Beschreibung des Oberamts Sulz/Kapitel B 7
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Gemeinde III. Klasse mit 448 Einw. – Dorf, Pfarrfilial von der evangelischen Gemeinde Oberndorf.
Auf der Hochebene über den Gehängen des nahen Neckarthales liegt frei und angenehm der freundliche, reinlich gehaltene Ort, welcher gleichsam nur aus einer, mit Gebäuden weitläufig besetzten Straße besteht. In der Mitte des Dorfs erweitert sich die Ortsstraße zu einem freien Platz, auf welchem die Kirche und das Schulhaus stehen.
Die Kirche, welche Eigenthum der Stiftungspflege ist, war vor der Reformation eine Kapelle und ist an dem Langhause in einem gewöhnlichen Style mit oblongen Fenstern und Eingängen erneuert; der viereckige noch alte Thurm enthält spitzbogige, mit Maßwerk gefüllte, germanische Fenster und trägt ein Satteldach. Das untere Stockwerk des Thurms, zu dem von dem Langhaus ein spitzer Triumphbogen führt, vertritt die Stelle des Chors und ist mit einem Kreuzgewölbe gedeckt. Die beiden auf dem Thurme hängenden Glocken sind 1829 und 1851 von Kurtz in Reutlingen gegossen worden.
Der Begräbnißplatz im Jahr 1816 erweitert, liegt außerhalb (östlich) des Orts.
Das Anfangs des gegenwärtigen Jahrhunderts erbaute Schulhaus enthält neben einem Lehrzimmer, die Wohnung des Schulmeisters und die Gelasse für den Gemeinderath.
Der Ort ist durch Vicinalstraßen nach Oberndorf und nach Bochingen, beziehungsweise Sulz, Rosenfeld etc. mit der Umgegend in Verbindung gesetzt. Die Entfernung nach der nordöstlich gelegenen Oberamtsstadt beträgt 2 Stunden und die nach Oberndorf, wohin der Ort eingepfarrt ist, 1/2 Stunde. Obgleich der Ort 2 Stunden oberhalb der Quellen des Mühlbachs liegt, so wird er doch noch zu den Mühlbachorten gerechnet.
Gutes Trinkwasser liefern 2 laufende und 20 Pumpbrunnen in hinreichender Menge und nur in ganz trockenen Jahrgängen tritt einiger Wassermangel ein.
Die körperlich kräftigen Einwohner sind fleißig, sparsam und finden ihre Hauptnahrungsquellen in Feldbau und Viehzucht. Ihre Vermögensumstände sind von der Art, daß auf etwa 90 Bürger 30 bemittelte, 30 nothdürftig ausreichende und 30 arme, zum Theil unterstützungsbedürftige kommen. Die Gewerbe beschränken sich auf die gewöhnlichsten Handwerker; in neuerer Zeit wurde die Wollenstrickerei| eingeführt, die jedoch wieder eingegangen ist. Es bestehen 2 Schildwirthschaften und eine Krämerei.Der Boden der meist ebenen, verhältnißmäßig ziemlich großen Markung ist mittelfruchtbar und mehr leicht als schwer; ein Theil der Markung hat Sandboden (Verwitterung des Lettenkohlensandsteins).
Die Luft ist rein und trocken, dabei aber etwas rauh; Frühling und Ernte treten um 8 Tage später ein als in den unteren Mühlbachorten. Schädliche Frühlingsfröste kommen häufig vor, dagegen hat der Hagel seit den 1830ger Jahren keinen erheblichen Schaden mehr angerichtet.
Die Landwirthschaft wird im Dreifeldersystem mit zu 1/3 angeblümter Brache gut betrieben und die Anwendung des Flanderpflugs ist allgemein üblich. Man baut vorzugsweise Dinkel, Haber, in neuerer Zeit Weizen, Kartoffeln und dreiblättrigen Klee. Bei einer Aussaat von 1 Schffl. Dinkel und 5 Sri. Haber ist der gewöhnliche Ertrag 6–8 Schffl. Dinkel und 4–5 Schffl. Haber per Morgen. Der höchste Preis eines Morgens Acker beträgt 400 fl., der mittlere 200 fl. und der geringste 100 fl.; die gleichen Preise bestehen für die Wiesen. Über den eigenen Bedarf können noch etwa 200 Schffl. Dinkel, 100 Schffl. Haber und 50 Schffl. Weizen meist auf der Fruchtschranne in Oberndorf abgesetzt werden.
Die Wiesen, von denen nur ein kleiner Theil Wässerung erhält, sind meist zweimähdig und liefern per Morgen durchschnittlich 20–25 Ctr. Heu und 8–10 Ctr. Öhmd. Die Wiesenpreise bewegen sich von 100–400 fl. per Morgen.
