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Michelbach
am Wald,
Gemeinde III. Klasse, 830 Einw., wor. 2 Kath. – Evang. Pfarrei; die Kath. sind nach Pfedelbach eingepfarrt.

Der marktberechtigte, sehr ansehnliche Ort hat in einem wiesenreichen, freundlichen Thale am Fuß der westlichen Ausläufer der Waldenburger Berge eine reizende, geschützte Lage. Das mit üppigen Baumgärten umgebene Dorf selbst ist durch den Michelbach in zwei ansehnliche Gruppen geschieden, welche an die gegen den Bach leicht geneigten Abhänge ziemlich gedrängt, jedoch mit breiten Straßen versehen, hingebaut sind. In dem auf der rechten Seite des Bachs gelegenen Ortstheile befinden sich Kirche, Pfarr-, Schul- und Rathhaus, wie auch die ansehnlicheren Wohnungen des Orts.

Der Ort führt den Beinamen „am Wald,“ obgleich er nicht unmittelbar am Walde liegt, sondern seine nächste Umgebung aus frischen Wiesengründen, fruchtbarem Ackerland und hauptsächlich aus schönen, an den Berggehängen angelegten Rebengeländen besteht, während der Wald (Ohrnwald) erst 1/4 Stunde östlich und südlich vom Ort auf den Höhen und Steilgehängen der Waldenburger Berge beginnt und zur landschaftlichen Schönheit der Umgebung Michelbachs wesentlich beiträgt. Auf dem südlich vom Ort gelegenen Wilfersberg, einem Vorsprung der Waldenburger Berge, erschließt sich dem Auge eine reizende Aussicht über einen Theil des Hohenloher Flachlandes, mit ihren zahlreichen lachenden Ortschaften, unter denen auch die Oberamtsstadt sichtbar ist, und besonders aber in das reizende fruchtbare Steinbacherthal, weßhalb dieser Aussichtspunkt, namentlich zur Zeit der Kirschenblüthe, häufig besucht wird.

Die im Jahr 1611 von Kraft von Hohenlohe-Neuenstein neu erbaute Pfarrkirche, deren Unterhaltung der Patron der Kirche Fürst von Hohenlohe-Oehringen zu bestreiten hat, wurde in den Jahren 1752 und 1785 erweitert und mit einem stattlichen Thurme versehen; auf demselben hängen 3 Glocken mit folgenden Umschriften und zwar auf der größten: Osanna heis ich in Er unser Fraven lut ich, Bernhart Lachamann gos mich 1482; auf der mittleren: aus dem Feuer bin ich geflossen, Johann Georg Lösch in Morsbach in Michelbach gegossen 1789; auf der kleinsten: In Gotes Er leut ich, Bernhart Lachaman gos mich 1505.

Der Begräbnißplatz ist außerhalb (östlich) des Orts an einem leicht geneigten Thalabhange angelegt.

| Das Pfarrhaus, welches 1622 erbaut wurde, befindet sich in gutem Zustande und wird von dem inkamerirten Stift Oehringen unterhalten.

Das Schulhaus, ein massiv steinernes Gebäude, wurde erst in neuerer Zeit erkauft und steht neben dem früheren Schulhause; letzteres trägt über dem Eingang das Hohenlohe’sche Wappen und die Jahrszahl 1618; in dem ersteren befinden sich zwei Lehrzimmer, die Wohnung des Schulmeisters und die Gelasse für den Gemeinderath.

Eine Kelter und zwei Armenhäuser sind vorhanden.

Mit frischem Trinkwasser, das ein laufender und mehrere Pumpbrunnen liefern, ist der Ort hinreichend versehen, überdieß fließt, wie schon bemerkt wurde, der auf der Hochebene der Waldenburger Berge entspringende Michelbach, mitten durch das Dorf, und nimmt bei seinem Eintritt in dasselbe den am Fuß des Gabelsteins entspringenden Rechtenbach auf.

