abgesetzt; überdieß ziehen viele Einwohner ihren eigenen Bedarf an Gemüsen etc. Von schönen Gartenanlagen nennen wir in erster Linie den im Jahr 1805 angelegten botanischen Garten, der sich vor dem Lustnauer Thor anfänglich zwischen der Ammer und einem Kanal derselben über die ehemalige Schießstätte und den Tummelplatz ausdehnte und zu dem 1836 der angrenzende, jenseits der Ammer gelegene, 1541 errichtete Begräbnißplatz beigezogen und unter Schonung und sinniger Benützung der Grabmonumente ebenfalls als Garten schön angelegt wurde. Der botanische Garten enthält eine Menge sowohl inländischer als ausländischer Holzarten und Pflanzen, namentlich medicinischer Pflanzen, wodurch den Studirenden der Botanik die Kenntniß der Gewächse durch eigene Anschauung erleichtert wird. Überdieß ist derselbe dem Publikum geöffnet und bietet mit seinen herrlichen, schattengebenden Baum- und Gesträuchegruppen den reizendsten Aufenthalt und Spaziergang. Der Garten enthält überdieß ein mit seltenen Pflanzenreich ausgestattetes Gewächshaus, in dessen oberen Räumen die Wohngelasse des Universitätsgärtners eingerichtet sind. Der ursprüngliche medicinisch-botanische Garten, der sog. medicinische Garten, lag bei dem ehemaligen Universitätsgebäude.

Ein weiterer schön angelegter Garten, dessen Zutritt ebenfalls gestattet ist, liegt hinter dem neuen Universitätsgebäude. Auch hinter dem Convict befindet sich ein ansehnlicher Garten. Außer diesen größeren Gartenanlagen sind in der Nähe der Stadt viele wohlangelegte Privatgärten.

Der sehr namhafte Weinbau, der an den südlich geneigten Abhängen auf Keupermergel, in den höheren Lagen auf Keupersandstein mit Thon vermischt, getrieben wird, liefert in günstigen Jahrgängen einen mittelguten Wein, meist einen sog. Schiller, der 3–4 Jahre auf| dem Lager hält. Die besten Lagen sind: die Pfalzhalde, das Hennethal und die Klinge. Die Bauart ist die gewöhnliche, im Neckarthal übliche; auf den Morgen rechnet man 3–4000 Stöcke und bezieht die Reben den Winter über. Es werden vorzugsweise Silvaner, Elblinge, weniger Drollinger und noch seltener Rißlinge, Klevner und Affenthaler gepflanzt. Im allgemeinen ist man bemüht, den Weinbau zu verbessern. In guten Jahrgängen erträgt ein Morgen 6–7 Eimer und die Preise eines Eimers sind im Verhältniß zur Güte des Weins sehr günstig, weil Tübingen an der Grenze des Weinbaus und somit den von Westen herkommenden Käufern näher liegt, als andere Weinorte des Landes. Der Eimer kostete in den Jahren 1852 16–28 fl., 1854 30–44 fl., 1856 36–50 fl., 1858 28–42 fl., 1859 36–40 fl., 1861 46–52 fl., 1863 22–38 fl., 1865 60–77 fl. Die Preise eines Morgens bewegen sich von 300–600 fl. Von dem Weinerzeugniß wird viel im Ort verbraucht. Als Nebennutzungen pflanzt man in den Weinbergen junge Obstbäume, Welschkorn, Bohnen, Rettige etc.

Eine Kelter mit einem Baum und 3 eisernen Pressen befindet sich innerhalb der Stadt am Schmiedthor; außerhalb der Stadt bestehen 4 Keltern, 3 mit je einem Baum und eine mit 3 Bäumen.

Von Bedeutung ist die Obstzucht, welche sich meist mit Mostsorten beschäftigt, während feineres Tafelobst aus Liebhaberei in den Gärten gezogen wird. Von Kernobst werden hauptsächlich Fleiner, Luicken, Knaus-, Palmisch-, Brat-, Wadel-, Most- und Grunbirnen, von Steinobst viel Zwetschgen und nur wenig Kirschen gezogen. Zur Beaufsichtigung der Obstzucht ist ein besonderer Baumwart, der auch eine Baumschule hat, aufgestellt; eine weitere Baumschule ist im botanischen Garten angelegt und überdieß werden in den Weinbergen Jungstämme nachgezogen, so daß man viele auswärts verkaufen kann, dagegen werden auch Jungstämme zugekauft. Die Stadtgemeinde ist darauf bedacht, ihre Weiden allmählig mit Obstbäumen auspflanzen zu lassen und ließ bereits auf Allmanden und an Straßen eine Menge nutzbringender Bäume setzen, die ihr in reichlichen Jahren schon gegen 600 fl. eintrugen; überdieß sind viele in neuerer Zeit gesetzte Obstbäume vorhanden, die noch nicht im Ertrag stehen. Der Obstertrag im allgemeinen befriedigt das örtliche Bedürfniß nicht vollständig.

Die Gemeinde besitzt etwa 1400 Morgen Waldungen, die, mit Ausnahme von 200 Morgen jüngeren Nadelholzkulturen, mit Laubholz bestockt sind. Die Waldungen, welche unter der Aufsicht des Revierförsters in Bebenhausen geregelt bewirthschaftet werden, ertragen| jährlich 457 Klafter und 24.800 Stück Wellen; der Holzertrag wird verkauft und der Erlös von durchschnittlich 12–15.000 fl. zu Gemeindezwecken verwendet. Im Eigenthum des Spitals stehen 317 Morgen Waldungen, deren jährlicher, in etwa 80 Klaftern und 5500 Stück Wellen bestehender Ertrag verkauft und der Erlös von durchschnittlich 1500 fl. für die Zwecke des Spitals verwendet wird. Die Spitalwaldungen werden von einem besonders aufgestellten Waldmeister bewirthschaftet.

Weiden sind 140 Morgen vorhanden, welche nebst der Brach- und Stoppelweide an Schafhalter aus der Stadt um 600 fl. verpachtet sind; überdieß trägt die Pferchnutzung der Gemeindekasse gegenwärtig 800 fl. ein. Etwa 40 Morgen von den besseren Weiden ließ die Stadt zu Hopfengärten anlegen, die ihr im Jahr 1860 35.000 fl. eintrugen.

Eigentliche Pferdezucht besteht nicht, dagegen ist die Pferdehaltung sehr beträchtlich.

Von Bedeutung ist die Rindviehzucht, welche sich mit einer tüchtigen, durch Simmenthaler gekreuzten Landrace beschäftigt; zur Nachzucht und Verbesserung des Viehstandes sind 6 Original-Simmenthaler Farren aufgestellt, die ein Ortsbürger anschafft und gegen eine Entschädigung von Seiten der Gemeinde von jährlich 700 fl. unterhält; die Farrenhaltung wird durch eine besondere, aus dem Stadtrathskollegium gewählte Kommission beaufsichtigt. Der Handel mit Vieh ist unbedeutend, dagegen sichert der Milchverkauf den viehhaltenden Einwohnern eine schöne Einnahme.

Die Schafzucht betreiben mehrere Ortsbürger, die den Sommer über 600, den Winter über 2000 Bastardschafe auf der Markung laufen lassen; jeder Schafhalter hat seinen eigenen Schafstall, in welchem er seine Schafe überwintert. Der Abstoß der Schafe geht nach Frankreich und die Wolle wird auf dem Kirchheimer Markt abgesetzt.

Ganz unbedeutend ist die Zucht der Schweine (1 Eber und 3 Mutterschweine); die Ferkel werden entweder auf dem jeden Freitag stattfindenden Schweinemarkt oder von bayerischen Händlern gekauft, aufgemästet und in’s Haus geschlachtet.

Die Ziegenzucht ist von einiger Bedeutung; die Geflügelzucht beschränkt sich nur auf den eigenen Bedarf.

Die Stadt ist berechtigt, alljährlich 2 Messen, eine Dienstag nach Georgii mit Vieh- und Schafmarkt, die andere Dienstag nach Martini mit Schaf- und Flachsmarkt, die je eine Woche dauern, abzuhalten; der Verkauf auf denselben ist namhaft, besonders wird viel mit Flachs,| Leinwand, Zeuglen etc. gehandelt. Auch bestehen zwei Vieh- und Schafmärkte, der eine im Februar, der andere im Juli, auf denen lebhafter Handel stattfindet. Überdieß werden jeden Montag, Mittwoch und Freitag Märkte gehalten, auf denen hauptsächlich Viktualien zum Verkauf kommen; am Freitag ist zugleich stark besuchter Frucht- und Brettermarkt.

Zusammenstellung der auf der hiesigen Fruchtschranne im Jahr 1866 verkauften Früchte, des jährlichen Durchschnittspreises und des Durchschnittsgewichtes (letzteres vom Dinkel und Haber):

Fruchtgattung. Verkaufs-Quantum. Erlös vom
ganzen Jahr.
Durchschnitts-
Mittelpreis p. Ctr.
Ctr. Pfd. fl. kr. fl. kr.
Dinkel 13.952 38 57.394 7 4 7
Haber 7937 44 27.208 54 3 25
Kernen 293 32 1831 41 6 14
Weizen 13 29 88 30 6 39
Gerste 210 77 876 3 4 9
Erbsen 18 50 125 50 6 40
Linsen 12 69 40 5 48
Wicken 33 254 6 7 42
Bohnen 10 67 51 12 4 48

Verkehrssumme vom ganzen Jahr: 87.900 fl. 3 kr.

Durchschnittsgewicht von 1 Schfl. Dinkel 151 Pfd., 1 Schfl. Haber 170 Pfd.

Der Tübinger Kornmarkt wird schon 1573 als ein berühmter Markt erwähnt, durch welchen nicht allein Stadt und Amt überflüssig versehen werden, sondern wo auch das Oberland von fernen Orten Frucht holt, so daß an einem Wochenmarkt 900 Scheffel Korn hier aufgestellt werden können, wovon an den Bodensee und in die Schweiz geführt wird.

Die in neuerer Zeit vermehrten Viehmärkte werden auf dem Wöhrd gehalten und bilden den Mittelpunkt des Viehhandels zwischen Alb und Gäu, zwischen dem Schönbuch und der Steinlach.

Als Verkehrsstraßen sind anzuführen:

1. Die seit Herbst 1861 im Betrieb befindliche Eisenbahn, obere Neckarthalbahn von Plochingen bis Oberndorf.

2. Die Landstraßen von hier

über Böblingen und Waldenbuch nach Stuttgart,
über Hechingen nach Tuttlingen,|
über Rottenburg, Sulz, Horb nach Freudenstadt,
über Reutlingen, Münsingen nach Ulm,
über Herrenberg nach Calw und nach Nagold.

3. Vicinalstraßen bestehen nach Hirschau, Hagelloch, Waldhausen und Kirchentellinsfurth. Auch besteht neben der in den Jahren 1840–42 neu angelegten Straße noch die alte Straße nach Dettenhausen.

4. Die Wasserstraße des Neckars mit Rücksicht auf den Langholzflößerei-Betrieb.

Was den Postverkehr betrifft, so kommen täglich Eilwägen an von

Stuttgart über Böblingen 1.
Herrenberg 1.
Calw über Herrenberg 1.
Tuttlingen 3.

und gehen täglich von hier ab nach

Böblingen (Stuttgart) 1.
Herrenberg 1.
Calw über Herrenberg 1.
Tuttlingen 3.

Der Bahnzug hält täglich von Stuttgart kommend 6mal und von Horb kommend 5mal hier an.

In dem Oberamtsbezirk sind Landpostboten eingeführt.

Frachtfahrer kommen hier an von Tuttlingen, Ebingen und Balingen, welche zugleich nach Stuttgart fahren,

ferner von Hechingen, Herrenberg, Mössingen, Nagold, und gehen von hier ab nach Reutlingen.


An den Kirchen der Stadt besorgten und besorgen die gottesdienstlichen Verrichtungen und zwar:

A. An den evangelischen waren ursprünglich in Folge der Übersiedlung des Sindelfinger Stifts die drei Professoren der Theologie zugleich Stadtpfarrer: der erste der Probst und zugleich Kanzler der Universität; der zweite Stadtdekan; der dritte Amtsdekan. Nach Einführung der Reformation blieb dieses Verhältniß der Docenten der Theologie zur Stadtgemeinde im wesentlichen unangetastet, nur daß denselben Helfer beigegeben wurden, deren Zahl zwischen 1 und 3 wechselt. Bis zum Schluß des ersten Viertels dieses Jahrhunderts waren die Professoren der Theologie zugleich Seelsorger. Jetzt sind die 4 ordentlichen Professoren der evang. theol. Fakultät nur noch| Frühprediger und wechseln in den sonntäglichen Morgenpredigten mit einander ab. Die Stadtgeistlichen sind die Abendprediger, denen neben der ganzen Seelsorge die Mittagspredigten an Sonntagen, die Morgenpredigten an Feiertagen und Donnerstagen, die Kinderlehren und die Spendung der Sakramente obliegt. Ist der Frühprediger verhindert, hat der betreffende Abendprediger für ihn einzurücken, und an die Stelle des letzteren ein Repetent, denn die Repetenten des evang. Stifts sind als solche zugleich Stadtvikare. Der Stadtgeistlichen sind 3: der Stadtpfarrer, der zugleich Amtsdekan ist, und 2 Helfer. In der St. Jakobskirche ist der zweite Helfer Hauptprediger; an den Sonntagen, an welchen derselbe in der Stiftskirche zu predigen hat, treten für ihn in der Spitalkirche abwechselnd Stadtpfarrer und Oberhelfer ein.

Die früher an das sog. Gutleuthaus angebaute Kapelle ist abgebrochen; übrigens wird 4mal jährlich in einem Betsaal dieses Gutleuthauses gepredigt und das Abendmahl administrirt.

B. An der katholischen Kirche ist Stadtpfarrer seit dem Jahr 1817 der Direktor des höheren Convictes. Ihm sind zur Seite gegeben 7 Repetenten, welche neben ihren Funktionen an dem theologischen Institut zugleich die Pflicht haben, sich mit ihm in die Geschäfte der Seelsorge zu theilen.

Die hier angesessenen Juden wurden im Jahr 1459 ausgetrieben; nur ein einziges Ehepaar, Kaufmann Jud und Bel Jüdin durften unter der Bürgschaft Konrads von Fürst und der Brüder Albrecht und Vol von Wildenau noch länger bleiben (Crus. An. Suev. 2, 406). Seit der Errichtung der Universität durften sich keine Juden mehr hier aufhalten, wie sie denn überhaupt in Zeiten des Herzogthums Württemberg von diesem Lande ferngehalten wurden. Die von Tübingen vertriebenen fanden zunächst im ritterschaftlichen Wankheim Aufnahme; ihr Andenken erhält sich noch in der „Judengasse“, welche die Haag- und Ammergasse verbindet.

Von Schulanstalten befinden sich in Tübingen:

1. Ein Gymnasium, an dem ein Rector, 3 Hauptlehrer am oberen Gymnasium (2 Klassen), 6 Hauptlehrer am unteren Gymnasium (6 Klassen) und ein Vikar unterrichten.

Das Gymnasium wurde im Jahr 1860 als Landesgymnasium neu organisirt und zu demselben in diesem Jahr das ehemalige Kanzler Autenrieth’sche Haus von der Stadt erkauft und eingerichtet.

2. Eine Realschule mit einem Vorsteher, zugleich Hauptlehrer, und einem Hilfslehrer an der Ober-Realklasse, und 3 Hauptlehrern an den 3 Klassen der Realschule, ferner einem Zeichnungslehrer.

| Schülerzahl nach der neuesten Aufnahme,

1) im Gymnasium: oberes 57., unteres 116., Elementar-Klassen 59.

2) an der Realschule: obere Realklasse 31., Realschule in 3 Klassen 81.

3. Eine gewerbliche Fortbildungsschule, an der die Lehrer der Realschule unterrichten.

4. Deutsche Volksschulen und zwar

a) die deutsche Knabenschule, bestehend aus 4 Klassen mit 3 Schulmeistern und einem nicht ständigen Lehrer; die Schülerzahl betrug im Schuljahr 1866–67 230;

b) die deutsche Mädchenschule; die schulpflichtigen Kinder der Honoratioren und des bessern Bürgerstandes bilden die 7 A-Klassen, die gewöhnlichen Bürgers- und Weingärtners-Kinder die 7 B-Klassen; die Schülerzahl in den A-Klassen betrug im Schuljahr 1866–67 145, in den B-Klassen 335.

An den beiden Abtheilungen unterrichten 7 Lehrer und zwar ein Oberlehrer, zugleich erster Schulmeister, 4 Schulmeister und 2 nicht ständige Lehrer (Unterlehrer).

5. Die katholische Volksschule, seit 1864 gegründet, mit einem Unterlehrer und 34 Schülern; Lehrer und Schule befinden sich in einer Miethswohnung.

6. Eine Winterabendschule, beziehungsweise Sonntagsschule.

Eine Privat-Töchterschule für Mädchen von 14–16 Jahren besteht; neben den von Lehrerinnen geleiteten weiblichen Arbeiten ertheilen an derselben Unterricht Lehrer vom Gymnasium und der Realschule.

Der Gemeindehaushalt ist geordnet; nach dem Etat der Stadtpflege pro 1. Juli 1866–67 betrugen|
a) die Einnahmen:
I. Ertrag des Gemeindevermögens
  aus Gebäuden 1146 fl. – kr.
  aus Feldgütern 4225 fl. 9 kr.
  aus Hopfenanlagen 11.800 fl. – kr.
  aus Waldungen 10.373 fl. 30 kr.
  Schafweide und Pferch 1310 fl. – kr.
  Steinbruch 10 fl. – kr.
  Jagdpachtgeld 40 fl. – kr.
  Verschiedenes 617 fl. 23 kr.
29.522 fl. 2 kr.
II. aus nutzbaren öffentlichen Rechten 2405 fl. – kr.
III. für Benützung öffentlicher Anstalten 8203 fl. 20 kr.
IV. Steuern und Abgaben 6375 fl. – kr.
V. für verkaufte und vermiethete Mobilien und Materialien 300 fl. – kr.
VI. Beiträge anderer Kassen zum Gemeinde-Aufwand 8867 fl. 59 kr.
VII. Vergütungen 7 fl. – kr.
Summe: 55.680 fl. 21 kr.
b) die Ausgaben:
I. Zur Schuldentilgung, incl. Verzinsung 5000 fl. – kr.
II. Aufwand auf das Gemeindevermögen 10.949 fl. 31 kr.
III. Allgemeine Verwaltungskosten 6045 fl. – kr.
IV. Auf öffentliche Anstalten und Einrichtungen
     (darunter 20.924 fl. 3 kr. für Schulen.)
44.280 fl. 35 kr.
V. Gratialien und Pensionen 880 fl. – kr.
VI. Armenpflege, auf dem Etat der Hospital- und Stiftungspflege – fl. – kr.
VII. Beiträge zu andern Kassen 1000 fl. – kr.
VIII. Unterstützungen 32 fl. – kr.
IX. Vergütungen 3 fl. 20 kr.
X. Feste und Feierlichkeiten 100 fl. – kr.
Summe:       68.290 fl. 26 kr.
      Deficit 12.610 fl. 5 kr.
      Stadtschadens-Umlage 11.000 fl. – kr.

Der Mehrbetrag des Deficits wird aus Überschüssen und Mitteln des Restvermögens vom Vorjahr gedeckt. Schon seit einer Reihe von Jahren beträgt die Stadtschadens-Umlage jährlich 10–12.000 fl.

Vermögensstand

nach der Rechnung von 1864–65,

an Activ-Ausständen etc. 2151 fl. 20 kr.
Passivstand 52.628 fl. 52 kr.

An der verzinslichen Stadtschuld von 47.000 fl. werden nach dem bestehenden Schuldentilgungsplan, einschließlich der Zinse, jährlich 5000 fl. abgetragen.

| Eine weitere Schuld zur Stiftungspflege, zur Ergänzung eines älteren Deficits, dermalen noch 5261 fl., wird, einschließlich der 4proc. Verzinsung, durch Abtragung von jährlichen 1000 fl. allmählig getilgt.
Grund-Eigenthum der Stadt.
1) Hopfenpflanzungen in eigener Bewirthschaftung 43 Morgen.
2) Äcker und Länder, parcellenweise verpachtet, in Stücken zu 4/8–1 Morgen 46 Morgen.
3) Wiesen, zum größten Theil in Abschnitten zu 4/8–1 Morgen verpachtet 164 Morgen.
4) Waldwiesen 11 Morgen.
5) Grasplätze, Weidenpflanzungen, Gebüsche, Anlagen etc. 10 Morgen.
6) Schafweide 140 Morgen.
414 Morgen.

Waldfläche im Ganzen 1380 Morgen 26,1 Rth.

Das Gaswerk ist in abgesonderter Verwaltung der Stadt. Erbaut im Jahr 1862 mit einem Kostenaufwand von 93.000 fl. wird es auf Rechnung der Stadt in abgesonderter Verwaltung betrieben und hat eine jährliche Konsumtion von 3–31/2 Millionen Kub.-Fuß Gas. Das Kapital ist unter Garantie der Stadt zu 4% aufgenommen worden und die ganze Schuld samt Zinsen wird innerhalb 30 Jahren mit jährlich 5400 fl. wieder abgetragen.

Stiftungen.

Die Hospital- und Stiftungspflege. Nach dem Etat pro 1. Juli 1866–67 betrugen

die Einnahmen, im Ganzen 23.015 fl. 47 kr.

darunter:

6958 fl. 14 kr. Pachtgelder aus den Spitalgütern,
1038 fl. 37 kr. Waldertrag,
12.503 fl. 56 kr. Zinse aus Activ-Kapital.
Ausgaben, im Ganzen 22.975 fl. 56 kr.

darunter:

15.187 fl. 46 kr. für Armen-Unterstützung, einschließlich des Aufwandes für Verköstigung und Verpflegung der in den Spital und das Gutleuthaus aufgenommenen Personen; und
458 fl. 21 kr. Stiftungszinse für besondere Zwecke.
| Der Vermögens-Grundstock an Kapitalien der Hospital- und Stiftungspflege, einschließlich der Stiftungskapitalien, beträgt 274.304 fl. 31 kr.
Grund-Eigenthum des Spitals.
Gärten und Äcker 1786/8 Morgen 33,6 Rth.
Wiesen 574/8 Morgen 44,7 Rth.
2363/8 Morgen 30,3 Rth.

durchaus in Abtheilungen von 1–4/8 Morgen verpachtet.

Fischwasser beim Gutleuthaus, verpachtet 6/8 Morgen.

Waldungen im Neckarthal und bei Schwärzloch, im Ganzen 3163/8 Morgen 15,8 Rth.

Die katholische Stiftungs-, Kirchen- und Schulpflege, seit 1864 neu gegründet, mit einem Stiftungsvermögen von 150 fl.

Der Aufwand für die Schule wird bestritten aus Beiträgen

des bischöflichen Ordinariats 100 fl.
Ökonomie-Verwaltung des Wilhelmsstifts 150 fl.
K. Kameralamt Tübingen 170 fl.
Hofkameralamt Herrenberg 60 fl.
Stadt Tübingen neben 1 Klafter buchen Holz 50 fl.
530 fl.

Ein eigenes Schullokal ist nicht vorhanden, sowohl Lehrerswohnung als Schulzimmer sind gemiethet.

Stiftungen, die von der Hospital- und Stiftungspflege getrennt und in abgesonderter Verwaltung stehen.

1) Abel’sche Holzstiftung à 300 fl. zu Ankauf von Brennholz für unbemittelte Personen.

2) Roth’sche Stiftung, 9 Stiftungen von je 1000 fl. zu wohlthätigen Zwecken.

3) Veronica Maier’sche Prämienstiftung für Realschüler, mit 3350 fl. Grundstockskapital.

4) Stabsarzt Dr. Belthle’sche Stiftung zu Prämien für Schüler am Gymnasium, von 1000 fl. Kapital.

5) v. Kölle’sche Stiftung für Geisteskranke.

6) Stabsarzt Dr. Belthle’sche Stiftung von 16/8 Morgen Acker für arme Bürger und Bürgers-Wittwen.

7) v. Kölle’sche Stiftung für arme Wittwen und Jungfrauen von Stand, bestehend in einem Wohnhause in der Münzgasse und 6000 fl. verzinslichem Geldkapital.

| 8) Sichardt’sche Stiftung zum Besten neuverheiratheter armer Eheleute und der Armut überhaupt, mit 4000 fl. Grundstocksvermögen.

9) König Karls Stiftung von 800 fl. zu Freistellen für arme Bürgerssöhne am Gymnasium (mit der Stiftungspflege vereinigt).

Familienstiftungen.

1) Wolfgang Frisch’sche Familienstiftung, mit 600 fl. Grundstocksvermögen.

2) Epppert-Sturm’sche Familienstiftung, mit 1385 fl. Grundstocksvermögen.

3) Dr. Hehl’sche Familienstiftung, mit 7000 fl. Grundstocksverm.

4) Samuel Kölle’sche Familienstiftung, mit 800 fl. Grundstocksvermögen.

Kirchen- und Schulpflege.

a) Kirchenpflege; für diese besteht keine besondere Verwaltung, sie ist mit der Stiftungspflege vereinigt.

b) Schulpflege. Der Aufwand für Gymnasium und Realschule wird von der Stadtpflege mit Beiträgen des Staats, der Stiftungspflege und der Amtskorporation bestritten.

Die Bestreitung des Aufwandes für die Volksschule liegt der Stadtpflege ob. Die Stiftungspflege trägt zur Besoldung der Lehrer Einiges bei.

