« Kapitel B 8 Beschreibung des Oberamts Riedlingen Kapitel B 10 »
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9. Buchau mit dem Henauhof.
a. Buchau, ein kath. Städtchen, Fürstl. Taxisscher Standesherrschaft. Es liegt an dem Federsee, 4 St. von| Riedlingen, 2075 W. F. über der Meeresfläche, unter 48° 4′ 0″ Br. und 27° 17′ 0″ L. zählt 1726 Einw. und zwar 1179 kath. 5 evangel. und 542 jüdische; C. A. Ochsenhausen; F. Tax. Standesherrschaft, Sitz eines F. Amts und Amtsgerichts, eines Rentamts, einer Forst-Verwaltung, eines Notariats und Postamts, und dermalen auch des Oberamtsarztes. Patronats- und Zehentherr ist der Fürst v. Thurn und Taxis.

Gefälle beziehen: der Staat 5 fl. 4 kr. Taxis 1265 fl. 16 kr. und 151/2 Sch. D. 97/8 Sch. H. 81/2 Sch. R. 67/8 Sch. Gerste; Kirchenbaupflege 7 fl. 41 kr. Spitalpflege 38 kr. Wuhr-Capelle 17 kr. der Staat bezieht auch 1/3 an den Judenschutzgeldern und andere kleine Gefälle.

Buchau liegt an und auf einem kl. Hügel, ein schwache Viertelstunde vom Federsee, in einer weiten, meist aus Torfrieden bestehenden Ebene. Ihren Namen hat die Stadt ohne Zweifel von ihrer ehemaligen Lage als Insel, oder Au im See. Eine solche war es noch vor 1789 und stand nur mit dem gegenüberliegenden Dorfe Kappel durch den noch bestehenden Straßendamm in Verbindung. S. Federsee. So schön und freundlich sich die Lage von Ferne darstellt, so ist doch die Umgebung nichts weniger, als angenehm, indem die Stadt von allen Seiten von einem unfruchtbaren Sumpf und Moorland umgeben ist, so daß man sich selbst dem See nur schwer nähern kann. Viel anziehender muß die Lage ehedem gewesen seyn, da B. noch Insel war.