Eine Vicinalstraße von der 5/4 Stunden nordwestlich gelegenen Oberamtsstadt herkommend, führt durch den Ort und weiter über Ober-Steinbach und Gnadenthal nach Hall.

Die große Markung ist theils eben, theils greifen die Waldenburger Berge noch in dieselbe ein; der durchgängig für den Feldbau benützte, ebene Theil hat einen fruchtbaren Lehmboden, während der für den Waldbau und Weinbau benützte, bergige Theil aus Keupermergel und aus den Zersetzungen des Keupersandsteins besteht. Steinbrüche, die vortreffliche Werk- und Bausteine liefern, sind vorhanden, wie denn auch die Steine zu dem Eisenbahn-Viadukt über das Ohrnthal auf der Markung gewonnen wurden. Eine Lehmgrube ist in der Nähe des Orts angelegt. Die im allgemeinen fleißigen und verständigen Einwohner treiben Feldbau, Viehzucht, Wein- und Obstbau; ihre Vermögensumstände sind gut und haben sich in Folge der günstigen Weinjahre wesentlich gesteigert. Güterbesitze bis zu 50 Morgen sind vorhanden. Von den Gewerben sind zwei Schildwirthschaften und drei Krämer zu nennen. Der Feldbau wird im Dreifeldersystem gut betrieben; man baut die gewöhnlichen Getreidefrüchte, besonders Dinkel und Weizen und in der Brache Kartoffeln, Futterkräuter, Reps etc.; der Verkauf an Getreidefrüchten nach Außen ist beträchtlich. Die Wiesen liefern in nicht zu trockenen Jahrgängen reichlich gutes Futter; ihre Preise bewegen sich von 300–800 fl., und die der Äcker von 300–600 fl. per Morgen.

Auch das Obst, besonders das Steinobst geräth sehr gut und| erlaubt in günstigen Jahren einen Verkauf nach Außen. Weinbau wird auf 450 Morgen mit gutem Erfolg getrieben; der erzeugte Wein ist süß, feurig und auswärts sehr gesucht. Die Preise eines Eimers waren in den Jahren 1846 – 55 fl., 1857 – 55 fl., 1860 – 36 fl., 1861 – 44 fl., 1862 – 44 fl. und 1863 – 46 fl. Die Preise eines Morgens steigern sich von 200–700 fl. Die besten Lagen sind Gügling, Hubberg, alte Berg und Vordermarget.

Auf den Weiden und in einem Theil der fürstlichen Waldungen, in welchem die Gemeinde das Schafweiderecht hat, lassen die Ortsbürger Schafe laufen, an welche die Schafweide verpachtet ist. Die Pferchnutzung sichert der Gemeindekasse eine jährliche Einnahme von 350 fl.

Der Rindviehstand ist bedeutend und beträgt 527 Stücke; es wird mit Vieh gehandelt, namentlich kommen viele gemästete Rinder zum Verkauf, während Ochsen nur selten gemästet werden.

Die auf der Markung gelegenen, meist mit Laubhölzern bestockten Waldungen, deren es über 2000 Morgen sind, gehören größtentheils der Standesherrschaft Hohenlohe-Oehringen; im Eigenthum der Gemeinde stehen 40 Morgen, die erst in neuerer Zeit angelegt wurden.

Der Ort hat das Recht den 15. Februar und den 1. Septbr. je einen Vieh- und Krämermarkt abzuhalten, welche zu den bedeutendsten des Bezirks gehören.

Ein Stiftungsvermögen von nahezu 4000 fl. ist vorhanden (über das Vermögen der Gemeinde- und Stiftungspflege siehe auch Tabelle III.).

An der Volksschule unterrichten ein Schulmeister und ein Lehrgehilfe; gegenwärtig besuchen dieselbe 136 Kinder, wobei auch die von Unter-Söllbach eingerechnet sind. Eine Industrieschule für Mädchen besteht.