Katholische Schule (s. oben).

c) Schulfonds. Es besteht:

1) ein Schulfonds der Realschule mit einem Grundstocksvermögen von 900 fl. in verzinslichen Kapitalien;

2) ein Schulfonds für die Volksschulen mit einem Grundstocksvermögen von 4035 fl. in verzinslichen Kapitalien.

Außer den schon angeführten Anstalten für Zwecke der Wohlthätigkeit nennen wir noch:

1. Die im Jahr 1815 gegründete Kinderbeschäftigungs-Anstalt, welche, nachdem die Knabenklasse schon im Jahr 1823 eingegangen, in eine Näh- und Strickschule für Mädchen abgetheilt ist.

Arme, und diese bilden die Mehrzahl, erhalten unentgeltlichen Unterricht, Vermögliche bezahlen ein mäßiges Lehrgeld.

Auch Fremde aus der nächsten Umgebung finden, soweit die Umstände es zulassen, Aufnahme.

Die Anstalt ist immer stark besucht; das Haus, in welchem dieselbe sich befindet, gehört dem Spital.

Der Aufwand wird gedeckt aus den Zinsen von 3214 fl. gestifteten Kapitalien und von 8654 fl. 33 kr. aus früherer Zeit herrührenden| Ersparnissen; sodann aus den Lehrgeldern und entsprechenden Zuschüssen aus der Stiftungspflege.

2. Die seit 9. Okt. 1834 eröffnete Kleinkinderbewahr-Anstalt, in welcher sich zur Zeit über 200 Kinder befinden.

Der erforderliche Aufwand wird zum großen Theil aus freiwilligen Beiträgen und aus den Zinsen des auf 5072 fl. 1 kr. sich belaufenden Grundstocksvermögens bestritten.

3. Der seit 1844 bestehende Krankenbesuchs-Verein, der es sich zur Aufgabe macht, durch Besuche, Zuspruch und Rath, sowie durch entsprechende Gaben, sowohl den geistlichen als den leiblichen Bedürfnissen hiesiger Kranken, soweit es ihm möglich, Abhülfe zu leisten.

4. Der im Jahr 1840 gegründete Verein zur Unterstützung armer Kranker, Wöchnerinnen und Greise durch Reichung kräftiger Suppe.

5. Der im Jahr 1847 ins Leben getretene Verein für Beschäftigung unbemittelter Weibspersonen, dessen Wirkungskreis über den ganzen Oberamtsbezirk sich erstreckt, und der den Nothleidenden durch Näh-, Spinn- und Strick-Arbeiten Verdienst zu verschaffen bemüht ist.

6. Der seit 1848 bestehende Bekleidungs-Verein für arme Landleute, dessen Theilnehmerinnen es sich zur Aufgabe machen, aus alten abgelegten Kleidungsstücken und aus – mit Hilfe von Geldbeiträgen erkauften Stoffen, für arme Confirmanden, Kinder, und alte und kranke Personen Kleider zu fertigen.

7. Die Armen-Kommission des Pfarrgemeinderaths dahier, welche Unterstützungen an baarem Geld, Lebensmitteln, Holz etc. gibt und die erforderlichen Mittel durch monatliche Sammlungen bei den hiesigen Einwohnern sich verschafft, zu denen ein jährlicher Beitrag des Wohlthätigkeitsvereins der Studirenden kommt.

8. Der Wohlthätigkeitsverein der Studirenden, im Jahr 1833 gegründet, welcher seine Gaben in monatlichen, zweimonatlichen und außerordentlichen Unterstützungen theils den hiesigen, theils den Armen der umliegenden Ortschaften zuwendet und seine Mittel lediglich aus freiwilligen Beiträgen (nicht von Studirenden allein) schöpft.

9. Der Verein für Unterstützung armer Reisender, welcher mit dem 1. Januar 1851 seine Wirksamkeit eröffnet und bis 31. Dez. 1866 51.115 Reisende unterstützt hat.

10. Leichenkosten-Vereine:

a) Sterbekasse der Tübinger Feuerwehr;
b) Veteranen-Leichenkasse, die aber schon lange nicht mehr ausschließlich auf Veteranen beschränkt ist;
c) Leichenkasse der Schneider;
|
d) Leichenkasse der Schuhmacher;
e) Leichenkasse der Weingärtner.

11. Seit 1865 besteht eine Handwerkerbank.

Anstalten für literarische und gesellige Unterhaltung sind: das Museum, das Bürgermuseum, die Frohsinn-Gesellschaft, die Harmonie-Gesellschaft, die Janitscharia, die Liedertafel der Studirenden, der Oratorienverein, der Orchesterverein, der Sängerkranz, der Weingärtner-Liederkranz; sodann die Anstalt zu nützlicher Verwendung der Sonn- und Feiertags-Abende im Winter für junge Leute aus dem Gewerbestand, unter dem Titel: Sonntags-Lese-Anstalt.

Namen alter Bürgerfamilien, welche am Ende des 13. und im Anfang des 14. Jahrhunderts vorkommen, sind z. B. Becht, Eßlinger, Fraischlich, Fuchs, Hailant, Holzwart, Hurnus, Kürsener, Lutz, Mülich, Ochsenbach, Reich. Eine der angesehensten waren die Breuninge; sie hatten ihr Erbbegräbniß und eine eigene Kapelle in der Stiftskirche; ursprünglich im Brühl in der Badergasse an der Ammer angesessen zogen sie später in die Neckarhalde und ein Zweig derselben in die Gegend des Bebenhäuser Hofes und darauf in die Nähe des Lustnauer Thores. Die ältesten Glieder treten hervor nach dem Anfang des 13. Jahrhunderts (Crusius Paralip. 23); Hermann, Berthold, Konrad, Albert sind die frühesten, lange fortgeführten Taufnamen. Konrad von Breuning, als Tübinger Obervogt 1514 um Stillung des Bauernaufruhrs verdient, und sein Bruder Sebastian, Obervogt in Weinsberg, fielen, ersterer 1517, letzterer 1516, als Opfer eines Justizmordes durch das Richtschwert. Von den spätern, aus Tübingen weggezogenen Breuningen bekleideten manche angesehene Ämter. Hans Jakob Breuning von Buchenbach machte sich durch seine großen Reisen nach Syrien, Griechenland, Egypten u. s. w. bekannt, † 1616 als Obervogt von Waiblingen. K. Friedrich I. erhob die noch blühende Familie 1812 in den Freiherrn-Stand und belehnte sie mit dem Rittergut Kochendorf. – Sehr bemerklich macht sich auch die Familie Last; sie besaß zeitweilig einen Antheil an der Vogtei in Kayh (seit 1375), einen Hof in Altingen, den Kirchensatz in Unter-Jesingen, den Bläsiberg.

Von benachbartem Adel finden sich allhier angesessen z. B. die Besserer, Herter, Ehingen, Fürst, Gomeringen, Gültlingen, Hailfingen (bis 1293 Besitzer des Hailfinger Brühls zwischen dem Schwärzloch und dem Hembacher Thälchen, Mone Zeitschr. 14, 220), Lustnau, Ow, Ulm.

Aus der Reihe der ausgezeichneten Männer, welche allhier geboren sind, heben wir hervor:

Burkhard Bardili, Sohn des Professors der Theologie, geb.| 11. Oct. 1629, Tübinger Professor der Rechte, württemb. Hofgerichtsassessor, † 10. April 1692. Ein vorzüglicher Rechtsgelehrter.

Christoph Besold, Sohn des Eßlinger Stadtschreibers, geb. 1577, Professor der Rechte in Tübingen, trat unter dem Lärm des 30jährigen Krieges 1630 zur katholischen Kirche über und suchte die Reichsunmittelbarkeit der württ. Prälaturen zu beweisen. Im Jahr 1637 als kurbayerischer Professor und Rath nach Ingolstadt berufen starb er allda im Jahr 1638.

Georg Wilhelm Bidembach von Treuenfels, geb. den 13. Oktober 1614, 1657 württ. Geheimerrath. Vornehmlich zu Sendungen auf Kreis-, Reichs- und Deputationstage gebraucht diente er seinem Vaterland mit großer Treue und Redlichkeit. † 23. August 1677.

Andreas Burkhard, Sohn des Professors Georg B., geb. den 1. Juli 1594, Kanzler und Geheimerrath, † 1651 zu Stuttgart. Ein ausgezeichneter Staatsman, welcher sich als Gesandter beim westphälischen Frieden um Württemberg sehr verdient machte.

Phil. Camerarius, Sohn des Professors Joachim C., geb. 1537, 1573 Rath der Reichsstadt Nürnberg, 1581 der erste Procancellarius auf der Universität Altdorf, † 1624.

Elias Rudolf Cammerer, Sohn des Apothekers, geb. 7. Mai 1641, Professor der Medicin in Tübingen 1677, † 5. Juni 1695. Dasselbe Amt bekleidete seit 1688 sein Sohn Rudolf Jacob, geb. den 17. Februar 1665, † 11. Sept. 1721. Mit diesen beiden Männern begann das Studium der Medicin und der Naturwissenschaften in Tübingen einen neuen Aufschwung.

Joh. Friedr. Cotta, Sohn des Buchhändlers, geb. den 12. Juni 1701, 1736 Professor der Theologie in Göttingen, 1739 in Tübingen, Dekan und erster Superattendent des Stifts, 1755 Kanzler, † 31. Dez. 1779. Ein sehr gelehrter Theolog und fruchtbarer Schriftsteller.

Joh. Fried. Flatt, Sohn des Diakons, geb. den 20. Febr. 1759, Tübinger Professor 1785 der Philosophie, 1792 der Theologie, 1820 Prälat, † 24. Nov. 1821. Ein scharfsinniger Denker, welcher zuerst die Kantische Philosophie in Tübingen einführte, eifriger Vertheidiger des biblischen Offenbarungsglaubens und vortrefflicher Lehrer der christlichen Moral.

Johann Georg Gmelin, Sohn des Apothekers Johann Georg G., geb. 1709, kam 1727 an die kaiserliche Akademie in St. Petersburg, wo er 1731 Professor der Chemie und Naturgeschichte wurde. Von hier aus betheiligte er sich 1733–43 an der wissenschaftlichen Expedition zur genaueren Kenntniß Sibiriens, welchem Lande seine Hauptwerke „Flora Sibirica“ und „Reisen durch Sibirien“ gelten.| Er kehrte 1749 als Professor der Botanik und Chemie nach Tübingen zurück und starb 1755. Sein Bruder Philipp Friedrich, geb. 1721, wurde in Tübingen 1750 außerordentlicher Professor der Arzneigelehrsamkeit, 1755 ordentlicher der Botanik und Chemie, † 1768. Ein Neffe von ihnen, Sam. Gottlieb, der Sohn des Apothekers Joh. Konrad G., geb. 1744, 1766 Professor der Naturwissenschaften in St. Petersburg, bereiste 1768 ff. Südrußland, worüber er eine sehr schätzbare Reisebeschreibung verfaßte, wurde aber 1774 von dem Chan der Chaitaken in Verhaft genommen, in welchem er den 27. Juli d. J. zu Achmetkent an der Ruhr starb. Bis in neueste Zeiten bekleideten in Tübingen geborene Glieder dieser Familie Tübinger Professuren, die naturgeschichtliche (1771–8) Joh. Friedr. G. geb. 1746, † als Professor der Medicin in Göttingen 1804, die juridische z. B. Christian G., geb. 1750, † 1823, die medicinische Ferdinand Gottlieb, geb. 1782, † 1848, die chemische Christian Gottlob, geb. 1792, † 1860. Auch Eberhard G., Arzt und Physikus in Heilbronn, bekannt als einer der ersten Anhänger des thierischen Magnetismus in Deutschland, war in Tübingen geboren 1753, † 1809 zu Heilbronn.

Joh. Mich. Hallwachs, Sohn des Bürgermeisters, geb. 1691, Tübinger Professor 1717 der Philosophie, 1721 der Geschichte, Beredtsamkeit und Dichtkunst, † 1738.

Die Harpprechte, Professoren der Rechtskunde in Tübingen: Ferdinand Christoph, geb. 1650, † 1714; Georg Friedrich, geb. 1676, † 1754; Christoph Friedrich, geb. 1700, † 1774; Christian Ferdinand, geb. 1718, † 1758. – Joh. Heinrich, geb. 1702, wurde Reichskammergerichtsassessor in Speier, † 1783, ein tüchtiger Kenner des Staatsrechts und der Geschichte.

Andreas Adam Hochstetter, Sohn des Diakons, seit 1697 Professor in Tübingen, zuletzt der Theologie, sodann 1711 Hofprediger des Herzogs Eberhard Ludwig, † 1717.

Immanuel Hoffmann, Sohn des Professors Gottfried, geb. 1710, Professor der griechischen Sprache und Ephorus des theol. Stifts in Tübingen, † 1772. Sein Bruder Gottfried, geb. 1719, † als württemb. Geheimerrath den 31. August 1780, ein fruchtbarer Schriftsteller, namentlich auch im publicistischen Fache. Sein Sohn, Joh. Daniel, geb. 1743, wurde 1767 Professor der Rechtskunde in Tübingen, † 10. Juni 1804.

Karl Christoph Friedrich Jäger, Sohn des Professors Christian Friedrich, geb. 2. Nov. 1773, württemb. Leibarzt und Obermedicinalrath in Stuttgart, † 9. Mai 1828; ein Arzt von großem Rufe.

Joh. Kies, Sohn des Rathsherrn, geb. 1713, studirte Theologie,| wurde 1740 Astronom, Professor der Mathematik und Naturlehre in Berlin, 1754 Professor derselben Fächer in Tübingen und Universitätsbibliothekar, † 29. Juli 1781.

Knapp, Albert, Sohn des Hofgerichtsadvokaten (nachherigen Oberamtmanns in Alpirsbach etc.), geb. 25. Juli 1798, † als Stadtpfarrer in Stuttgart 18. Juni 1864. Bekannt als geistlicher Liederdichter.

David Mauchart, geb. 1734, † 1767 als Professor der Medicin in Tübingen.

Joh. Daniel Georg Memminger, geb. 16. April 1773, studirte Theologie, wurde 1802 Präceptor in Canstatt, 1820 Mitglied (zuletzt dirigirendes) des k. stat. topogr. Bureaus, 1834 mit dem Titel Oberfinanzrath, †. den 21. Febr. 1840; der Hauptbegründer der wissenschaftlichen Vaterlandskunde und um dieselbe durch eine Reihe von Schriften verdient (s. Württ. Jahrb. Jahrg. 1839, 1–13).

Daniel Mögling, geb. 1546, 1587 Professor der Medicin in Tübingen, † 1603 als württemb. Leibarzt; Stammvater vieler gelehrten Männer im Fache der Medicin und Rechtskunde.

Wilh. Gottfr. v. Moser, Sohn Johann Jacobs, geb. 1729, hessendarmstädtischer Geheimerrath und Kammerpräsident, zuletzt fürstlich Taxischer Geheimerrath und Kreisgesandter zu Ulm, † 31. Jan. 1793. Schriftsteller im ökonomischen Fache.

Joh. Osiander, Sohn des Kanzlers Joh. Adam, geb. 1657, studirte Theologie, wurde 1686 Professor der griechischen Sprache in Tübingen, 1690 Kriegsrath und Obermarschcommissär, 1693 Commandant von Tübingen, dessen Mauern er gegen den Übermuth der Franzosen rettete, 1694 Abt zu Königsbronn, 1699 in Hirschau, 1708 Consistorialdirektor, 1713 Geheimerrath. Ein hochbegabter, grundgelehrter, beredter, muthvoller Mann, welcher auf weiten Reisen sich eine große Menschenkenntniß erwarb und sich bei Fürsten, wie König Karl XII. von Schweden und König August von Polen, in große Achtung setzte. † 1724. Siehe (Abel) Lebensbeschreibung Joh. Osianders. Tüb. 1795.

Joh. Ulrich Pregizer, geb. 1647, 1675 Professor des öffentlichen Rechts und der Geschichte in Tübingen, 1694 Oberrath. † 1708. Verdient um die württemb. Geschichtskunde, in welcher Hinsicht seine Söhne Johann Ulrich (geb. 1673, † 1730 als Pfarrer in Untertürkheim), Georg Konrad (geb. 1675, † 1749 als Abt in Murrhard) und Johann Eberhard (geb. 1677, † 1753 als Regierungsrath) in seine Fußstapfen traten.

| Phil. Joseph Rehfues, geb. 1779, im Tübinger Stift gebildet, nach mancherlei Reisen 1814 kön. preußischer Kreisdirektor des Rheinkreises, 1819 Geheimer Regierungsrath und Reg.-Kommissär bei der Universität Bonn, 1829 geadelt, † 1843 zu Bonn. Schriftsteller im Fach der Geschichte, Politik und des Romans.

Joh. Schlayer, Sohn des Bäckermeisters, geb. den 11. März. 1792, Minister des Innern und des Kirchen- und Schulwesens 1832–48, 1849–50, † zu Stuttgart 3. Jan. 1860.

Friedr. Wilh. Tafinger, geb. 1726, Professor der Rechtskunde 1753, † 1777. Sehr verdient um den Reichsproceß.

Ludwig Joseph Uhland, geb. 1722, Diakonus in Tübingen, 1761 Professor der Geschichte allda, Ephorus des theologischen Stifts, † 1803. Verfasser verschiedener Abhandlungen auf dem Felde der Exegese und der Geschichte, besonders der württembergischen.

Ludwig Uhland, Enkel des vorangehenden und Sohn des Universitätssekretärs, geb. 26. April 1787, Doktor der Rechte, berühmter Dichter und Politiker, † zu Tübingen 13. Novbr. 1862

Zur Stadt mag Tübingen durch die Tübinger Pfalzgrafen im Anfang des 13. Jahrhunderts erhoben worden sein. Urkundlich erscheint es als solche (civitas) erstmals den 29. Sept. 1231. Die hiesigen Rechte und Freiheiten (jus libertatis juxta formam libertatis civitatis Tuwingensis) wurden durch den Pfalzgrafen Rudolf von Tübingen auf Sindelfingen bei dessen Erhöhung zur Stadt übertragen (Schmid Pfalzgr., Urk. 24). Ein altes Tübinger Stadtrecht – Bestimmungen über Bürgeraufnahme und Einiges aus der Polizei und dem Strafrecht enthaltend – kennt man aus der Erneuerung von 1388. (Schmid a. a. O. Urk. 244, vergl. Zeller 571). In früher Zeit war T. der Oberhof für 74 meist ehemals pfalzgräfliche und einige ausländische Orte (Schmid Urk. 246). Das Recht des Blutbannes bestätigte Kaiser Friedrich III. der Stadt am 12. Aug. 1471 und erlaubte ihr, das Gericht, welches bisher unter freiem Himmel auf dem Markt gehalten wurde, weil hiedurch viel Verzögerung wegen Unwetters entstand, unter Dach und wo die andern Gerichte gehalten werden, zu verlegen.

Unter dem 22. April 1493 ertheilt Graf Eberhard im Bart der Stadt ein neues Stadtrecht, welches beinahe ausschließlich von Privatrecht und Civilproceß handelt und vieles dem römischen und kanonischen Rechte entnahm. Vielfach stimmt es mit dem Uracher, theilweise auch mit dem Stuttgarter überein und gehört bei seiner Ausführlichkeit zu den wichtigsten Rechtsdenkmälern des 15. Jahrhunderts (Stälin, Wirt. Gesch. 3, 734).

| Hatte sich im 15. Jahrhundert das württembergische Hofgericht in seinen jährlich zwei- bis viermaligen Sitzungen je am Orte der Hofhaltung des Grafen zu Stuttgart, Urach, Tübingen eingefunden, so begnadigte Herzog Ulrich die Stadt T. am 18. August 1514 wegen ihrer besonderen Beihülfe bei Unterdrückung des Remsthaler Bauernaufstandes unter andern mit dem Recht: daß der Sitz des Hofgerichts immer allda bleiben und ohne besondere Ursache nicht geändert werden sollte. Erst im Jahr 1805 trat das zu Stuttgart errichtete beständige Oberappellationsgericht an seine Stelle (Wächter Württ. Privatrecht 1, 94. 666).

Das Schloß hatte seine eigene Gerichtsbarkeit, welche unter württembergischer Herrschaft der Burgvogt, später der Schloßkommandant ausübte und unter welcher auch einige in der Stadt wohnenden, aber mit dem Schloß in Verbindung stehenden Personen (z. B. der Schloßküfer) und die Schloßgarnison stunden.

Eine weitere Gerichtsbarkeit, die akademische, kam nach der Gründung der Universität hinzu; solche übten in bürgerlichen und peinlichen Sachen der Rektor und der akademische Senat aus und unter ihr stunden sämtliche Universitätsverwandte. Ebenso erhielt später das Collegium illustre seine eigene Gerichtsbarkeit. Eine nothwendige Folge solcher verschiedener Jurisdiktionen waren häufige Konflikte zwischen denselben, und Stadt und Universität namentlich geriethen auch in Rücksicht auf Polizei mit einander öfters in Streit, was viele Verhandlungen und verschiedene Vergleiche herbeiführte. In vielem Wechsel der Zeiten – dem Landrecht gegenüber auf abweichenden Statuten und Gebräuchen fest fußend – behielt die Universität ihren korporativen Charakter bis 1829 bei. (Näheres bei Wächter a. a. O. 1, 288. 414. 846. 958.)

Ein eigener Polizei- und Armen-Inspektor als Vorstand der Stadtpolizei wurde 1775 angestellt. Durch das Statut von 1829 ging die Ortspolizei in der Stadt und ihrer Markung, mit Ausdehnung auch auf die Universitätsangehörigen bei Übertretung allgemeiner Polizeigesetze, auf einen Stadtdirektor über, welchem ein Polizei-Inspektor und eine militärisch organisirte Polizeiwache, aus einem Unteroffizier und 8 Landjägern bestehend, auch 4 nicht uniformirte Polzeidiener untergeordnet wurden. Da der Stadt hiedurch ein großer Theil der bisher auf die Polizei verwendeten Kosten abgenommen wurde, mußte sie jährlich 1500 fl. beitragen. Die Stelle eines Stadtdirektors, welche stets mit der des Oberamtmanns verbunden war, wurde 1849 wieder aufgehoben.

| Ein hiesiger Schultheiß, Wenigo, kommt 1247 erstmals urkundlich vor (Schmid Urk. 16), sodann: 1272 Jägilin, 1292 Cunrad genannt Haiden, 1292 Dietrich genannt Eßlinger der Lange, 1295 Albert Hailant, 1296–1306 Ludwig von Lustnau, Ritter (Schmid Urk. 46, 63, 65, 101, 102), 1310 Otto von Wurmlingen (Mone Zeitschr. 16, 382). Ein solcher stund an der Spitze der gesamten Bürgerschaft; ihn ernannten anfangs die Pfalzgrafen, denen er jährlich 12 Pf. Heller zu zahlen hatte; als aber 1335 die Stadt den Pfalzgrafen Götz und Wilhelm ein Anlehen von 3000 Pf. verwilligte und diese ihr dafür ihre Einkünfte in T. auf 9 Jahre verpfändeten, wurde „geordnet und gedingt“, daß die Bürger während dieser Zeit den Schultheißen, sowie den Obervogt (s. u.), selbst wählen und daß die Pfalzgrafen ihm das Amt leihen sollen „ohne alle Gefährde“. Noch ehe aber die 9 Jahre verflossen waren, kam 1342 T. an Württemberg.

Dem Schultheißen zur Seite stunden die Rathsherren und Räthe als städtische Oberbehörde mit dem Stadtschreiber als Aktuar. Sie besorgten die städtischen Angelegenheiten und die Civilgerichtsbarkeit, die peinliche Jurisdiktion aber nur, wenn der Landesherr sie nicht selbst ausübte. Ihnen untergeordnet, meistens aber aus ihrer Mitte gewählt, waren Keller- oder Kastenpfleger, Spitalpfleger oder sonstige Verwalter des städtischen Eigenthums, während Kirchen- und Klostergüter in der Stadt ihren eigenen Pfleger hatten. Später hörte die Stadtschultheißenwürde auf und ging auf den ersten Bürgermeister über, der zweite und dritte Bürgermeister (erst nach dem dreißigjährigen Kriege kam noch ein vierter dazu) waren Stadtrechner und Siegler. Durch das Verwaltungsedikt von 1817 erhielt T. einen Oberbürgermeister, später Stadtschultheiß genannt; an die Stelle der bisherigen rechnenden Bürgermeister und des Stadtschreibers trat der Stadtpfleger und Rathsschreiber, und dem Stadtrath wurde ein kontrolirender Bürgerausschuß zur Seite gestellt.

Als herrschaftlicher Beamter war schon zur pfalzgräflichen Zeit ein Vogt angestellt, den die Pfalzgrafen gewöhnlich aus der Zahl ihrer Lehens- und Dienstleute wählten. Mit der Erwerbung der Stadt 1342 kam die Ernennung des Vogts an Württemberg, welcher allhier, wie in andern ansehnlichen Städten des Landes, aus dem Adel genommen und gegen Ende des 15. Jahrhunderts zum Obervogt erhoben wurde. Die ältesten bekannten Vögte sind: Friedrich Herter von Dußlingen 1344, Anselm von Hailfingen 1378, Werner von Rosenfeld 1389–97, Berthold von Sachsenheim 1418.

| Nach der Errichtung des Collegium illustre wurde dieses Amt gewöhnlich mit dem Ephorus desselben vereint und meistens fungirte der Obervogt auch als Oberrichter beim Hofgericht; 1755 aber hörten die Obervogteien überhaupt auf; der letzte hiesige war Sylvius Friedrich von Franckenberg. – Bei der Gründung der Universität wurde auch festgesetzt, daß der Untervogt „ein litteratus sein sollte“. Diese Stelle dauerte bis 1759. Wie im Lande überhaupt wurden 1759 Oberamtleute bestellt.