Von wenig Belang ist die Obstzucht, welche sich nur auf rauhere Mostsorten beschränkt, während edleres Obst nicht gedeiht; von Äpfeln werden vorzugsweise sog. Winterlinge und von den Birnen Glöcklesbirnen gezogen; Zwetschgen gedeihen gut. Das Obst wird im Ort selbst verbraucht.
Die Gemeinde besitzt 46 Morgen Nadelwaldungen, welche der Gemeindekasse eine jährliche Einnahme von etwa 300 fl. liefern.
Der Ort hat gute Schafweiden, welche an einen fremden Schäfer um etwa 200 fl. jährlich verpachtet werden; überdieß sichert die Pferchnutzung der Gemeindekasse eine jährliche Rente von 100 fl.
Die Rindviehzucht wird stark betrieben und bildet eine besondere Erwerbsquelle, indem das Vieh theils in die benachbarten Städte, theils an badische Viehhändler abgesetzt wird. Es wird hauptsächlich auf eine Schweizerrace gesehen und diese durch zwei aufgestellte| Simmenthaler Bastard-Farren nachgezüchtet. Die Farrenhaltung hat die Gemeinde.Die Zucht der Schweine ist ganz unbedeutend; die Ferkel werden meist in Rottweil auf dem Markt gekauft und theils für den eigenen Bedarf, theils zum Verkauf gemästet.
Die Gemeinde hat kein Kapitalvermögen, dagegen besitzt sie außer den schon angeführten 46 Morgen Waldungen, noch 100 Mrg. Allmanden und 12 Morgen Schafweiden. Die Allmanden sind den Ortsbürgern zur Benützung überlassen und zwar so, daß die ältern Bürger mehr erhalten (bis zu 2 Morgen) als die jüngern, welchen Anfangs nur etwa 1/4 Morgen überlassen wird. Für den Morgen hat der nutzniesende Bürger 45 kr. an die Gemeindekasse zu entrichten.
Ungefähr 1/4 Stunde nordwestlich vom Ort kommt die Benennung „Burgstall“ vor; daselbst befindet sich eine viereckige, etwa 1 Morgen große Verschanzung.
Auf der Anhöhe nördlich vom Ort genießt man eine ausgedehnte Aussicht an die Alp und über einen Theil des oberen Schwarzwalds.
Zu der Gemeinde gehören:
Der Schlatthof, auch oberer Schlatthof genannt, welcher 1/2 Stunde südwestlich von dem Mutterort, unfern des oberen Thalrandes gegen das Neckarthal liegt.
Boll heißt zum Unterschied von gleichnamigen Orten in Schwaben „Boll ob Oberndorf“.
Hiesige Besitzungen wurden um 1099 von Adelbert von Zollern zur Stiftung des Kl. Alpirsbach verwendet, und P. Paschalis II. bestätigte den 12. April 1101 diese Vergabung (in Bollo. Wirt. Urk.-Buch 1, 328). Mitbesitzer waren die Grafen von Sulz. Die Wittwe Graf Bertholds von Sulz, Adelheid von Schwarzenberg, verkaufte den 12. Merz 1348 ihren Theil des Dorfes für 45 fl. an das ebengenannte Kloster, unter dessen Hoheit der Ort am Ende ganz gelangte. Mit ihm kam er durch die Reformation an Württemberg, unter welcher Herrschaft er bis 1807 ein Klosteramtsort blieb.
Nebenbei erscheinen noch mehrere Herren als hier begütert und berechtigt. Peter von Boll, Ritter, kommt vor 1271 und als Zeuge in einer Urkunde Eberhards von Lupfen vom 15. December 1299. Bernhard Lutenbach zu Roth übergab den 23. Febr. 1358 seinen Antheil am Ort an seine Tochter Catharina und deren Mann Johann von Öningen zu Oberndorf. Eberhard von Öningen verkaufte den| 13. Juni 1402 denselben Besitz für 80 fl. auf Wiederlosung an Cuno von Brandeck.Am 6. März 1539 verglichen sich Boll und Oberndorf wegen Viehtriebs und Weidegangs in der Halde ob der Boller Steig und es wurden Marksteine auf dem Rain ob der Steig bis ans Heiligenholz vor Boll auf der Ecke und von da bis zu dem Stein auf der Brandsteige gesetzt: was unterhalb derselben liegt, gehört mit Grund und Boden Oberndorf (Köhler, Oberndorf 160).
Den großen und kleinen Zehnten in Boll kaufte das Augustiner-Kloster in Oberndorf 1470 von Georg von Leinstetten für 450 Pfund Heller und im Jahr 1521 wurde Jacob Steiner hiemit im Namen des Klosters von K. Karl V. beliehen (Petrus Suevia sacra 642). Im Jahre 1750 hatte dasselbe Kloster in der Gegend auf Schlath genannt einen Markungsstreit mit Boll (Köhler a. a. O. 67).
Früher war Boll Filial der Remigiuskirche in Oberndorf (Köhler a. a. O. 42).
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