Michelbach gehörte zu den von Bischof Gebhard herrührenden Regensburgischen Besitzungen. Wie bei Oehringen erwähnt, ging die Oberlehensherrlichkeit 1806 an Württemberg über. Träger sind nach wie vor die Fürsten von Hohenlohe. Ob die Herren von Michelbach, die einigemal vorkommen, hieher gehören, ist nicht zu ermitteln.

Michelbach und der größere Theil der Markung gehörte zu Burg Gabelstein. Auf einem Bergvorsprung des in den Wilfersberg sich verlängernden, am weitsten nach Westen vorspringenden| Theiles der Waldenburger Berge, dem Schloßberg, der ganz bewaldet ist, lag auf dem, gegen das Thal und Michelbach gerichteten Abhang, die Burg Gabelstein, deren ehemaligen Umfang ein kleiner Graben und ein wenig Gestein im Walde kaum erkennen läßt. Woher der Name der Familie und Burg, der an jenen in der Urkunde von 1253 genannten Ritter „Herr Gabele“ erinnert, stamme, ist nicht bekannt.

Das Wappen des Geschlechts waren drei rothe Wurfbeile im weißen Felde; dasselbe führten und führen die Herren von Bartenau und von Stetten, welche hienach eines Ursprungs mit denen von Gabelstein sind.

Zürich von Gabelstein, auch genannt von Stetten, ist der erste der urkundlich von der Familie der Gabelstein vorkommt 1290 (neben ihm Gernot v. Gabelstein bis 1322), dessen Söhne Zürch, Hermann, Götz von Gabelstein und ein Oehringer Chorherr dieses Namens bis 1344.

Zürich von Gabelstein, ein Ritter und Mya seine eheliche Hausfrau sahen sich „durch not unsere Schuld“ genöthigt am St. Antonien-Tage 1327 an den Grafen Craft II. von Hohenlohe zu verkaufen um 100 Pfund Heller als ein Regensburgisches Lehen „unseren vorderen Teil an unsr Burg zu Gabelstein, Alln unsr Walt und Alle unsere lute.“ 1329 verkauften beide Eheleute an das Stift Oehringen einen Hof zu Höfen und in demselben Jahre die Brüder Zürch, Hermann und Götz an das Kloster Gnadenthal die Gülten an der Rohrmühle, und später drei Güter in Michelbach.

Im Jahr 1333 verkaufte Ritter Zürich von Gabelstein seinem lieben Bruder Goetz von Enslingen, seinen Theil an der hinteren Burg Gabelstein, die Hälfte des dazu gehörigen Waldes und alle seine jenseits der Ettebach gesessenen Leute um 100 Pfund Heller auf 7jährige Wiederlösung. Ein anderer Zürch von Gabelstein, Edelknecht, verkauft 1342 ein Lehengut zu Michelbach an Konrad von Hoven, Bürger zu Oehringen und 1344 an das Stift Oehringen einige eigene Leute zu Luphriczberg. Hermann von Gabelstein und Zürch, seines verstorbenen Bruders Goetz Sohn, verkaufen an Gernot v. Gabelstein 1346 1 Pfund Heller Geld zu Michelbach. Am Montag nach St. Walpurgis 1350 übergeben die Edelknechte Heinrich Berler von Zimmern und Gernot von Gabelstein, dem Grafen Kraft III. von Hohenlohe ihre Theile an der hinteren Burg zu Gabelstein mit Burgstall, Gebäuden, Mauern, Graben, Brücken, Wegen und Stegen und allen anderen Rechten und Gewohnheiten| auf ewige Zeiten als offenes Haus für die Grafen von Hohenlohe; sie verschreiben sich der Herrschaft Hohenlohe als getreue Diener Lebenslang und versprechen die genannten Theile der Burg weder zu versetzen noch zu verkaufen.

Im Jahr 1355 verkauft Gernot von Gabelstein seinen Antheil an der Burg an Kraft von Hohenlohe und 1358 verzichtet Zürch von Gabelstein auf alle Ansprüche, welche er seither an die hintere Burg gemacht hat, in der Sümmerhalde gelegen, und Heinrich Berler überläßt 1359 ebenfalls seinen Antheil um 40 Pfund Heller an Hohenlohe.