Die Stadt zerfällt in 2 Theile: das ehemalige Reichsstädtchen Buchau und den vormaligen Stiftsbezirk Buchau, der ganz von dem städtischen Grund und Boden umgeben war. Das Aussehn des erstern ist ziemlich gering, desto besser sieht das leztere aus, der seinen eigenen geschlossenen Umfang hat, worin sich das ehemalige Stiftsgebäude, jezt Fürstl. Schloß, die Kirche, die Gebäude der Beamten und der Geistlichen (ehemalige Kanonikathäuser) ein Schulhaus, Apotheke und ein Gasthof mit einer Fürstl. Brauerey befinden. Das Schloß ist ein ansehnliches, gut eingerichtetes Gebäude, worinn man eine herrliche Aussicht hat. Ausnehmend| schön ist, rücksichtlich des Innern, die daran sich anschließende, nach Art einer Basilica gebaute Stiftskirche, jetzige Pfarrkirche, die nach einer Inschrift über dem Chore 1774 neu gebaut, und 1775 ausgeschmückt wurde[1]. Der Thurm ist sehr alt. Der Gasthof, Hofwirthshaus genannt, ist einer der besten in der ganzen Gegend. Ehemals wurden darin Konzerte, Bälle und theatralische Vorstellungen gegeben. Zu dem Stiftsbezirke gehört auch noch ein Hofgarten, der aber jezt verpachtet ist. Die Stadt selber hat weder Mauern noch Graben. Diese Schutzwehren waren auch durch die von der Natur befestigte Lage der Stadt überflüssig. Zum Zeichen der Stadt steht jedoch an der Dammstraße nach Kappel ein abgesondertes Thor, ein zweytes worauf das Rathhaus erbaut ist, steht auf der Seite des Stifts. Die Anlage der Stadt ist sehr unregelmäßig; die Straßen sind ungepflastert. Die ansehnlichen Gebäude sind das Forsthaus, Freyhof genannt (s. u.) und das Schulhaus. Die Juden waren sonst auf einen besondern Bezirk beschränkt, erst 1821 wurde, unter großem Widerspruche der Christen, 2 Familien gestattet, ein Haus an der Hauptstraße zu bauen. Ungeachtet die Lage des Städtchens sehr ungesund zu seyn scheint, so ist doch die Sterblichkeit darin sehr gering; auf eine auffallende Weise vermehren sich die Juden. S. 56 u. 57. Der Nahrungsstand der Einwohner hat zwar durch die Auflösung des Stifts und nachher die der Fürstlichen Regierung gelitten; dagegen hat er durch die neuerlich errichteten Fürstl. Stellen und das Postamt wieder gewonnen. Die Gewerbe sind jedoch unbedeutend, und ihre Hauptnahrung ziehen die christlichen Einwohner von dem spärlichen Ertrag eines undankbaren Bodens und der Viehzucht. Die Juden nähren sich, wie überall, von Handel aller Art. Eine Fürstliche Buchdruckerey ist in dem Schlosse eingerichtet.| Die Stadt hat 33 meist jüd. Kaufleute, 1 Apotheke, 9 Schildw., 4 Brauereyen, 1 Essigsiederey, 4 Jahrmärkte – Krämer- und Viehmärkte. Wochenmärkte finden nicht statt, obgleich K. Sigismund 1413 der Stadt das Recht dazu verliehen hat, und neuerlich wieder mit höchster Erlaubniß ein Versuch zu ihrer Einführung gemacht worden ist. Das Gemeindewesen ist in besserem Zustande, als ehemals. Die Einkünfte sind gering, S. Tab. IV., da die Stadt ihre Gefälle 1804 an den Fürsten verkauft hat. S. u. Zu dem Gemeinde-Eigenthum gehört 1/3 der Seemarkung. In ihrem Wappen führt die Stadt eine Buche und einen Fisch. Die Stadt hat keine eigene Kirche, nur eine Capelle, welche 1727 erbaut wurde, um darin wöchentlich eine Messe zu lesen. Bis 1806 war die Stadt nach Kappel eingepfarrt, wo noch jezt der gemeinschaftliche Gottesacker ist. In diesem Jahre wurde die vormalige Stiftskirche zu den h. Cyprian und Cornelius zur gemeinschaftlichen Pfarrkirche für den Stiftsbezirk sowohl, als für die Einwohner von Buchau und Kappel gemacht, und der Kirche ein Stadtpfarrer mit 2 Caplänen gegeben. In die Kirche ist auch der Ottobeurer Hof, der Bruckhof und der Henauhof eingepfarrt. Die Baulast der Kirche liegt auf der Kirchenpflege und nach dieser auf dem Fürstl. Rentamte. Die jüdische Gemeinde hat ihre eigene Synagoge mit einem Rabbiner und seit 1826 auch eine eigene deutsche Schule. Die christlichen Schulanstalten bestehen in einer, mit Kappel gemeinschaftlichen Elementarschule von 3 Klassen, wovon jede ihren eigenen Lehrer hat. Seit 1824 ist auch eine Arbeitsschule eingerichtet. In früherer Zeit war der Stadtschreiber zugleich Schulmeister von Buchau; durch die neue Stadt-Ökonomieordnung von 1751 erhielt er, nebst einer Besoldungszulage von 25 fl. die Vollmacht, durch ein capables Subjekt seine Stelle an der Schule versehen zu lassen, woraus denn ein eigener Schulmeister wurde. Noch 1806 war die Schulstube zugleiche Wohn- und Schlafzimmer des Lehrers und seiner Familie. Für die Gemeinde Kappel bestand längst eine gut eingerichtete Schulanstalt in dem| Stift. Diese wurde nun unter Taxischer Herrschaft mit jener von Buchau vereinigt, und reichliche Quellen wurden für die Bedürfnisse der vereinigten Anstalt eröffnet. Aber bey der Unterwerfung unter die Würt. Oberherrschaft wurden diese Quellen von Taxisscher Seite wieder verstopft, und es mußten neue Mittel aufgefunden werden, um die dermalige Einrichtung zu begründen. Es geschah mit vieler Aufopferung der sonst so unvermöglichen Bürgerschaft, welche dadurch vollends sich das schönste Denkmahl gesezt hat, daß sie i. J. 1820 das jetzige ansehnliche neue Schulhaus erbaute. Die Anstalt hat einen Fond von 6169 fl. Die übrigen Anstalten der Stadt und ehemaligen freyen Reichsstadt bestehen einzig in einer Spitalstiftung, deren Capitalfond in 1715 fl. und in Gütern und Bodenzinsen mit einem Ertrag von 49 fl. besteht. Die ganze, den Armen zufließende jährliche Unterstützung beträgt etwa 60 fl., wozu die Standesherrschaft jährlich noch ein ständiges Almosen von 142 fl. für die Christen und 71 fl. für die Juden reicht. Ein Spitalgebäude ist nicht vorhanden.

