« Kapitel A 2 Beschreibung des Oberamts Oehringen Kapitel A 4 »
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III. Bevölkerung.


1. Größe, Bewegung der ortsangehörigen Bevölkerung.
a. Im Allgemeinen.

Die ortsangehörige Bevölkerung des Oberamtsbezirks Oehringen betrug am 1. November 1812 26.527 Seelen, am 1. November 1816 26.667, verminderte sich bis 1. November 1818 auf 26.216, worin die Einwirkung der damaligen Theuerung zu erkennen ist, betrug am 1. November 1819 wieder 26.534 und stieg von da an bis zum 1. November 1822 auf 27.360 Seelen. Im folgenden Decennium zeigt sich bei der Bevölkerung des Bezirks eine stetige Zunahme und es betrug solche auf 1. November 1832 29.166 Personen, welche Zahl sich aus den alljährlichen Berechnungen der Zu- und Abnahmen in Folge von Geburten, Todesfällen, Umzügen, Ein- und Auswanderungen ergab. Nach der zu Richtigstellung dieser Berechnungen angestellten 10jährigen neuen Aufnahme des Standes der Bevölkerung auf 1. November 1832 belief sich solche nur auf 28.562 Seelen, eine Differenz, die sich durch ungenaue Aufnahme der alljährlichen Umzüge innerhalb Landes erklärt, welche einen beträchtlichen Überschuß der Herein- über die Hinausgezogenen erscheinen ließ. – Von 1832–1842 stieg die ortsangehörige Bevölkerung weiter auf 31.787, von 1842 bis 1852 auf 32.697, von 1852–1862 aber sank solche herab auf 32.446 Seelen.

Mit Unterscheidung der Geschlechter stellte sich das Verhältniß folgendermaßen:

Die Bevölkerung männl. weibl. zusammen.
betrug am Personen.
01. November 1812 13.218, 13.309, 26.527.
01. November 1822 13.649, 13.711, 27.360.
01. November 1832 14.051, 14.511, 28.562.
15. December 1842 15.687, 16.100, 31.787.
03. December 1852 16.156, 16.541, 32.697.
03. December 1862 15.820, 16.626, 32.446.
Die stärkste Zunahme zeigt sich also in dem Decennium 1832 bis 1842, eine Abnahme dagegen wie in der Bevölkerung Württembergs überhaupt, so auch in der des Bezirks Oehringen, in dem Decennium 1852–1862, die von der damaligen starken Auswanderung herrührte. In dem Jahrzehent 1842–1852 kam| nämlich ein Auswanderer auf 516 Einwohner, im Jahr 1856 einer auf 227 Einwohner, im Jahr 1857 einer auf 192 Einwohner.

Im Ganzen jedoch hat sich nach obiger Tabelle die ortsangehörige Bevölkerung des Bezirks in den 50 Jahren 1812–1862 vermehrt um 22,3 % oder jährlich um 0,45 %. Hiebei ist zu bemerken, daß Oehringen in dem Jahrzehent 1842–1852 nach der in den württemb. Jahrbüchern von 1853 veröffentlichten Darstellung von P. Sick unter denjenigen 20 Oberämtern, welche bei den im Lande vorgekommenen Umzügen mehr Hereingezogene als Hinausgezogene hatten, der Ordnungszahl nach das 9te ist, mit 107,28 Hereingezogenen auf 100 Hinausgezogene und bei Unterscheidung der Geschlechter mit 107,16 männlichen und 107,40 weiblichen Hereingezogenen auf je 100 Hinausgezogene.

Auf eine Quadratmeile kamen – nach Abzug des unrichtigen Überschusses – am 1. Nov. 1832 3762 Einwohner, am 3. Dez. 1852 dagegen 4914 Einwohner, am 3. Dec. 1862 4993 Einwohner.

In dem Jahrzehent 1822–1832 war Oehringen nach Hall und Mergentheim mit 63 und 61,8 pro Tausend derjenige Bezirk des Jagstkreises, welcher von den 60–70 Jahre alten Personen verhältnißmäßig die meisten, nämlich 61 auf je 1000 hatte.

Im ganzen Lande war das Verhältniß damals 53,5, im Jagstkreis 56,4.

b. Geburten.

Die Zunahme der Bevölkerung im Allgemeinen betrug nach jährlichen Durchschnitten auf je 1000 Personen

in der Periode von
1812–22, 1822–32, 1832–42, 1842–52
im ganzen Land 5,5, 9,16, 8,58, 5,59,
im Jagstkreis 4,5, 8,29, 8,00, 5,05,
im OA. Oehringen 3,1, 6,6, 6,90, 2,86.