Schon im 15. Jahrhundert erhielt T. den Titel der zweiten Haupt- und Residenzstadt; nach der Erbauung Ludwigsburgs aber wurde sie zur dritten gemacht. Nachdem dieser Titel aufgehört hatte, erhielt T. 1811 das Prädikat einer „guten Stadt“.

Eine Münzstätte ist allhier schon von den Pfalzgrafen von T. errichtet worden, wenn man gleich von den bisher bekannten Münzen keine mit Sicherheit hieher weisen kann.[12] Graf Eberhard von Württemberg im Bart ließ 1472 ff. allhie münzen (Binder 40, 43); wegen der für die Universität in der Nähe der St. Georgenkirche nöthigen Neubauten ließ er die Münze von ihrer ursprünglichen Stelle, wo sie der Münzgasse den seither gebliebenen Namen gab, an das Hirschauer Thor (ins jetzige Oberamtsgericht) verlegen. (Eifert 82). Auch in der Kipper- und Wipperzeit des Jahres 1622 wurde allhier geprägt (Binder 98. 416).
Die Stadt führte von jeher das pfalzgräfliche Wappen, eine rothe Kirchenfahne mit 3 unten durch Fransen verzierten Lappen (einem längeren zwischen zwei kürzeren) und 3 Ringen oben, im goldenen Feld; so schon in dem dreieckigen Siegel (Sigillum. civium. de. Tuwingen), das an der Urkunde vom 13. December 1311 hängt. Dieses Siegel wurde noch an den Freiheitsbrief der Universität vom 9. Oktober 1477 gehängt.

| Weil aber die Tübinger beim Aufruhr des armen Konrads sich so treu erwiesen hatten, ertheilte Herzog Ulrich der Stadt den 18. August 1514 einen Gnadenbrief und bestimmte, daß künftig in ihrem Wappen über der rothen Fahne im goldenen Feld stehen sollten zwei Arme über einander geschränkt mit Hirschhörnern in den Händen, wie es in dem Fähnlein zu sehen, welches er der städtischen Mannschaft für den Heimweg schenkte, damit ihre Nachkommen in Erinnerung hievon in die Fußstapfen ihrer Voreltern treten möchten. Noch im nämlichen Jahr stach man auch ein neues Siegel, worin über dem spanischen Schild mit der Fahne die oben beschriebenen Arme zu sehen sind, zwischen denen die Jahrszahl 1514 steht. Inschrift auf einem mehrfach geschlungenen Bande: S. Civium. de. Tuwingen. Das neuere noch jetzt zum Gebrauch dienende runde Siegel ist kleiner und hat die Umschrift: Sigilium. Civium. de. Tubinga.

Was endlich die Überreste aus grauer Vorzeit betrifft, so liegt außer Zweifel, daß die Römer, welche in dem nahen Rottenburg ihre Hauptstadt des römischen Zehentlandes Samulocenis gegründet und sich überhaupt in der ganzen Umgegend so vielfältig angesiedelt hatten, den in militärischer Beziehung überaus günstigen Punkt beim Schloß Hohen-Tübingen nicht unbenützt ließen. Hier auf dem schmalen Bergrücken, der gleichsam den Schlüssel einerseits durch das Neckarthal nach Samulocenis, andererseits durch das Ammerthal zu dem von den Römern so sehr bevölkerten Gäu bildete, war eine Befestigung nothwendig geboten; die Vermuthung, daß die Burggräben beim Schloß, wie auch der Graben, durch den später der Ammerkanal geführt wurde, theilweise ein Werk der Römer seien, ist daher keine zu gewagte. Übrigens abgesehen hievon, zeugen die in Tübingen zusammen laufenden Römerstraßen, wie auch der daselbst aufgefundene römische Denkstein entschieden für eine hier gestandene befestigte römische Niederlassung (s. hier. den Abschnitt Alterthümer).

Aus altgermanischer Zeit haben sich noch Grabhügel auf dem Ammerberg (Spitzberg) und im Tübinger Stadtwald erhalten.

Auf einem Vorsprung des Ammerbergs gegen das Neckarthal| stand die längst abgegangene Ödenburg, ein Vorwerk der alten Pfalz. Bereits verfallen wurde sie im Jahr 1291 durch die Grafen Götz und Eberhard von Tübingen wieder aufgebaut (Sindelfinger Chronik). Aber bereits im Jahr 1310 war sie wieder in Abgang gekommen (desertum castrum vulgo Oedenburg 1310 bei Schmid Pfalzgr. 259). Heut zu Tag sind nur noch die ehemaligen Burggräben erkenntlich. Auch auf der rechten Seite des Neckars soll auf einem Bergvorsprung, bei der Burgsteig, eine Burg gestanden sein.

Von abgegangenen Orten nennen wir: den obern und untern Herbstenhof (so genannt nach Barth. Herbst, welcher diese Anlage machte und auf ihr 1589 starb), die auf der Waldhauser Höhe lagen; sie waren Eigenthum der Stadt und bestanden noch Anfangs des vorigen Jahrhunderts.

Aus der Geschichte des Kirchenwesens heben wir Folgendes hervor:

Im Jahr 1191 tritt ein hiesiger Pfarrer, Albert, in die Geschichte ein (Wirt. Urk. Buch 2, 271. Schmid Pfalzgr. 103, 54). Hiesiger Kirchrektor war 1283 u. ff. Konrad von Gundelfingen (Mone Zeitschr. 3, 432).

Mit einer Kapelle wurde das hiesige Schloß wohl bei dessen frühestem Aufbau versehen. Die erste erhaltene Erwähnung derselben fällt ins Jahr 1188, als ante capellam Twingen der Graf Burkhard von Hohenberg die Bewidmung des Klosters Bebenhausen durch den Pfalzgrafen Rudolf von Tübingen hundert Rittern verkündigte (Wirt. Urk. Buch 2, 255). Nachdem sie eine bloße Kaplanei gewesen war, stellte 1481 Graf Eberhard im Bart dem Pabst Sixtus IV. vor, es sei ihm und seinen Hofleuten gar zu beschwerlich und Nachts auch gefährlich, in die Stiftskirche hinunter zu gehen. Daher wünsche er, daß die Schloßkapelle zur Pfarrkirche St. Johanns und St. Pauls erhoben werde; zur Besoldung des Pfarrers könne man die Einkünfte der Kirche auf dem St. Floriansberge bei Metzingen verwenden, da dieselbe neuerer Zeit eingegangen und ohne Pfarrkinder sei. Der Pabst gewährte die Bitte. Da das damalige Stift der Brüder des gemeinsamen Lebens zu Urach die Pfarrkollation der Florianskirche gehabt hatte, erhielt es die Schloßkirche inkorporirt und wählte den Stiftsbruder Wendel Steinbach zum Pfarrer (1482), welcher die Seelsorge der Besatzung und der Einwohner im Schlosse wie im Zwinger erhielt. Die Kirche bekam Taufstein und Begräbnißrecht und wurde durch Eberhard von Steuer, Boden, Schatzung etc. gefreit. Die Pfarrwohnung war im hintern Theil des Schlosses zwischen| Graben und Marstall (Steinhofer 3, 357). Aber bereits im Jahr 1516 wurde durch Herzog Ulrich nach päbstlichem Gutheißen – mit dem Eingehen der Bruderhäuser in Württemberg überhaupt – auch deren hiesige Kirche wieder aufgehoben (Sattler, Herzoge 1. Beilage Nr. 93).

An der St. Georgenkirche bestunden zwölf Altäre, an deren jedem ein Kaplan diente; ein Altar zu Allen Heiligen und der heil. Jungfrau Maria wurde z. B. 1347 durch Adelheid, genannt Reinhartin, gestiftet (St. A.), einer zu Ehren der Heiligen Sebastian, Antonius, Katharina und Barbara und ein zweiter zu den Heiligen Gebhard, Nikolaus, Wendelin und Ottilia, beide letztere 1469 durch eine hiesige Bürgerin Namens Lagerin (Sattler Topogr. 278). Nachdem als Vorbereitung für die Universität schon 1475 ein Theil des St. Martinsstifts von Sindelfingen nach Tübingen verlegt worden war, wurde obige Kirche 1477 mit der Gründung der Universität zum Stift erhoben, bekam einen Probst und acht Chorherren. Das Patronat wurde 1294 von dem Pfalzgrafen Eberhard von Tübingen an das Kloster Bebenhausen verkauft, welches mit Erlaubniß P. Johannes XXII. vom 27. Oct. 1325 die Kirche im Jahr 1326 inkorporirt erhielt (Mone Zeitschr. 20, 228). Durch die Reformation kam es mit dem genannten Kloster an Württemberg.

Die Jakobskirche wird erwähnt im Jahr 1337, als der Constanzer Bischof Nikolaus mit Beistimmung des Abts von Bebenhausen ihre Bewidmung bestätigte und die Tübinger Pfalzgrafen Gottfried und Wilhelm dorthin geschenkte Güter freiten. Im Jahr 1393 wurde sie mit Einkünften aus Gütern in Nehren und in Weil dem Dorf beschenkt (Sattler Topogr. 281).

Vor der Reformation bestunden hier mehrere Klöster.

In ersten Betracht kommt das Augustiner Eremitenkloster (jetziges evangelisches Seminar). Am 13. Januar 1262 erlaubten Richter und gesamte Bürgerschaft dem genannten, nicht lange vorher gestifteten Orden innerhalb der Stadtmauern ein Kloster zu bauen, freiten dasselbe – Personen und Besitzungen – von aller weltlichen Obrigkeit, allen Steuern und Abgaben und nahmen es in städtischen Schutz. Die Pfalzgrafen gaben ihre Einwilligung zu der Handlung, bei welcher die Stadt immerhin in einiger Selbstständigkeit auftritt. Als im Jahr 1304 die Weltgeistlichen des Constanzer Sprengels nicht leiden wollten, daß die Augustiner Eremiten Beichte hören und begraben sollten, so erklärte der Bischof, sie dürften Ordensleute, welche ebenso musterhaft in ihrem Wandel, als verdient um die Gelehrsamkeit| seien, in ihren Verrichtungen nicht irren; sie sollten ihnen vielmehr freundlich entgegenkommen; Pabst Bonifacius VIII. aber ertheilte im nämlichen Jahr dem Kloster das Recht, jedem, der es wünschte, eine Grabstätte bei sich zu gestatten, mit alleiniger Ausnahme der Exkommunizirten; somit erhielten die Mönche noch reichere Gaben als zuvor. Im Jahr 1464 begann der Neubau des Klosters, stockte jedoch bald wieder wegen gehäufter Schulden. Hemmend wirkten auch die Streitigkeiten des Klosters mit dem Grafen Eberhard von Württemberg, welcher deßhalb 1478 bereits mit dem Pabst übereingekommen war, diese Augustiner auf dem Böselsberg bei Vaihingen a. d. E. unterzubringen und im Jahr 1480 daran dachte, sie nach Kloster Offenhausen zu versetzen, wogegen er gelehrte Predigermönche nach Tübingen verpflanzen wollte. Ihr Prior, Ulrich Pfäulin, welcher 1477 – einer der ersten – auf der Universität inscribirte, wußte den Unwillen des Grafen zu beschwichtigen, und hielt selbst um eine Reformation des Klosters an, worauf 1483 die regulirte Observanz darin eingeführt und deren Beobachtung streng befohlen wurde. So erlangten die Mönche die Gunst des Grafen wieder; von ihm und von verschiedenen Bürgern Tübingens unterstützt, vermochten sie den Neubau ihres „vor Alter dem Umsturz drohenden“ Klosters zu vollenden. In dem neuen, nach Abreißung des alten erbauten Gebäude sollte auch der theologische und juridische Hörsaal angebracht werden; aber nur der theologische kam hinein, wofür die Universität zum Bau 40 fl. beisteuerte. (Die weitere Baugeschichte s. oben S. 227.)

Auch Herzog Ulrich, in dessen erster Zeit Luthers treuer Freund, Joh. Staupiz, hier Prior war, hielt die regulirte Observanz im Kloster aufrecht. Als die Mönche mit dem Ordensprovinzial, der zu den nicht regulirten Augustinern gehörte, in Streit geriethen, weil sie ihm die Jurisdiktion über ihr Kloster und das Visitationsrecht absprachen, nahm Ulrich sich der Mönche an und brachte 1512 einen Vergleich zu Stande, nach welchem diese zwar dem Provinzial gehorsam zu sein versprachen, aber nur in so weit, als er nichts von ihnen fordere, was der regulirten Observanz zuwider sei. Während der österreichischen Regierung in Württemberg aber brachen Unordnungen im Kloster aus, der Gottesdienst wurde sehr vernachlässigt und der Stadtrath klagte bei der Regierung über den ärgerlichen Wandel der Mönche. Als jedoch 1532 der Abt von Hirschau den Plan hatte, die aus Schönrein vertriebenen Benediktiner nach Tübingen an die Stelle der Augustiner zu bringen, erklärte der Rath:| das Thun und Lassen der Augustiner diene freilich mehr zum Ärgerniß als zur Besserung; man habe sich auch mehrmals darüber beschwert und sie seien selbst Schuld daran, daß sie auf dem Lande so wenig Almosen bekommen und daß niemand in’s Kloster wolle. Dem würde aber abgeholfen sein, sobald sie sich entschlößen, sich schicklich und gehorsam, wie frommen Ordensleuten gebührt, zu halten, und die Stadt würde dann zu ihrem Emporkommen alles ihr mögliche beitragen. Wenn die Lutherei und das elende Wesen im heiligen Glauben, wie sie hofften, zur Besserung gebracht werde, so zweifeln sie auch nicht, das Augustinerkloster werde von Tag zu Tag zunehmen und wieder in den alten Stand kommen. – Bei der Reformation wurde das Kloster aufgehoben, doch blieben noch einige Mönche darin; erst 1547 wurden die drei letzten in den Spital gebracht. Denn Herzog Ulrich, welchen die Universität 1540 vergeblich um Überlassung des Klostergebäudes gebeten hatte, beschloß 1547 es den Stipendiaten zur Wohnung anzuweisen, welche sie nach baulicher Herrichtung im Jahr 1548 bezogen.

Das hiesige Franciskanerkloster (Schmid Pfalzgr. Urk. 210 ff.), an der Stelle des jetzigen Wilhelmsstiftes, soll 1272 gestiftet worden sein. – Ein Guardian erscheint in einer Urkunde vom 21. Juli 1293. Sein ausgezeichnetster Nachfolger war Paul Scriptoris, um die Universität bei deren erstem Aufblühen durch tüchtige Vorlesungen verdient († 1504 zu Kaisersberg). Der berühmte Geograph, Mathematiker und Orientalist Seb. Münster war 1515 hiesiger Conventual (Zeller 141).

Reformirt wurde das Kloster 1446 auf Begehren des Grafen Ludwig von Württemberg und seiner Gemahlin Mechthild (Schmid a. a. O. 213) und schloß sich der Regel der Observanten seines Ordens an; gleichwohl blieb der Lebenswandel der Mönche nicht ohne Ärgerniß. Das Gebäude wurde 1476 durch Brand zerstört; wieder aufgebaut ging es 1540, soweit es nicht von Stein war, abermals in Brand auf. Die im Jahr 1587 noch stehenden Theile ließ Herzog Ludwig behufs der Errichtung des Collegium illustre abbrechen (s. oben).

Das hiesige St. Ursula-Nonnenkloster der dritten Regel des h. Franziscus wurde gegen 1333 gestiftet; in diesem Jahr nahmen die Pfalzgrafen Götz und Wilhelm von Tübingen dasselbe in ihren Schirm und befreiten es von allen Diensten. Es stund auf einem zum Blaubeurer Hofe (s. u.) gehörigen Platze, ziemlich entfernt vom eigentlichen Hofe und heißt noch heutzutage das Nonnenhaus (Eifert 43). Sein Kirchlein, der h. Ursula geweiht, von einem kleinen Kirchhof| umgeben, war ein wenig entfernt in der Richtung gegen das Lustnauer Thor und den Bebenhauser Hof. Graf Eberhard im Bart ließ das Kloster durch den Prior Nicolaus von Sindelfingen, dem Augustinerorden gemäß – mit Zustimmung des Bischofs von Constanz – reformiren, freite alle gegenwärtigen und zukünftigen Güter desselben und erlaubte den Nonnen bei der Unzulänglichkeit ihres Einkommens für sich selbst und andere Leuten zu arbeiten, was ihnen nutz sei, ohne Jemands Irrung und Eintrag (1479). Die Nonnen aber klagten über allzugroße Nähe weltlicher Nachbarschaft und baten um Übersiedlung in das Kloster Owen, wo sie auch wirklich nach erhaltener Erlaubniß am 17. Aug. 1492 einzogen. In ihrer Kirche wurde noch einige Zeit Gottesdienst gehalten.

Zwischen dem Spital und der Jakobskirche, linker Hand, wenn man über die „krumme Brücke“ zum Schmidthor geht, lag die Klause oder das Beginnenhaus. Später scheinen jedoch die Beginnen ihre Wohnung auf die andere Seite der Ammer verlegt zu haben, wo ein alterthümliches Haus, welches hinten an die Judengasse stoßt, noch jetzt als Klause gilt. Ihre Wohnung schenkte Herzog Ludwig 1576 seinem Burgvogt Hans Hermann v. Ochsenbach (Sattler Top. 281).

Während der österreichischen Regierung wurde der Reformation der Eingang in Württemberg strengstens verwehrt und deßhalb sogar der Verkehr Tübingens mit Reutlingen gesperrt. Ein Tübinger Kaplan, welcher geheirathet und ein Kind in deutscher Sprache getauft hatte, wurde, weil er sich weigerte seinen Irrthum abzuschwören, am 2. Juni 1525 mit dem Strange hingerichtet, und 2 Jünglinge und 5 Jungfrauen, welche sich zur Lehre der Wiedertäufer bekannten, wurden 1530 öffentlich auf dem Markte verbrannt. Nachdem jedoch Herzog Ulrich sein Erbfürstenthum wieder gewonnen hatte (1534), traf er sogleich Anstalten zur Einführung der Reformation in der Stadt wie im Amt Tübingen. Ambrosius Blaurer, welcher im Oberland reformirte, rief am 2. Sept. 1534 die Geistlichen der Stadt zusammen und erklärte ihnen, es sei des Herzogs Fürnehmen, Gott zu Lob und Dankbarkeit das heilige Gotteswort aufzurichten und in seinem Lande zu pflanzen und zu handhaben. Wer von der Messe, den Ceremonien der Kirche etc. abstehe und das heilige Gotteswort predige, werde an dem Herzog einen gnädigen Herrn haben; wenn es aber Einer nicht thue, werde der Herzog des Hirten wegen die Schäflein nicht verderben lassen. Die Geistlichen baten um Bedenkzeit, die Angehörigen der Universität erklärten, wissenschaftlich| überwiesen werden zu wollen. Beides wurde gewährt. Am 28. Sept. wurden dann auch die Geistlichen des Amtes berufen, denen Blaurer in Gegenwart des Obervogts den gleichen Vortrag hielt. Von neunzehn erklärten sich sogleich sieben für die Reformation; die übrigen zwölf, welche ihr beizutreten sich weigerten, wurden ihrer Dienste entsetzt, die altersschwachen jedoch mit Unterhalt auf Lebenszeit bedacht. Ihre Stelle besetzte man mit Andern, zum Theil mit Fremden, welche aber anfangs nicht überall ohne Widerstand aufgenommen wurden. Am 2. Sept. hielt Blaurer in der Stiftskirche die erste evangelische Predigt, den 7. März 1535 wurde die Messe abgeschafft und am 21. d. Mts., am Palmsonntag, unter großer Theilnahme der Gemeinde das Abendmahl zum ersten Mal unter beiderlei Gestalt ausgetheilt. Blaurer und der Professor Käuffelin predigten anfangs allein, später unterstützte sie der 1535 zum Stadtpfarrer ernannte Phrygio. Das Vermögen und die Einkünfte der Klöster zog der Herzog ein. Im Jahr 1537 begann man am Aschermittwoch Fleisch zu essen.

Im Jahr 1548 mußte auch zu T. das Interim eingeführt werden. Mit ihm kehrten die Messe und die katholischen Geistlichen zurück; Erhard Schnepf, welcher auf Phrygio als Stadtpfarrer 1544 gefolgt war, hielt am nämlichen Tage, wo man wieder die erste große Messe feierte (den 14. Nov. 1548), unter großem Wehklagen der Gemeinde seine Abschiedspredigt und reiste unter zahlreichem trauerndem Geleite ab. Käuffelin bequemte sich wieder Messe zu lesen. Der damals noch sehr junge Catechet, Jak. Andreä, predigte evangelisch zuerst in der Siechenkapelle im Gutleuthaus, dann in einer Stube in der Stadt, später in der Spitalkirche. Im Jahr 1550 wurde im Schiff der Stiftskirche wieder evangelischer Gottesdienst gehalten, im Chor aber Messe gelesen, bis letztere durch ein herzogl. Dekret vom 30. Juni 1552 ganz abgeschafft wurde.

Die Stelle eines Stiftsprobstes, welcher bis spät herab zugleich Kanzler war, wurde erst 1561 nach dem Tode des Dr. Ambrosius Widmann durch einen Evangelischen, Dr. Jakob Beurlin, besetzt und ebenso im nämlichen Jahre nach dem Absterben des letzten katholischen Dekans das Dekanat. Seit 1590 wechselten die Professoren der Theologie mit den Morgenpredigten an Sonn- und Feiertagen ab. In der Folgezeit waren die Stellen des Probstes, Dekans und Stadtpfarrers beständig mit den drei ersten ordentlichen theologischen Lehrstellen verbunden, 1660 wurde auch die Stelle eines Abendpredigers| errichtet und dem vierten Lehrer der Theologie übertragen (vergl. Binder 376. Weiteres s. oben S. 255).

Die Ehebücher wurden 1553, die Taufbücher 1558, die Todtenbücher 1596 eingeführt. Die Katechisationen der Kinder, welche zu diesem Zweck in 6 Rotten eingetheilt wurden, begannen 1576.

Eine katholische Stadtpfarrei wurde 1806 gegründet und zum katholischen Gottesdienst die Spitalkirche provisorisch und in Gemeinschaft mit den Evangelischen eingeräumt. Im Jahr 1807 wurde die von dem Fürsten von Taxis 1803 auf dem Ammerhof errichtete katholische Pfarrei mit dieser Stadtpfarrei verbunden. Erst 1817, als die katholisch-theologische Lehranstalt von Ellwangen nach Tübingen verlegt wurde, begann man den Bau einer eigenen katholischen Kirche, und um für sie Raum zu gewinnen, wurde das alte Ballhaus abgebrochen. Der Direktor des Wilhelmsstiftes ist zugleich Stadtpfarrer.

Eine gelehrte Schule, worin Grammatik, Logik und Philosophie gelehrt wurde, besaß T. schon im 14. Jahrhundert (1377 Crusius Ann. Suev. 3, 291). Zur Erlernung der Vorbereitungswissenschaften für die Universität verband Graf Eberhard im Bart ein Pädagogium mit dieser Anstalt (Bök 24); solches dauerte bis in die Zeit des dreißigjährigen Krieges.

Daneben bestund die städtische Schule, welcher ihre Lage auf dem Österberg den Namen anatolische Schule schuf. In der Ordination des Herzogs Ulrich vom 30. Januar 1535 heißt es: drei Schulen sollen gehalten werden, die erste Trivialis zum Unterricht in dem Lateinischlesen, Schreiben, Dekliniren, Conjugiren, den Principien der Grammatik und sonderlich in der Musik; die andere soll sein das Pädagogium, die dritte die Akademie oder hohe Schule (Reyscher 11, b. 7). Die erste kam nach dem Aufhören des Pädagogiums mehr empor. Im Jahr 1811 wurde das Gebäude neu hergestellt und 1818 die Schule zu einem Lyceum erhoben; aus letzterem Anlaß wurde eine fünfte, obere Klasse für Schüler von 15 und 16 Jahren errichtet und mit dieser Anstalt ein Präceptoranden-Institut verbunden. (Über die Lokalität dieses jetzigen Gymnasiums siehe oben S. 234.)

Die 1822 errichtete Realschule (s. oben) war anfangs dem Lyceum untergeordnet. Erst seit 1842 steht sie unabhängig von demselben unter einem eigenen Oberreallehrer.

