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Zimmern ob Rottweil,
Gemeinde III. Kl. mit 632 Einwohnern, worunter 5 Evangelische. Kath. Pfarrdorf; die Evangelischen sind nach Rottweil eingepfarrt. 3/4 Stunden westlich von der Oberamtsstadt gelegen.
Auf der Hochebene zwischen dem Neckar- und Eschach-Thale liegt frei der schöne freundliche, von Obstbaumgärten und Wiesengründen umgebene Ort, an dessen breiten, gut hergestellten Ortsstraßen die Gebäude in mäßigen Entfernungen, theilweise etwas gedrängt hingebaut sind. Neben hübschen ländlichen Wohnungen trifft man hier manche sehr stattliche Bauernhäuser mit der Scheune unter einem Dach, welche die Wohlhabenheit seiner Bewohner bekunden.| Die Gebäude sind nicht selten an den Giebelseiten verschindelt und einzelne noch mit Schindeln gedeckt. Den südlichsten Theil des Orts berührt die Rottweil–Schramberger Landstraße und überdieß bestehen Vicinalstraßen nach Flötzlingen, Horgen und als weiterer Verbindungsweg eine nach Rottweil.

Die kleine, dem h. Konrad geweihte Kirche liegt bei einer schönen alten Linde in dem noch theilweise ummauerten früheren Friedhof, im östlichen Theile des Ortes, und wurde im vorigen Jahrhundert erbaut, im Jahre 1827 erweitert; letztere Jahreszahl steht über dem Westeingang. Das flachgedeckte freundliche Innere enthält einen großen Altar im Spätrenaissancegeschmack, mit Säulen, Figuren und Gemälden, auch steht auf ihm eine schöne zwei Fuß hohe gothische Monstranz. Ferner sieht man an den Wänden hübsche schmiedeiserne Lichthalter und im schmäleren vieleckig schließenden Chor eine fast lebensgroße spätgothische Pieta, wohl schon aus dem 16. Jahrhundert, tüchtig und naturwahr behandelt. Auf dem Firste sitzt ein ganz mit Weißblech bedeckter Dachreiter. Die Unterhaltung der Kirche ruht auf der Gemeinde und der Stiftungspflege.

Als ein merkwürdiges und lehrreiches Beispiel, wie sich uralte Kunst- und Stilformen in den Werken der Volkskunst bis auf den heutigen Tag fortpflanzen, ist anzuführen das im nördlichen Theile des Orts an der Straße stehende, große hölzerne Krucifix, mit Engeln und Marterwerkzeugen, das einen ganz byzantinischen Eindruck macht, besonders auch der ältlich aber wirklich nicht ohne Ausdruck behandelte Christus selbst. Das ganze wurde laut Inschrift: Verfertigt von Bildhauer Wilhelm in Seedorf 1865. Der mit einer Mauer umfriedigte Begräbnißplatz wurde im Jahre 1829 außerhalb (nordwestlich) des Dorfs angelegt.

Das 1804 erbaute und 1829 erneuerte zweistockige Pfarrhaus steht südlich bei der Kirche, befindet sich in gutem baulichem Zustande und ist von der Gemeindepflege zu unterhalten. Das Schulhaus mit zwei Lehrzimmern und der Wohnung des Schulmeisters ist im Jahr 1842 modern und gut erbaut worden. An das zweistockige, gut erhaltene Rathhaus wurde ein Ökonomiegebäude angebaut, in welchem die Farren aufgestellt, und die Feuerspritze, der Bahnschlitten etc. aufbewahrt sind.