Das Stift stand in ganz keiner Verbindung mit der Stadt; vielmehr befanden sich beyde Theile immer in feindlicher Stellung gegeneinander, so daß endlich 1787 durch eine eigene Kais. Commission Friede gestiftet und den ewigen Reibungen und Streitigkeiten durch einen Vertrag ein Ziel gesezt werden mußte. Die übel berechnete Aufnahme der Juden, wodurch sich die Stadt so wehe gethan hat, geschah ums Jahr 1577.

Die Geschichte der Stadt liegt ganz im Dunkeln, aus ihrem Besitzstande aber und daraus, daß sie mit diesem den Stiftsbezirk ganz einschloß, möchte man schließen, daß sie schon vor dem Stift vorhanden gewesen sey, wiewohl dieser Besitzstand sich auch erst unter den mannigfaltigen Stürmen, die über das Stift ergingen, wie anderwärts, gebildet haben könnte. Die erste Nachricht von Buchau, die sich auf die Stadt, und nicht auf das Stift, zu beziehen scheint, ist v. J. 1022. Die Nachricht ist merkwürdig. Dem Kloster St. Gallen wurden seine Kirchenschätze gestohlen. Die Mönche| statten ihrem Abte, der sich beym Kaiser im Felde befand, Bericht darüber ab, und melden ihm, daß ein Theil des Gestohlenen an den Kaufmann Pero in Buchau, der früher Münzmeister, Monetarius, daselbst gewesen sey, verkauft und der Dieb dort auch ergriffen worden sey[2]. Also i. J. 1022 schon war ein Kaufmann, war eine Münze zu Buchau. Aber von dieser Zeit an findet man keine Nachricht mehr von Buchau bis 1320. In diesem Jahre verbindet sich die Stadt mit andern schwäbischen Städten zu Gunsten K. Friedrichs von Östreich, und erscheint somit als unabhängige Stadt. K. Ludwig der Baier ertheilt, nach seiner gewohnten Freygebigkeit gegen die Städte, i. J. 1347 unter Bestätigung der frühern Freyheiten, „der ehrwürdigen Anna, Äbtissin zu Buchau, unserer lieben Fürstin, den Bürgern und der Stadt“ daselbst Befreyung von auswärtigen Gerichten. Ähnliche Freyheiten hatte der Kaiser 1330 zu Gunsten des Grafen Ulrichs von Würtemberg der Stadt Canstatt gegeben, aber Canstatt wurde eine Würt. Landstadt und Buchau eine von der Fürstin Äbtissin unabhängige Reichsstadt. Als solche nahm B. auch in der Folge an mehreren Bündnissen und Verhandlungen Theil, und K. Wenzel bestätigte und erneuerte 1387 die durch Brand verloren gegangenen Freyheitsbriefe. Indeß war das Ammanamt, Steuer und Umgeld, wie gewöhnlich in den Händen des Kaisers. K. Friedrich von Östreich hatte diese Rechte an seinen Getreuen, Burkhard von Ellerbach verpfändet; Ludwig der Baier erlaubte der Stadt 1347 die Auslösung; Karl IV. verpfändete sie neuerdings 1364 an seinen Landvogt Ulrich von Helfenstein, und an 120 Jahre blieb das Helfensteinische Haus im Besitze, bis Friedrich und Ludwig v. H. den Besitz 1482 an die Stadt Ulm verkauften. Auf Ansinnen K. Maximilian trat Ulm die Stadt 1509 für 1200 fl. an das Stift Buchau ab. Keine Herrschaft hätte den Buchauern verhaßter seyn können, als die des Stifts. Sie gaben sich deswegen alle Mühe, derselben wieder | los zu werden, und 1524 brachten sie es endlich durch den K. Bevollmächtigten, Schweikh. von Gundelfingen