Eine deutsche Schule erhielt Tübingen erst nach der Reformation und 1589 wurde eine eigene Mädchenschule errichtet.

| Von der berühmtesten hiesigen Anstalt, der Universität, sind folgendes einige geschichtliche Hauptpunkte.[13] Als Graf Eberhard im Bart den Entschluß gefaßt hatte, eine Universität zu errichten, konnte er eigentlich nur zwischen den zwei bedeutendsten Städten seines Landestheiles wählen, Urach und Tübingen. Offenbar war letztere als die größere, am Zusammenstoß von drei Thälern günstig gelegene Stadt viel geeigneter, als das auf allen Seiten von hohen Bergen umschlossene, keiner weiteren Ausdehnung fähige Urach. Nachdem die nöthigen Vorbereitungen gemacht, namentlich die Genehmigung des Pabstes eingeholt und durch Sixtus IV. in einer päbstlichen Bulle vom 13. Novbr. 1476 gewährt worden war, erfolgte die Stiftung der Universität als einer universitas studii generalis kraft einer Urkunde vom 3. Juli 1477; am 14. September schrieben sich der Probst von Sindelfingen, Johann Degen, als erster Kanzler der Universität, dessen Amt durch den Pabst alle Rechte des Archidiakonus auf der Universität Bologna erhielt, und der Leibarzt des Grafen Eberhard, Lucas Spechzart, mit einigen Räthen und Hofleuten des Grafen in die Matrikel ein, am 1. Oktober wurden die Vorlesungen eröffnet und am 9. die erste Senatssitzung gehalten, der landesherrliche Freiheitsbrief übergeben und die ersten Statuten vorgelegt. Für die Einrichtungen diente im allgemeinen zum Muster die Universität zu Paris. Der Freiheitsbrief erklärte die Universität für eine bevorrechtete Korporation. Ihre Mitglieder sollten unter dem besonderen Schutze des Landesherrn stehen, und die Vergewaltigung derselben mit 100 fl. Strafgeld geahndet werden. Die kaiserliche Bestätigung des Freiheitsbriefes und der Stiftung erfolgte erst am 20. Febr. 1484 durch eine Urkunde Kaiser Friedrichs III., welche der Universität die Befugniß gab, alle Reichsgesetze zu lehren und die Grade in der Wissenschaft zu verleihen. Die finanzielle Ausstattung der Universität war schon durch die päbstliche Bulle vom 13. Nov. 1476 besorgt, welche das St. Martinsstift zu Sindelfingen mit seinem Probst und mit acht Chorherrenstellen nach Tübingen verlegte und auf die St. Georgenkirche übertrug, auch die Einkünfte der Pfarreien Brackenheim, Stetten am Heuchelberg, Asch, Ringingen und Ehningen unter Achalm der Universität verlieh, mit der Verpflichtung, diese Pfarreien durch Vikare versehen zu lassen. Alle diese Einkünfte betrugen keine sehr hohe Summe, die sich aber jetzt nicht mehr genau ermitteln läßt. Die Besoldungen der Professoren waren aber auch nicht glänzend. Sie hatten freie Wohnung im Kollegienhause und durften nicht heirathen. Die Neubesetzung erledigter Lehrstühle| erfolgte durch den akademischen Senat, d. h. die Gesamtheit der ordentlichen Professoren; der Landesfürst hatte nach erfolgter Wahl die Rechte und Ansprüche der Regierung zu wahren. Für die Unterkunft der Studirenden war durch zwei Kollegienhäuser gesorgt, in welchen sie gegen ein geringes Eintrittsgeld Wohnung, Kost und Studienleitung bekamen; es war ein großes Haus am Neckar, Bursa genannt, in welchem die beiden Anstalten unter einem Dach vereinigt waren. Um die Kost hier zu einem ermäßigten Preise reichen zu können, wurden von der Universität und dem herrschaftlichen Fruchtkasten je 100 Scheffel Dinkel geliefert. Dieß war das einzige gemeinsame Universitätsinstitut; Bibliothek, Anatomie, Laboratorium, Krankenhaus gab es noch nicht.

Obgleich die Stiftung der Universität Tübingen in die Zeit des Wiederauflebens der klassischen Studien fällt, so finden wir doch die Anfänge der neuen Anstalt wenig davon berührt. Die angestellten Lehrer gehörten beinahe alle der alten Richtung an; nur unter den Juristen wird ein Mann von hervorragender Bildung genannt, Johannes Vergenhans (Nauclerus), Lehrer des geistlichen Rechts, der erste Rektor der Universität, der zweite Kanzler, der Vertrauensmann und Berather des Grafen Eberhard im Bart. Derselbe hat sich freilich als Jurist keinen Namen gemacht, wohl aber durch seine Weltchronik, die sich zwar nicht über andere kompilatorische Werke jener Zeit erhebt, aber eine Fundgrube vieler guten Nachrichten über schwäbische Geschichte ist. Unter den Medicinern macht sich ein Johannes Widmann, Möchinger von seinem Geburtsort Maichingen zugenannt, bemerklich, der 1484 als Professor nach Tübingen berufen wurde und mit vielem Beifall lehrte. Unter den Artisten wird Paul Scriptoris wegen seines Unterrichts in der Mathematik und seiner Vorlesungen über Duns Skotus gerühmt, auch soll derselbe durch seine freieren Ansichten in der Theologie Anstoß erregt haben, doch ist er nicht eigentlich zu den Vorläufern der Reformation zu rechnen. Der erste Vertreter der humanistischen Richtung war Heinrich Bebel; er wurde 1497 als Lehrer der Beredtsamkeit und Poesie in der Artistenfakultät angestellt und erwarb sich Verdienste um die Wiedererweckung klassischer Literatur und Reinigung des Geschmacks. Ein sehr berühmter Professor der Mathematik war Joh. Stöffler, 1511 berufen. Die kurze Wirksamkeit Melanchthons in Tübingen, von 1514 bis 1518, zeigte nur, welch ungünstiger Boden damals hier für die humanistischen Studien war. Man war froh, daß der gefährliche Neuerer dem Ruf nach Wittenberg folgte, und machte keinen Versuch,| weder ihn zu halten, noch für den von ihm eingeführten Unterricht im Griechischen einen anderen Lehrer zu gewinnen. Erst vier Jahre später berief die österreichische Regierung den berühmten Johannes Reuchlin, der aber, bereits alt und kränklich, der Universität wenig mehr nützte und, ohne sein Lehramt wirklich angetreten zu haben, starb.

Die Reformation, welche 1534 auf Befehl Herzog Ulrichs eingeführt wurde, fand zunächst keinen großen Anklang. Der größte Theil der Professoren bestand aus Anhängern des alten Systems, welche sich widerstrebend der Neuerung fügten oder entlassen wurden. Die theologische Fakultät mußte ganz neu geschaffen werden, aber eben damit wollte es nicht gelingen. Der herzogliche Regierungskommissär Ambrosius Blaurer war kein gelehrter Theologe, welcher Autorität hätte üben können, und es fehlte an einem Haupte, dessen Ansehen sich die neu Angestellten gefügt hätten, und das den Vertretern der neuen Lehre eine Bürgschaft gegeben hätte. Wiederholte Versuche, Melanchthon zu gewinnen und ihn zu bewegen, nur auf einige Jahre nach Tübingen zu kommen, schlugen fehl. Der Lutheraner Joh. Brenz, der 1537 berufen wurde, machte sich eifrig an’s Werk der Neugestaltung der Universität, aber fand so viele Schwierigkeiten, daß er nach Ablauf eines Jahres Tübingen wieder verließ. Mit etwas besserem Erfolg versuchte es der erste Generalsuperintendent für Württemberg, Erhard Schnepf, der die Reformation im württembergischen Unterlande durchgeführt hatte, und 1544 die erste theologische Professur in Tübingen übernahm, aber 1548 durch das Interim vertrieben wurde. In anderen Fakultäten hatte die Universität mehr Glück; so gelang es 1535, den Juristen Johann Sichard zu berufen, und in demselben Jahre den Mediciner Leonhard Fuchs, einen der bedeutendsten Männer seines Faches in jener Zeit, dessen anatomische und botanische Werke Epoche machten.

So wenig auch Anfangs die Reform der Universität im Geiste der neuen Theologie gelingen wollte, so wurde doch die Reformation Veranlassung zu Gründung eines Instituts, das auf mehrere Jahrhunderte Tübingen sein eigenthümliches Gepräge verliehen hat. Es ist dieß das evangelische Seminar, gewöhnlich Stift genannt, das 1536 nach dem Muster einer ähnlichen Anstalt in Marburg gegründet wurde. Die dürftigen Anfänge ließen seine weittragende Bedeutung nicht ahnen; aber als es später durch Herzog Christoph reichlich fundirt, durch vorbereitende Klosterschulen unterstützt, 1557 auf 100 Zöglinge erweitert war, nahm die Anstalt einen glänzenden| Aufschwung und wurde die Bildungsstätte zahlreicher tüchtiger Geistlichen und Lehrer und mancher berühmten Vertreter theologischer und philosophischer Wissenschaft.[14]

In Folge der Reformation gewann die Universität eine namhafte Vermehrung ihrer Einkünfte. Die Pfründen mehrerer Pfarreien wurden ihr 1536 zugewiesen, und ihre Einnahmen steigerten sich etwa auf das Fünffache, kamen aber keineswegs ganz den Universitätszwecken zu gut, da mehr als ein Drittheil durch Verwaltungskosten und die auf den Gütern haftenden Lasten verschlungen wurden.

Die theologische Fakultät, deren Gedeihen unmittelbar nach Einführung der Reformation so zweifelhaft schien, wurde schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine gewichtige Vertreterin, ja Vorkämpferin protestantischer Orthodoxie. Ihr gehörte jener Jakob Andreä, der Vater der Concordienformel, an, der im Tübinger Seminar gebildet, schon als junger Geistlicher bei Religionsgesprächen eine wichtige Rolle spielte und 1562–1590 Kanzler der Universität war. Ihm stand ein anderer Württemberger, Jakob Heerbrand, zur Seite, der zuerst die neue protestantische Dogmatik in ein wissenschaftliches System brachte und ein Lehrbuch schrieb, nach welchem auf den meisten protestantischen Universitäten gelesen wurde, und das von einem anderen Tübinger Professor, Martin Crusius, in’s Griechische übersetzt, sogar seinen Weg in den Orient fand. Martin Crusius war von 1559–1607 eine der Berühmtheiten Tübingens. In Kenntniß der griechischen Sprache einer der Ersten seiner Zeit, hatte er in seinen Vorlesungen über Homer solchen Zulauf, daß keiner der damaligen Hörsäle die Zahl seiner Zuhörer fassen konnte. Sein Ruf zog auch viele Ausländer herbei, manche gelehrte Griechen kamen nach Tübingen, um ihn kennen zu lernen und ihm Schätze griechischer Literatur mitzutheilen. Von seinem Fleiß und seiner Belesenheit geben seine reichhaltigen Tagebücher und Excerpte, die noch| auf der Tübinger Universitätsbibliothek aufbewahrt werden, staunenswerthes Zeugniß, und seine Annales Suevici sind eine vielbenützte Fundgrube für die Geschichte. Nicht minder berühmt war sein jüngerer, ihm geistig überlegener Fachgenosse Nikodemus Frischlin, dessen Andenken uns D. F. Strauß durch eine treffliche Biographie aufgefrischt hat. Frischlin lehrte von 1568–82, und fand 1590, nach unruhigem Wanderleben und vielen Kämpfen auf Hohenurach gefangen gesetzt, durch einen unglücklichen Fluchtversuch seinen frühen Tod. In derselben Zeit wirkte auch einer der ersten Anhänger des kopernikanischen Systems, Michael Mästlin, als Professor der Mathematik und Astronomie. Einer seiner zahlreichen Schüler war der später so berühmt gewordene Johannes Kepler, der in den Jahren 1589–93 als Zögling des evangelischen Seminars in Tübingen studirte, und fortwährend mit seinem ehemaligen Lehrer in freundschaftlichem Verkehre blieb. Das evangelische Seminar gewann um jene Zeit immer weitere Ausdehnung; da die bisher festgesetzte Zahl von 100 Zöglingen für den württembergischen Kirchendienst nicht mehr ausreichen wollte, wurde sie auf 150 erhöht, und auch für 10 Mömpelgarder Studenten der Theologie, die mit den Württembergern zusammen wohnen sollten, wurde eine weitere Stiftung gemacht. Diese Vermehrung der Zöglinge machte eine Vergrößerung des Augustinerklosters nöthig, in welchem das Seminar seit 1548 seine Unterkunft gefunden hatte. Die Studienleitung des Seminars wurde durch sechs ältere Zöglinge, welche ihren Kursus absolvirt hatten und unter dem Titel Repetenten in bevorzugter Stellung Kost und Wohnung im Seminar hatten, besorgt; außer diesen hatten vier andere Magister „so gute Ingenia und feine Judicia haben“ das Recht, ihre Studien bis zum Doktorgrad fortzusetzen und so lange im Stipendium zu bleiben, ohne für den Kirchendienst in Anspruch genommen zu werden, was später dahin modificirt wurde, daß für solche die zwei Diakonate in Tübingen und 6 der benachbarten Pfarreien vorbehalten werden sollten, um in der Nähe der Universität die wissenschaftlichen Studien fortsetzen zu können. Die Blüthe des evangelischen Seminars hatte bei Herzog Christoph den Gedanken angeregt, eine ähnliche Anstalt für Staatsdiener zu errichten, in welcher Söhne des Landadels, durch Stipendien unterstützt, zusammen wohnen sollten. Es wurde hiezu das alte Franziskanerkloster in der unteren Stadt zur Verfügung gestellt, unter Herzog Ludwig aber, der den Plan seines Vaters in größerem Stile ausführen wollte, an der Stelle des alten baufälligen Klosters ein neues stattliches Gebäude| errichtet, das 1592 vollendet und feierlich eingeweiht wurde. Aber als Herzog Ludwig bald darauf starb, machte sein Nachfolger aus dem Collegium illustre, wie die neue Anstalt genannt wurde, etwas ganz anderes als von den Gründern beabsichtigt war.[15] Statt einer Pflanzschule für württembergische Staatsdiener wurde das Collegium illustre eine Pensionsanstalt für die Söhne des ausländischen hohen Adels, und Württemberger fanden außer den Söhnen des regierenden Hauses nicht einmal Aufnahme. So wurde denn diese Anstalt, welche eine ähnliche Bedeutung für die württembergische Staatsverwaltung hätte bekommen können, wie das Stift für die Kirche, nur ein ziemlich nutzloser Luxusartikel, der nur in sofern Bedeutung für Tübingen gewann, als die Frequenz einigermaßen gehoben wurde und junge Leute herbeigezogen wurden, die etwas aufgehen ließen, aber wenig studirten. Die Stellung des Kollegiums illustre war der Universität gegenüber sehr unabhängig, es genoß alle Freiheiten und Privilegien derselben, aber stand nicht unter dem Senat und hatte seinen eigenen Rektor, den vom Herzog ernannten Oberhofmeister, der in des Herzogs Namen Jurisdiktion und Verwaltung führte. Die Kollegiaten konnten bei den Universitätslehrern Collegien hören, hatten aber zugleich vier besondere Lehrer für römisches Recht, Lehen- und Staatsrecht, für Politik und Geschichte, und für neuere Sprachen. Dazu waren noch Tanz-, Fecht-, Ball- und Stallmeister angestellt. Mitunter waren die Lehrstellen des Collegium illustre Professoren, die bei der Universität angestellt waren, als Nebenämter aufgetragen, gewöhnlich aber waren besondere Lehrer angestellt und dazu mit Vorliebe Ausländer gewählt, was bei der Universität nicht so häufig vorkam. Eine Erinnerung an das Stift Einsiedel ist, daß alle in dem Collegium Wohnenden, vom Fürsten bis zum Bedienten herab einen langen violetten Rock tragen mußten; nur der Zeug war nach dem Stand der Personen mehr oder weniger kostbar. Im Jahr 1594 wurde das Kollegium damit eröffnet, daß Herzog Friedrich seinen eigenen Sohn Johann Friedrich in dasselbe einführte, und mit ihm traten viele andere vornehme junge Herren ein; die Zahl der Zöglinge oder vielmehr Pensionäre nahm schnell zu; im Jahr 1599 zählte man schon 11 Fürsten und 60 Herren vom Adel, dieß war aber auch die höchste Blüthe. Während des| 30jährigen Krieges mußte die Anstalt theils wegen Mangels an Zöglingen, theils wegen fehlender Geldmittel geschlossen werden, und später nahmen nur hin und wieder einige Fürstensöhne, die nach Tübingen kamen, um hier ihre Studien zu machen, ihre Wohnung im Collegium illustre.

Der dreißigjährige Krieg brachte der Universität manche Bedrängniß; von 1631 an hatte sie beständig durch Einquartirung, Kontributionen und Occupation zu leiden, und da die theologischen Professoren durch fanatische Predigten und Disputationen die Katholiken vielfach provocirten, so waren die kaiserlichen und ligistischen Truppen um so weniger geneigt, die Universität mit Schonung zu behandeln. Eine Zeitlang war sogar der protestantische Bestand der Universität bedroht. Im Jahr 1636 rückten mit dem kaiserlichen Heere auch katholische Geistliche ein, nahmen von der Georgenkirche, der Probst- und Kanzlerstelle Besitz, und gaben sich alle Mühe, die Universität wieder für den alten Glauben zu erobern, wogegen aber die Theologen energischen Widerstand und verdoppelten Glaubenseifer aufboten. Bis 1649 blieb die Kirche in den Händen der Jesuiten. Da die Feinde auch die Güter und Zehenten der Universität in Beschlag genommen hatten, und in Folge davon die Besoldungen nicht ausbezahlt werden konnten, auch durch Abnahme der Frequenz ein bedeutender Ausfall an Kollegiengeldern entstand, so geriethen die durch Einquartirung und Kontributionen beraubten Professoren in bittere Noth; dazu kamen auch noch ansteckende Krankheiten, und es wurden während der Jahre 1634–38 14 Professoren weggerafft. Andere zogen weg, und wieder Andere waren während der allgemeinen Auflösung auch sittlich heruntergekommen. Nach dem Frieden wurden große Anstrengungen zur Wiederherstellung gemacht; namentlich der herzogliche Rath Nic. Myler von Ehrenbach nahm sich der Universität eifrig an, um die ihr geschlagenen Wunden zu heilen, die Einkünfte wieder flüssig zu machen, die erledigten Lehrstellen wieder durch tüchtige Leute zu besetzen, und es gelang ihm auch, für die theologische und juristische Fakultät Männer zu gewinnen, die der Universität neuen Glanz verliehen. Die Theologen hatten es, wie wir schon gesehen, während des Kriegs wenigstens nicht an Eifer für Erhaltung der Orthodoxie fehlen lassen. Da war ein Lucas Osiander, von 1619–1638, ein unduldsamer Polemiker, der sich mit wahrem Genuß in jeden theologischen Streit, der aufkam, stürzte, der den pfälzischen Hofprediger Scultetus wegen leiser Hinneigung zu den niederländischen Reformirten des Atheismus anklagte, und zur| Verfolgung des frommen Johannes Arnd den Anstoß gab; ferner Theodor Thummius, der, ein Virtuos im Disputiren und Verketzern, der Vorkämpfer der Tübinger Fakultät in dem Streit mit der Gießener Universität über die Kenosis und Krypsis war, aber schließlich wegen des Vorwurfs gegen das Haus Habsburg, daß mehrere Mitglieder desselben, welche Verwandte geheirathet hatten, in blutschänderischer Ehe lebten, seine Verketzerungssucht mit Gefangenschaft büßen mußte, die ihm nach zwei Jahren den Tod brachte. Nach dem westphälischen Frieden wurde nun die theologische Fakultät ergänzt und hatte in dem Kanzler Tob. Wagner 1653–1680 und in Joh. Adam Osiander 1660–1697 zwei namhafte Theologen. Beide waren, wie es die Zeitrichtung mit sich brachte, eifrige Polemiker, der Erstere kämpfte gegen Campanella und Vanini, gegen Balth. Beckers Kritik des Gespensterglaubens, gegen die Einigungsversuche zwischen Reformirten und Lutheranern, ja er dehnte seine Polemik sogar auf den Islam aus. Osiander zog durch seine Lehrgabe und Disputirkunst viele Ausländer an und bekämpfte den Bischof Spinola, der seine Agitation für eine Vereinigung der lutheririschen und reformirten Lehren auch in Tübingen versuchte, vom Standpunkt des orthodoxen Lutherthums aus. Gleichzeitig mit Wagner und Osiander lehrte der durch Myler berufene Jurist Wolfgang Adam Lauterbach, 1648 bis 1678, der, obgleich ein Ausländer, aus Schleitz gebürtig, doch bald den praktischen Juristen Württembergs als Hauptautorität galt, und durch die vielen Consilien, die er verfaßte, einen bedeutenden Einfluß auf die württembergische Rechtspflege übte.

Die philosophischen und philologischen Fächer weisen in jener Zeit keinen wissenschaftlich ausgezeichneten Namen auf, sie waren häufig durch Männer vertreten, welche die Probejahre der akademischen Laufbahn leisteten und je nach Erfolg später zu theologischen Würden aufstiegen. Als Professor des Griechischen finden wir gegen Ende des 17. Jahrhunderts jenen Johannes Osiander, der sich als muthiger militärischer und diplomatischer Vertheidiger Tübingens gegen die Franzosen einen Namen machte. Kehren wir zu den Theologen zurück, so finden wir bei denselben eine verknöcherte Orthodoxie, die zwar eine große formale Virtuosität in der Polemik, aber wenig produktive Wissenschaftlichkeit und wenig religiöses Leben zeigte, und die neue lebenskräftige Elemente mit Ängstlichkeit ferne hielt. Charakteristisch in dieser Beziehung ist, daß der berühmte Ausleger der Offenbarung Johannis, Joh. Albr. Bengel, nicht einmal als Professor| der griechischen Sprache Aufnahme finden konnte, weil er in seiner Evangelienharmonie einige kritische Fragen angeregt hatte und deshalb den Tübinger Theologen als gefährlicher Neuerer erschien. Dagegen gelang es einem andern jungen Professor der Theologie, Christoph Matthäus Pfaff, der auf mehrjährigen Reisen in England, Frankreich und Italien eine freiere Weltanschauung gewonnen hatte, seinen Kollegen durch Wissenschaft, Weltbildung und ein vortheilhaftes Äußere so zu imponiren, daß man ihn schon in seinem 34. Jahre zum Kanzler der Universität machte und seine Opposition gegen den Buchstabendienst der Orthodoxie sich gefallen ließ. Seine freieren Ansichten machten ihn für die Anregungen des Spenerischen Pietismus zugänglich, ohne daß er jedoch dessen ascetischer Richtung sich anschloß. Seine kirchlichen Bestrebungen waren auf Einigung der Reformirten und Lutheraner gerichtet, auch suchte er durch seine Begründung des Kollegialsystems die sociale Selbstständigkeit der Kirche zu wahren. Auf Milderung der Orthodoxie wirkte auch ein anderer gleichzeitiger Lehrer der Theologie in Tübingen hin, C. Ch. Weismann, 1721–1747, der die Spenerische Richtung mit der kirchlichen Rechtgläubigkeit zu vermitteln suchte, und durch ein günstiges Gutachten über die evangelische Grundlage der Zinzendorf’schen Brüdergemeinde dieser großen Vorschub leistete. Überhaupt beginnt seit Mitte des achtzehnten Jahrhunderts jene pietistische Färbung der württembergischen Theologie, die hauptsächlich durch J. A. Bengel, Oetinger, Steinhofer, Roos vertreten wird.

Neben der Pflege der Theologie macht sich in Tübingen während des achtzehnten Jahrhunderts auch ein regeres Leben in der Medicin und den Naturwissenschaften bemerklich. Elias Rud. Cammerer, der von 1663 bis 1695 in Tübingen lehrte, trat dem Schlendrian der aus Hippokrates und Galen entnommenen Theorieen entgegen und drang auf genaue Beobachtung der einzelnen Krankheitsfälle, Untersuchung der physischen Eigenthümlichkeiten des Kranken, und das Studium der pathologischen Anatomie. Sein Sohn Rudolph Jakob, ein Botaniker, der von 1688–1721 in Tübingen lehrte, war durch Begründung der Lehre von der Geschlechtlichkeit der Pflanzen ein Vorläufer Linné’s und brachte überhaupt das Studium der Botanik in Aufnahme; unter seiner Leitung wurde auch der erste botanische Garten angelegt. Sein Kollege Johannes Zeller, ein geschickter Praktiker und zugleich herzoglicher Leibarzt, setzte die Einrichtung eines anatomischen Hörsaals und eines chemischen Laboratoriums durch; ein besonderer Professor der Chemie, Alexander Cammerer, der in Turin seine Studien gemacht hatte, wurde| 1712 angestellt. Das Studium der Anatomie, dem es freilich sehr an Material fehlte, wurde von einem jungen Mömpelgarder, Joh. G. Duvernoy, eifrig gefördert; unter seiner Leitung begann 1723 der nachher so berühmt gewordene Albrecht Haller seine medicinischen Studien. Leider wurde Duvernoy schon nach einigen Jahren durch einen Ruf nach Petersburg der Universität Tübingen entführt. Der Richtung des oben erwähnten E. R. Cammerer gehört auch B. D. Mauchart an, der von 1726–1751 Professor der Anatomie und Chirurgie, und seit 1727 auch herzoglicher Leibarzt war. Derselbe legte sich besonders auf Augenheilkunde und hat in seinen zahlreichen Dissertationen einzelne Fälle von Augenkrankheiten und deren Heilmethode mit einer Genauigkeit und Sachverständniß beschrieben, die noch heutigen Augenärzten überraschend und lehrreich ist.

Auch namhafte Naturforscher sehen wir von Tübingen ausgehen, so Joh. G. Gmelin († 1755) und sein Neffe, Samuel Gottl. Gmelin († 1774). (Über beide s. oben S. 264 ff.) Auch die Grundlage naturwissenschaftlicher Studien, die Mathematik, war damals in Tübingen gut vertreten. G. Friedr. Bilfinger, der 1721 als außerordentlicher Professor der Philosophie angestellt wurde, aber seinen theologischen Kollegen sehr unbequem war, weil sie fürchteten, er könnte die Grundsätze der Leibnitzischen Philosophie, zu der er sich bekannte, und sein kritisches Talent auch auf die Theologie anwenden wollen, war ein ausgezeichneter mathematischer Kopf, von vorherrschend praktischer Begabung. Da seine Collegen ihn nicht zum Ordinarius vorrücken lassen wollten, machte ihn der Herzog zum Professor der Mathematik am Kollegium illustre, aber seine Stellung in Tübingen war schon verdorben, und er folgte 1725 einem Ruf nach Petersburg, wohin damals der Zug der Württemberger stark ging. Dort legte er sich besonders auf Kriegswissenschaft und schrieb mehrere werthvolle Schriften über Befestigungskunst, kam aber doch wieder nach Tübingen, wo er einige Jahre Ephorus des Stifts war, was er jedoch nicht lange blieb, da er als Geheimer Rath nach Stuttgart gezogen wurde. Sein Nachfolger als Mathematiker in Tübingen aber wurde ein Joh. Kraft, der auch den Anfang seiner akademischen Laufbahn in Petersburg gemacht hatte und als ausgezeichneter Lehrer gerühmt wird; unter ihm wurde 1752 ein astronomisches Observatorium erbaut. Auch seine Nachfolger Johann Kies und Christoph Friedr. Pfleiderer, der zuerst 15 Jahre lang an einem Kadetteninstitut in Warschau gelehrt hatte und 1781 Professor in Tübingen wurde, und Joh. Gottfr. Bohnenberger (1798–1831),| waren in ihrem Fache ausgezeichnete Lehrer. Das ganze 18. Jahrhundert hindurch wurden die mathematischen Studien im Stift mit Vorliebe gepflegt, und es ging daraus eine Reihe von namhaften Mathematikern hervor.