Der Überschuß der Geburten über die Todesfälle betrug auf 1000 Personen

in der Periode von
1812–22, 1822–32, 1832–42, 1842–52
im ganzen Land 6,14, 9,54, 8,92, 9,00,
im Jagstkreis 3,89, 7,80, 7,50, 8,21,
im OA. Oehringen 1,8, 5,16, 4,99, 5,09.
Das Verhältniß der Geburten zur Bevölkerung war|
in der Periode von 1812–22, 1822–32, 1832–42, 1842–52
im ganzen Land 1:26,25, 1:26,4, 1:23,12, 1:24,68,
im Jagstkreis 1:29,0, 1:28,2, 1:24,8, 1:26,60,
im OA. Oehringen 1:31,8, 1:29,8, 1:24,8, 1:26,76.

Das Verhältniß der Todesfälle zur Bevölkerung war

in der Periode von 1812–22, 1822–32, 1832–42, 1842–52
im ganzen Land 1:31,3, 1:34,2, 1:28,81, 1:31,78,
im Jagstkreis 1:31,96, 1:35,6, 1:30,2. 1:34,10,
im OA. Oehringen 1:33,8, 1:35, 1:28,2, 1:31,02.

Aus der Vergleichung obiger Zahlen ergibt sich, daß wenn auch die Zahl der Todesfälle im Bezirk Oehringen in der Periode 1812–32 etwas geringer ist, als das Landesmittel und – von 1832–52 nur um ein Unbedeutendes höher – dennoch bei der in der ganzen 40jährigen Periode constant relativ geringen Anzahl der Geburten, welche das Landesmittel gar nie erreichte, sondern immer erheblich hinter demselben zurückblieb, und nur in der Periode 1832–42 der mittleren Zahl des Jagstkreises gleichkam; – der Überschuß der Geborenen über die Gestorbenen und somit der natürliche Zuwachs der Bevölkerung im Bezirk Oehringen verhältnißmäßig einer der geringsten des Landes war. – In der Periode 1812–42 hatten nur die Oberämter Hall, Wangen, Mergentheim, Ravensburg einen noch geringeren Zuwachs. Das Oberamt Oehringen gehörte aber bis zum Jahr 1848 unter diejenigen Bezirke des Landes, welche vielen gebundenen Grundbesitz ohne bedeutenderen Gewerbfleiß und Handel hatten, – Verhältnisse, die der Vermehrung der Bevölkerung ungünstig entgegentreten.

Hiermit steht vielleicht auch die Erscheinung theilweise im Zusammenhang, daß die Zahl der unehelichen Geburten im Oberamtsbezirk die vieler anderen Oberämter übertrifft.

Es kommen nämlich im Bezirk Oehringen auf 1 unehelich geborenes Kind

Geburten überhaupt:
in der Periode 1812–22 6,4,0
in der Periode 1822–32 6,0,0
in der Periode 1832–42 7,,00
in der Periode 1842–52 6,09,
und es ist in dem letzteren Decennium Oehringen unter denjenigen Oberämtern, welche die stärkste Verhältnißzahl der unehelichen Geburten aufweisen, das 5te. In Württemberg überhaupt beträgt nämlich das Verhältniß für die 10 Jahre 1842–52 1:8,35, im Jagstkreis 1:6,71, und die Extreme sind 1:5,10 im Oberamt| Gaildorf und 1:13,41 im Stadtdirektionsbezirk Stuttgart. Aber auch im Jahrgang 1862 noch nimmt Oehringen hinsichtlich der Zahl der unehelichen Kinder mit 22,26 auf 100 Geborene die 5. Stelle ein, was also zugleich auf anderweitige nachhaltig fortwirkende Ursachen hinweist.

Nach der in den württembergischen Jahrbüchern von 1856, 2. Heft, erschienenen Abhandlung von Sick „Zahl und Verlauf der Geburten im Königreich Württemberg in den Jahren 1846–56“ sind ferner folgende Verhältnisse bemerkenswerth.

Von 100 Gebärenden wurden in dieser Zeit künstlich entbunden

in Württemberg 5,26,
im Jagstkreis 4,67,

im Oberamtsbezirk Oehringen, welcher der Größe der Verhältnißzahl entsprechend, unter sämmtlichen 64 Oberämtern die Ordnungszahl 53 hat, blos 3,92; zugleich steht der Bezirk in Beziehung auf das Übergewicht der Zahl der männlich Geborenen über die Zahl der weiblich Geborenen mit der Ordnungszahl 49 hinter vielen andern Bezirken zurück. Auf 100 weiblich Geborene kommen nämlich männlich Geborene

in Württemberg 106,31,
im Jagstkreis 105,88,
in Oehringen 104,81.