dahin, daß das Ammanamt samt der Reichssteuer für immer dem Burgermeister und Rath der Stadt überlassen wurde. Und so sah sich endlich das kleine Örtchen, das ohne alles auswärtige Gebiet war, und vielleicht damals kaum 700 Einwohner zählte, im Besitze aller Rechte einer freyen Reichsstadt. Die Regierung und Verwaltung des Gemeindewesens ward von einer Kaiserlichen Commission, „um den eingeschlichenen Mißbräuchen und Unordnungen und den höchst deplorablen Umständen der Stadt und Bürgerschaft abzuhelfen,” durch eine neue Ökonomie-Ordnung von 1751 festgestellt. Nach derselben sollte der Rath aus 10 Mitgliedern bestehen und die Verwaltung von 2 Bürgermeistern und dem Stadtammann, einem Stadtschreiber, einem Stadtrechner nebst andern untergeordneten städtischen Dienern besorgt werden. Der Stadtammann war Richter in erster Instanz, von ihm ging die Appellation an den Rath, von diesem an die Reichsgerichte. Zur Berathung war ein Rechts-Consulent aufgestellt, 4 Deputirte aus dem Rathe bildeten den Geheimen Rath. Bürgermeister und Rath wurden auf Lebenslang von der Bürgerschaft, die Beamten von jenen gewählt. Die Abgaben bestanden in der Vermögenssteuer von Grundstücken, Häusern, Capitalien, Gewerben, Vieh etc., 20 kr. von 100 fl. und in einem Kopfgeld, jährlich 1 fl. von jedem Bürger und 15 kr. von einer Wittwe, ferner in Accise, Umgeld, Zoll; die sämmtlichen Einkünfte beliefen sich auf 2000 bis 2500 fl. Die Ausgaben für Besoldungen machten zwar, des starken Regierungs- und Dienstpersonals ungeachtet, nicht mehr als 438 fl. 20 kr. aus; aber es ist leicht zu erachten, wie schwer dem kleinen Staate dennoch, besonders unter den drückenden Kriegszeiten, seine Erhaltung fallen mußte. Doch war die Stadt verhältnismäßig weniger verschuldet, als manche andere oberschw. Reichsstadt. Ihre Schuldenmasse belief sich bey ihrem Übergang unter Taxissche Herrschaft i. J. 1803 auf 52.015 fl. und 2078 fl. rückständige Zinse. Der Fürst| übernahm diese Schuld gegen Abtretung der städtischen Gefälle.

Noch ist zu bemerken, daß ehedem auch eine adelige Familie in Buchau ihren Sitz hatte und sich davon schrieb. Schon i. J. 1107 geschieht eines Gerung v. Buchau Meldung[3]. Rudolph von Buchau erscheint 1229 als Zeuge in einer Schussenrieder Urkunde, und wieder 1251 Marquardus et Rudolphus fratres de Buchaugia, milites. 1280 saß Rudolph von Buchau daselbst und hatte ein Lehengut zu Satzenbiren (Sattenbeuren) und 1350 verkauft Hilprant von Stedgen (Stadion) einen Hof zu Sattenbeuren an Schussenried, den er von seinem Ahnherrn Walter von Buchau, erkauft hatte. Die Familie hatte Burg und Burghof, mit eigener hohen und niedern Gerichtsbarkeit, in der Stadt, das jetzige Forsthaus und noch jezt der Freyhof genannt. Später findet man die von Brandenburg in diesem Besitze, 1376 ist Hildebrand Brandenburg, genannt Buchaw, Inhaber der Vogtey Kappel und seßhaft in dem Freyhofe zu Buchau. S. Kappel. Im Jahre 1477 gelang es der Äbtissin, diesen Hof mit 12 Jcht. Äcker und 5 Morg. Wiesen von Ehrenfried Brandenburger zu erwerben.


