« Kapitel B 3 Beschreibung des Oberamts Schorndorf Kapitel B 5 »
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Baiereck,
Gemeinde III. Kl. mit 456 Einw. a. Baiereck, Pfarrdf. 321, wor. 5 Kath. b. Nassachmühle 19 Einw., wor. 1 Kath. c. Unterhütt, W. 116, wor. 1 Kath. – Ev. Pfarrei. Parc. b. und c. Filial von Ebersbach, O.A. Göppingen. Die Kath. sind nach Pfauhausen O.A. Eßlingen eingepfarrt.


Die genannten Gemeinde-Parcellen sind in zwei tiefen Schluchten des mit dem Schurwald zusammenhängenden Schlichtenwaldes (vergl. oben Aichelberg) gelegen, in welche sich mehrere Einschnitte verzweigen, und erstrecken sich bis an die Grenze des Oberamtes Göppingen, auf welcher die Nassachmühle liegt. Auf der nahen Krapfenreuter Höhe ist die herrlichste Aussicht auf die ganze Alp. Diejenige Schlucht, worin Baiereck liegt, ist vom Lochbach bewässert und mündet in östlicher Richtung in das von Norden herkommende Herrenbachthälchen aus, das sich gegen Süden fortsetzt und erweitert und, nachdem es einige Gewässer, namentlich von Westen her den Seebach und von Norden her die Nassach aufgenommen, Nassachthälchen heißt. Der Nassachbach mit seinen Zuflüssen vereinigt sich im Oberamte Göppingen mit der Fils. Der Bezirk ist ganz von düsterem Wald umgeben, rauh und unwirtlich und nur ein kleiner Theil der Thalseiten angebaut. Die Luft ist gesund, Hagelschlag selten, das Trinkwasser ganz vorzüglich (s. o. S. 6), der sandige Boden aber weniger fruchtbar, als auf dem Wald überhaupt (s. Hegenlohe). Die Gemeinde Baiereck hat auffallend viele unehliche Geburten (s. o. S. 26). Die Nahrungsverhältnisse wurden als die armseligsten im Oberamts-Bezirke schon 1741 amtlich bezeichnet; die Einwohner sind meistens Taglöhner, Holzhauer, Besenbinder und mitunter Kohlenbrenner. Das Baufeld reicht für die Bevölkerung längst nicht mehr zu und die Landwirthschaft liegt ganz darnieder. Die steilen Wege, welche Baiereck mit Schorndorf über Schlichten und mit Göppingen und Eßlingen über Hegenlohe verbinden, sind in äußerst schlechtem Zustande. Eine 1847 auf Staatskosten begonnene Straße durch das Nassachthälchen dürfte künftig in letzterer Hinsicht Hilfe schaffen. Auch zu Vermehrung des Grundbesitzes ist der Staat einigermaßen in’s Mittel getreten, indem er 1845 der Parcelle Unterhütt 20 M. Wald zur Ausrodung abtrat und an Baiereck 1850 auf 15 Jahre 36 M. Wald zur landwirthschaftlichen Benützung überließ.| Nur der vom Boden begünstigte Kartoffelbau und die jedoch auf die gewöhnlichen Sorten gerichtete Obstzucht verdienen Erwähnung.

Die Zehenten, ausschließlich des der Pfarrei Ebersbach, Oberamts Göppingen, zustehenden Heu- und kleinen Zehentens von Baiereck, bezieht der Staat; Unterhütt ist frei vom kleinen Zehenten. Dem Staat gebühren auch die übrigen Grundgefälle; nachdem 2 fl. 12 kr. Laudemien und 29 fl. 20 kr. Geldzinse für 583 fl. 5 kr. abgelöst worden, hat er nur noch 19 fl. 32 kr. und 181/2 Sch. Frucht wegen der Zehenten zu erheben.