Die Regierung Herzog Karl Eugens schien eine neue Epoche für die Universität begründen zu wollen. Bald nach dem Antritt seiner Selbstregierung 1744 machte er ihr seinen Besuch und übergab dem Senate selbst das Bestätigungsdiplom ihrer Privilegien. Er hörte Vorlesungen an, ließ sich zum Rektor wählen, wiederholte seine Besuche öfters, kam mit glänzendem Gefolge, gab Festmahle, Koncerte, Schauspiele, Bälle, Jagden, wozu er dann Professoren und Studenten einlud, ließ Disputationen und Reden halten und hielt wohl gelegentlich selbst auch Reden. Ihm zu Ehren erweiterte die Universität, die zum Andenken an ihren Stifter Eberhardina hieß, ihren Namen in Eberhardina Carolina. Ausführliche Visitationsrecesse vom Jahr 1744 und 51 und neue Statuten vom Jahr 1752 und 1770 vermehrten die bisherigen Universitätsgesetze mit allerlei neuen Bestimmungen. Aber die Gunst erwies sich nicht als beständig; kurz nachdem das dritte Jubiläum der Universität im Jahr 1777, durch Anwesenheit des Herzogs verherrlicht, mit Glanz gefeiert worden war, erstand in der 1781 zur Akademie erhobenen Karlsschule eine gefährliche Rivalin, welche die Frequenz Tübingens bedeutend herabdrückte. Die Juristen und Mediciner studirten nun fast alle auf der hohen Karlsschule in Stuttgart; nur die Theologen verblieben, da die Karlsschule keine theologische Fakultät hatte. Der Senat machte 1788 Vorstellungen, man wagte jedoch nicht zu gestehen, daß Tübingen bereits große Einbuße an Frequenz erlitten habe, sondern beschränkte sich darauf, die Gnade des Herzogs um fernere Erhaltung des bisherigen Flors der Universität anzurufen. Man war ängstlich gespannt auf Antwort, da keine kam, monirte man, es erfolgte aber nichts als eine herzogliche Verordnung, daß kein Inländer die juristischen und medicinischen Vorlesungen in der Karlsschule von der Stadt aus sollte besuchen dürfen. Übrigens dauerte die Rivalität zum Glück nicht lange, denn Herzog Karl starb 1793 und sein Nachfolger hob die Akademie sogleich auf.

Während des Bestehens der Karlsschule war Tübingen beinahe zu einer theologischen Specialschule geworden. Dazu kam, daß die theologische Fakultät eben damals eine sehr bestimmte Richtung vertrat und durch die Zusammenstimmung ihrer Mitglieder ein geschlossenes, in sich einiges Ganze bildete. Der Begründer und Führer| dieser Richtung war Christian Gottlob Storr, der zuerst 1775 außerordentlicher Professor der Philosophie, dann von 1777–1797 Professor der Theologie war, und gegenüber der in der Aufklärungsperiode des 18. Jahrhunderts herrschend gewordenen Antipathie nicht nur gegen kirchliche Orthodoxie, sondern auch gegen das positiv Christliche sich die Aufgabe stellte, auf dem Grund der heiligen Schrift eine Vermittlung zu versuchen, und einerseits den veralteten Scholasticismus des orthodoxen Systems wegzuwerfen, andererseits von dem positiven Inhalt des Christentums festzuhalten, was nur immer mit den Mitteln der neuen Bildung gerettet werden konnte. Obgleich er sich hauptsächlich auf die Schrifterklärung stützte und nichts behaupten wollte, was nicht mit einer Bibelstelle belegt werden konnte, so wußte er doch auch geschickt die herrschende Philosophie jener Zeit als Bundesgenossin für sein System zu benützen. Das von Kant behauptete Unvermögen der theoretischen Vernunft zur Erkenntniß der letzten Gründe gab ihm Veranlassung, auf die Offenbarung als die willkommene Ausfüllung der Lücke hinzuweisen und dadurch die Forderungen der praktischen Vernunft zu befriedigen. Damit fügte er seine Theologie in die Entwicklung des Zeitgeistes ein und gab seinem System den eigenthümlichen Charakter gegenüber der alten Orthodoxie. Sein wissenschaftliches Ansehen wurde noch unterstützt durch eine vielseitige Bildung und Gelehrsamkeit und einen humanen, christlich frommen und sittlich ernsten Charakter, vermöge dessen er bei seinen Zeitgenossen in der größten Achtung stand. Storr’s Lehrbuch der Dogmatik war durch landesherrliche Verordnung die Grundlage alles theologischen Unterrichts, es wurde den zur theologischen Laufbahn bestimmten Jünglingen schon beim Eintritt in die niedere Klosterschule nebst der Bibel mit auf den Weg gegeben und galt ein halbes Jahrhundert lang als authentische Norm der württembergischen Orthodoxie. Die Schule, welche Storr gegründet hatte, wurde durch eine Reihe begabter junger Männer, die seine Kollegen und Nachfolger wurden, fortgesetzt und weiter ausgebildet; die beiden Brüder Flatt, Johann Friedrich und Karl Christian, Friedrich Gottlob Süskind, Ernst Gotttob Bengel sind die noch jetzt in der kirchlich theologischen Überlieferung lebendigen Träger des Storrischen Systems. Der letzte Vertreter desselben war der 1837 verstorbene Professor J. C. Steudel.

Neben den genannten Männern müssen noch zwei andere Mitglieder der theologischen Fakultät jener Zeit hier erwähnt werden, Joh. Friedr. Lebret und Christian Friedr. Schnurrer. Jener, ein um die Geschichte Italiens sehr verdienter Gelehrter, wurde, nachdem er öfters| in besonderen Geschäften von Herzog Karl Eugen verwendet worden war, und auch als Lehrer an der hohen Karlsschule gewirkt hatte, 1786 zum Kanzler und ersten Professor der Theologie ernannt. Sein Nachfolger wurde 1806 Christ. Fr. Schnurrer, der seit 1772 Professor der Theologie und seit 1777 Ephorus des theologischen Stipendiums gewesen war, und an dieser Stelle durch Verbindung von Humanität mit Energie und äußerer Würde eine bedeutende Wirksamkeit gehabt hatte. Sein wissenschaftliches Fach war die orientalische, besonders arabische Literatur. Außerdem hat er sich durch werthvolle Beiträge zur württembergischen Kirchen- und Gelehrtengeschichte bleibende Verdienste erworben.

Ein besonderer Lehrstuhl der Geschichte wurde 1744 auf Betrieb Herzog Karls errichtet, aber erst 1750 mit einem Holsteiner, O. Ch. Lohenschiold, besetzt, der als Hofmeister eines jungen Freiherrn nach Tübingen gekommen war. Seine Wirksamkeit für geschichtliche Studien war nicht bedeutend, da er die Geschichte mehr als Unterhaltungsstoff behandelte. Sein Nachfolger wurde 1777 Christ. Fried. Rösler, der als Diakonus durch eine Schrift über den Lehrbegriff der christlichen Kirche in den drei ersten Jahrhunderten und durch eine angefangene Bibliothek der Kirchenväter die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hatte. Als Professor gab er in einer Reihe von Programmen den ersten Anstoß zu einer kritischen Behandlung der mittelalterlichen Quellenschriftsteller, aber seine Vorträge boten mehr pikante Anekdoten und paradoxe Behauptungen, als Anregung zu gründlichem Studium der Geschichte. Um dieselbe Zeit, in welcher Rösler angestellt wurde, waren von Tübingen zwei bedeutende Historiker ausgegangen, welche die Universität Göttingen zierten, Planck und Spittler.

Den bedeutendsten Aufschwung nahm gegen Ende des 18. Jahrhunderts die medicinische Fakultät. Von der aufgelösten hohen Karlsschule hatte Tübingen einen Lehrer geerbt, welcher einer der gefeiertsten war, den es je gehabt hat: K. Fried. Kielmeyer. Er war ein Zögling der Karlsschule und von 1790–94 Professor der Zoologie und Chemie an derselben; 1796 wurde er als Professor der Chemie in Tübingen angestellt, nachdem er die Zwischenzeit auf wissenschaftlichen Reisen zugebracht hatte. Seine geistreichen Vorträge, die von Studirenden aller Fakultäten gehört wurden und manchen Fremden herzogen, erstreckten sich allmählig von 1796–1817 auf das gesamte Gebiet der Naturwissenschaften; sein Hauptverdienst beruht aber auf der vergleichenden Zoologie. Da er fast gar nichts durch den Druck veröffentlichte, so wird sein Name in der Geschichte der Wissenschaft| selten mehr genannt, aber seine akademische Thätigkeit war von großer Tragweite und hat durch divinatorische Kombinationen Unzähligen Anregung gegeben. Mancher erntete Ruhm durch Ideen, die er aus Kielmeyers Vorlesungen geschöpft hatte. Unter seiner und Autenrieths Leitung wurde auch in den Jahren 1805–9 der jetzige botanische Garten angelegt.

Gleichzeitig mit Kielmeyer und noch eine lange Reihe von Jahren nachher lehrte nicht minder anregend der Physiologe und Kliniker Joh. Heinr. Ferd. Autenrieth. Er wurde 1797 nach mehrjährigen ausgedehnten Bildungsreisen als Professor der Anatomie und Chirurgie angestellt und übte, während seiner vieljährigen akademischen Lehrthätigkeit beinahe alle Fächer der medicinischen Wissenschaft vertretend, eine große Anziehungskraft auf Einheimische und Fremde aus. Auf seinen Betrieb wurde in den Jahren 1803–5 das erste akademische Krankenhaus Tübingens auf den Grundmauern der alten Bursa erbaut.

Das Jahr darauf begann eine durchgreifende Umgestaltung der seit alten Zeiten ziemlich unverändert erhaltenen Universitätsverfassung. König Friedrich hob durch Dekret vom 16. März 1806 mehrere wichtige Universitätsprivilegien auf. Die Befugniß des akademischen Senats, die erledigten Lehrstellen nach eigener Wahl zu besetzen, wurde von einer vorher eingeholten Genehmigung abhängig gemacht, und der privilegirte eigene Gerichtsstand der Universitätsangehörigen aufgehoben. Die bis dahin sich selbst regierende Universität wurde dem neu errichteten Unterrichtsministerium übergeben und erhielt einen Kurator in der Person des berühmten, im Jahr 1797 in württembergischen Staatsdienst übergetretenen Historikers Spittler. Den Professoren wurde im Jahr 1806 verboten, von fremden Universitäten akademische Würden anzunehmen; 4 Jahre später wurde ihnen sogar das althergebrachte Recht, Berufungen zu folgen, versagt. Am 17. Sept. 1810 erfolgte eine gänzliche Aufhebung der Universitätsprivilegien. Der Rektor sollte nicht mehr vom Senat gewählt, sondern vom König nach Vorschlag des Kultministers ernannt werden; das Universitätsvermögen wurde unter die Finanzverwaltung des Staates gestellt, doch mit besonderer Rechnungsführung. Zum Kurator, dem die ganze Universitätsleitung in die Hand gegeben war, wurde der Freiherr von Wangenheim bestellt, ein fein gebildeter, für Wissenschaft und Unterrichtswesen begeisterter Mann. Obgleich die neue Einrichtung entschieden manche Verbesserung brachte, erregte sie doch durch die Schmälerung lange bestehender Rechte auch viel Unzufriedenheit. So wohlthätig die Fürsorge des neuen Kurators war, so wurde der Erfolg| derselben doch durch manche Mißgriffe in den Berufungen beeinträchtigt. Als man im Jahr 1817 überhaupt wieder auf verfassungsmäßige Wege einlenkte, wurde der Universität auch ein großer Theil ihrer alten Privilegien zurückgegeben, namentlich die freie Wahl des Rektors und dessen Rechte und Befugnisse wiederhergestellt. Das Recht, erledigte Lehrstellen selbständig neu zu besetzen, wurde jedoch auf ein Vorschlags- und Begutachtungsrecht beschränkt. Das neue Universitätsstatut behielt seine Gültigkeit, auch nachdem der Verfassungsentwurf von 1817 von den Ständen zurückgewiesen war, und die Verfassung vom Jahr 1819 änderte nur die ständische Vertretung der Universität, indem sie die drei gewählten Vertreter aus dem Gelehrtenstande, welche der Entwurf von 1817 gewährt hatte, wieder fallen ließ und den Kanzler als alleinigen Vertreter bestimmte. Die berüchtigten Bundestagsbeschlüsse vom Jahr 1819, welche die Universitäten unter eine politisch-polizeiliche Bevormundung stellten, kamen auch in Tübingen zur Geltung, und Autenrieth, der eben damals zum Vizekanzler ernannt worden war, wurde als außerordentlicher Regierungsbevollmächtigter mit Handhabung derselben beauftragt. Das in jenen Bundestagsgesetzen enthaltene Verbot der Burschenschaft wurde auch in Tübingen vollzogen, aber so milde gehandhabt, daß man zum Ersatz der Burschenschaft die Bildung eines sogenannten Burschenvereins gestattete, der die socialen Zwecke der Burschenschaft beibehalten durfte und nur auf die politische Seite verzichten mußte. Aber auch diese erhielt sich und wurde von einem Theil des Burschenvereins als geheime Verbindung fortgesetzt, und es wurden in Folge davon mehrere Mitglieder der Tübinger Studentenschaft in die Untersuchung gegen geheime demagogische Verbindungen verwickelt und 1824 zu Festungsstrafen verurtheilt. Der Burschenverein blieb zunächst noch bestehen, wurde aber durch Ministerialerlaß vom 24. Nov. 1825 in Folge von Zwistigkeiten mit dem Corps Suevia auch aufgelöst und die ganze bisherige akademische und städtische Polizeiverwaltung einem außerordentlichen Regierungskommissär, dem Oberjustizrath Hofacker übertragen, der zu diesem Behuf mit ausgedehnten Vollmachten versehen war. Man glaubte nämlich, die akademische Disciplin überhaupt strenger handhaben zu müssen, um politische Bestrebungen abzuschneiden. Alle diese Vorgänge gaben zu dem Versuch einer neuen Umgestaltung der Universitätsverfassung den Anstoß; auch tauchte jetzt der Gedanke an eine Verlegung der Universität in die Residenzstadt Stuttgart auf, der in verschiedenen Flugschriften für und wider besprochen, aber nach einigen Jahren wieder beseitigt wurde. Nach längeren Verhandlungen zwischen| dem Unterrichtsministerium und dem akademischen Senat wurde am 18. Januar 1829 eine neue Universitätsverfassung als Gesetz verkündet, die den akademischen Senat nach dem Muster anderer Regierungskollegien unter einen permanenten Vorstand, den Kanzler und Vicekanzler stellte, die beide auf drei Jahre vom König ernannt werden sollten, und das bisherige Rektoramt aufhob. Die Universitätspolizei wurde dem Senat abgenommen und dem jeweiligen Stadtdirektor übertragen. Die neue Universitätsverfassung, die von dem größeren Theil der Universitätsangehörigen mit Widerwillen aufgenommen wurde, hatte keinen langen Bestand und wurde nach einigen Jahren wieder aufgehoben. Der nächste Anstoß dazu kam von auswärts. Friedrich Thiersch in München hatte in einer gedruckten Rektoratsrede vom 26. Nov. 1829 die Tübinger Universitätsorganisation scharf gerügt und von Tübingen als einem Sitz der Musen gesprochen, der eines besseren Schicksals so würdig, aber nun in nächtliche Trauer versenkt sei. Es entspann sich darauf ein literarischer Streit in Zeitschriften und Flugschriften, wobei die Stimme der Gegner des neuen Statuts siegte. Auch die Ständeversammlung zog die Sache vor ihr Forum und sprach mit 45 gegen 32 Stimmen der Regierung das Recht ab, ohne ständische Verabschiedung eine neue Universitätsorganisation einzuführen. Zugleich beantragte sie verschiedene Änderungen des Universitätsstatuts, namentlich die Aufhebung des permanenten Vorstandes und die Wiedereinsetzung eines gewählten Rektors. Die Regierung ging auf die Anträge der Kammer ein, eine königliche Verordnung vom 18. April 1831 genehmigte ihre Vorschläge, und die Vorstandschaft wurde einem Rektor übertragen, der aus drei Wahlvorschlägen des akademischen Senats vom König je auf ein Jahr ernannt werden sollte.

Einige Monate vor der Wiederherstellung der Universitätsverfassung hatte Tübingen auch seine Revolution gehabt. Aus der allgemeinen Zustimmung, lokaler Unzufriedenheit und einem Konflikt betrunkener Weingärtner mit den Landjägern, welche seit der Aufhebung der akademischen Polizei die Ordnung in Tübingen handhabten, war am 22. Jan. 1831 ein Tumult entstanden, dessen Bedeutung durch drohende Gerüchte vergrößert wurde und viele Tübinger Einwohner, sowie die Behörden in Schrecken versetzte. Die Studenten, besonders die verfolgte Burschenschaft, ergriffen gerne die Gelegenheit, sich als Wiederhersteller und Hüter der öffentlichen Ordnung geltend zu machen; mit Erlaubniß der Behörden bewaffneten sie sich, organisirten sich militärisch und genossen 8 Tage lang das Vergnügen des Waffenspiels| und eines ungebundenen Wachstubenlebens, wobei der jugendliche Humor seine reichliche Nahrung fand. Schließlich hatten sie wenigstens den Gewinn, daß in Anerkennung ihres Einstehens für die öffentliche Ordnung die verhaßten Landjäger entfernt und die Handhabung der Polizei wieder in die Hände der städtischen und akademischen Beamten zurückgegeben wurde.

Mit den dreißiger Jahren beginnt für die Universität eine neue Epoche; auf die Reform der Verfassung folgte eine bedeutende Erweiterung der Lehrmittel, der Institute und der akademischen Räume. Zunächst haben wir noch nachzutragen, daß schon im Jahr 1817/18 die Zahl der Fakultäten um zwei vermehrt worden ist: die katholisch-theologische und die staatswirthschaftliche. Der Zuwachs katholischer Landestheile hatte das Bedürfniß einer höheren Lehranstalt für Theologen hervorgerufen, die zuerst 1812 in der ehemaligen fürstabtlichen Residenz Ellwangen errichtet, aber 1817/18 mit der Landesuniversität vereinigt wurde, und diese um vier neue Lehrer vermehrte. Unter denselben befanden sich zwei sehr ausgezeichnete Männer, Joh. Seb. Drey, der bis zum Jahr 1846, in welchem er pensionirt wurde, in Tübingen lehrte, und Joh. Bapt. Hirscher, der 1837 einem Ruf nach Freiburg folgte. Zugleich wurde für die katholischen Theologen eine ähnliche Anstalt errichtet wie das evang. Seminar. Sie trat im Herbst 1817 unter dem Namen katholischer Konvikt oder Wilhelmsstift ins Leben, und es wurde ihr das Gebäude des ehemaligen Collegiums illustre mit dem dazu gehörigen Garten und Ballhaus überlassen. Für die staatswirthschaftlichen Fächer war schon im Jahr 1798 ein eigener Lehrstuhl errichtet worden, und im Jahr 1817 wurde auf Betrieb des damaligen Unterrichtsministers Freiherr v. Wangenheim und Friedr. Lists eine besondere staatswirthschaftliche Fakultät gegründet, welcher List selbst ein Jahr lang angehörte. Sie hatte einige tüchtige Lehrer, so besonders den berühmten Forstmann J. Chr. Hundeshagen, wollte aber nicht recht gedeihen und nahm erst einen Aufschwung, als Robert Mohl 1829 als ordentlicher Professor in dieselbe eintrat, welcher überhaupt mit unermüdlicher Rührigkeit die Erweiterung und Vervollkommnung der Universität und die Vermehrung ihrer Dotation betrieb. Die Einkünfte des Universitätsvermögens, die etwa 30.000 fl. jährlich gewährten, waren längst nicht mehr zureichend, der Staat schoß bis auf 80.000 fl. zu, aber auch dieß konnte den vermehrten Bedürfnissen der fortgeschrittenen Wissenschaft nicht genügen; 1836 wurde durch Antrag der Regierung und ständischen Beschluß der Universitätsetat um 12.000 fl. und acht Jahre| später wieder um 18.000 fl. erhöht, und es konnten nunmehr eine Reihe von Verbesserungen ausgeführt werden. Es wurde 1832–35 ein neues anatomisches Theater erbaut, die Bibliothek durch außerordentliche Ankäufe von Büchersammlungen und vermehrten Etat vergrößert, mehrere neue Lehrstühle errichtet, nämlich für Geologie, für politische Geschichte, für Verwaltungspraxis, für Zoologie und für Chirurgie. Ein eigenes Haus, in welchem die Hörsäle, die Sitzungszimmer für Senat, Fakultäten und Prüfungen vereinigt gewesen wären, bestand noch gar nicht; in den Jahren 1841–45 wurde ein solches nebst zwei Gebäuden für Chemie und Botanik erbaut, ein neues Krankenhaus folgte nach und auch für die anderen Institute, wie die zoologische und mineralogisch-geologische Sammlung, wurden die Mittel vermehrt.

Den Verfassungsveränderungen und der Vervollkommnung der einzelnen Institute gingen durchgreifende Veränderungen in der wissenschaftlichen Richtung verschiedener Fakultäten zur Seite. In der evangelisch-theologischen wurde 1826 durch die Berufung der Professoren Ferd. Christ. Baur und Fried. Heinr. Kern ein ganz neuer Grund gelegt. Die Herrschaft der alten von Storr geführten Schule wurde damit gestürzt und die neue kritisch-spekulative Richtung begann. Unter den Studirenden fand das Schleiermacherische und das Hegelische System großen Anklang und begeisterte Verehrer; bald wurde diese neue Theologie auch durch jüngere Privatdocenten und Stiftsrepetenten vertreten: Schneckenburger, Strauß, Zeller, Schwegler, Köstlin wirkten bekanntlich mit großem Erfolg für dieselbe.

Der im Oktober 1837 erfolgte Tod Steudels hatte eine Reihe von wichtigen Personalveränderungen zur Folge. An Steudels Stelle wurde nämlich zunächst der damalige Repetent Dorner, jetzt Professor und Oberkonsistorialrath in Berlin, zum außerordentlichen Professor ernannt, welcher jedoch schon im folgenden Jahre einen Ruf nach Kiel annahm. Nun wurde Pfarrer Elwert, der früher Professor in Zürich gewesen war, als ordentlicher Professor berufen; da aber auch dieser wegen Kränklichkeit schon nach zwei Jahren Tübingen wieder verließ, wurde 1841 Diakonus Alb. Landerer in Göppingen zum außerordentlichen und im folgenden Jahr zum ordentlichen Professor ernannt. Im Februar 1842 starb Professor Kern, und nun wurde J. T. Beck, ein geborener Württemberger, aus Basel berufen. Durch ihn wurde die schon von Chr. Fr. Schmid, der seit 1821 lehrte, und von A. Landerer vertretene positiv-christliche Richtung verstärkt und eine neue Gestaltung der biblischen Theologie angebahnt,| die sich sowohl gegen die spekulativ-kritische Schule, als gegen die streng kirchliche Orthodoxie gleichmäßig in Opposition setzte, und je länger je mehr durch geistvolle und originelle Vertretung des positiven Bibelglaubens der theologischen Fakultät einen neuen Aufschwung gab. Durch ihn hat sich besonders seit den letzten 10 Jahren die Frequenz der Universität bedeutend gehoben.

Die katholisch-theologische Fakultät, deren Stiftung wir oben nur kurz erwähnt haben, nahm durch J. Ad. Möhler, der von 1822–35 in Tübingen lehrte, einen bedeutenden Aufschwung. Wir müssen seine wissenschaftliche und kirchliche Bedeutung als bekannt voraussetzen und bemerken nur, daß er nicht bloß auf die Theologen seiner Konfession einen nachhaltigen Einfluß ausübte, sondern auch von protestantischen nicht selten gehört und aufgesucht wurde. 1835 folgte er, schon kränkelnd, einem Ruf nach München. Die geschichtlichen Fächer, die Möhler hauptsächlich gelehrt hatte, wurden nun an K. J. Hefele übertragen, der 1836 als Privatdocent angestellt, seit 1840 ordentlicher Professor ist. Die Dogmatik, welche Drey bisher gelehrt hatte, übernahm Joh. Kuhn, der 1837 von Gießen berufen wurde. Hirscher war 1837 durch Mack ersetzt worden, der 1840 wegen einer Schrift über die gemischten Ehen auf eine Pfarrei versetzt wurde; an seine Stelle trat J. Gehringer, der sich 1849 nach eigenem Wunsch auf eine Pfarrei zurückzog. Für die alttestamentliche Exegese wurde 1837 B. Welte angestellt, der 1857 zum Domkapitular erwählt, durch Professor Himpel ersetzt wurde. Für Religionsphilosophie wurde im Jahr 1848 Jos. Zuckrigl aus Wien berufen. An Gehringers Stelle kam 1850 Mor. Aberle, und 1857 wurde ein neu errichteter Lehrstuhl des katholischen Kirchenrechts durch Prof. Frz. Kober besetzt.