Stift und seine Geschichte.
Das Stift Buchau war ein Kaiserliches gefürstetes, freyweltliches Damenstift mit ansehnlichen Besitzungen, wegen deren die Abtissinn Reichsfürstin war, mit Sitz und Stimme bey den Reichstagen auf der Rheinischen Prälatenbank und wegen der Herrschaft Straßberg auf der Schwäbischen Grafen- und Herrenbank, bey den Kreistagen auf der weltlichen Fürstenbank, mit einem eigenen Reichsmatrikular-Anschlage. Die Stiftsfräulein, deren in der lezten Zeit 9 waren, bekannten sich zwar zur Regel des h. Augustins, hießen deswegen auch Chorfrauen und lebten in dem Stifte, konnten aber ungehindert austreten und heirathen, und das Jahr| über auch längere Zeit abwesend seyn. Sie wohnten in einem Gebäude beysammen, die Fürstin Äbtissin in seinem daran stoßenden Flügel. Jedes Stiftsfräulein hatte 3 Zimmer und ihre eigene Bedienung. Es fand zwar eine allgemeine Küche statt, aber an einen gemeinschaftlichen Tisch waren sie nicht gebunden. Jede hatte ihre eigene Präbende. Der eigentliche Zweck der Anstalt, der Gottesdienst an der Stiftskirche, wurde durch Stiftsgeistliche versehen; den Stiftsfräulein lag jedoch ob, mit einem Caplan, der deßwegen Hofkaplan hieß, die kirchlichen Tagzeiten zu beten. Die Stiftsgeistlichen bestanden in 2 sogenannten Canonicis, wovon der erste, der eigentliche Stiftspfarrer, Großcanonicus der andere Kleincanonicus hieß, und in 5 Caplanen. Sie bildeten eigentlich einen Bestandtheil des Stifts, da sie nicht nur die Kirche zu versehen, sondern, nach einer päpstlichen Verordnung 1415, die „4 Canonici“ oder Chorherrn mit den Chor- oder Stiftsfräulein Sitz und Stimme in dem Capitel hatten und deßwegen auch Capitularen hießen. Die Aufnahme eines Stiftsfräuleins, so wie die Wahl der Äbtissinn geschah durch das Capitel. Ein jeweiliger Kaiser hatte als Schutzherr das Recht, während seiner Regierung 1 Präbende zu vergeben. Bedingung der Aufnahme war gräfliches oder freyherrliches Geschlecht. Das Stiftsgebiet war sehr zerstreut und von mannigfaltiger Natur. Es gehörten dazu: 1) die umliegenden, S. 4 genannten Orte; 2) die Herrschaft Straßberg, mit Straßberg, Fronstetten und Kaiseringen, worin die Äbtissinn die Landeshoheit hatte; 3) als Östr. Lehen der Äbtissinn, die Vogteyen Oggelsbeuren, Renhartsweiler und das Amt Bierstetten, wozu Bierstetten, Bondorf, Steinbrunn gehörten, nebst dem Zehnten zu Moosheim[4]; 4) die unten genannten 12 Abtey-Maierhöfe und sogenannten Corneliergüter in vielen Ortschaften; 5) Zehnten in 35 Orten; 6) Patronate| an 18 Orten. Die Einkünfte wurden zu 66.000 fl. angeschlagen, die der Äbtissin allein betrugen, nach einer Abteyrechnung von 1792, an Geld 12.802 fl. an Früchten 12.841 Viertel, ungefähr ebensoviel W. Simri.

Trotz dieser schönen Einkünfte war die Stiftsherrschaft in einem sehr zerrütteten Zustande. „Buchau war wenigstens schon 5 Jahre vor der Mediatisirung gantmäßig und hatte die Zinszahlung sistirt.“ Die Passiv-Capitalien der Landschaftskasse beliefen sich auf 134.467 fl. und die bis 1. Juli 1820, wo der Staat 100.000 fl. übernahm, aufgewachsenen Zinse auf 87.201 fl. Vergl. Verhandl. in der Kammer der Abgeordneten 1821. XIII. S. 102.