Von 100 männlich Geborenen ferner waren unreif Geborene

im ganzen Land 3,70,
im Jagstkreis 3,68,
im OA. Oehringen 3,67,

und von 100 weiblich Geborenen waren unreif

im ganzen Land 3,16,
im Jagstkreis 3,04,
im OA. Oehringen 3,31,

endlich kommen auf 100 Geburten in fraglicher Periode Todtgeborene

in Württemberg 4,07,
im Jagstkreis 3,86,
in Oehringen 4,31,

es steht also nach diesen Berechnungen im Oberamtsbezirk Oehringen die Zahl der Todtgeborenen und die Zahl der weiblich unreif Geborenen in der Periode 1846–56 über dem Landesmittel, die Zahl der unreifen männlichen Geburten nur wenig hinter demselben zurück.

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c. Todesfälle.

Hinsichtlich der Sterblichkeitsverhältnisse zeigt sich folgendes Eigenthümliche:

Gestorbene überhaupt, ausschließlich der Todtgebornen, kommen auf Einwohnerzahlen in der Periode 1846–56

für Württemberg, für den Jagstkreis, für den Bezirk Oehringen,
1 auf 33,25, 1 auf 34,30, 1 auf 34,25,
männlich Gestorbene kommen auf männliche Einwohner
1 auf 30,18, 1 auf 32,11, 1 auf 31,52,
weiblich Gestorbene kommen auf weibliche Einwohner
1 auf 33,16, 1 auf 35,39, 1 auf 33,78,

Auch in dieser Periode waren somit die Sterblichkeitsverhältnisse des Oberamtsbezirks Oehringen günstiger als die des Landes überhaupt, wenn das Verhältniß auch hinter dem Mittel des Jagstkreises zurückblieb.

Von 100 Gestorbenen (excl. der Todtgeborenen) standen in den 10 Jahren 1846–56 im

Lebensjahr, in Württemberg, im Jagstkreis, im Bezirk Oehringen.
01. 42,18, 38,54, 36,27,
02.–7. 09,99, 09,68, 11,17,
08.–14. 02,39, 02,31, 02,17,
15.–20. 01,91, 01,84, 01,49,
21.–45. 10,83, 10,98, 10,93,
46.–70. 20,69, 22,91, 25,04,
über dem 70. 12,01, 13,74, 12,93.
100. 100. 100.

Wenn also auch die Zahl der Todtgeborenen größer war, als das Landesmittel, so zeigte sich dagegen die Kindersterblichkeit fürs erste Lebensjahr beinahe um 6 % geringer als in Württemberg und um 2 % geringer als im Jagstkreis, während solche dagegen fürs 2.–7. Lebensjahr wieder um 1,18 resp. 1,49 bedeutender war als die des ganzen Landes und des Jagstkreises.

Von 100 Gestorbenen (incl. Todtgeborenen) starben ferner in den Monaten

Juli–Sept. Oct.–Dez. Jan.–März. April–Mai.[s 1]
in Württemberg 24,16, 24,76, 27,45, 23,63,
im Jagstkreis 23,22, 24,68, 28,15, 23,95,
im OA. Oehringen 23,49, 25,02, 29,58, 21,91.
Die Sterbefälle betrugen also im Oberamt Oehringen in den Monaten April bis September blos 45,40,|
im Jagstkreis 47,17,
in Württemberg 47,49,

während sie in der anderen Hälfte des Jahres vom Oktober bis März relativ häufiger sind, denn sie betragen

für das Oberamt Oehringen 54,60,
für den Jagstkreis 52,83,
für Württemberg 52,21.

Von 100 Gestorbenen (excl. Todtgeborene) haben im Bezirk Oehringen in der Periode 1846–56 ärztliche Hülfe genossen 44,21,

im Jagstkreis 44,11,
in Württemberg 45,36,

und sind unter 100 Gestorbenen (excl. Todtgeborene) Verunglückte

im Bezirk Oehringen 0,98,
im Jagstkreis 0,87,
in Württemberg 0,85.