a) Das Pfarrdorf Baiereck, 11/2 Stunden südlich von Schorndorf in einer engen, unheimlichen Thalschlucht, wohl der engsten und tiefsten des ganzen Waldes, gelegen, ist einerseits mit Schorndorf, andererseits mit dem Neckar- und Fils-Thal durch eine gefährliche Steige verbunden und vom Lochbach bewässert. Das Dörfchen hat eine vortreffliche, nie versiegende Quelle, mit welcher in älteren Zeiten eine Badstube verbunden war. Der Förster des Reviers Baiereck hat in Thomashardt seinen Sitz. Der Ort zählt 70 Haupt- und 8 Neben-Gebäude. Seine Beschaffenheit ist weitum die ungünstigste: armselige Hütten, planlose Bauart, holperige, schmutzige, nur 7–8′ breite Wege; über den mitten durch den Ort fließenden Bach nicht eine einzige Brücke. Die Häuser hängen, da die Thalsohle äußerst schmal ist, an den beiderseitigen Bergabhängen. Das Kirchlein, zu dessen „Deckung und Zurichtung“ der herzogliche Kirchenrath 1595 einen Gnadenbeitrag von 32 fl. bewilligte, ist von Fachwerk, ohne Orgel, und das Thürmchen ohne Uhr hat nur eine Glocke. Es wurde 1849 mit einem Staatsbeitrag von 500 fl. von der Gemeinde ausgebessert. Ein Pfarrhaus ist noch nicht vorhanden. Das baufällige Schulhaus mußte abgebrochen werden und da die Gemeinde wegen Armuth kein neues errichten konnte, so wurde ihr 1848 eine Kirchencollecte gestattet, die 2002 fl. 14 kr. ertrug, und 1850 vom Staat 700 fl. beigetragen, so, daß das neue, auch zum Rathhaus bestimmte Gebäude 1850 vollendet werden konnte. – Die Markung von Baiereck begreift außer oben erwähnten 36 M. gerodetem Waldboden, 166/8 M. Gärten, 1127/8 M. willkürlich gebaute Äcker und 1562/8 M. Wiesen, also 17/20 M. auf den Kopf. Schon in den Jahren 1819/32 wurden 261/2 M. Allmanden angebaut. Ein Gemeindewald ist nicht vorhanden. Auch das Gemeindevermögen ist gering: 17 M. Grundeigenthum und 1210 fl. Capitalien, worauf 1080 fl. Schulden ruhen. Die verhältnißmäßig große Gemeindeumlage beträgt 400 fl. Die anderwärts der Stiftungspflege obliegenden Ausgaben müssen, da hier keine vorhanden ist, von der Gemeinde bestritten werden. Baiereck war früher nach Ebersbach eingepfarrt. Theils wegen der weiten Entfernung und theils wegen des großen Bedürfnisses, den sittlichen Zustand zu heben, wurde aber für die zusammengesetzte| Gemeinde am 15. Nov. 1848 eine beständige Pfarrverweserei errichtet. Indessen protestirten Unterhütt und Nassachmühle, die erst 1835 von Uhingen nach Ebersbach umgepfarrt worden waren, gegen diese Anordnung, worauf ihnen am 25. Mai 1849 gestattet wurde, im kirchlichen Verbande mit Ebersbach zu bleiben, so daß nun Baiereck für sich allein eine Pfarrgemeinde bildet. An der Schule, die bis 1808, wo das Publikum zu Beisteuern für ein Schulhaus aufgefordert ward, abwechslungsweise in Bauernhäusern gehalten wurde und die nur 13 fl. Schulfond hat, steht vorerst noch ein Schulamtsverweser. Winters ist eine Industrieschule für Mädchen im Gange. Auch für Nassach-Unterhütt besteht seit 1826 in Nassach eine Schule (s. Hundsholz). Der Begräbnißplatz liegt um die Kirche her.

b) Nassachmühle, 5/4 Stunden südwestlich von Baiereck, auf der Oberamtsgrenze, an der obenerwähnten in’s Filsthal ausmündenden Straße, auf der linken Seite des Nassachbaches, ist eine unbedeutende Papiermühle, der es häufig an Wasser gebricht, mit eigener Markung von 17 M.

c) Unterhütt, Weiler, liegt südöstlich 3/4 St. von Baiereck, auf der rechten Seite des Nassachbaches und hieß, wohl im Gegensatze zu dem jüngern Baiereck, früher Alte Hütten. Hier ist das Thal noch enger, die Berge steigen noch schroffer auf, und der Weiler mit seinen ärmlichen, unreinlichen Hütten macht einen noch traurigeren Eindruck, als Baiereck. Die Markung begreift ohne die oben erwähnten 20 M. Waldboden an Baufeld nur 12/8 M. Garten, 197/8 M. willkürlich gebaute Äcker und 267/8 M. Wiesen; also blos 4/10 auf den Kopf.

Da die Felder auf der Winterseite liegen, gehören sie schon deswegen zu den unfruchtbaren. Die Bewohner, welche die Kohlenbrennerei gewerbsmäßig betreiben, setzen die Kohlen größtentheils nach Stuttgart ab.

Baiereck, das in ältern Zeiten zum Schlichter Waldgericht (s. o. S. 74) gehörte, ist wahrscheinlich erst im späteren Mittelalter entstanden. Aus Archivalacten ist Folgendes zu entnehmen. Um’s Jahr 1400 wurde hier eine Glashütte errichtet, die aber 1553 wieder einging. Die abgelegene Lage des Ortes und vielleicht auch die Glashütte brachte es wohl mit sich, daß sich hier, unbekümmert um die allgemeinen Einrichtungen, ganz eigenthümliche Zustände bilden konnten. Der Forstmeister von Schorndorf hatte noch 1507 die Macht, die Einwohner in eine ihm beliebige Pfarrei zu verordnen, und er war es, der sowohl die großen Zehenten (den kleinen die Pfarrei Ebersbach), als die Laudemien und jährlichen Grundgefälle von der Badstube und 3 Lehen in Baiereck erhob. Aus diesem, Alte Hütten im Nassach, Diegelsberg (Oberamts Göppingen) und Fliegenhof wurde ein eigenes Ämtchen gebildet, das in Gemeinschaft| mit Walkersbach „in Kriegszeiten, wann ein Forstmeister reisen muß,“ demselben einen zur Jägercompagnie gehörigen Reisewagen führen mußte, dagegen aber frei von Steuern und Auswahlen war. Erst am 9. Mai 1736 fielen, gegen Aufhebung der letztgedachten Verpflichtung, diese Privilegien, und das Ämtchen wurde, unter Lostrennung von Diegelsberg, dem Stabe Winterbach, später jenem von Hundsholz zugetheilt. Am 21. August 1824 wurde die Genehmigung zu Bildung der Gemeinde, wie sie jetzt ist, ertheilt.

Der oben erwähnte Fliegenhof lag zwischen Baiereck und Unter-Berken. Er gehörte 1590 dem Kl. Adelberg, kam später an den Hospital Schorndorf und ist erst im vorigen Jahrhundert abgegangen.


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