« Kapitel B 18 Beschreibung des Oberamts Riedlingen Kapitel B 20 »
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19. Ertingen,

ein kath. vormals H. Kreuzthalisches Pfarrdorf, an dem großen Donauried und der Poststraße nach Saulgau und Mengen, 11/2 St. von Riedlingen mit 1704 Einw. C. A. Kreuzthal, F. A. Zwiefalten. Zehnten, den großen bezieht der Staat, den kleinen die Pfarrey.

| Gefälle beziehen: der Staat 559 fl. 34 kr., 51 Sch. rauhe und 60 Sch. 73/4 S. glatte Früchte; die Stiftungspflege 203 fl. 46 kr., 321/8 Sch. D., 113/4 Sch. H und 17/8 Sch. G.; die Pfarrey 20 fl. 26 kr.; die Caplaney 5 fl. 24 kr., die Gemeinde Altheim 58 fl. 32 kr. und Binswangen 6 fl. 47 kr.; Pfarrey Bolstern 1 fl. 36 kr. 11/8 Sch. H. 3 S. G.; Capl. Mengen 41 kr; Präsenz Riedlingen 20 kr.; der Heilige zu Binswangen 11 fl. 24 kr., 291/2 Sch. D., 147/8 Sch. H. zu Erisdorf 1 fl. 28 kr. und zu Neufra 2 fl. 40 kr.; F. Taxis R. A. Scheer 6 fl., F. V. Sießen 9 fl. 16 kr.

Dazu kommen Landgarbengefälle des Staats mit 3920 fl. 56 kr., des F. v. Fürstenberg, R. A. Neufra, 165 fl. 33 kr. Die Gegenleistungen des Staats in Holz, Kalk, Ziegel betragen 123 fl. 13 kr. Der Staat hat auch ein Fischwasser. Die Staatsgefälle fließen theils aus den vormals Kreuzthalischen, theils aus den von Östreich sequestrirten Besitzungen. Auf gleichem Grunde beruht auch das Zehntrecht, das ehemals Buchau hatte.

Ertingen ist das größte Dorf im Oberamte. Es liegt sehr schön an dem steilen Hange, der das Donauried begrenzt, von einem kleinen Bächlein durchflossen. Oben steht Kirche und Pfarrhaus. An der Kirche ist neben dem Pfarrer auch noch ein Caplan angestellt, auch hat der Ort noch eine schöne Capelle, worinn wöchentlich eine Messe gelesen wird. Kirche und Capelle sind gut dotirt. Zum Pfarrsprengel gehörten früher auch Neufra, Erisdorf und Marbach. Das Patronat der Pfarrey hatte von frühern Zeiten her das Stift Buchau, das der Caplaney die Gemeinde, als Stifterin derselben, beyde jetzt der König. Im J. 1399 wurde die Kirche dem Stift Buchau einverleibt.

Der Ort hat viele Weber und starken Flachsbau, (S. 78). 5 Schildw., 5 Brauereyen, 6 Öhlm., 1 Öhl- und Gypsm., 1 Sägm. und 3 Mahlm. mit 11 G., wovon die eine, die Riedmühle 1/4 St. vom Orte liegt, sämtlich an der Schwarzach, 3 Öhlm. liegen an dem Bächlein.

Es ist schon S. 12 die wahrscheinliche Vermuthung geäußert worden, daß der Ertgau von dem Orte seinen Namen erhalten habe, übrigens kommt Ertingen selber in keiner der Neugartischen Urkunden vor. Nachdem aus den Gauen sich erbliche Grafschaften gebildet hatten, erscheint E. in der Veringischen| Grafschaft Friedberg, und in der Folge unter die Grafen von Veringen und Landau getheilt, nur mit dem Unterschied, daß sich die Gerichtsbarkeit der letztern nicht außerhalb Etters erstreckte. Das Veringische Besitzthum wurde mit dem Bussen an Östreich verkauft, und es erscheint deßwegen sowohl schon in dem lateinischen, als in dem spätern deutschen Habsburgischen Urbar von 1303 mit bedeutenden Gefällen. Östreich verpfändete nachher die Erwerbung wieder, und 1366 überläßt Gr. Eberhard von Landau dem Joh. v. Stein unter Anderm auch die Pfarr- und Purschaft (Bauerschaft) von Östreich bis dieses einst die Pfandschaft wieder löse. Diese Wiederlosung scheint aber nicht erfolgt und dadurch das Besitzthum mit dem Landauischen Antheil an Kreuzthal gekommen zu seyn.

Die Grafen von Landau verpfändeten, lösten, verkauften und kauften das Dorf mit Anderm mehr als einmahl; dadurch kam es 1321 an die von Hornstein, 1323 an die von Ellerbach, 1330 an Montfort, 1358 wieder an Landau. 1366 an Stein zu Marchthal, 1398 abermals an die Landau, endlich 1437 an die Truchsessen von Waldburg, von welch’ letztern es 1443 an Kreuzthal kam, das schon früher mehrere einzelne Güter erworben hatten. S. Landau.