Die Zeitströmung, welche in der evangelisch-theologischen Fakultät einen so bedeutenden Umschwung herbeigeführt hatte, mußte natürlich auch auf die philosophischen Studien einen großen Einfluß üben. Die Kantische Philosophie war durch die Bundesgenossenschaft, welche die Storrische Schule mit ihr eingegangen hatte, unter den Zöglingen des Stifts sehr verbreitet gewesen, aber die Fichte’sche und Schellingische Philosophie ging an der Tübinger Studentenwelt fast unbeachtet vorüber; nur einzelne begabtere aristokratische Geister befaßten sich mit derselben. Ganz anders war es mit der Hegelischen Philosophie. Im Anfang der dreißiger Jahre zwar waren es auch nur einzelne höher strebende Jünglinge, die sich ernstlich damit abgaben, denn die vorhandenen Lehrer ignorirten Hegel entweder, oder nahmen nur polemisch Notiz von ihm. Aber als in den Jahren 1833 und 34 Strauß| mit eminentem Lehrtalent als Apostel der Hegelischen Lehre auftrat, wurde sie beinahe Gemeingut, wenigstens konnte Keiner sich im Kredit wissenschaftlichen Strebens erhalten, der nicht Hegel studirte, oder wenigstens die Hegelische Ausdrucksweise sich aneignete. Schwerlich ist auf irgend einer deutschen Universität der Hegelianismus so zur Herrschaft gelangt wie in Tübingen. Die zweite Hälfte der dreißiger Jahre war seine Blüthezeit; mit Ende des folgenden Jahrzehnts hat das Studium der Philosophie bedeutend nachgelassen, und die Klage über die einseitige philosophische Richtung hat sich allmählig in den entgegengesetzten Tadel verkehrt, daß die philosophischen Studien über Gebühr vernachlässigt werden.

Die Philologie, deren Elemente in den Lateinschulen mit Virtuosität gelehrt und auch in den niederen Seminarien mit Ausschließlichkeit gepflegt wurden, konnte es auf der Universität Tübingen doch nicht zur Stellung einer selbständigen Wissenschaft bringen, sondern blieb in dem Stadium einer Vorbereitungswissenschaft. Die Theologen, aus denen die Kandidaten des Lehramts genommen wurden, hörten in den ersten Semestern zur Fortsetzung der Gymnasial- und Seminarstudien noch einige philologische Vorlesungen, aber damit war es aus und sie kamen nicht mehr zu den sprachwissenschaftlichen, philologisch-kritischen und archäologischen Studien, wie sie in Norddeutschland zur Vorbildung auf ein philologisches Lehramt unentbehrlich erachtet wurden. Seit Anfang der fünfziger Jahre begann es durch die Anregung zweier norddeutscher Privatdocenten etwas anders zu werden, und das Bedürfniß einer philologischen Fachbildung ist nun als berechtigt anerkannt. Wichtig für das bessere Gedeihen der philologischen Studien war es auch, daß im Jahr 1853 durch Erlaß des k. Studienraths vom 9. Nov. den Zöglingen des evangelischen Seminars, im Falle hervortretender Begabung und Neigung für bestimmte Zweige des Lehramts, gestattet wurde, einen Theil der pflichtmäßigen theologischen Vorlesungen nicht zu hören, um dadurch mehr Zeit für die Fächer zu gewinnen, welchen sie sich hauptsächlich widmen wollten. Dieß wurde neuestens durch Ministerialverordnung vom 30. August 1866 dahin ausgedehnt, daß ausgezeichnete Lehramtskandidaten unter den Seminaristen vom Studium der Theologie ganz dispensirt werden können. Dem Studium der deutschen und romanischen Philologie und Literaturgeschichte wurde durch die Anstellung Ludwig Uhlands im Jahr 1829 Bahn gebrochen. Obgleich Uhlands Wirksamkeit nur kurz dauerte, da er schon 1833 wegen der Urlaubsverweigerung zum Eintritt in die Abgeordnetenkammer seine Entlassung nahm, so war doch damit der Anfang gemacht,| an den sich die Pflege jenes Wissenschaftsgebietes durch jüngere Kräfte, M. Rapp (seit 1833), A. Keller (seit 1836) und W. Holland (seit 1847), anschloß. 1837 wurde Professor Peschier für französische und englische Sprache und Literatur angestellt.

Die orientalische Philologie, welche früher Schnurrer durch seine Thätigkeit für das Arabische und die Auslegung des alten Testaments gefördert hatte, wurde in den dreißiger Jahren durch einige Privatdocenten wie L. Kapf und Phil. Wolff wieder aufgenommen. Eine glänzende Erwerbung wurde 1838 durch die Berufung des aus Göttingen vertriebenen G. H. A. Ewald gemacht. Mit ihm kam ein ganz neues Element nach Tübingen, und er hat durch seine zehnjährige Lehrtätigkeit sowohl auf das Studium der orientalischen Literatur als auf das geschichtliche Verständniß des alten Testaments einen bleibenden Einfluß geübt. Aus seiner Schule gingen E. Meier, Rud. Roth, Dillmann und Andere hervor.

Das Fach der Geschichte war nach Röslers Tod von 1821–1837 durch K. F. Haug fast allein besetzt, und seine Vorlesungen über Universalgeschichte, die er bis zum Jahr 1860 hielt, gehörten lange Zeit zu den beliebtesten Kollegien der Universität. Im Jahr 1837 wurde der in der staatswirthschaftlichen Fakultät neu errichtete Lehrstuhl für politische Geschichte und Statistik durch Johannes Fallati besetzt, der jedoch die Statistik zu seinem Hauptfach machte. Sein Nachfolger wurde 1857 Max Duncker, welcher die neuere Geschichte mit glänzendem Erfolg las, aber leider schon nach anderthalbjähriger Wirksamkeit, durch Berufung nach Berlin als Geh. Regierungsrath, Tübingen entzogen wurde. An die von ihm verlassene Stelle wurde 1859 Reinhold Pauli berufen, welcher 1861 nach Haugs Pensionirung in die philosophische Fakultät übertrat, aber 1866 seine Entlassung nahm. Von den in der philosophischen Fakultät vertretenen naturwissenschaftlichen Fächern zu handeln, werden wir weiter unten Gelegenheit haben.

Für die juristische Fakultät begann mit der Berufung Ed. Schraders im Jahr 1810 eine neue Epoche; er war bekanntlich einer der ersten Vertreter der sogenannten historischen Schule und gehörte ein halbes Jahrhundert lang mit voller Hingabe seiner Kräfte und Interessen der Universität an. Außer ihm hat Tübingen eine Reihe bedeutender Rechtslehrer gehabt. Vor Allen ist hier Karl Georg Wächter in Leipzig zu nennen, der als junger Mann von 21 Jahren im Jahr 1819 in Tübingen angestellt, mit großem Beifall und Erfolg Pandekten und Kriminalrecht las, 1833 einem Ruf nach Leipzig| folgte, zwei Jahre später als Kanzler zurückberufen wurde, 1839 durch seine Wahl zum Präsidenten der Ständeversammlung seiner Lehrtätigkeit bis 1848 entzogen wurde, aber dann dieselbe wieder aufnahm und bis zu seinem Abgang nach Lübeck im Jahr 1851 fortsetzte. Gleichzeitig (vom Jahr 1829–1862) lehrte auch S. M. Mayer, der sich an die von Schrader vertretene Richtung anschloß und neben den Pandekten besonders auch den Civilproceß vertrat. Professor Georg Bruns in Berlin begann seine akademische Laufbahn in Tübingen, wo er von 1840–49 als Privatdocent und außerordentlicher Professor lehrte; 1859 wurde er dann nach Schraders Pensionirung von Halle aus nach Tübingen berufen, folgte aber schon nach zwei Jahren einem Ruf nach Berlin an L. Fr. Kellers Stelle. Ein anderer ausgezeichneter Lehrer war der im Jahr 1852 von Jena berufene Professor Ed. Fein, welcher namentlich die wissenschaftliche und praktische Seite des römischen Rechts gut zu vereinigen wußte. Leider wurde er bald durch Kränklichkeit in seinem Wirken unterbrochen und gehemmt, und starb im Jahr 1858. Nach Mayers Tode wurde G. W. Wetzell, jetzt Minister des Innern in Mecklenburg-Schwerin, berufen und lehrte mit großem Beifall von 1862–66 in Tübingen. Von den Germanisten ist A. L. Reyscher zu nennen, welcher im Jahr 1829 als Privatdocent und 1834 als ordentlicher Professor angestellt, bis 1851 lehrte. Auf ihn folgte K. Fr. Gerber, jetzt in Leipzig, der von 1851–61 Professor des deutschen Privatrechts und Staatsrechts in Tübingen war und zugleich die Stelle eines Kanzlers der Universität bekleidete. An Reinhold Köstlin und Gustav Geib hatte die Universität zwei bedeutende Kriminalisten, die sowohl durch ihre Vorträge als durch ihre schriftstellerischen Leistungen eine hervorragende Stelle in ihrer Wissenschaft einnahmen. Der erstere begann seine akademische Laufbahn 1839 als Stellvertreter Wächters und starb 1856 nach mehrjähriger Kränklichkeit; Geib wurde 1852 von Zürich berufen und starb 1864.

Die staatswirthschaftliche Fakultät nahm, wie schon erwähnt, einen neuen Aufschwung, seit Rob. Mohl im Jahr 1828 als Ordinarius in dieselbe eingetreten war, und nicht nur durch seine anregenden Vorträge über Staatsrecht, Politik, Polizei und Encyclopädie der Staatswissenschaften das Studium der betreffenden Fächer hob, sondern auch durch seine unermüdlichen Bemühungen für eine zweckmäßige Vervollständigung des Lehrerpersonals die Leistungsfähigkeit der gesamten Fakultät erhöhte. Es wurden auf seinen Betrieb mehrere jüngere Männer angestellt: Schütz, Hoffmann, Fallati, Knaus, Volz,| Göritz, wovon die zwei ersteren jetzt noch in anerkannter Wirksamkeit stehen. In Folge dieser Ergänzungen gestaltete sich die Fakultät zu einem Ganzen, dessen einzelne Glieder sowohl in akademischer als in literarischer Thätigkeit zusammenwirkten. Eine Frucht dieses Einverständnisses war die Gründung einer staatswissenschaftlichen Zeitschrift, die 1844 begonnen, noch jetzt besteht und eines der angesehensten Organe der darin vertretenen Fächer ist. Leider nahm bald nachher die Wirksamkeit Mohls für Tübingen ein Ende, da er in Folge der Veröffentlichung eines Briefes, den er zum Behuf seiner Bewerbung um eine Abgeordnetenstelle geschrieben hatte, als Regierungsrath nach Ulm versetzt wurde und hierauf seine Entlassung nahm. Seine Stelle blieb zunächst unbesetzt; die Versuche, welche im Sommer 1848 zu seiner Rückberufung gemacht wurden, scheiterten an seiner Ernennung zum Reichsminister. Einen Theil der von ihm vertretenen Fächer, Polizei, Politik und Encyclopädie übernahm der 1849 von Freiburg berufene Professor Joh. Helferich, dessen Vorlesungen sehr geschätzt waren, der aber 1860 einem Ruf nach Göttingen folgte.

Die medicinische Fakultät erlebte in den letzten Jahrzehnten durchgreifende Veränderungen, vielfachen Wechsel der Lehrer, und durch Ausscheidung einer besonderen naturwissenschaftlichen Fakultät eine Verminderung ihrer Mitglieder. Nach Autenrieths im Jahr 1835 erfolgtem Tode war Ferdinand Gmelin, der 1805 als außerordentlicher Professor der Naturgeschichte angestellt worden war, der Hauptvertreter der praktischen Medicin, die er, sachlich der Schule Autenrieths folgend, doch mehr mit philosophischem und formgeübtem Geiste lehrte. Noch bei Autenrieths Lebzeiten hatte er die Leitung der Klinik übernommen, die er 1840 an G. Heermann übergab, einen jungen talentvollen Arzt, der von Heidelberg berufen wurde, um die Klinik in ausgedehnterer Weise zu betreiben. Mit ihm, der sich von manchen Voraussetzungen der medicinischen Dogmatik losgesagt hatte und für die Diagnostik neue Hilfsmittel in Anwendung brachte, begann für Tübingen eine neue Richtung des medicinischen Studiums. Schon vorher hatte ein begabter Privatdocent, A. F. Schill (1835–39), die neuen Entdeckungen der französischen und englischen Ärzte zu verbreiten gesucht und vielfach anregend gewirkt, war aber durch einen frühen Tod aus seiner Laufbahn gerissen worden. Auch Heermanns Thätigkeit wurde durch Krankheit bald unterbrochen, er suchte wegen eines Lungenleidens Heilung in Italien und starb daselbst 1844. Sein Assistent, C. A. Wunderlich, der in Heermanns Abwesenheit als provisorischer Vorstand die Klinik geleitet hatte, setzte die begonnene Reform| der medicinischen Studien fort und gründete in Gemeinschaft mit zwei Freunden, W. Roser, jetzt Professor in Marburg, und W. Griesinger, jetzt Professor an der Berliner Universität, ein literarisches Organ der neuen Richtung, das noch jetzt bestehende Archiv für physiologische Heilkunde. Der Bau eines neuen, 1846 bezogenen Krankenhauses ermöglichte eine Erweiterung der Klinik, deren Leitung nun definitiv an den zum Ordinarius ernannten Professor Wunderlich übergeben wurde; auch die chirurgische Abtheilung, die bisher mit der Klinik der Geburtshilfe verbunden gewesen war, erhielt durch den 1843 von Braunschweig berufenen Professor V. Bruns einen neuen Vorstand. Das alte Klinikum wurde ganz der geburtshilflichen Anstalt überwiesen und unter Direktion des 1851 von Wien berufenen Professors Frz. Breit gestellt. Die beiden letztgenannten Vorstände der chirurgischen und geburtshilflichen Klinik haben diese Stellen bis auf den heutigen Tag noch ruhmvoll inne, in der Leitung der inneren Klinik aber hat ein mehrfacher Wechsel stattgefunden. Wunderlich folgte 1850 einem Rufe nach Leipzig, und es wurde nun an seine Stelle Georg Rapp aus Würzburg berufen, nach vier Jahren aber mit Beibehaltung seines Ranges und Gehaltes auf die Oberamtsarztstelle nach Rottweil versetzt. Sein Nachfolger wurde Wilh. Griesinger, und als dieser 1860 nach Zürich abging, ward der jetzige Vorstand der Klinik, Felix Niemeyer aus Greifswalde berufen. Eine andere Vermehrung der Lehrstellen in der medicinischen Fakultät ergab sich durch die Errichtung eines besonderen Lehrstuhls für Zoologie, deren Lehrauftrag bisher mit dem der Anatomie und Physiologie vereinigt war. Der bisherige Lehrer dieser drei Fächer, W. Rapp, behielt nur das erste, und für die beiden letzteren wurde 1844 ein neuer Lehrer, Fr. Arnold von Freiburg, berufen. Als dieser in Folge eines Rufs nach Heidelberg 1853 von Tübingen schied, wurden die von ihm vertretenen Fächer noch einmal getrennt und die Anatomie dem Prof. Hub. Luschka, die Physiologie dem Professor K. Vierordt übertragen, welche beide schon vorher als außerordentliche Professoren an der Universität angestellt gewesen waren. Noch ein neuer Lehrstuhl wurde 1864 für pathologische Anatomie errichtet und mit Dr. Liebermeister, bisherigem Privatdocenten, besetzt, der aber schon im folgenden Jahre zum Vorstand der Klinik in Basel berufen, dorthin abging. Eine weitere Personalveränderung ergab sich dadurch, daß 1859 Professor H. F. Autenrieth, der seit 1825 lehrte, auf seinen Wunsch in Ruhestand versetzt, und für die von ihm besorgte| Poliklinik der bisherige Assessor des Medicinalkollegiums in Stuttgart, Reinh. Köhler, zum ordentlichen Professor ernannt wurde.

Die Gründung einer besonderen naturwissenschaftlichen Fakultät wurde nach vierjährigen Verhandlungen zwischen dem Ministerium, dem Senat, der medicinischen und philosophischen Fakultät im Herbst 1863 vollzogen. Die bisherige Einrichtung, wornach die naturwissenschaftlichen Fächer nur als Vorbereitungsstudien für die Medicin oder als Bestandtheile der allgemeinen Bildung galten, war nicht mehr im Einklang mit der selbständigen Entwicklung der Naturwissenschaften. Dazu kam, daß zwischen den Vertretern der philologisch-historischen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern in der philosophischen Fakultät nur ein lockeres Band bestand, was bei Vorschlägen zu Berufungen und Doktorsprüfungen den betreffenden Lehrern zeitraubende Sitzungen auflud und den Geschäftsgang erschwerte. Darum schien es dem wirklichen Verhältniß entsprechender, daß die Lehrer der stofflich zusammengehörigen Fächer auch äußerlich in ein Kollegium vereinigt würden, und so wurden aus der philosophischen Fakultät die Lehrer der Mathematik, Physik, Astronomie und Mineralogie ausgeschieden und mit den Professoren der Botanik, Zoologie, Chemie und Pharmacie, die bisher der medicinischen Fakultät angehört hatten, in eine Fakultät verbunden, und derselben auch alle Rechte der älteren Fakultäten, namentlich das, Doktoren zu ernennen, ertheilt. Tübingen hat mit dieser Einrichtung in Deutschland den Anfang gemacht, während dieselbe in Belgien, Schweden und Norwegen schon länger besteht. Im Zusammenhang damit wurden besondere naturwissenschaftliche Staatsprüfungen eingeführt, welche auch die Mediciner zu erstehen haben, ehe sie zum Studium ihrer Wissenschaft übergehen.

Über die Geschichte der aus der philosophischen Fakultät herübergenommenen Fächer haben wir hier Einiges nachzuholen. Mathematik, Physik und Astronomie waren bis 1851 durch einen und denselben ordentlichen Professor vertreten. Nach Bohnenbergers 1831 erfolgtem Tod war J. G. Chr. Nörrenberg aus Darmstadt berufen worden, der wegen der außerordentlichen Genauigkeit, mit welcher er seine physikalischen Untersuchungen und Experimente auszuführen pflegte, unter seinen Fachgenossen sehr geschätzt war, und solchen seiner Zuhörer, welche Physik oder Mathematik mit entschiedener Neigung und Begabung trieben, sich mit Hingebung widmete. Nach seiner Pensionirung im Jahr 1851 wurde die von ihm bekleidete Professur in zwei getheilt und für Physik Ed. Reusch, bisher Professor an der polytechnischen Schule in Stuttgart, für Mathematik| und Astronomie Jul. Zech, Professor am Gymnasium in Stuttgart und früher einige Jahre Privatdocent in Tübingen, beide einstige Schüler Nörrenbergs, angestellt. Zech, ein ausgezeichneter Lehrer, starb schon 1864, und es wurde nun an seine Stelle Karl Neumann aus Königsberg, bisher ordentlicher Professor der Mathematik in Basel, berufen. Als außerordentlicher Professor der Mathematik lehrt auch seit 1830 A. Hohl. Die Professur der Geologie und Mineralogie wurde, nachdem diese Fächer früher durch Professoren der medicinischen Fakultät nebenbei vertreten gewesen waren, 1837 neu gegründet und damals schon durch den jetzigen Professor derselben, Aug. Friedr. Quenstedt, besetzt.

Unter den aus der medicinischen Fakultät herübergenommenen Fächern hatte früher Kielmeyer Chemie, Botanik und Zoologie vereinigt, neben ihm war auch noch Ferd. Gmelin als Professor der sogenannten Naturgeschichte angestellt und las über Mineralogie und Encyclopädie der Naturwissenschaften. Die letzteren Vorträge wurden von Studirenden aller Fakultäten gerne gehört. Als nun Kielmeyer im Jahr 1817 nach Stuttgart versetzt ward, wurden seine Fächer getheilt; Gust. Schübler wurde als ordentlicher Professor der Botanik und vaterländischen Naturkunde angestellt, Christ. Gmelin für Chemie, und später übernahm Wilhelm Rapp, welcher im Jahr 1819 als Professor der Anatomie angestellt wurde, die Zoologie. Außerdem wurde auch der bisherige Assistent Kielmeyers, G. K. L. Sigwart, zum außerordentlichen Professor der Botanik und Chemie ernannt. Als im Jahr 1834 Schübler starb, wurde Hugo Mohl, der jetzige Senior der Universität, sein Nachfolger. Ein zweiter Lehrstuhl für Chemie wurde 1846 errichtet und durch J. E. Schloßberger besetzt, und für ihn das von Gmelin verlassene chemische Laboratorium auf dem Schloß neu eingerichtet. Als Christ. Gmelin 1859 in Ruhestand versetzt wurde, folgte ihm, von Christiania herberufen, Ad. Strecker, und nach Schloßbergers Tod im Jahr 1861 wurde Felix Hoppe-Seyler von Berlin berufen. Für Pharmacie war seit längerer Zeit ein besonderer Lehrer in Aussicht genommen, aber nicht wirklich bestellt. Erst 1861 wurde G. Henkel, der sich für dieses Fach als Privatdocent habilitirt hatte, zum außerordentlichen Professor desselben ernannt. Seit Errichtung der naturwissenschaftlichen Fakultät hat sich das Lehrerpersonal um zwei vermehrt, durch Dr. Hegelmaier, der sich 1864 als Privatdocent der Botanik habilitirt hat, und 1866 zum außerordentlichen Professor| ernannt worden ist, und durch Dr. Zöppritz, der sich 1865 für Physik habilitirt hat, neuestens aber einem Rufe nach Gießen gefolgt ist.

Es bleibt uns noch übrig einige Veränderungen nachzutragen, die in den letzten Jahrzehenten in den verschiedenen Fakultäten vorgekommen sind und aus denen der jetzige Personalstand hervorgegangen ist. In der evang. theologischen starb Chr. Friedr. Schmid, der seit 1826 ordentlicher Professor der praktischen Theologie gewesen war, im Jahr 1852, und an seine Stelle trat der bisherige Dekan Christ. Palmer; für alttestamentliche Theologie wurde in demselben Jahre G. Fr. Oehler angestellt, welcher acht Jahre vorher von dem Seminar in Schönthal nach Breslau berufen worden war. Durch den im December 1860 erfolgten Tod Baurs, der bis in den Sommer des genannten Jahres gewirkt hatte, erlitt die Fakultät einen großen Verlust. Sein Nachfolger wurde der bisherige Hofkaplan und Oberkonsistorialrath K. Weizsäcker.

In der juridischen Fakultät wurde im Jahr 1856 durch die Pensionirung Warnkönigs, der 1844 für römisches Recht und Kirchenrecht berufen worden war, ein Ordinariat erledigt, welches 1857 dem Professor Rob. Römer übertragen wurde; für Köstlin wurde in demselben Jahr Oberjustizrath Geßler zum ordentlichen Professor ernannt, dem auch 1864 die Kanzlerwürde verliehen wurde. Der Lehrstuhl des nach Berlin berufenen Professor Bruns wurde durch G. Mandry, Assessor am Stadtgericht in Stuttgart, wieder besetzt. In demselben Jahre machte der Tod des Professors Michaelis und der Abgang Kanzler Gerbers nach Jena eine Neubesetzung des deutschen Rechts und Kirchenrechts nöthig, für welche Fächer Richard Dove aus Berlin und F. Thudichum aus Gießen berufen wurden. Als Dove im Herbst 1865 einem Rufe nach Kiel folgte, wurde zum Ersatz für ihn Professor v. Meibom aus Rostock berufen. Die durch Geibs Tod im Jahr 1864 entstandene Lücke wurde durch die Ernennung des bisherigen Privatdocenten Seeger zum außerordentlichen Professor und Fakultätsmitgliede ausgefüllt. An die Stelle Wetzell’s (s. oben) wurde 1866 Alois Brinz aus Prag berufen.

In der staatswirthschaftlichen Fakultät haben sich folgende Veränderungen ergeben. Nach dem Tode des Professors der Landwirthschaft Göritz im Jahr 1854 folgte demselben der bisherige Gutspächter Weber; der durch den Tod von W. L. Volz erledigte Lehrstuhl der Technologie wurde in der Art wieder besetzt, daß dem Professor der Physik Ed. Reusch der Lehrauftrag für dieses Fach| als Nebenamt übertragen wurde. Nach dem Abgang Prof. Helferichs wurde Alb. Schäffle, bisher Mitredakteur des schwäbischen Merkurs, als sein Nachfolger berufen. Der seit Mohls Ausscheiden nicht wieder besetzte Lehrstuhl des Staatsrechts wurde 1863 durch K. Fricker besetzt, der zuerst als besoldeter Privatdocent eintrat, und 1865 zum ordentlichen Professor ernannt wurde.