Die Regierung führte die Fürstin Äbtissinn mit dem Capitel. Damit dem fürstl. Hofstaate nichts fehle, wurden in früherer Zeit auch 4 Hofämter geschaffen: 1) die Kasten- und Pfalzvogtey, übertragen den Wielen von Winnenden, 2) das Schenkenamt, übertragen den von Straßberg, 3) das Marschallamt, übertragen den von Mietingen und 4) das Truchseßenamt, übertragen den von Brunsberg. Die Regierungsbeamten waren in der lezten Zeit ein Geh. Rath (Hofmeister), ein Hofrath und ein Regierungsrath, ein Abtey- und ein Capitels-Rentbeamter. Diese Regierung war zugleich Appellationsbehörde, an welche von dem Pfalzgericht zu Buchau und dem Oberamt Straßberg appellirt werden konnte. Das Pfalzgericht war eine Art von Hof- und Lehengericht, das zu gewissen Zeiten zusammen trat und aus dem Stiftsvogte (Hofmeister) und den 12 Maiern der Abteyhöfe bestand.

Die Geschichte des Stifts verliert sich in Sagen und Wundermährchen[5]. Das Wesentliche davon ist folgendes. Ein gewisser Hatto, Enkel des als Knabe nach Deutschland gebrachten Bonosius von Tarent, soll mit seiner jungen Gattin bey Warthausen, wo sie einen Kessel voll Gold und| Silber erhoben haben, die Kesselburg erbaut haben. Die Gemahlin soll Adelinde, Tochter des Schwäb. Herzogs Hildebrand gewesen seyn. Mit ihr soll Hatto 3 Söhne gezeugt haben. Vater und Söhne sollen im Kampfe gegen die Hunnen in der Nähe von Buchau gefallen seyn, und die trauernde Adelinde ihre Gebeine in der Kirche zu Buchau begraben, daselbst ein Kloster gestiftet und in diesem bis zu ihrem Tode im J. 809 das Amt einer Äbtissin verwaltet haben. So erzählt die Sage und erzählen unzuverlässige Chroniken. Aber auch ein bewährter Chronist, Hermann der Contracte, erzählt fast dieselbe Geschichte, nur läßt er die Brüder (Beringer, Reginolf und Gerhard) i. J. 902 erst umgekommen und die Stiftung des Klosters kurz vorher durch die Mutter geschehen seyn. Seine Angaben werden durch das Chron. breve St. Galli und den Abbas Ursperg. bestätigt. Jenes erwähnt der gefallenen Brüder beym J. 903, dieses beym Jahr 906. Wie indeß die meisten ältern Klöster, z. B. Hirschau, Marchthal, mehr als eine Stiftung erfahren haben, so scheint dieß auch bey Buchau der Fall zu seyn. Immerhin mag Adelinde, Hattos oder Attos Gemahlin, Buchau ums Jahr 902 gestiftet haben; aber diese Stiftung war nicht die erste, es bestand ohne Zweifel schon 100 Jahre vorher eine klösterliche Anstalt zu B., die aber wieder zu Grunde gegangen ist. Dieß wird durch eine Urkunden K. Ludwigs des Frommen v. J. 819 bewiesen, worin er dem Kloster Buchovia, welches zur Ehre des h. Cornel und Cyprian gestiftet worden, die S. 8 angeführte Schenkung zu Saulgau nebst Mengen macht. Die Zweifel an der Ächtheit dieser Urkunde werden durch eine andere Urkunde K. Otto IV. v. J. 1208 widerlegt, worin Otto unter Beziehung auf die Urkunde und Schenkung seines Vorfahren Ludovici div. memoriae, imper. Augusti, diese Schenkung, wie er sie aus Autentico Privilegii vernommen, bestätigt[6]. Auch hatte schon K. | Otto III. laut Originalurkunde v. J. 999 den Gott geweihten Frauen Alles, was kraft der von seinen Vorfahren am Reich gegebenen Briefe und Vorrechte zum Stiftsgute gehöre und seitdem wieder entrissen worden, zurückzustellen befohlen. Somit dürfte also die erste Stiftung in die Zeit v. J. 790 bis 800, die zweyte aber in die Zeit ums J. 900 fallen, als die 2te Stifterin aber Adelinde, nachher unter die Heiligen versezt, anzunehmen seyn, deren Todestag auch in dem Stifte bis auf die lezte Zeit am 28. August durch Austheilung von Brodlaibchen an Hohe und Niedere gefeyert wurde. Dieser Adelinde Gemahl aber war vermuthlich derjenige Atto oder Otto, den wir schon S. 8 als Gaugrafen des Ertgaus kennen gelernt haben und der in Urkunden v. J. 873, 875, 889 vorkommt[7]. Worin das ursprüngliche Stiftungsgut bestanden habe, ist nicht bekannt, und auch von den nachfolgenden Erwerbungen geben die Schriften des Stifts wenig Kunde. Immer gehört die Schenkung Ludwigs d. Fr. zu den ältesten Besitzungen des Stifts und neben ihnen die 12 Maierhöfe zu Allmannsweiler, Betzenweiler, Bondorf, Kappel, Ennentach, Ertingen, Mietingen, Mittelbiberach, Oggelsbeuern, Saulgau, Tiefenbach und Uigendorf. Diese Höfe bildeten einen Theil des Abteyguts (im Gegensatz von dem Capitelsgut) und hießen Freyhöfe, weil die Äbtissinn auf denselben eigene Gerichtsbarkeit und ihre Maier besondere Rechte und Freyheiten genoßen. Was außerdem erworben wurde, bestand hauptsächlich in zerstreuten Gütern und Gefällen, welche bald aus Andacht, bald aus Spekulation dem heiligen Cornelius zum Opfer gebracht und in der Folge in Vogteyen vereinigt wurden. Sie hießen deßwegen auch Corneliergüter, und ihre Innhaber oder Empfänger, welche sich immer zu Leibeigenen des Heiligen machen mußten, Cornelierleute. | Erst in späterer Zeit erwarb das Stift auch ganze Ortschaften – die Orte Kappel, Dürnau, Kanzach. – Da aber diese innerhalb der Grenzen der Grafschaft Friedberg gelegen waren, so standen sie auch, außerhalb Etters, unter der hohen und forsteilichen Obrigkeit derselben und erst durch Vertrag von 1789 kam diese, unter Anerkennung der Östreichischen Lehenschaft von Taxis an das Stift. Das Stift trat dagegen das Lehen der Vogtey zu Braunenweiler und das Patronat daselbst, so wie die Patronate zu Ennentach u. Marbach und den Stettberghof ab.

