« Kapitel B 10 Beschreibung des Oberamts Rottenburg Kapitel B 12 »
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11. Hirschau,

in alten Urkunden Hirsowe, auch Hirsau geschrieben, kath. Pfarrdorf mit 827 Einw., 11/2 St. nordöstlich von der Oberamtsstadt, im Neckarthale, am Fuße eines beträchtlichen Gebirgszugs, welches auf seiner mittäglichen Seite ganz mit Reben bepflanzt und auf seiner Höhe größtentheils mit Wald bekränzt ist. Der Ort gewährt einen freundlichen Anblick, nur macht die tiefe Lage und die feuchte Luft durch Sumpfwasser und stehende Pfützen im Orte, obschon in neuerer Zeit zum Theil verschüttet und ausgetrocknet, denselben etwas ungesund, daher die Einwohner viel an Fieber leiden, und dicke Hälse, welche durch schweres Tragen aus dem Felde und Weinbergen zum Theil mit veranlaßt werden, hier früher häufig waren.

Den großen, kleinen, den Heu- und Weinzehnten bezieht der Staat zum größten Theil vom Stifte Kreuzlingen her. Nur unbedeutende Antheile daran haben die Pfarrey, die Stiftungsverwaltung Tübingen, die Heiligenpflege zu | Kiebingen und einige Privaten. Zehentfrey sind 6 M. Äcker; 33/8 M. geben blos die 20ste Garbe, eben so zehentfrey 21/2 M. Weinberge und in der Brach der Klee. Der Fruchtzehnte des Staats ist auf 9 Jahre an die Gemeinde um 100 Sch. Dinkel, 51 Sch. Gerste und 2 Sri. Erbsen verpachtet. Der Ort besitzt nach Verhältniß wenige Äcker, und die meisten Einwohner leben vom Weinbau, der übrigens in früherer Zeit besser mag gepflegt und gesegnet gewesen seyn, indem das Hirschauer Gewächse für das beste in der Gegend gehalten wurde. In neuerer Zeit werden wieder bessere Rebsorten gepflanzt. Die Einwohner sind übrigens größtentheils fleißig, zum Theil weniger sparsam und vielfach verarmt[1]. Der Name will nach dem Wortlaut von einem Hirschgehäge abgeleitet werden. Die Hirsche sollen nämlich auf der Aue hier geweidet haben, daher auch noch eine große Strecke Wiesen der Hirschwörth noch heut zu Tag genannt wird. Die erste Meldung von dem Orte geschieht in einer Urkunde von 1191, um welche Zeit Pfalzgraf Rudolph von Tübingen etliche Zehnten in diesem Flecken an das Kloster Bebenhausen vergabte. 1277 vergabt Dietrich der Märnhildt aus seinem Weingarten „zu Hirschow, den man sprichet den Costenzer, zwey Fuder Wein, Tübinger Meßes,“ an Herr Heinrich von Bombei, den Lutprister auf dem Berge zu Wurmlingen; 1299 verleiht das Kloster Kreuzlingen den Gebrüdern Burkhard und Heinrich, genannt Inhart, zu Hirsowe Güter einer gewissen Häzze (Conversae de Hirschow, einer Gattung von Nonnen), der Tochter des Inhart, welche dem Kloster gehörten. Es gab auch ein adeliches Geschlecht, das sich von Hirschau schrieb. 1327 kommt Seyfried von Hirschau vor, 1393 Kuny oder Kunz von Hirschau. In dem Seelbuch der Karmeliter zu Rottenburg finden sich 1430 Cunz von Hirschau, 1454 Anna von Hirschau, des vesten Georg Hippen seel. eheliche Wirthin etc., 1445 verkauft Günter | von Hirschau, wohnhaft zu Rottenburg, alle seine Güter an das Kloster Kreuzlingen.

Es befand sich auf der südwestlichen Seite des Dorfes, nicht fern der Kirche, eine Burg, mit Gräben umgeben, und 1412 hat Herzog Friedrich von Östreich den Kirchensatz zu Kilchberg sammt einem Burggesäß zu Hirschau im Dorf, Hansen von Herrenberg zu Lehen gegeben. Die Stelle, wo die Burg gestanden, wird noch der Burgplatz genannt. Auch scheint der ganze Ort nach Art des Mittelalters einigermaßen befestigt gewesen zu seyn, indem noch in neuerer Zeit Thore an den zwey Enden des Dorfes gestanden haben, und von dem nordöstlichen sind noch einige Überbleibsel zu sehen.

Hirschau gehörte theils in die Pfarrey zu Sülchen, theils in die auf dem Wurmlinger Berg; doch bestand schon früh hier eine Frühmesse zum h. Ägidius, 1360 wurde dieselbe von Bischof Heinrich zu Constanz bestätigt, und vorzüglich derselben ein Theil des Layenzehntens zu Remmingsheim zugeschieden. 1435 wird dieselbe durch die Gemeinde gemehrt und zu einer beständigen Kaplaney gestiftet; die Frühmesserey wurde endlich 1461 zu einer eigenen Pfarrey, mit völliger Entlassung aus dem bisherigen Pfarrverband sowohl mit Sülchen, als dem Wurmlinger Berg, erhoben, und Markus, Abt von Kreuzlingen, schließt, nach erhaltener Bestätigung und Überlassung der Pfarrbesorgung an dies Kloster, im nämlichen Jahr einen Vertrag mit Georgius von Hürningen, Kirchherr von Rottenburg, wegen Überlassung der pfarrlichen Rechte, Gülten u. s. w., welcher Vertrag 1462 auch von Heinrich, Bischof von Constanz, bestätigt worden, und bis auf die neueste Zeit bestand, wo endlich die vorbehaltene Abgabe an die Pfarrey Rottenburg von 10 fl. 15 kr. 3 Hllr. abgelöst, und somit aufgehoben worden.

Das Patronatrecht ist königlich [2], die Bauschuldigkeit der Kirche liegt den Zehentherren ob, der Unterhalt derselben | aber der Kirchenpflege, so weit sie zureicht; Bauschuldigkeit und Unterhalt des Pfarrhauses hat der Staat, an der Stelle Kreuzlingens zu leisten. Zwar stiftete 1462 Erzherzogin Mechtild eine wöchentliche Messe und Kaplaney in die Kapelle zur h. Jungfrau Maria unter Hirschau; das geringe Einkommen aber, die nachfolgenden Kriegebedrängnisse machten deren Besetzung unsicher, und 1662 wurde ein Theil des Einkommens den Jesuiten zu Rottenburg gegen die Verpflichtung, die Wochenmesse zu lesen, übergeben, nach deren Aufhebung ging die Verpflichtung der wöchentlich zu lesenden Messen an die 1775 neu errichtete Pfarrey Seebrunn nebst dem damit verbundenen Einkommen von 5 Mltr. Roggen, aus einem Hofe zu Seebrunn, über. Eine kleine Viertelstunde unter Hirschau, Tübingen zu, steht noch die kleine Kapelle zur h. Jungfrau Maria, früher die Urbanskapelle genannt, welche noch ein kleines Kapital besitzt, aus dessen Zinsen und den Opfern die Kapelle unterhalten wird.



  1. Über die große Schuldenlast der Gemeinde s. S. 116. A. d. H.
  2. Früher hatte Kloster Kreuzlingen, bey Constanz, das Patronat zu Hirschau und Wurmlingen. A. d. H.
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