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12. Kiebingen mit Rohrhalden,

Kiebingen, in ältern Urkunden meist Kuebingen geschrieben, kath. Pfarrdorf, an der Landstraße nach Tübingen, 3/4 St. von Rottenburg, im Neckarthale auf flacher Ebene sehr angenehm gelegen, zählt 633 Einwohner. Der Großzehnten von den zelglichen Äckern gehört dem Spitale zu Rottenburg, welcher solchen 1789 aus den Gefällen des Klosters Rohrhalden von dem östreichischen Religionsfond, und zwar den Großzehnte um 5000 fl., den betreffenden Weinzehnte um 1575 fl., den Obst-, Heu-, Hanf, und Flachszehnte um 950 fl. erkauft; den Weinzehnten bezieht größtentheils der Spital, den Rest der Staat und die Universität Freyburg; der Heu- und der Obstzehnte kommt dem Spital zu. Der Ort hat 1 Gypsmühle.

Im J. 1264 zog der Abt von Kreuzlingen die Leute von Sülchen und Chubingen vor Graf Albrecht von Rottenburg zu Gericht, wegen eines Streits über Wiesen. Die Urkunde ist gesiegelt Rottenburc etc. Unter den Grafen des | alten Schwabens, oder Alemanniens, führt Crusius auch die Grafen von Kübingen an. Es dürften wohl schwerlich Grafen unsers Kiebingen, sondern eher wohl die Kyburge darunter zu verstehen seyn. 1339 stiftet Hugo, Graf von Hohenberg, nebst mehreren andern Gütern auch 6 Mltr. Roggen jährlichen Gelts, Tübinger Messe, an das Stift St. Moriz zu Rottenburg. Indessen hausten in unserm Kiebingen in den ältesten Zeiten die Eicher und die Mörhilde, deren erstere sich von ihren Besitzungen zu Bieringen von diesem Orte, die andern von denen zu Wurmlingen von diesem schrieben. Die Mörhilde hatten in Kiebingen auch ein Beguinenklösterlein gestiftet, das aber in Verfall kam, und die noch lebenden Klosterfrauen überließen 1513 ihr ganzes Vermögen gegen Leibgeding dem Kloster.


Rohrhalden[1]. Dieses Kloster lag eine Viertelstunde von Kiebingen in einem einsamen, von Quellen durchflossenen Thälchen, ganz von hohen Bergen, mit Wald bewachsen, eingeengt. Jutze, „weilandt, Cuontzen des Bruders Knechts Eheliche Wirthin, Burgerin zu Rottenburg,“ vergabt 1848, nachdem schon ihr Mann eine Hofstatt und einen Morgen Wald zu einer Einsiedeley in der Rohrhalden bestimmt hatte, dieselbe „an den ehrbaren geistlichen Mann, Berchtold von Horwe, einem Einsiedel und allen seinen Nachkommen.“ Bald mehrte sich die Stiftung und wurde mit Freyheiten begabt. So freyte Graf Rudolph von Hohenberg „der Pfarrkirchen Sülchen Kastenvogt 1364 das Huß zu Rohrhalden“ von dem Pfarrverband. 1444 wurde das Bruderhaus durch Erzherzog Albrecht und dessen Bruder Friedrich, römischen König, und Sigismund seinem Vetter, von der Jäger und Hundslage, wodurch demselben oft großer Schaden zugefügt worden, befreyt. Ein großer Theil von Stiftungen kam besonders von Adelichen und Bürgern zu | Rottenburg, und viele derselben lauten aus der Zeit der ersten Stiftung bis 1400 und nachher. Sie sind in einem eigenen Buche, welches nun im Besitze des Johann Schall, Küfers zu Kiebingen ist, gesammelt und näher beschrieben [2]. Die Besitzungen des Klosters mehrten sich bis auf die neuesten Zeiten, bis es 1787 aufgehoben war; die Mönche wurden mit einer Pension von 300 fl. entlassen, die Güter dem östreichischen Religions-Fond einverleibt. Die Kirche sammt den Klostergebäuden ward abgebrochen, so, daß jetzt nur noch einige unbedeutende Gebäude sich vorfinden, jedoch wird ein Spaziergang in dies wahrhaft einsiedlerische Thälchen, in der Kühle des Morgens oder des Abends, nicht gereuen, zu ernsten Betrachtungen das Gemüth stimmen, und die ruhige Stille umher wird sanften Frieden, wie ihn das Gewühl der Welt nicht gewährt, ins Herz gießen.

Kiebingen war in ältesten Zeiten ein Filial von Sülchen. Da jedoch wegen der Lage jenseits des Neckars bey höherem Wasserstande die Einwohner nicht nach Sülchen kommen konnten, so wurde von Junkher Wernher Möhrhild, Stadtschultheiß zu Rottenburg, 1393 eine eigene Kaplaney gestiftet, doch so, daß er als Stifter die Pfründe lebenslänglich, nach seinem Tode aber das Kloster Rohrhalden dieselbe genießen soll. Dieses Kloster versah auch unter der Woche den Gottesdienst und die Seelsorge. 1579 gestattete die hohe Schule zu Freyburg, welcher die Pfarrey Sülchen inkorporirt wurde, dem Kloster die pfarrlichen Verrichtungen, welche 1600 endlich ganz an das Kloster überlassen wurden. Nach Aufhebung des Klosters wurde 1786 von Östreich eine Pfarrey gestiftet. Das Patronatrecht steht dem Regenten zu.

Noch ist zu bemerken, daß in Kiebingen ein Landgericht bestanden, und als 1454 Rudolph von Ehingen und die Kilchberger mit denen zu Hirschau wegen der Markungen | Streit hatten, kam derselbe vor das Gericht zu Kiebingen und Wurmlingen. Im Hornung 1633 ward Niedernau und die Rohrhalden von den Schweden geplündert und größtentheils verheert. Die Baulast an Kirche und Pfarrhaus, so wie deren Unterhalt liegt unter Concurrenz der Zehentherren dem Spital ob.



  1. Jetzt ein Hof, oder eigentlich ein kleiner Weiler, mit einigen zerstreuten Gebäuden – 2 Wohnhäuser, 2 Wirthschaftsgebäuden, 1 Ziegelhütte und 1 Kelter – mit 22 Einw. A. d. H.
  2. Notitia Fundationis, Jurium, Possessionum et Privilegiorum Monasterii St. Pauli Eremitae in Rohrhalden, conscripta a P. Benedicto Waechter sub Prioratu R. P. Clementis Endress. 1742.
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