1360 wurde ein Streit beigelegt zwischen dem Edelknecht Zürch von Gabelstein und Kloster Gnadenthal wegen der Güter des letzteren zu Michelbach und im Ohrnthal.

Zürch von Gabelstein und Katharina seine Hausfrau verkaufen 1370 an Walther Eberwein, Bürger zu Hall, 2 Güter zu Michelbach und 4 Fuder jährliche Weingült, die sie auf verschiedene Güter und Gülten zu Ober- und Nieder-Michelbach, alte Gabeln, Lüpfersberg, Rechtenbach und Eitzenklingen versichern. Am Freitag nach Pfingsten 1371 belehnte Bischof Konrad von Regensburg Zürch von Gabelstein mit seinem Theil an der Veste Gabelstein, und gestattet ihm, daß er seine Hausfrau Katharina und Tochter Anna mit 1200 Pfund Heller darauf versicherte. Dieser Zürch, Bürger zu Hall, und seine Hausfrau, verkaufen am Thomastag 1379 der Gräfin Anna von Hohenlohe und ihren Erben das Burgstall zu Gabelstein, ihre Güter, Gült, Zehnt und Kelterrechte, sowie Antheil am Gericht zu Ober- und Nieder-Michelbach, Nyczenklingen, alten Gabeln, Lüpfersberg, Rechtenbach und der Rohrmühle, doch für ihre Lebenszeit den Genuß sich vorbehaltend. Zürch von Gabelstein bedachte 1388 das gemeine Brod in Oehringen mit 20 fl. und 1416 verkauft Concz Lecher, Bürger in Hall an Graf Albrecht von Hohenlohe seinen Theil der Burg Gabelstein, 1/3 des Gerichts zu Michelbach und der Güter und Gefälle zu Ober- und Nieder-Michelbach, zu alten Gabeln und Lüpfersberg.

Die nun hohenlohische Burg Gabelstein wurde nicht mehr unterhalten, zerfiel und ihre Steine wurden sonst verwendet. (Siehe über Gabelstein überhaupt Albrecht in den Württemb. Jahrbüchern 1834, 369–377).

Herold von Neuenstein verkauft an Albrecht von Hohenlohe seinen Theil zu Michelbach, beiden Weilern mit Vogtei, Gericht,| Häusern, Scheuern, Hofraithen, Gütern, Gülten etc. um 552 Goldgulden als Regensburger Lehen.

Unter-Michelbach ist das jetzige Dorf; Ober-Michelbach könnte der Theil davon sein, der südlich vom Bach liegt. Die Sage des Ortes weist übrigens auf die Thalschlucht des Baches gegen die alte Gabel hin, als den Ort Ober-Michelbach, dessen Bewohner sich später nach Michelbach gezogen haben. Lupfersberg (Lüpfersberg) ein in das Gericht zu Michelbach gehöriger Weiler lag auf der Koppenwiese und dem Walde Koppenwiesenschlag, auf dem Bergrücken, dessen äußerster Ausläufer der Wilfersberg ist; dieser wird genannt 1266 mons ubi moratur Wolfherus und im Oehringer Obleybuche der „Wolffrichs Berg.“

Alten Gabeln, ein Weiler, der in das Gericht zu Michelbach gehörte, hatte einen Burgstall, dessen Stelle noch wohl erkennbar ist; jetzt heißt der steile Berg so, durch welchen die Schlucht, aus dem der Michelbach kommt, geschlossen wird.

Rechtenbach war ein Weiler an dem Bache gleichen Namens.

Eyczenklingen (Nyczenklingen), wo 1370 eine Kelter angeführt wird, ist noch der Name derselben. In Michelbach selbst heißt noch eine Lokalität, in einem Garten, zwischen den beiden Theilen Michelbachs die „Burstel“ (Burgstall), ein Ringgraben ist gut erkenntlich.


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