Im Laufe der Zeit ergaben sich auch mancherley Veränderungen im Innern des Stifts. Anfänglich scheint das Stift, wie auch die Schussenrieder Annalen behaupten, eine rein klösterliche Anstalt gewesen zu seyn. Der heilige Ulrich, Bischof zu Augsburg, ließ auch i. J. 925 seine Schwester Eleusinia in das Kloster Buchau einschließen, um dort in klösterlichen Übungen die Sünde ihrer Buhlschaft abzubüßen[8]. Aber schon frühe verlor sich der klösterliche Zwang und immer loßer wurden die Bande der Zucht in der Anstalt. Durch das Statut von 1501 wurde wieder strengere Ordnung und gemeinsames Wohnen in einem Gebäude (die Fräulein hatten am Ende in besondern Häusern gewohnt) jedoch unter den oben angezeigten Freyheiten, eingeführt. Mit den Besitzungen wuchs auch das Ansehn des Stifts und seiner Äbtissinn und schon in der oben angeführten Urkunde v. J. 1347 nennt K. Ludwig die Äbtissinn Anna von Winneburg „unsere liebe Fürstin.“ Man kennt auch wirklich keine Erhebung der Äbtissinn zur Fürstl. Würde aus späterer Zeit, und auch in dem Eingange zu den Pfalzgerichts-Satzungen v. J. 1455 ist gesagt, daß eine Frau Äbtissinn gefürstet sey mit dem Forst und mit dem Federsee zu Buchau, und dem Zolle zu Sulgau. Gleichwohl scheint der Äbtissinn erst 1616 Sitz auf der Fürstenbank bey den Kreistagen zugestanden worden zu seyn.