Gutes Trinkwasser liefern 20 Pumpbrunnen, die jedoch in trockenen Jahrgängen so nachlassen, daß der Wasserbedarf außerhalb des Orts, hauptsächlich in dem 1/2 Stunde entfernten Neckar-Thal, geholt werden muß. Auf den Fall der Feuersgefahr ist eine Wette im Ort angelegt. Auch die Markung hat weder eine Quelle noch einen Bach aufzuweisen.

| Die im allgemeinen fleißigen und sparsamen Einwohner, von denen gegenwärtig 2 über 80 Jahre alt sind, treiben Feldbau und Viehzucht, während die Gewerbe sich nur auf die nöthigsten Handwerke beschränken. Schildwirthschaften sind 3 und Kramläden 2 vorhanden. Die Vermögensverhältnisse sind gut, indessen in neuerer Zeit durch Hagelbeschädigungen etwas zurück gekommen. Der wohlhabendste Bürger besitzt 90 Morgen, der sog. Mittelmann 20 Morgen Grundeigenthum, während die ärmere Klasse nur 11/2 Morgen Allmanden zur Benützung hat. Auf angrenzenden Markungen besitzen die Einwohner etwa 60 Morgen Güter. Gemeindeunterstützung erhalten gegenwärtig 10–12 Personen. Das Klima ist ziemlich rauh und die Gegend ist wegen ihrer freien hohen Lage den Winden sehr ausgesetzt, auch wird sie nicht selten von Frühlingsfrösten und in neuerer Zeit auch von Hagelschlag heimgesucht. Die ziemlich große, schön arrondirte Markung hat eine flachwellige leicht zu bebauende Lage und einen mittelfruchtbaren sehr verschiedenen Boden, der theils aus Lehm, theils aus den Zersetzungsprodukten der Lettenkohlengruppe und des Muschelkalkdolomits (Malmboden) besteht; in letzterem sind 3 Steinbrüche angelegt, von denen jedoch nur einer benützt wird. Erdfälle kommen mehrere vor.

Die Landwirthschaft wird mit vielem Fleiß gut betrieben, und zur Verbesserung des Bodens kommt, außer den in zweckmäßig angelegten Düngerstätten gesammelten gewöhnlichen Düngungsmitteln, noch Kompost, Gips und Asche in Anwendung. Der Brabanterpflug ist allgemein eingeführt und die eiserne Egge, die Feld- und Dreschwalze und die Repssämaschine haben Eingang gefunden. Zum Anbau kommen die gewöhnlichen Cerealien und von diesen vorzugsweise Dinkel, ferner Kartoffeln, viel Futterkräuter und für den eigenen Bedarf Reps, Flachs und Hanf. Von den Getreidefrüchten werden jährlich auf der Schranne in Rottweil abgesetzt etwa 900 Scheff. Dinkel, 100 Scheff. Gerste, 50 Scheff. Mengfrüchte, 60 Scheff. Haber und 30 Scheff. Weizen. Die in namhafter Ausdehnung vorhandenen Wiesen sind durchaus zweimähdig und liefern gutes Futter, von dem, wie auch Kleeheu, viel nach außen verkauft wird. Die nicht beträchtliche Obstzucht beschäftigt sich hauptsächlich mit späten Kernobstsorten (Junkersbirnen, Frauenschenkel, Wadelbirnen, Lederäpfel, Scheibenäpfel) und von Steinobst mit Zwetschgen und Pflaumen. Der Obstertrag wird mit wenig Ausnahme im Ort verbraucht. Für die Obstpflege sind 2 Baumwarte aufgestellt und die Jungstämme bezieht man größtentheils aus der Gemeindebaumschule.

Die Gemeinde besitzt 275 Morgen Nadelwaldungen, die jährlich etwa 120 Klafter und verhältnißmäßig Wellen abwerfen; hievon| erhält jeder Bürger 2/3 Klafter und etwas Reisach, wofür er 2 fl. 30 kr. zu bezahlen hat, was der Gemeindekasse eine Rente von 355 fl. einträgt, überdieß wird das Lang- und Stockholz zu Gunsten der Gemeinde um etwa 700 fl. verkauft. Ferner bezieht die Gemeindekasse aus etwa 150 Morgen eigentlicher Weide nebst der Brach- und Stoppelweide die Pachtsumme von 330 fl., aus der Pferchnutzung 250 fl. und aus den an die Bürgerschaft verliehenen Allmanden wieder 250 fl.

