« Kapitel B 14 Beschreibung des Oberamts Rottenburg Kapitel B 16 »
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15. Niedernau mit dem Bad,
kath. Pfarrdorf, 3/4 St. von Rottenburg [1], mit 404 Einw. am Einfluß des durch den Ort fließenden Katzenbaches in den Neckar, der nahe am Dorfe durch ein Wehr für die Mühle gedämmt, vorüber läuft. Die Lage im Einschnitte des Thälchens, zwischen Bergen und Tannenwäldern, ist reizend und gesund. Die Häuser liegen an dem Bache zerstreut, die Kirche und das Pfarrhäuschen mit noch einigen Häusern etwas erhöht auf einem Hügel. Der Groß- und Kleinzehnten auf der ganzen Markung steht dem Staate zu [2]. Zehentfrey sind 49 M. Äcker, und der Klee in der Brach durchgängig. Der nicht sehr beträchtliche Feldbau des Dorfes gestattet keinen großen Wohlstand, und Gewerbe wollen nicht | sehr gedeihen; doch besteht seit einigen Jahren eine Industrieschule dahier. Das Bad Niedernau. Leben und Regsamkeit bringt in das reizende Thälchen vorzüglich das nur eine kleine Strecke rückwärts vom Dorfe gelegene Badhaus, zu dem ein mit Bäumen bepflanzter eben gebahnter Weg führt. Schon in den älteren Zeiten bestand dasselbe, 1489 erhielt es der Hohenbergische Marschalk Georg Mülingen, 1577 aber Wendel Kurz, gegen einen jährlichen Zins von 2 fl., auf 10 Jahre zu Lehen, nachdem es einige Jahre abgegangen und wüst gelegen, im J. 1554 aber von Hans Jungel wieder ein Haus auf die Hofstatt erbauet worden war. Lutz von Lutzenhard rühmt in seiner Chronik von 1609 seine innerliche und äußerliche Kraft. Der jetzige Badinhaber, Herr Dr. Raidt, hat viel für diese Heilanstalt gethan. Er hat die Quellen nicht nur neu fassen lassen, sondern theils die alten Gebäude verbessert, theils neue erbaut, und sie sämmtlich in ein genaues Verhältniß zu einander gebracht, so daß sie äußerlich einen schönen freundlichen Anblick, und innerlich hinlänglichen Raum zur Bequemlichkeit in heiteren Zimmern, zum Vergnügen und zur Geselligkeit in einem schönen Speise- und in einem abgesonderten Tanzsaale und einem Billardzimmer gewähren [3]. In dem kleinen Thälchen selbst, so wie in den östlich und westlich auf die Berge emporsteigenden Tannenwäldern sind verschiedene Anlagen, Häuschen, Sitze, Gänge und zuweilen überraschende Fernsichten mit Geschmack angebracht, wo man die reinste Luft und süße Düfte einathmet. Das Ganze gewährt den Anblick eines einzig schönen ländlichen Panoramas, oder natürlichen | Theaters mit allen Arten von Coulissen. Es sind hier von den Monaten May bis in September immer 50 – 60 Personen alles Alters und Geschlechtes aus den höhern Ständen, wozu Würtemberg vorzüglich, aber auch Baden, Bayern und die Schweiz Gäste liefert, bleibend oder ab- und zugehend versammelt. Besonders lebhaft geht es an Sonn- und Feyertagen, auch an Donnerstagen zu. Der eigentliche Charakter des Bades ist jedoch mehr Stille, Ruhe, häusliche Geselligkeit und freundschaftliches Zusammenleben, wie im Kreise einer Familie, und wer je in diesem süßen Schattenthale einige Wochen verweilt hat, wird sich mit kommenden Frühlingslüften stets seiner erinnern, und nach seinem stillen Frieden und dem ruhigen Genusse so ganz im Schooße der Natur, und unter guten Menschen sehnen. Der Zugang zu dem Bade ist durch einen neu angelegten ganz ebenen Fahrweg im romantischen Neckarthale, von Rottenburg her sehr erleichtert und angenehm gemacht worden. Kost, Getränke und Miethe sind billig, man kann sagen wohlfeil. Über die Mineralquellen und ihre Bestandtheile s. S. 54. Über die Heilkraft gibt eine 1815 erschienene kleine Schrift des jetzigen Badinhabers Auskunft: Über die Sauerquellen von Niedernau und ihren Gebrauch, von Dr. X. Raidt. Im J. 1780 erschien im Druck: Kurze und gründliche Nachricht von Tugend und Heilkraft des Niedernauischen Sauerbrunnens, von einem Liebhaber östreichischer nützlicher Landesprodukten. Weitere Nachrichten enthalten: 1) Über die Gesundbrunnen und Heilbäder Würtembergs. Von Dr. Dangelmayer. Th. IV. Gmünd 1813. 2) Über die Gesundbrunnen und Heilbäder etc. von Medicinalrath Dr. Wetzler. Th. II. Mainz 1819 [4]. | Niedernau selbst ist ein sehr alter Ort; schon 1127 ward die Kapelle zum h. Conrad hier von Ulrich II. Bischof von Constanz eingeweiht. Der Ort war übrigens ein Filial der Pfarrey zum h. Remigius ob Ehingen, und wurde nach deren Inkorporation von dem Stift in Ehingen kirchlich versehen, bis im J. 1806 eine eigene Pfarrey auf Ansuchen der Gemeinde errichtet wurde, wobey sich diese zum Bau des Pfarrhauses anheischig machte. Die Baulast und der Unterhalt der Kirche liegt den Zehentherren, so weit die Kirchenpflege nicht zureicht, ob.