In der philosophischen Fakultät haben wir folgende Veränderungen anzuführen. 1855 wurde Prof. Reiff, der seit 1840 lehrte, zum Ordinarius ernannt; in dem folgenden Jahre wurden E. Meier († 1866) und Rud. Roth, welche 1847 und 48 zu außerordentlichen Professoren vorgerückt waren, ebenfalls ordentliche Professoren, der erstere für semitische Sprachen, der letztere für Sanskrit. Christ. Walz, seit 1836 ordentlicher Professor der klassischen Philologie, starb 1857 und in demselben Jahre auch Alb. Schwegler, der seit 1844 Privatdocent, 1848 zum außerordentlichen Professor der Philologie ernannt worden war. Zum Ersatz für Walz wurde nun Oberstudienrath Hirzel in Stuttgart als ordentlicher Professor berufen, und zugleich Sigm. Teuffel, der schon 1849 als außerordentlicher Professor der Philologie angestellt worden war, zum Ordinarius ernannt. Zur Verstärkung der Lehrkräfte für klassische Philologie und Archäologie wurde im Frühjahr 1860 Konrad Bursian aus Leipzig als außerordentlicher Professor berufen, der aber 1864 nach Zürich abging. Da bald darauf Hirzel zum Rektoramt des Gymnasiums übertrat und nur eine außerordentliche Professur beibehielt, wurde zum Ersatz Ad. Michaelis aus Greifswalde als ordentlicher Professor der klassischen Philologie und Archäologie berufen. Ein neu errichteter Lehrstuhl für Ästhetik und Literatur wurde 1844 durch Fr. Vischer besetzt, welcher schon seit 1836 in Tübingen gelehrt hatte; 1855 folgte derselbe einem Rufe nach Zürich, und einige Jahre nach seinem Abgang wurde K. R. Köstlin, der bisher außerordentlicher Professor in der theologischen Fakultät gewesen war, zum außerordentlichen und 1863 zum ordentlichen Professor der Ästhetik ernannt. 1866 wurde Vischer wieder zurückberufen und ihm zugleich ein Lehrauftrag an der polytechnischen Schule in Stuttgart ertheilt. Im Jahr 1866 wurde W. Holland, der bisher Privatdocent gewesen war, zum außerordentlichen Professor der romanischen und germanischen Literatur ernannt. J. H. Fichte, welcher im Jahr 1842 von Bonn berufen worden war, trat im Jahr 1863 in Ruhestand, und für ihn wurde Christoph Sigwart, bisher Professor am Seminar zu Blaubeuren, zunächst provisorisch, dann 1865 definitiv als ordentlicher Professor der Philosophie angestellt.

| Die wissenschaftlichen Institute der Universität haben in den letzten Jahrzehnten ihre jetzige Ausbildung erhalten. Das bedeutendste derselben ist die Universitätsbibliothek. Ihr Anfang wurde im Jahr 1534 durch den Brand des sogenannten Sapienzhauses ein Raub der Flammen; erst mit dem Jahr 1563 wurde eine neue Büchersammlung anzulegen begonnen, ihr Wachsthum schritt aber sehr langsam vorwärts, da nur 100 fl. jährlich dafür ausgesetzt waren. In’s Jahr 1583 fällt das Vermächtnis der v. Gremp’schen Bibliothek, welche besonders aufgestellt ist und mit einem jährlichen Etat von 300 fl. vermehrt wird. 1751 wurde der Bibliotheketat auf 800 fl. erhöht und 1774 die Anordnung getroffen, daß die in den unteren Räumen des Universitätshauses aufgestellte Bibliothek zweimal in der Woche, von 2–5 Uhr Nachmittags, für die Studirenden geöffnet werden sollte. Da aber kein heizbares Lesezimmer vorhanden war, so war die Benützung Winters sehr erschwert. Im Jahr 1819 wurde der Rittersaal im nördlichen Flügel des Schlosses für die Aufstellung der Bibliothek angewiesen, und durch Ankauf mehrerer größerer Privatbibliotheken der Büchervorrath ansehnlich vermehrt. Eine neue Epoche begann für die Bibliothek 1836, in welchem Jahre Robert Mohl Oberbibliothekar wurde, als welcher er bis zum Jahre 1844 eine Reihe zweckmäßiger Reformen ausführte. Der Geschäftsgang der Verwaltung wurde neu geordnet, ein neuer Realkatalog angelegt, ein weiterer Bibliothekar, zwei Gehülfen und ein zweiter Diener angestellt; die Kanzleistunden und damit die Zugänglichkeit der Bibliothek auf 6 Stunden täglich erweitert und eine Anzahl weiterer Räume für Bücheraufstellung in Anspruch genommen. Allmählich verbreitete sich die Bibliothek auf drei Flügel des Schlosses und es kamen ihr auch mehrere werthvolle Schenkungen zu gut; wie z. B. die Bibliothek des Göttinger Oberbibliothekars Reuß im Jahr 1837 und durch Vermächtniß des 1846 verstorbenen Rechtskonsulenten Ludwig Friedrich Griesinger dessen bedeutende juristische Bibliothek. Der jährliche Etat für Bücheranschaffung wurde erhöht und beläuft sich jetzt auf 8000 fl. Die Hälfte dieser Summe wird nach Vorschlägen der Fakultäten, die andere Hälfte durch den Oberbibliothekar verwendet. Die Katalogisirung hat dadurch einen bedeutenden Fortschritt gemacht, daß nicht nur seit 1851 die jährlichen Zuwachsverzeichnisse durch den Druck veröffentlicht werden, sondern auch seit 1854 der Hauptkatalog allmählich dem Druck übergeben und durch Nachträge fortwährend ergänzt wird. Die Zahl der Bände übersteigt jedenfalls 300.000. Neben der Bibliothek haben auf dem Schlosse auch noch einige andere Institute| ihre Unterkunft gefunden, so in dem nordöstlichen Eckthurm des Schlosses das physikalische Kabinet, die Sternwarte, das Münz- und Antiquitäten-Kabinet (s. oben), im südlichen Flügel das chemische Laboratorium Professor Hoppe’s und das Predigerinstitut (s. oben). Die Sternwarte wurde schon im Jahr 1752 eingerichtet und nachher mehrmals, im Jahr 1800 und 1845, umgebaut, ist jedoch wegen der auf dem Thurm unvermeidlichen Schwankungen nicht geeignet, um auf derselben die Beobachtungen mit der Genauigkeit zu machen, welche der gegenwärtige Stand der Wissenschaft erfordert.

Das chemische Laboratorium in den unteren Räumen des südlichen Flügels wurde vor einigen Jahren durch Beseitigung zweier kolossalen Kamine und Beiziehung einiger anderen Räume bedeutend vergrößert und verbessert und bietet nun Raum für 24 Praktikanten. Der Etat dafür beträgt 1020 fl.

Die zoologische und mineralogische Sammlung, die früher ebenfalls auf dem Schloß aufgestellt war, ist nun in die Säle der ehemaligen Aula verpflanzt. Der erste Grund zu diesen Sammlungen wurde im Jahr 1802 durch Schenkungen damaliger Professoren gelegt, später wurden dann ganze Sammlungen angekauft und ein jährlicher Etat für neue Erwerbungen ausgesetzt. Die mineralogisch-geologische Sammlung ist besonders reich an Petrefakten, zu deren Erwerb der schwäbische Boden so günstige, von dem gegenwärtigen Vorstand des Kabinets mit unermüdetem Eifer ausgebeutete Gelegenheit darbietet. Der Etat beläuft sich auf 950 fl.; für das zoologische Kabinet sind 1425 fl. ausgesetzt.

Der jetzige botanische Garten wurde in den Jahren 1805–9 auf einem etwa zehn Morgen umfassenden Terrain an der Ammer in der Art angelegt, daß er zugleich als ein dem Publikum geöffneter Park dienen kann. Das Areal wurde später durch Beiziehung eines alten nicht mehr gebrauchten Kirchhofs und Ankauf einiger angrenzenden Grundstücke ansehnlich vergrößert. Neben dem botanischen Garten ist die Wohnung des Vorstandes, die zugleich einen Hörsaal und die Herbarien und Hölzersammlungen enthält. Auf der entgegengesetzten Seite des Universitätshauses befindet sich das neue chemische Laboratorium mit der Wohnung des Vorstandes und einem großen Hörsaal. In dem Laboratorium ist für etwa 30 Arbeitsstätten Raum. Der Etat desselben ist 3350 fl., der des botanischen Gartens 3900 fl.

Das Anatomiegebäude am Österberg wurde in den Jahren 1832–35 erbaut, nachdem die Universität sich seit alten Zeiten mit einer kleinen Kapelle in der Nähe der Spitalkirche hatte behelfen| müssen. Dasselbe enthält einen amphitheatralisch gebauten Hörsaal für etwa 200 Zuhörer, einen zweiten mit Tischen und einen Präparirsaal. Eine ziemlich reiche Sammlung von Präparaten zur Entwicklungsgeschichte und Pathologie ist in einem Saale des oberen Stockwerks aufgestellt. Etat: 3925 fl. Dem physiologischen Institut sind auch einige Zimmer in dem Anatomiegebäude eingeräumt; da aber dieselben ganz ungenügend zur Aufstellung der Apparate und Ausführung von Versuchen sind, die ein größeres Material bedürfen, so ist im Jahr 1865 die Errichtung eines besonderen Gebäudes beschlossen worden und dasselbe auch bereits der Vollendung nahe. Jetziger Etat: 600 fl.

Das Krankenhaus wurde in den Jahren 1842–46 in der Nähe des botanischen Gartens und des Universitätshauses neu erbaut und enthält in drei Stockwerken Raum für etwa 100 Kranke, zwei Hörsäle, und Wohnung für Hausmeister, Assistenzärzte und Krankenwärter. Den Vorständen sind keine Wohnungen vorbehalten. Der Raum zu ebener Erde ist für Wirthschaftsgelasse u. dgl. bestimmt, der zweite Stock für die medicinische und der dritte für die chirurgische Abtheilung. Der Raum zeigt sich aber häufig ungenügend, besonders in der chirurgischen Abtheilung, und es ist deßwegen neuerlich die Errichtung eines weiteren Stockwerks oder eines besonderen Hauses für dieselbe angeregt worden. Der jährliche Aufwand von 19.600 fl. wird ganz aus dem Universitätsetat bestritten, da das Krankenhaus eine rein akademische Anstalt ist. Die Aufnahme der einzelnen Kranken hängt daher nur von den Vorständen ab. Außer der auf dem Universitätskrankenhaus beruhenden Klinik besteht auch noch eine besondere, einem eigenen Vorstand und Assistenzarzt untergebene Poliklinik. Die geburtshilfliche Klinik hat ihren Sitz in dem alten Krankenhaus am Neckar, und hat 28 Zimmer mit etwa 55 Betten zur Verfügung. In demselben Gebäude hat auch der Vorstand seine Wohnung. Der Etat beläuft sich auf 8966 fl.

Außer den obenerwähnten zoologischen und mineralogischen Sammlungen ist auch eine technologische Modellsammlung vorhanden, welcher das ehemalige Kanzlershaus in der Münzgasse eingeräumt ist. Sie wurde im Jahr 1827 begonnen und ist allmählig zu einer sehr reichen Sammlung technischer Modelle herangewachsen, welche ein schönes Material zum geschichtlichen Studium der Technik darbieten. Etat 975 fl.

Bei der letzten Feststellung des Finanzetats für Württemberg wurde der Staatszuschuß für die Universität zum Behuf einer durchgängigen Erhöhung der Besoldungen und Erweiterung der Institute um 24.000 fl. erhöht, und beläuft sich jetzt auf 160.050 fl.

|
Tabellarische Übersicht der Zahl der Studirenden von 1849–1866.[16]

(Die jeder Fakultät beigesetzte kleinere Zahl bedeutet jedesmal die Ausländer, die in der Gesamtzahl schon mit einbegriffen sind.)

Jahr. Evang.
Theol.
Fak.
Kath.
Theol.
Fak.
Jurid.
Fak.
Medici-
nische
Fak.
Philo-
soph.
Fak.
Staats-
wissen-
schaftl.
Fak.
Ausländer. Gesamt-
zahl.
1849 S.-S. 169 160 181 92 98 55 112 755
49 26 13 17 7
W.-S. 146 135 190 98 163 55 128 787
44 41 15 20 8
1850 S.-S. 154 162 205 111 105 63 135 800
38 42 25 18 12
W.-S. 129 131 200 120 173 53 130 806
27 43 29 19 12
1851 S.-S. 152 147 187 131 103 48 116 768
31 29 21 23 12
W.-S. 141 121 177 126 162 43 115 770
36 38 15 17 8 1
1852 S.-S. 164 157 181 133 103 36 130 774
34 42 17 21 14 2
W.-S. 141 139 171 137 168 39 149 795
35 55 24 22 10 3
1853 S.-S. 151 161 173 120 98 40 140 743
28 45 32 22 10 3
W.-S. 122 126 165 114 174 41 106 742
24 37 27 8 8 2
1854 S.-S. 152 158 147 94 100 46 106 697
26 41 25 7 6 1
W.-S. 130 116 114 103 164 66 84 693
29 34 11 5 5
1855 S.-S. 155 155 123 111 88 65 95 697
34 32 13 11 5
W.-S. 127 128 126 113 140 67 99 701
29 41 11 12 5 1
1856 S.-S. 152 165 128 112 74 73 118 704
33 47 17 16 4 1
W.-S. 146 128 115 111 136 78 125 714
49 46 13 11 6
1857 S.-S. 164 161 102 116 83 80 126 706
47 50 9 14 6
W.-S. 194 148 80 134 89 86 155 731
71 55 6 15 8
1858 S.-S. 187 144 88 126 85 76 152 706
65 52 6 18 11
W.-S. 174 141 65 130 80 76 149 666
61 53 6 22 6 1
|
Jahr. Evang.
Theol.
Fak.
Kath.
Theol.
Fak.
Jurid.
Fak.
Medici-
nische
Fak.
Philo-
soph.
Fak.
Staats-
wissen-
schaftl.
Fak.
Natur-
wissen-
schaftl.
Fak.[17]
Ausländer. Gesamt-
zahl.
1859 S.-S. 176 130 63 112 77 70 160 628
67 45 14 22 8 4
W.-S. 172 135 54 131 68 78 136 638
48 58 9 14 5 2
1860 S.-S. 207 132 77 146 70 81 186 713
89 53 16 16 9 3
W.-S. 217 113 80 171 79 85 182 745
85 47 12 26 11 1
1861 S.-S. 209 106 74 166 83 81 196 719
87 42 16 37 13 1
W.-S. 211 121 56 157 94 83 181 722
77 51 4 31 18
1862 S.-S. 218 118 59 148 94 63 205 700
91 49 8 38 19
W.-S. 204 129 51 139 88 67 167 678
71 48 6 29 12 1
1863 S.-S. 221 127 72 160 95 62 228 737
104 49 18 44 13
W.-S. 239 124 80 104[18] 91 66 90 234 794
111 41 24 33 10 15
1864 S.-S. 246 120 93 104 94 72 96 285 825
133 40 31 48 16 1 16
W.-S. 230 142 86 109 89 75 86 253 817
108 51 20 50 8 2 14
1865 S.-S. 221 140 94 128 96 73 87 287 839
105 54 31 66 14 2 15
W.-S. 210 141 76 127 90 75 92 267 811
96 52 22 67 13 3 14
1866 S.-S. 255 139 78 120 87 74 94 312 847
146 52 17 66 16 2 13
W.-S. 228 102 70 103 85 68 100 203 756
112 16 8 43 12 2 10
Der erste Buchdrucker, welcher 1498 in Tübingen auftritt, ist Joh. Otmar (früher zu Reutlingen); schon 1499 erscheint Fried. Meyenberger. Hierauf kommt 1510 Thom. Anselm vor, 1525 Ulrich Morhard, nach dessen Tode seine Wittwe bis 1572 das Geschäft fortführte, 1572–1604 Georg Gruppenbach. (Weitere s. bei Zeller 718. 719. Eifert 294). Diese Buchdrucker waren meist auch Buchhändler. Unter den letzteren sind zu erwähnen Wolf Konrad Schweickard † 1571, Pomponius Ellemann † 1586, in der 2ten Hälfte des 17. Jahrh. drei Brunn, Vater, Sohn und Enkel, alle drei mit dem| Vornamen Philibert. Buchdruckerei und Buchhandel zugleich betrieb Joh. Alex. Cellius † 1665, dessen Tochter sich mit Joh. Heinr. Reiß aus Saarbockenheim vermählte und die Druckerei auf ihre Nachkommenschaft vererbte. Nach dem Tode des zweiten Philibert Brunn heirathete Joh. Georg Cotta, geb. 1631, Sohn eines Pfarrers bei Dresden, in Schwaben eingewandert, 1659 dessen Wittwe und wurde so der Stammvater der berühmten Buchdrucker- und Buchhändlerfamilie. Sein Urenkel, der in den Freiherrnstand erhobene Johann Friedrich († 1832) brachte, im Jahr 1787 beginnend, die Buchhandlung zur höchsten Blüthe und vererbte deren Glanz auf Kinder und Kindskinder. Von Tübingen zog er übrigens bereits im Jahr 1810 nach Stuttgart, was für den hiesigen literarischen Betrieb empfindlich war; das in Tübingen noch beibehaltene Geschäft ging 1816 an Laupp (seit 1847 Laupp und Siebeck) über. Bekannte Firmen noch aus dem 18. Jahrhundert sind die Heerbrand’sche (seit 1812 Osiander’sche) und die Fues’sche, jetzt in zwei Zweige abgetheilte.

Hiesige Ärzte kennt man seit 1469; die erste Apotheke wurde 1486 gegründet.

Von den benachbarten Klöstern hatte den bedeutendsten Besitz auf hiesiger Markung das Kloster Bebenhausen. Innerhalb der schützenden Stadtmauern einen festen Fuß zu fassen war ihm besonders wichtig, und es brachte von der Zeit seiner Stiftung an aus den Händen mehrerer Privaten, hauptsächlich aber aus denen der Pfalzgrafen von Tübingen, einen Besitz um den andern an sich, namentlich von den letzteren in den Jahren 1294 und 1295 (Schmid 251. Urk. 66, 98) deren Fronhöfe samt Kirche, welch letztere es 1326 mit päpstlicher Erlaubniß incorporiren durfte, Weinberge, Waldungen, ja vorübergehend – 1301 bis 1302 – die Stadt Tübingen selbst. So erwuchsen die hiesigen, mit großen Vorrechten versehenen Pfleghöfe des Klosters, der eine noch heute so genannte auf dem Österberg (s. o.) und der andere in der Münzgasse. Letzteren verkaufte 1477 das Kloster an den Grafen Eberhard im Bart (welcher ihn für seine Universität nöthig hatte) und erweiterte, erbaute zum Theil neu und ummauerte dafür den erstgenannten. (Die zwei Höfe schon 1306 erwähnt. Mone Zeitschrift 15, 361; die Bezeichnung des zweiten „liegt in der Münze“ in Urk. v. 1343. Sattler Grafen 1. Nr. 102; vgl. überhaupt Schmid 397).

Der Hof des Klosters Blaubeuren ist wohl auch ein Geschenk der Pfalzgrafen von Tübingen. Das früheste Gebäude desselben wurde 1492 an das Kloster Bebenhausen verkauft. Dagegen kaufte| das Kloster Blaubeuren 1502 für 700 fl. ein Haus mit zwei Scheunen in der oberen Grafengasse bei der St. Ursulakapelle (s. o.), welche es zu einem neuen Pfleghof einrichtete.

Diese beiden Pflegen blieben nach der Reformation fortwährend getrennt, wenn sie auch oft durch eine und dieselbe Person verwaltet wurden, bis im Jahr 1808 (Reg.-Blatt S. 107) die Vereinigung in eine und dieselbe Kameralbeamtung erfolgte.

Tübingen tritt im November 1078 erstmals in der Geschichte auf und zwar als starke Veste, deren Besitzer Graf Hugo in den Kämpfen K. Heinrichs IV. mit dem Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden zu dem Letzteren hielt und auf seine Burg gestützt dem sie belagernden Gegner kräftigen, wenn auch nicht dauernden Widerstand leistete.[19]

Ein nicht volles Jahrhundert darauf, am 5. September 1164 wurde T. wieder belagert, diesmal mit 2200 Mann durch Welf VII. (Sohn Welfs VI.), weil der Tübinger Pfalzgraf Hugo auf den Fildern in der Grafschaft, welche er von den Welfen zu Lehen trug, einen welfischen Dienstmann wegen Straßenraubs hatte aufhängen lassen und die von Welf VII. geforderte Genugthuung verweigerte, – einem tieferen Grunde nach, weil er sich über dem Bregenzer Erbe mit ihm abgeworfen hatte. So groß auch die Macht der Belagerer war und so vielen Zuzug letztere von vielen geistlichen und weltlichen Herren Schwabens und Rheinfrankens erhalten hatten, während dem Belagerten fast nur der hohenstaufische Herzog Friedrich IV. und die Grafen von Zollern zur Seite stunden, so machte die Besatzung den 6. September einen so glücklichen Ausfall, daß Welf VII. vor den Mauern der Stadt vollständig besiegt wurde, wiewohl er im Jahr 1166 durch die Gefangennehmung des Tübinger Pfalzgrafen sich wieder rächen konnte. (Näheres bei Stälin Wirt. Gesch. 2, 97–100.)

Im Jahr 1292 wüthete in der Tübinger Gegend der verheerende Kampf, welchen während des Zwischenreichs Graf Eberhard der Erlauchte von Württemberg und dessen Anhänger die Tübinger Pfalzgrafen Eberhard und Gottfried mit den Grafen von Hohenberg führten; am 24. März d. J. rückten letztere vor Tübingen und plünderten und verbrannten, was vor den Mauern der Stadt lag.

In Zeiten Herzog Ulrichs, in welchen K. Maximilian Anfangs Juni 1498, am 3. Sept. 1499 und am 27.–28. April 1511| hier einsprach, that sich T. hervor im Jahr 1514 durch treue Anhänglichkeit an den Herzog bei der Unterdrückung des Bauernaufstandes, des sog. armen Konrads; aus letzterem Anlaß wurde allhier am 8. Juli 1514 der Tübinger Vertrag, die Grundlage der württembergischen Verfassung, geschlossen.

Nach der Vertreibung des Herzogs im Jahr 1519 erlitt T. abermals eine Belagerung durch den schwäbischen Bund; diesem ergab sich die Stadt gleich auf das Anrücken seines Heeres am 21. April, die Burg selbst, von 63 Edelleuten und nahezu 400 Männern nur kurz vertheidigt, am folgenden 25. (Näheres bei Roth, Beiträge zur Gesch. der Univ. T. T. 1867. 4°).

Mit Württemberg überhaupt wurde T., so feierlich auch das ganze Amt dem Prinzen Christoph, Sohn des vertriebenen Herzogs, zugesagt gewesen war, im Jahr 1520 dem K. Karl V. zugestellt, von diesem aber 1522 seinem Bruder Erzherzog Ferdinand überlassen. Als Herzog von Württemberg weilte Ferdinand allhier vom 16. Aug. bis 1. Sept. und vom 7. Sept. bis 19. Nov. 1525, vom 17. März bis 8. April, vom 17. April bis 3. Mai 1526 (s. oben) Während des in seine Zeit fallenden Bauernkriegs stund der siegreiche Truchseß Georg von Waldburg am 4. Mai 1525 zwischen Tübingen und Rottenburg beim Wurmlinger Berge.

Nach der Wiederkunft Herzog Ulrichs im Mai 1534 genügten am 18. d. M. diesem bei Lustnau gelagerten Herzoge 10 Schüsse, um den österreichischen Obervogt Hans Eberhard von Ow zu bewegen, daß er das Schloß, gegen freien Abzug der Besatzung, am folgenden Tage übergab. (v. Martens 244).

In dem für ihn so unglücklichen Schmalkaldischen Kriege, in welchen der Herzog noch verwickelt wurde, unterwarf sich die Stadt Tübingen mit dem Amte den 6. Jan. 1547 dem Kaiser; das Schloß aber widerstand der dreimaligen Aufforderung und wurde durch den Obervogt Herter und den Schloßvogt Schilling dem Herzog erhalten. Letzterer wurde am folgenden 8. Januar von dem Kaiser wieder zu Gnaden aufgenommen, wiewohl unter herben Bedingungen. Die Befreiung Tübingens von dem Besuch spanischen Kriegsvolks war das Verdienst des Prof. der Rechte Nic. Varenbüler und des Tübinger Rathsherrn Joh. Stammler, welche deßhalb 1548 nach Augsburg zu K. Karl V. geschickt wurden.

Im 30jährigen Kriege, in welchem alle Drangsale desselben an wiederholtem Truppendurchzug, Einlagerung, Kriegssteuer, Raub, Plünderung und Seuchen hereinbrachen, zog Seitens der Kaiserlichen| Graf Egon von Fürstenberg am 30. Juni (10. Juli) 1631 gegen Tübingen, wo er vor dem Burgholz in Schlachtordnung anrückte. Der Herzog Administrator Julius Friedrich von Württemberg hatte seine Mannschaft hälftig auf dem Wörth, hälftig bei Lustnau aufgestellt. Zu einem Gefechte kam es nicht, da schon am 1. (11.) Juli im kaiserlichen Lager ein Vertrag geschlossen wurde, durch welchen Württemberg dem Leipziger Bunde entsagen, seine Mannschaft entlassen und die Kaiserlichen verpflegen mußte. Nach der schlimmen Wendung, welche der protestantischen Sache die verlorene Nördlinger Schlacht brachte, vermochte der Tübinger Schloßhauptmann Hans Georg von Tübingen (natürlicher Sohn des letzten Grafen von Tübingen) nichts anderes, als am 14. (24.) Sept. 1634 das Schloß, welches freilich nur von 70 Bürgern aus der Stadt besetzt war, den Truppen des Herzogs von Lothringen widerstandlos zu übergeben auf Artikel hin, welche gegnerischer Seits schlecht gehalten wurden, wie denn ihnen zum Trotz die herzogliche Schloßbibliothek (von Herzog Christoph angelegt und Herzog Ludwig bereichert) mit ihren werthvollen griechischen Handschriften nach München abgeführt wurde. Nach manchen Wechselfällen des Kriegs, in welchen das Schloß im Frühjahr 1638 vorübergehend wieder von Schweden besetzt war, wurde dasselbe am 13. (23.) Februar 1647 (im Jahre vor dem Abschluß des westphälischen Friedens), damals in bayerischen Händen, von einer Heeresabtheilung des französischen Marschalls Turenne unter dem Generallieutenant Hoquincourt an der Ammer- und Neckarthalseite angegriffen, nachdem die Stadt selbst bereits am 10. (20.) d. M. sogleich dem Feinde die Thore geöffnet hatte. Die Belagerer sprengten das südöstliche Rundel am 4. (14.) März in die Luft; der von ihnen darauf unternommene Sturm wurde zwar abgeschlagen, gleichwohl ergab sich die Besatzung am 7. (17. März) gegen freien Abzug. Hienach hatte Turenne längere Zeit im Schlosse sein Hauptquartier.