| Von Anbeginn an wurde das Stift mit mancherley Privilegien und Freyheiten bedacht. Schon K. Ludwig der Fr. nimmt dasselbe 819 in besondern Kais. Schutz und ertheilt der Äbtissinn die Freyheit eines eigenen Pfalzgerichts für ihre eigenen Leute. K. Otto III. sorgt durch die oben angeführte Urkunde v. 999 für das Stift. K. Karl IV. befreyt es 1376 von aller landvogteylichen Gewalt. Obgleich aber unter unmittelbarem Kais. Schutz und Schirm stehend, fand sich doch die Äbtissin Clara von Montfort bewogen, 1488 Äbtissin und Stift in das Bürgerrecht und eben damit in den Schutz und Schirm der Stadt Ulm aufnehmen zu lassen, und 1495 wurden dem Stifte von dem Kaiser noch zu besondern Schutzherrn und Erhaltern der Bischof von Constanz, der älteste Graf von Fürstenberg und der Abt von Kempten gegeben. Wesentliche Verdienste hat sich das Stift, seine lezte Periode etwa ausgenommen, weder als Anstalt noch als Staat erworben, und man kann deßwegen auch seine Auflösung weit weniger bedauern, als die mancher Klöster.

Das Stift hatte mehrmals durch Brand und feindliche Verheerung gelitten, besonders wurde es auch in dem Bauernkriege und noch mehr in dem dreyßigjährigen Kriege hart mitgenommen. Aber immer erholte es sich wieder, bis endlich das Jahr 1803 seine gänzliche Auflösung herbey führte und durch den Reichsdeputationsschluß Stift und Reichsstadt Buchau dem Fürstlichen Hause Thurn und Taxis, verbunden mit einer Virilstimme in dem Reichsfürstenrathe, zugetheilt wurde. Die lezte Fürstin und Äbtissin war Maximiliana, geb. Gräfin von Stadion-Warthausen. Im J. 1804 wurde die neue Fürstl. Regierung dort eingesezt. Aber schon i. J. 1806 verlor die Besitzung ihre Reichsunmittelbarkeit durch die Rheinische Bundesacte und fiel unter Würt. Landeshoheit.

b. Henauhof, ein Fürstl. Taxisscher, vormals Stift Buchauischer, Lehenhof; 1/2 St. von Buchau, wovon er Filial ist, mit 3 kath. Einw.| Amtliche und grundherrliche Verhältnisse wie bey Buchau. Zehnten und Gefälle, hauptsächlich Landgarbengefälle im Betrag von 113 fl. 50 kr., bezieht Taxis.

Der Hof liegt auf einem Hügel, der sich wie eine Insel aus den Moor- und Sumpfgründen der flachen Umgebung erhebt, und ehemals vermuthlich auch von dem Federsee umgeben war. Er gehörte wahrscheinlich zu den ältesten Besitzungen des Stifts. S. Kappel.


  1. Die Innschrift lautet:Beata Adelindis fundavit circa Ann. DCCLXX. Ludovicus pius augmentavit ao DCCCXX. III. Capitulum reaedificavit MDCCLXXIV, ac decoravit MDCCLXXV.
  2. Neugart Cod. Dipl. Nro. 820.
  3. Mabillon Annal. Ord. S. Bened. T. V. p 484.
  4. Östr. Lehen waren auch die Hoheitsrechte über Kappel, Dürnau, Kanzach u. den Ottobeurer, Henau- und Bruckhof.
  5. s. Stiftungsgeschichte von Buchau, von Dekan Ströbele, in den Würt. Jahrb. 1824. S. 388. u. ff.
  6. Die Urkunde ist noch in Original zu Buchau vorhanden. Als Zeugen erscheinen darin: Comes Ulric de Kyburg, comes Mangold de Rordorf, Com. Hartmannus et Com. Ludov. frater suus de Würtemberg etc.
  7. Neug. Cod Dipl. Nro. 468. 484. 588 Dessen Episc. Const. p. 174.
  8. Goldast Script. rer. alem. T. I. P. 1, p. 33.