Die Extreme in letzterer Richtung bilden die Oberamtsbezirke

Besigheim mit 1,57, und
Spaichingen mit 0,40,

Unter 100 Gestorbenen (excl. Todtgeborene) sind ferner Selbstmörder

im Bezirk Oehringen 0,51,
im Jagstkreis 0,34,
in Württemberg 0,36,

Die Zahl der Selbstmörder im Bezirk Oehringen war also erheblich über dem Landesmittel. Die Extreme hierin bilden

der Stadtdirektionsbezirk Stuttgart mit 1,00, und
der Bezirk Gaildorf mit 0,17.
d. Trauungen.

In den 20 Jahren 1838–57 war die Zahl der getrauten Paare im Oberamt Oehringen von

evangelischer Confession 3723,
katholischer Confession 0187,
israelitischer Religion 0023,
zus.
3933,
somit durchschnittlich in einem Jahr 197. Im Jahr 1838 waren es 235, im Jahr 1845 232, in den Jahren 1846 und 1847 nur 203 und 192, im Jahr 1848 und 1849 wieder 214 und 217, im Jahr 1850 201, 1851 213, in den 6 Jahren 1852–57 durchschnittlich blos 153, – ein Verhältniß, das mit den sonstigen| ungünstigen Erscheinungen in dem Gang der Bevölkerung des Jahrzehents 1851–62, namentlich mit der starken Auswanderung in den 1850er Jahren Hand in Hand geht.

Unter den 3933 Trauungen sind solche bei denen

der Bräutigam weniger als 25 Jahre alt war 361,
die Braut weniger als 20 Jahre alt war 341,
der Bräutigam 25–30 Jahre alt war 1653,
die Braut 20–25 Jahre alt war 1416,
der Bräutigam 30–40 Jahre alt war 1339,
die Braut 25–30 Jahre alt war 1074,
der Bräutigam 40–50 Jahre alt war 393,
die Braut 30–40 Jahre alt war 804,
der Bräutigam über 50 Jahre alt war 187,
die Braut über 40 Jahre alt war 298.

Gemischte Ehen kamen im Bezirk Oehringen in gedachter Periode 127 vor; darunter 90 solche, bei denen der Bräutigam katholisch war.

2. Größe und Verhältnisse der ortsanwesenden Bevölkerung.

Die ortsanwesende Bevölkerung des Bezirks war nach den für die Zwecke des Zollvereins vorgenommenen Zählungen folgende und zwar:

im Jahr zusammen Zu- und
Abnahme
in der Stadt
Oehringen
in den übrigen
Bezirksorten
1834, 28.541, 3261, 25.280,
1837, 28.948, + 0407, 3562, 25.386,
1840, 29.612, + 0664, 3368, 26.244,
1843, 30.312, + 0700, 3235, 27.077,
1846, 31.706, + 1394, 3436, 28.270,
1849, 32.825, + 1119, 3447, 29.378,
1852, 30.890, − 1935, 3266, 27.624,
1855, 29.753, − 1137, 3260, 26.493,
1858, 29.974, + 0221, 3267, 26.707,
1861, 31.589, + 1615, 3798, 27.791.
Während also die ortsanwesende Bevölkerung des Bezirks Oehringen in den 15 Jahren von 1834–49 eine Zunahme von 4284 Personen zeigt, betrug die Abnahme derselben in den 6 Jahren von 1849–55 allein 3072, wogegen sie bis 1858 blos um 221, von 1858 aber bis 1861 um die bedeutende Zahl von 1615 Personen| stieg, so daß der Bezirk Oehringen nach dem Stadtdirektionsbezirk Stuttgart pro 3. December 1861 derjenige war, welcher in den 3 Jahren 1858–61 die stärkste Zunahme der ortsanwesenden Bevölkerung zeigte, nämlich 5,40 %, welche starke Zunahme sich aber durch den Zufluß von Arbeitern an der damals im Bau begriffenen Bahnstrecke von Weinsberg nach Hall erklären läßt.

Die Vertheilung der Bevölkerung über den Bezirk ist eine ziemlich gleichmäßige. An die Oberamtsstadt mit 3798 Einwohnern nach der Zählung pro 3. December 1861 reihen sich nämlich nach der Einwohnerzahl 10 größere Gemeinden des Bezirks an, von ca. 1000 bis 1800 Personen, wovon Pfedelbach mit 1777 Einwohnern die größte, Zweiflingen mit 1008 Einwohnern die geringste Bevölkerung hat; sodann umfaßt der Bezirk 32 weitere Gemeinden unter 1000 Einwohnern, von denen Harsberg mit 921 die meist-, Orendelsall mit 237 Einwohnern die wenigstbevölkertste ist.