Bei dem Einfall der Franzosen im Jahr 1688 ergab sich Tübingen dem Brigadegeneral Peysonel am 5. (15.) Dez. ohne Widerstand; die Stadt mußte ihm 20.000 fl., die Universität 4000 fl. zahlen und der weitere Aufwand, welchen sein Aufenthalt bis zu seinem Abmarsch am 16. (26.) Dez. machte, betrug noch ungefähr 100.000 fl. Seine Absicht, das Schloß und die Stadtmauern in die Luft zu sprengen, ließ sich glücklicher Weise so weit vereiteln, daß die Beschädigung nicht sehr erheblich wurde. Viel nützte damals die große Unterhandlungskunst des Professors Osiander, welcher auch 1693 um die Begütigung des französischen Feldherrn Graf von Balivière,| als dieser mit 300 Pferden bei Lustnau sich aufgestellt hatte, sich verdient machte; letzterer rückte nicht in T. selbst ein.

Im spanischen Erbfolgekrieg litt T. vielfach durch Einlagerungen und Kontributionen (1703. 1704. 1707).

In den französischen Revolutionskriegen lag hier und in der Umgebung im Anfang des Jahres 1795 eine Abtheilung des Condé’schen Corps. Vom 23.–25. Juli 1796 dagegen hausten in T. Franzosen unter General Vandamme, welche durch angedrohte Plünderung viel Geld erpreßten. Am 13. Sept. 1796 war Erzherzog Karl innerhalb der Stadtmauern, den 20. März 1799 schon wieder Vandamme, hingegen am 10. Sept. d. J. nochmals Erzherzog Karl.

Das bunteste Völkergewühle an österreichischen und russischen Kriegern bewegte sich in T. von 1813–1814, worauf Haufen gefangener Franzosen folgten.

Brandunglück erlitt die Stadt den 9. Juli 1280 (150 Gebäude nach freilich nicht gleichzeitigen Angaben eingeäschert), den 15. Jan. 1534, wo die Sapienz (das Universitätshaus), und die mathematische Bibliothek und das astronomische Kabinet des berühmten Professors Stöffler verbrannten, den 21. Sept. 1540, wo 69 Häuser in Rauch aufgingen, den 24. Okt. 1742, wo die Spitalscheuer mit großem Fruchtvorrath und 9 Häuser vom Feuer verzehrt wurden, ferner am 4. Aug. 1771, wo 15 Häuser und 5 Nebengebäude in 4 Stunden in Asche lagen, endlich, wie oben umständlicher erwähnt, vom 9. bis 10. Sept. 1789, als in der sog. Ploucquetei ausgebrochene Flammen 45 Häuser und 5 Scheunen in Schutt legten.

Seuchen suchten die Stadt heim im J. 1482, wo sie, gepaart mit Hungersnoth, 1383 Menschen wegrafften, im Jahr 1502, im Jahr 1520, wo die Universität nach Rottenburg übersiedelte, im Jahr 1529, wo letztere theils in das Schloß zu Neuenbürg, theils in das Kloster Blaubeuren verlegt wurde, im Jahr 1541, im Jahr 1554, wo das Hofgericht nach Sindelfingen, die Universität nach Herrenberg und Calw flüchtete, im Jahr 1566, wo die Universität nach Eßlingen zog, im Jahr 1571, wo vom August bis November 920 Menschen starben und die Universität abermals nach Eßlingen wanderte, im Jahr 1577, wo deßhalb das Universitäts-Jubiläum nicht zur rechten Zeit gefeiert werden konnte, im Jahr 1594, wo die Universität theils nach Calw theils nach Herrenberg entwich, im Jahr 1609–11, wo sie (1610) dasselbe that und 2668 Menschen in Stadt und Amt starben, 1635–36, wo in Jahresfrist in Tübingen allein 1485| Menschen hinweggerafft wurden. Die Heeresdurchzüge 1813–14 brachten den Typhus, welcher viele Menschenopfer forderte.

Zu der Gemeinde gehören:

b. Ammern, (insgemein Ammerhof), K. Hofdomäne; der sehr ansehnliche Hof hat 3/4 Stunden westlich von Tübingen eine freundliche, etwas abgeschiedene Lage auf einem gegen das Ammerthal sanft geneigten, wohlgerundeten Ausläufer des südlich vom Hof sich erhebenden, bewaldeten Ammerbergs (Spitzbergs). Die Erhebung über das Meer beträgt 1236′ und die über das Ammerthal 38′. Ungeachtet dieser unbedeutenden Erhebung über die Thalebene gestattet dennoch der Ort eine sehr freundliche Aussicht in das nahe gelegene Ammerthal und diesem entlang, einerseits nach Tübingen, andererseits über das sog. Gäu, von dem die Orte Jesingen, Poltringen, Pfäffingen, das hochgelegene Sindlingen etc. sichtbar sind. Besonders schön aber ist der Blick an die Wurmlinger Kapelle, die von dem kegelförmigen, an dem westlichen Ende des Ammerbergs sich frei erhebenden Kapellenberg so lieblich herunter winkt.

Der Hof selbst besteht aus mehreren, von einer alten Mauer umschlossenen Gebäuden und zwar: aus dem dreistockigen, im einfachen städtischen Stil erbauten Wohngebäude, dessen unteres Stockwerk Gesindewohnungen, Kammern, die Küche etc. enthält, im mittleren Stockwerk ist die Wohnung des Pächters und im oberen sind vier Zimmer für Seine Majestät den König Karl, der hier der angenehmen und stillen Lage wegen gerne verweilt, ansprechend eingerichtet. Gegen Osten steht das neue und gegen Süden das alte Ökonomiegebäude; gegen Nordwesten und Westen stehen die Kirche, das Wasch- und Backhaus. Sämtliche Gebäude umschließen einen ansehnlichen Hofraum, in dessen Mitte ein laufender- und ein Pumpbrunnen hinreichend Wasser liefern. Der laufende Brunnen wird mittelst eines Druckwerks vom Ammerthal herauf gespeist; das Wasser ist gut, das des Pumpbrunnens soll jedoch noch besser und frischer sein. Außerhalb des geschlossenen umfriedigten Gebäudekomplexes stehen die beiden ehemaligen Lehengebäude und ein Schafhaus.

Die im Rococcostil erbaute Kirche trägt auf dem östlichen Giebel ein kleines Thürmchen (Dachreiter); das Innere der Kirche, welches nunmehr als Scheune benützt wird, enthält an der flachen Decke ein Freskogemälde, die Kreuzigung des heil. Andreas darstellend. Die Kirche ist, wie auch die übrigen Gebäude, Eigenthum der K. Hofdomänenkammer. An die Kirche grenzt ein freundlich angelegter| Garten, der auch eine kleine Obstbaumschule enthält; auch besteht außerhalb der Mauer ein großer Gemüsegarten.

Zu dem Hof gehört ein 552 Morgen großes Gut, worunter ein 166 Morgen großer, meist mit Forchen bestockter Wald, der sich südlich vom Hof an einem steilen nördlichen Abhange bis auf die Höhe des Ammerbergs hinanzieht und stille schattige Spaziergänge bietet. Die Ackergelände liegen an den gegen das Ammerthal sanft geneigten Ausläufern des Ammerbergs und die Wiesen in der Thalebene.

Die Bodenverhältnisse, so weit sie für den Feldbau benützt werden, sind im allgemeinen günstig und bestehen theils aus einem fruchtbaren Lehm, theils aus den thonhaltigen Zersetzungen des unteren Keupermergels; in der Thalebene lagert ein schwarzer Boden, der mit Vortheil für den Wiesenbau benützt wird.

Das Gut ist an einen Beständer verpachtet, der es in sechs- und achtschlägiger Fruchtwechselwirthschaft mit Anwendung verbesserter Ackergeräthe (flandrischer Pflug, eiserne Egge, Walze, Repssämaschine, Grasmaschine, Dreschmaschine etc.) sehr rationell bewirthschaftet. Auf dem Hof sind neben 5 Pferden gegen 70 Stücke Rindvieh (Kreuzung von Neckarschlag und Simmenthaler Race), worunter 6 Paar Ochsen und 2 Zuchtstiere, aufgestellt. Mastvieh wird abgesetzt, hauptsächlich aber sichert der Milchverkauf nach Tübingen eine beträchtliche Einnahme.

Die Waldungen sind in Administration der K. Hofdomänenkammer und werden von einem besonders aufgestellten Waldschützen beaufsichtigt.

Auf der Weide laufen 400–450 Stück Bastardschafe, die auf dem Hof Überwinterung finden. Auch die Zucht des Geflügels, namentlich der Gänse, ist von Bedeutung.

Die ältesten Schreibweisen des Ortes sind Ammir (um 1150), Ambera (um 1110), Amera (1160), Ambra (1171). Am 1. Mai 1171 schenkte Pfalzgraf Hugo von Tübingen an das Kloster Marchthal die hiesige Kirche nebst Zehnten und anderer Zugehörde und so erscheint das Hofgut A. im Schutzbrief Papst Cölestins III. vom 22. Nov. 1192 für das genannte Kloster. Sofort verblieb dasselbe – eine zeitweilige Verleihung (1351 auf 8 Jahre an Friedrich Herter von Dußlingen. Crus. Ann. Suev. 3, 259) und Verpfändung (1379 an Hans Teuffel von Reutlingen) abgerechnet – in den Händen und der Verwaltung Marchthals, und dieses Kloster, welches gegen 1231 noch für 100 Mark Silbers Weinberge zwischen| Tübingen und Lustnau hinzukaufte, wußte dessen Immunität zu erhalten, sei es daß es von den Pfalzgrafen von Tübingen sich Verzicht auf die Vogtei über den Hof ausstellen ließ (wie am 4. Mai 1216 von dem Pfalzgrafen Rudolf), oder über Anmaßungen derselben vor Kaiser und Reich Klage führte (wie 1275 vor K. Rudolf) oder ihre Ansprüche mit Geld abfertigte (114 Pfund Heller im Jahr 1303 an Graf Gottfried von Tübingen bezahlt. Schmid Urk. 204). Die niedere Gerichtsbarkeit stund fortwährend dem Kloster zu, während die hohe von Württemberg in Anspruch genommen wurde. Ein klostermarchthalischer Ordensgeistlicher hatte bis zum Übergang an Taxis allhier als Pfarrer und Statthalter seinen Sitz. Derselbe hatte das Bürgerrecht in Tübingen und Reutlingen. Unter seiner Aufsicht stund ein Oberknecht, genannt der Hausmeister. Zum Hofe gehörten in Jesingen eine Lehenskelter und einige Lehensunterthanen. Auf dem kleinen Todtengarten wurden manche in Tübingen gestorbene Katholiken beerdigt.

Eine hiesige Wiese erhielt um 1120 das schon früher hier begüterte Kloster Hirschau von Wernher von Schwärzloch (Swertisloch) (Cod. Hirsaug. 44b), einen Weinberg besaß das Kloster Kreuzlingen, welches ihn um 1200 an das Kloster Marchthal verkaufte.

Ein Erckinbert von Ambera tritt auf um 1110 (Cod. Hirs. 27a). Ein Konrad von A. war um 1150 Zeuge bei dem Rechtsspruch Pfalzgraf Hugo’s von Tübingen auf der Dingstätte Hochmauern bei Rottweil (Wirt. Urk. Buch 2, 411), und erscheint noch 1160 in einer Kloster Maulbronner Urkunde (eb. 2, 133).

Durch den Reichsdeputationsreceß von 1803 kam der Hof mit dem Kloster Marchthal selbst an den Fürsten Taxis, dessen Rentamt Marchthal ihn verpachtete. Der Fürst errichtete hier alsbald eine Pfarrei, welche jedoch 1807 in der neuerrichteten katholischen Stadtpfarrei Tübingen aufging, so daß A. Filial von Tübingen wurde.

Unter württembergische Oberhoheit gelangte A. wie Marchthal im Jahr 1806.

Der Fürst von Taxis verkaufte 1810 das Hofgut an den württ. Oberfinanzrath von Spittler, dieser 1824 an den berühmten – damaligen Göttinger – Rechtsgelehrten Karl Friedrich Eichhorn, letzterer 1852 an die K. Hofdomänenkammer.

c. Schwärzloch. Eine starke Viertelstunde westlich von Tübingen liegt auf der halben Höhe eines nördlichen Ausläufers des Ammerberges, auf wohlgerundetem Vorhügel der Hof Schwärzloch mit freundlichem Blick gegen den Ammerhof, wie gegen Tübingen| hin. Die Gebäulichkeiten sind durch eine Mauer verbunden und bestehen aus der jetzt zu einem Wohnhaus verbauten Kirche und zwei Ökonomiegebäuden. Von der romanischen Kirche sind noch wesentliche Theile erhalten; ihr ursprünglich flachgedecktes Schiff, innen ganz zu Wohngelassen eingerichtet, zeigt außen noch ringsum den alten Sockel; früher waren an der Nordseite auch die alten schmalen Rundbogenfensterchen erhalten; an der Südseite zieht sich noch unter dem Dachgesimse der Rundbogenfries hin, in dessen Feldern verschiedene merkwürdige Flachskulpturen sich finden; es sind theils Pflanzengebilde: Palmen, Lilien, Rosen, Klee- und Eichenblätter, theils figürliche Darstellungen: Drachen, Fuchs und Bär, eine Schlange, ein fressender Adler, das Brustbild eines Mannes, der nach antiker Weise mit aufgehobenen Händen betet. Gerade über dem neueingesetzten Eingange wird der Rundbogenfries durch einen großen ungeflügelten Drachen unterbrochen; sodann sind links von der Thüre ein Löwe und ein geflügelter Drache mit einem in einen Pfeil endigenden Schweife, die gegen einander springen, eingemauert, und darüber eine Säule, an der ein langgeflügelter Engel in halber Lebensgröße steht, mit der rechten Hand segnend, mit der linken ein Buch haltend; das untere Stück einer entsprechenden Figur, in Priestertracht und auch ein Buch haltend, ist jetzt in der Scheune eingemauert. Beide waren an den Pfosten des alten Einganges angebracht. Der höchst primitive Stil aller dieser Skulpturen deutet auf frühromanische Zeit; die noch ganz erhaltenen östlichen Theile der Kirche, der jetzt als Kellerchen benützte quadratische Chor samt seiner halbrunden Abside, sind dagegen entschieden spätromanisch. Schwärzloch kommt schon 1085 unter den an das Kloster Blaubeuren geschenkten Stiftungsgütern vor. Das Kirchlein war dem heil. Nikolaus geweiht. Der Chor ist schmäler als die Kirche und hat in den vier Ecken Säulen, die auf keilförmigen Kapitellen ein hohes Rippenkreuzgewölbe tragen. Der Triumphbogen, der vom Schiff in den Chor führt, ist spitzbogig, die schmalen Fensterchen sind noch halbrund, die Gewölberippen von birnförmigem Querschnitt. An der Ostwand des Chores befindet sich über dem Halbkreisbogen der Abside ein Relief, ein Einhorn darstellend, ein anderes daneben ward ausgebrochen. Durch die Tünche der Wände und des Gewölbes schimmern noch Spuren von Fresken. Außen gibt die von Lisenen, Rundbogen- und Zahnschnittfries belebte Chorpartie, die ganz an den grünen Abhang vortritt, ein sehr anmuthiges Bild. Starke über Eck stehende Strebepfeiler von spätromanischer Form stützen die freien Ecken des Chores; ein quadratisches, von| romanischer Vierblattrosette erfülltes Fenster durchbricht seinen Ostgiebel. Der alte höhere Steingiebel des Schiffes wird von dem hölzernen des jetzigen Daches überragt, auf ihm sitzen, in den hölzernen Giebel eingebaut, noch die Reste des alten steinernen Glockengiebels, daran ein Steinmetzzeichen.

Zu dem Hof gehören 36 Morgen Güter, die von dem gegenwärtigen Besitzer Wilhelm Lechler in 7 Rotationen rationell bewirthschaftet und sehr in Aufnahme gebracht werden. Auf dem Hof sind neben 2 Pferden 9 Kühe und ein Zuchtstier (Allgäuer Race) aufgestellt. Die Milch wird den Sommer über in der viel besuchten, sehr gut eingerichteten Wirthschaft, die der Hofbesitzer betreibt, verbraucht, den Winter über aber verkäst.

Ein Werner von Swertisloch (um 1120) ist oben erwähnt. Hiesige Güter erhielt im 12. Jahrhundert das Kloster Blaubeuren. Von ihm kam der Hof Sch. an das Kloster Kreuzlingen, welches am 1. Okt. 1459 denselben nebst „Gotteshaus, Zinsen, Gülten, Leuten und Gut, Wein-, Korn- und Obstzehnten“ für 700 fl. an den Tübinger Spital verkaufte. Die Kaplaneipfründe aber besaß fortwährend das Kloster Blaubeuren und der dortige Abt Heinrich überließ sie 1477 der neugegründeten Universität Tübingen in der Weise, daß er solche jederzeit dem verleihen wolle, welcher von der Universität dazu ernannt werde. Später kam der Hof durch Kauf an die Familie Breuning; K. Ferdinand bestätigte dessen Freiheiten am 9. Nov. 1531 dem Tübinger Untervogt Hans Breuning. Konrad Breuning aber verkaufte ihn den 18. Aug. 1544 für 16381/2 fl. an den Tübinger Spital, welcher die Pfründe aufhob und das Gut in Pacht gab, bis er es 1828 stückweise verkaufte. Bei dem Einzelnverkauf waren 931/4 Morgen Ackerfeld, 331/8 Mrg. Wiesen, 50 Mrg. Waldungen u. a.

Ein Kunrat von Swertzloch erkaufte 1323 von dem Predigerinnenkloster Offenhausen das Gut, welches er von ihm bisher als Leibgeding besessen hatte, um 15 Pfund Heller zu freiem Eigen (Mone Zeitschrift 20, 224; Konrad noch 1340. Schmid Urk. 224).



  1. Literatur (Stadt und Universität): Bentius, Jos., Descriptio initiorum inclytae academiae Tubingensis et oppidi Tubingae. Wittebergae 1554. 4. Raithius, Balth. (praes., Metz, Joh. Lud., resp.), Tubinga sedes sat congrua Musis. Tubingae 1677. 4. Zeller, Andr. Cp., ausführliche Merkwürdigkeiten der Universität und Stadt Tübingen. Tübingen 1743. 8. Böck, Aug. Fried., Geschichte der Eberhard Carls Universität zu Tübingen. Tübingen, 1774. 8. Eisenbach, H. F., Beschreibung und Geschichte der Stadt und Universität Tübingen. Tübingen 1822. 8. [Schönhut, Ottmar Fried. Heinr.] Merkwürdigkeiten der Stadt Tübingen. Tübingen, 1829. 8. [Derselbe] Wanderungen in der Umgegend Tübingens. Tübingen 1829. 8. Eifert, Max, Geschichte und Beschreibung der Stadt Tübingen. Klüpfel, K., Geschichte und Beschreibung der Universität Tübingen. Tübingen 1849. 2 Bde.
  2. Die Zahlen der Einwohner beziehen sich auf die ortsanwesende Bevölkerung nach der Zollvereinszählung vom 3. Dezember 1864.
  3. Ältere Formen sind: Tuwingin, Tuwingen (11. Jahrh. u. ff.), Twingin, -en, Tuingen. Übrigens wurde aus den alten Formen Tuingen, Tuiwingen auch Thiengen gemacht (Th. bei Freiburg und bei Waldshut, Dümge Reg. Bad. 116, Mone Zeitschr. 6, 121). Der Name ist noch nicht sicher erklärt; man denkt hiebei an die Ableitung von dem Eigennamen einer Person, wie dies bei vielen mit „ingen“ endenden Ortsnamen der Fall ist, oder bringt man ihn mit Twing (Zwing und Bann) in Beziehung (s. Schmeller Bayer. Wörterb. 4, 306).
  4. Domus sita apud ecclesiam b. Georii in Urk. v. 1290 (Mone. Zeitschr. 14, 98), damals von den von Hailfingen an das Kl. Bebenhausen gekommen, bestund – mit Nachbarhäusern – wohl schon lange vorher. „Kirchgasse 1323. Schmid Pfalzgrafen, Urk. 126.
  5. Als weitere überraschend schöne Aussichtspunkte in der Nähe von Tübingen sind zu nennen: der Spitzberg an vielen Stellen, die Waldhauser Höhe, der Steineberg, der Niedernberg etc.
  6. Haus- und Hofraithe am Österberge schon in Urk. v. 1317. Mene. Zeitschr. 18, 456.
  7. Die Gegend „unter dem Hage“ wird schon genannt in einer Urkunde von 1323 bei Schmid Pfalzgrafen, Urkunden 126 (Hack = Hain, der sonach auf der Nordseite des Schlosses bestanden hatte).
  8. In solchen erscheint es 1302 als castrum cum … septis, muris, vallis. Schmid Pfalzgr. Urk.-Buch 107.
  9. An das Wahrzeichen von Tübingen schließt sich folgende bekannte Sage an. Zwei Tübinger Bürgersöhne, Angehörige befreundeter Häuser, der eine ein Metzger, der andere ein Bäcker, gingen zusammen auf die Wanderschaft; der Metzger trug einen langen Dolch. Viele Jahre vergingen, ohne daß irgend eine Kunde von ihnen kam. Endlich kommt der Bäcker allein zurück und zwar im Besitz der Kleider und des Dolches seines Gefährten. Über diesen befragt, weiß er keine genügende Auskunft zu geben, und bald wird die Sage laut, der Bäcker habe seinen Kameraden erschlagen; man spannt ihn auf die Folter und nöthigt ihm das Geständnis eines an seinem Freunde begangenen Mordes ab. Der Unglückliche wird verurtheilt und mit dem Rade hingerichtet. Ohnlang hernach aber, kommt der andere vermeintlich Ermordete auch heim und erfüllt die ganze Stadt mit Reue und Bestürzung. Nun habe Kaiser Max bei einem Besuche in Tübingen von dieser traurigen Begebenheit vernommen und Befehl gegeben, zur Sühne für den unschuldig Geräderten ein Denkzeichen zu errichten. Demzufolge sei an der noch unvollendeten Kirche das Bild des Geräderten als Wahrzeichen der Stadt eingemauert worden. So schreibt Crusius und eine Archival-Handschrift.
  10. Die ältere Literatur über die Grabschriften und Denkmäler der Kirche s. bei Moser-Spittler Wirt. Bibliothek S. 560–562; hiezu noch. Gottfr. Fried. Kümmerle, Anzeige derjenigen Grabschriften und Denkmäler, welche in und neben der Stifts- oder St. Georgenkirche wie auch in der Schloß- und St. Jacobskirche zu Tübingen befindlich sind. Tübingen 1827.
  11. Daß sie Pfalzgraf Rudolf zum Andenken an seinen 1164 über Welf VII. erfochtenen Sieg erbaut habe, ist blos Sage. Schmid Pfalzgr. 85.
  12. Solidi (Schillinge) Tuwingensis monetae 1185 (Wirt. Urk.-Buch 2, 243), solidi Tuingenses 1216 (eb. 3, 35) „mit Tüwingern oder mit Hellern“ 1308 (Schmid Mon. Hohenb. 168), die Müntze (als Bezeichnung der Örtlichkeit in Tübingen) 1343 (Crus. Ann. Suev. 3, 242), Schilling Tüwinger 1388 (Schmid Pfalzgr. Urk. 244, 245) zeugen für wirkliche Tübinger Münzen, nicht blos für Tübinger Währung, wenn auch Fridericus monetarius de Tuingen 1236 (Mone Zeitschr. 3, 117) auf einen blosen Wechsler gedeutet werden wollte.
  13. Von hier an bis Seite 311 von Universitätsbibliothekar Dr. Klüpfel.
  14. Auch als Staatsmänner sind einzelne Stipendiaten, ausstudirte Theologen, hoch gestiegen, Beispiele aus den im vorigen Jahrhundert gebildeten: Georg Bernh. Bilfinger † 1750 als württemb. Geheimerrath; Philipp Eberh. Zech, in den Freiherrnstand erhoben 1750, † 1755 als württemb. Geheimerrath; Heinr. Gottfr. Groß, russischer Gesandter in Dresden und Berlin, † 1763; Ludw. Timoth. Spittler, Freiherr 1806, † 1810 als württemb. Staatsminister; Karl Friedrich Reinhard ausgezeichneter Diplomat, französischer Gesandter an mehreren Höfen, franz. Graf, Pair, † 1837, Karl Heinr. Gros, Prof. der Rechte in Erlangen, † 1840 als württemb. Geheimerrath.
  15. Literatur hierüber bei Moser-Spittler wirtemb. Bibliothek 452; s. auch Sattler Herzoge 6. Beil. Nr. 6, Zeitschrift für Staatswissenschaft, Jahrgang 1850, S. 243–257.
  16. Die Frequenz von 1811–1848 s. Klüpfel, Geschichte der Universität Tübingen, die angehängte Tabelle.
  17. Naturwissenschaftl. Fakultät seit 1863.
  18. Vergl. von hier an naturwissenschaftliche Fakultät
  19. Obsidio castri Alamannorum quod Tuingia vocatur. Gesta Trevir. bei Pertz Script. 8, 183.
« Kapitel A 7 Beschreibung des Oberamts Tübingen Kapitel B 2 »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).