Was die Viehzucht betrifft, so ist die der Pferde nicht von Erheblichkeit; man hält einen schweren Landschlag und bringt die Stuten zur Bedeckung nach Rottweil. In gutem Zustande ist dagegen die Rindviehzucht, die sich mit der Simmenthalerrace beschäftigt und zu deren Nachzucht man 3 Farren von gleicher Race aufgestellt hat. Der Handel beschränkt sich auf den Verkauf des entbehrlich gewordenen Viehs, auch wird Milch, jedoch nicht viel, nach Rottweil abgesetzt. Ein fremder Schäfer läßt auf der Markung den Sommer über 150 Bastardschafe laufen. Eigentliche Schweinezucht findet nicht statt und die Ferkel werden alle von außen bezogen und meist für den eigenen Bedarf aufgemästet.

Neben dem gewöhnlichen Stiftungsvermögen (s. Tabelle III) besteht noch eine besondere Armenstiftung mit 1000 fl., deren Zinsen den Ortsarmen ausgetheilt werden.

Die römische Heerstraße, die einst von der Altstadt bei Rottweil gegen Waldmössingen u. s. w. führte, lief zunächst am Ort vorüber; auf sie ist die Rottweil–Schramberger Landstraße, soweit sie die Markung berührt, gegründet worden. Von ihr scheint eine weitere Römerstraße, die an der westlichen Markungsgrenze hinzog, gegen Hausen abgelenkt zu haben.

Über die Art und Weise sowohl als über die Zeit des Rottweiler Erwerbes an diesem Gebietsorte, der auch den Namen Waldzimmern führte und erstmals im J. 1283 (s. u.) genannt wird, sind uns nur noch einige Dokumente vom J. 1405 erhalten.[1] Kraft dieser erkaufte die Stadt den 30. März d. J. „den 8. Theil an dem Gerichte des Dorfs zu Zymbern ob Rottweil“ mit allen seinen Rechten von Konrad von Sinkingen um 6 Pfd. Hllr. und den 15. Okt. d. J. den halbvierten Theil an demselben Gerichte von dem Villinger Bürger Georg von Weilersbach um 1 fl. 6 Pfd. Hllr., bekam übrigens wegen des letzteren Antheils im J. 1412 Streit mit obigem Konrad, welcher Ansprüche an denselben erhob.

| Die Zehenten hierselbst waren früher (schon im J. 1388) theilweise von der Familie von Falkenstein zu Lehen gegangen, in den Jahren 1469 und 1470 aber verkaufte Jakob von F. seine Lehensherrlichkeit an Württemberg. Dieselben wurden noch bis in die neueren Zeiten (8. Mai 1845) in 4 getrennten Lehensbriefen an den Rottweiler Spital verliehen, nemlich 3 Theile an der Hälfte des großen und kleinen Zehenten und das Viehzehentlein, welches von Heinrich Freiburger im J. 1471 um 15 fl. an den Spital kam; an dem großen und kleinen Zehenten, im J. 1515 dem Peter Mäßlin, Bürger zu Constanz, um 540 fl. abgekauft; 1/4 am großen und kleinen Zehenten, vermöge Vertrags vom J. 1606 Württemberg unter der Bedingung zu Lehen aufgetragen, daß der Spital damit wie mit den anderen Zehenten belehnt werde; 1/8 am großen und Heuzehenten, wie solches im J. 1455 um 172 Pfd. Hllr. dem Großhansen Freiburger vom Spital abgekauft wurde.

Das Kloster Rottenmünster bezog hier im J. 1283 Fruchtzinsen, erhielt im J. 1289 von Ulrich Bletz dem Älteren und seiner Ehefrau Gotelinde hiesige Güter um ihres Seelenheiles willen zugeordnet und erscheint im J. 1564 im Besitze 2 hiesiger Lehengüter.

Den 15. Nov. 1540 wurde der hiesige Rottweiler Spitalhof durch landenbergische Reiter verbrannt (Stälin 4, 422).

Die schon früher hier vorhandene Kirche war ein Filial der Stadtpfarrei Rottweil. Den 2. Sept. 1623 gestattete der Generalvikar des Constanzer Bischofs der Gemeinde auf ihre Bitte die Anlegung eines Kirchhofs bei der Kirche des Orts. Im J. 1803 wurde eine eigene Pfarrei hier errichtet.



  1. Eine nicht quellenmäßige Vorgeschichte des Ortes s. Zimmerische Chronik 1, 11.


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