Beschreibung des Oberamts Ravensburg/Kapitel B 17
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17. Colonie Wilhelmsdorf,
bestehend aus dem neu angelegten Orte Wilhelmsdorf mit Lindenwald. W. ist ein evang. Pfarrdorf mit einer Wirthschaft, 1 Ölmühle und 261 Einw., die jedoch sich gleich der Gemeinde Kornthal als Brüder-Gemeinde-Genossen von der evang. Kirche getrennt halten und daher in kirchlicher| und Schul-Beziehung unter der Vermittlung des gemeinschaftlichen evang. Oberamts Ravensburg, unter der Kreis-Regierung und dem Ministerium des Innern stehen.
W. liegt in dem Pfrunger Ried 5 St. nordwestlich von R. an und auf der Wasserscheide zwischen Rhein und Donau, hart an der badischen Grenze, und gehört zur k. Hofkammer, Hof-Cameralamt Altshausen. In gerichtlicher Beziehung ist W. dermalen noch, und bis es zu einer Gemeindekörperschaft (bei wenigstens 50 Bürgern) erwächst, der Gemeinde Eßenhausen zugetheilt. Der Ort hat eine Kirche, oder Bet-Saal und Schule, ein Rathhaus und eine Schildwirthschaft. Er ist ganz neu und nach einem regelmäßigen Plane in der Form eines Kreuzes angelegt und liefert ein merkwürdiges Beispiel davon, was religiöse Beharrlichkeit vermag. Noch vor 15 Jahren war Grund und Boden, worauf W. steht und seine Einwohner sich nähren, eine Wüste, ein sumpfiges Ried, das man alles Anbaues für unfähig hielt, von dem zunächst gelegenen Orte das Lengenweiler Ried genannt. Der Vorsteher der Gemeinde Kornthal kam auf den Gedanken, hier eine Colonie für Glaubensverwandte anzulegen. Die Gemeinde wendete sich an Seine Majestät den König mit der Bitte um Überlassung des Rieds, das hofkammerliches Eigenthum war. Mittelst Vertrags vom October 1823 wurden an die Gemeinde Kornthal 500 Morgen Ried und 58 Morg. Waldung steuer-, zins- und zehentfrei in der Art überlassen, daß nach 10 Jahren, wenn die Urbarmachung als gelungen betrachtet werden kann, für den Morgen 10 fl. in drei unverzinslichen Jahreszielern bezahlt werden. Im J. 1824 wurde der Anfang mit Cultivirung der Wüste gemacht, es wurde mit Ziehung eines Hauptgrabens von 11.860 Schuh Länge begonnen, welcher merkwürdiger Weise nördlich in das Flußgebiet der Donau, südlich in das des Rheins ausmündet. Der Anbau machte schnelle Fortschritte, begünstigt durch die milde und freigebige Unterstützung S. M. des Königs und die seltene Ausdauer der Pflanzer. Es entstund ein neues Dorf, welches im Jahr 1831 schon über| 200 Seelen zählte, und den Namen Wilhelmsdorf erhielt. Jm Jahr 1833 ward die 10jährige Freiheit auf weitere 10 Jahre von Sr. Majestät verlängert. Seit dieser Zeit hat die Gemeinde auch beträchtliche Grundstücke auf der angrenzenden Eßenhauser Markung erkauft, mit deren Hülfe sie nun ihren Bedarf an Feld-Früchten und Futter-Gewächsen selbst erzeugt. Aber die Umschaffung des verbrannten Torf-Bodens in eine völlig fruchttragende Erde ist die Arbeit eines Jahrhunderts. Noch gedeiht z. B. kein Obstbaum, und während daher der Ackerbau wohl noch lange nur einen fortgehenden Kampf mit einem undankbaren Boden darstellen dürfte, wird Wilhelmsdorf, durch seine Lage in einem bis an den Bodensee geöffneten Thal und begünstigt durch die weiten Ebenen, die es mit dem Donauland verbinden, vielleicht in kürzerer Frist zu einem blühenden Gewerbs- und Handels Ort sich entfalten. Der schnelle Fortschritt seiner bisherigen Gewerbe deutet diese Zukunft an. Seit 8 Jahren besteht hier, als Theil gleicher Kornthaler Anstalten, ein in jedem Betracht treffliches Erziehungsrettungshaus für sonst verwahrlos’te und arme Kinder männlichen Geschlechts.
Lindenwald, 2 Häuser 11/2 St. von Wilhelmsdorf, von einem ausgestockten Wald zugenannt. Die Häuser wurden 1832 erbaut und sind zur Aufnahme und Besserung entlassener weiblicher Strafgefangenen bestimmt, wo dieselben unter strenger Aufsicht mit Feld- und andern Arbeiten beschäftigt werden. Die Anstalt ist ein Werk des Stifters der Colonie Wilhelmsdorf, wovon sie gleichsam ein Filial bildet.