Es scheint es habe sich ein eigenes adeliches Geschlecht von Niedernau geschrieben. 1415 war Hans von Niedernau zu Rottenburg seßhaft. 1377 verkauft Vollkart von Ow nebst andern auch seine eigene Leute zu Niedernau an Graf Rudolph von Hohenberg. 1400 löst Rudolph den „von Leutpold zue Östreich an Conrad Pöpplin, genannt Höppeler" versetzten Theil von Niedernau ein; 1404 versetzt Herzog Friedrich das ganze Dorf gleichfalls diesem Grafen; 1423 erhält Conrad Stöb von Rottenburg von Herzog Friedrich das Fischwasser zu Niedernau mit den zugehörigen Gütern und Gülten zu Lehen. Nach verschiedenen Abwechslungen kam dasselbe (Fischwasser) 1603 und 1621 getheilt an den Spital zu Rottenburg. Während des dreyßigjährigen Krieges litt Niedernau insbesondere auch sehr. Den 11. Febr. 1633 brannte der schwedische Oberst Brinkh 30 Häuser und Scheuern nieder. Die Mühle zu Niedernau ward durch Erzherzogin Mechtild ihrem Kammermeister Georg Seidensticker pfandweis überlassen; 1466 von Heinrich Wiest und dessen Vetter Marquard, durch Gnaden seiner gnädigen Frau zu Östreich, um 30 fl. zu seinen Handen gelöst; 1636 wurde dieselbe um 4000 fl. an Martin Schlichter, Burger zu Niedernau, käuflich überlassen. In der Folge kam sie durch Tausch an die Jesuiten zu Rottenburg, nach deren Auflösung zum Studienfond, dann wurde sie mit dessen übrigen Gütern unter Würtemberg incammerirt, und endlich an Johann Daub, Burger von Rottenburg, verkauft.

| Rückwärts vom Bade auf der Anhöhe und zwar auf einem abgesonderten Bergkegel, sind noch einige wenige Ruinen des Stammschlosses derer von Ehingen zu sehen[5]. Dieses adeliche Geschlecht hauste hier schon im 12. und 13. Jahrhundert. Noch im J. 1603 standen mehrere Mauern und auch ein Theil der alten Schloßkapelle, wo zu lesen stand: vivebat anno 1291 vir nobilis Wernher von Ehingen Vogt von Staufen, u. s. w. Dieser Wernher starb 1300, und ward in der Familiengruft im Stifte zu Ehingen begraben, wo in alten Zeiten noch sein Grabstein, so wie der des Conrads von Ehingen von 1357 zu sehen war. Es ist ungewiß, ob dieses Geschlecht der Stadt Ehingen, oder ob diese dem Geschlecht den Namen gegeben, es hatte weit umher Sitze, als auf der Burg Aigelsee, welche die 2 Brüder Wernher und Conrad von Ehingen 1320 nebst dem Dorfe Westerheim an Graf Ulrich von Helfenstein verkauften [6], dann zu Entringen, Kilchberg, Sulzau, Obernau und andere reiche Güter. Eine lange Reihe von edlen Männern, tapfern Rittern, Kriegern und Staatsmännern, Kirchen- und Staatsdienern zieht sich durch das Mittelalter bis in spätere Jahrhunderte in diesem Edelgeschlechte herab. Ihr Stammschloß liegt nun, man weiß nicht wie und warum? verwüstet, so wie das edle Geschlecht längst erloschen ist.



  1. Früher, ehe der jetzige Badinhaber, Dr. Raidt, den Weg durch das Thal machen ließ, führte der Weg über einen steilen Berg und war fast noch so weit. A. d. H.
  2. Beyde sind an die Gemeinde auf 9 Jahre verpachtet, jener für 88 Sch. Dinkel, 25 Sch. Haber und 22 Sch. Gerste, dieser für 20 fl. jährlich, der Heu- und Öhmdzehnte, woran die Pfarrey Schwalldorf und die Besitzer des ehemaligen Widdumguts 6/7 hatte, ist neuerlich fast ganz abgelöst worden, und der kleine Antheil des Staats ist zu 11 fl. verpachtet.
  3. Niedernau ist unstreitig dermalen eines der angenehmsten Bäder, wo nicht das angenehmste in Würtemberg. Selten findet man so viel Sinn und Geschmack in Einrichtung und Anlagen, so viel Ordnung und Aufmerksamkeit in Bedienung und Unterhaltung; noch seltener wird das Beyspiel seyn, daß die Badegäste ihrem Wirthe ein Denkmal dankbarer Zufriedenheit errichteten, wie das in Niedernau vor 3 Jahren geschehen ist. A. d. H.
  4. Über Niedernau hat auch D. Rud. Jac. Camerarius in einer Dissert. de Acidulis Niedernowensibus. Tubingae 1710 geschrieben. A. d. H.
  5. Das Thal wird davon das Ehinger Thal genannt. Vergl. S. 41. A. d. H.
  6. Es ist dies die Burg Egelsee, bey der anfänglich das Kloster Blaubeuren erbaut werden sollte. A. d. H.
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