Grundherrliche Besitzungen zu E. hatten aber auch noch die Stifte Buchau und Salmansweil. Buchau hatte die seinigen theils schon von der Zeit seiner ersten Stiftung an in den sogen. Cornerliergütern, theils später durch einzelne Vergabungen und Käufe erworben; darunter waren auch 2 Freyhöfe, der eine 1454 von Paul Lutran von Ertingen für 100 fl., der andere 1474 von Bruno von Hertenstein für 850 fl. erkauft. Salem besaß 18 Lehenhöfe, die es allmählig durch Kauf und Schenkung – 1241 von Gr. Ulrich von Helfenstein, 1273 und 1299 von der Deutschordens-Commende Altshausen und so fort von andern Besitzern, darunter auch von dem Kloster Isny erworben hatte. Bey der Auflösung der Klöster wurden diese und die Buchauischen| Güter und Rechte von Östreich mit Sequester belegt, und daher befinden sie sich auch jetzt im Besitze des Staats.

Es gab auch Edle von Ertingen, und wahrscheinlich hatten sie ihren Sitz auf dem Vorsprunge der Anhöhe an der Straße nach Herbertingen, wo man noch Spuren von Gemäuer findet. In zwey Kreuzthaler Urkunden von 1332 werden auch Wiesen im Burg Ende, Burgende verkauft. Das Geschlecht kommt häufig in Salmannsweiler, Buchauer und auch in Kreuzthaler Urkunden, von 1208 bis 1438, vor und auch der obige Paul Lutran von E. gehört dazu. Ein Conz Lutran von E. verkaufte 1356 Wiesen zu E. und ein Lutran v. E. kommt in dem östr. Pfandschaftsrodel von 1313 als Besitzer eines Hofes vor. Ein Edler von Erdingen schenkte 1230 dem Kloster Kreuzthal seine Güter zu Wasserschapfen[1].

Während die Grafen von Montfort Ertingen besaßen, erhielt Graf Wilhelm von K. Ludwig dem Baier 1331 die Bewilligung, aus Ertingen, dem Dorfe, eine Stadt zu machen, mit Mauern, Gräben und andern Festungen und einem Wochenmarkte. Die Ausführung muß aber unterblieben seyn.

Wegen der hohen und niedern Gerichtsbarkeit hatte Kreuzthal mancherley Streit, wodurch verschiedene Verträge, 1500 mit Graf Andreas von Sonnenberg, 1588 mit dem Stift Buchau, hauptsächlich aber 1542 und 1719 mit den Grafen von Sigmaringen, als den Schirmsvögten des Klosters, veranlaßt wurden. Durch den letztern Vertrag wurde das Kloster wieder in den Besitz der hohen und niedern Gerichtsbarkeit eingesetzt. S. Heiligkreuzthal.

In der Nähe von Ertingen lagen einst drey agegangene Orte:

1) Weiler. Es lag in dem Thale 1/2 St. von Ertingen,| an dem Wege von Erisdorf nach Marbach; der Bezirk trägt noch den Namen davon. Die Einwohner des Orts sollen die große Glocke zu E. gestiftet haben;

2) Hegheim. Es lag auf einer Anhöhe, am Wege nach Marbach, wo der Bezirk noch der Hegemer Ösch genannt wird. Ein Conrad von Hegheim überlies ums J. 1280 Güter zu Ertingen und Heghaim der Deutschordens-Commende Altshausen.

3) Holstetten, ein Hof, der am Wege nach Kanzach lag, und dessen Name ebenfalls in der Bezirks-Benennung erhalten ist. 1321 verpfändet Graf Eberhard von Landau mit dem Dorf Ertingen auch den Hof Holstetten an Hornstein, und 1323 wurde beydes wieder eingelöst.

Der alten Heer- und Römerstraße, welche durch die Markung von Ertingen zieht, ist schon S. 20 gedacht. An dieser Straße, auf flacher, hoher Ebene, gegen Erisdorf hin, steht ein auffallender Hügel, der offenbar von Menschenhänden gemacht ist, und dessen Name bald rother (rauther) bald rauher Lehen gesprochen und geschrieben wird, und von dem ebenfalls schon in ältern Zeiten ein Ösch „im rauhen Lehen“ genannt wird. Ob er zu einem Vertheidigungs- oder Signalpunkte diente; oder ein Grabhügel ist, darüber müssen erst nähere Untersuchungen entscheiden. S. auch Riedmarkung S. 73.


  1. Nach Johannis Ernesti a Pflaumern Metamorphosis arcium et castrorum Sueviae begaben sich die v. E. in das Bürgerrecht zu Biberach und Sigmund v. E. starb 1440 als Bürgermeister daselbst und als der letzte seines Stammes.