Die 10 Gemeinden zwischen 1000 und 1800 Einwohnern haben zusammen 12.244, die weiteren 32 Gemeinden 15.547 Einwohner. Etwa die Hälfte der vorherrschend ländlichen Bevölkerung des Bezirks, welcher ca. 61/2 Quadratmeilen umfaßt, vertheilt sich also ziemlich gleichmäßig in die Oberamtsstadt, die kleinen Städte, und größeren Dorfgemeinden, die andere Hälfte in die kleineren Dorfgemeinden, und die Bevölkerung der Oberamtsstadt macht hiebei nur ca. 1/8 der ganzen Bevölkerung des Bezirks aus.

Einen Gegensatz zu solcher Vertheilung der Bevölkerung bildet der Oberamtsbezirk Heilbronn, welcher auf 3,4 Quadratmeilen, also etwa der Hälfte des Flächenraums des Oberamts Oehringen eine Bevölkerung von 33.043 Seelen hatte, wovon in der Bezirksstadt allein 14.333, in 11 größeren Gemeinden zwischen 1000 und 1900 Einwohnern 15.026, und in 5 kleineren Gemeinden zwischen 600 bis 1000 Einwohnern blos 3684 Personen wohnten.

Unter den 31.589 Ortsanwesenden des Oberamts Oehringen, welche pro 3. December 1861 gezählt worden sind, waren:

evangelische, katholische, übrige Christen, Israeliten
männliche Personen 14.694, 814, 22, 88,
weibliche Personen 15.161, 688, 24, 98.
29.855. 1502.0 46. 186.0
Nach dem Civilstand vertheilt sich die Bevölkerung wie folgt: Es waren|
verheirathet verwittwet geschieden unverheirathet
unter
25 Jahren
von 25 Jahren
und darüber
männliche Personen 5025, 734, 11, 7551, 2297,
weibliche Personen 5013, 1294, 18, 7661, 1985.
10.038. 2028. 29. 15.212. 4282.

und es ist hiebei bemerkenswerth, daß der Bezirk Oehringen auf 1000 ortsanwesende Personen 41 Wittwen hat, und hiemit unter denjenigen Oberamtsbezirken, welche die größte Anzahl aufweisen – nach Tübingen und Balingen nämlich – der 3te ist.

Die Zahl der Ausländer war 454, wovon 312 männlichen und 142 weiblichen Geschlechts.

Die Zahl der Personen

unter 14 Jahren über 14 Jahren
männlichen weiblichen männlichen weiblichen Geschlechts
war: 4299, 4527, 11.319, 11.444.
31.589.

Im Ganzen waren es Personen männlichen Geschlechts 15.618, weiblichen 15.971 und es kamen somit auf 100 männliche 102,1 weibliche Personen. Während das Übergewicht der weiblichen Bevölkerung in anderen Bezirken, namentlich in denen des Schwarzwaldkreises, sehr bedeutend ist, wie z. B. im Oberamt Horb 116,5 auf 100 ausmacht, während ferner der Bezirk Gaildorf ebenfalls 113,3 weibliche Personen auf 100 männliche hat, ist der Oberamtsbezirk Oehringen unter denjenigen, bei welchen das Mißverhältniß zwischen der Zahl der beiden Geschlechter das Geringste ist, der Ordnungszahl nach der 3te und zwar nach dem Bezirk Hall mit 100:101,8 und dem Bezirk Weinsberg mit 100:102,1. Auffallend ist hiebei, daß sich die Extreme bei diesem Verhältniß in den 3 aneinander grenzenden Bezirken Oehringen, Hall und Gaildorf so nahe berühren.

Das Verhältniß der Alterklassen war nach der Zählung der Ortsanwesenden pro 3. December 1861 folgendes:

Es standen von der gesamten Bevölkerung des Bezirks in einem Alter von

Jahren männliche weibliche zusammen in den
Personen 5jährigen 10jährigen
Altersklassen
00–5, 1914, 2074, 3988,
05–10, 1377, 1448, 2825, 6813,
10–15, 1462, 1489, 2951,
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Jahren männliche weibliche zusammen in den
Personen 5jährigen 10jährigen
Altersklassen
15–20, 1665, 1627, 3292, 6243,
20–25, 1410, 1557, 2967,
25–30, 1225, 1174, 2399, 5366,
30–35, 988, 974, 1962,
35–40, 1052, 1043, 2095, 4057,
40–45, 843, 884, 1727,
45–50, 877, 886, 1763, 3490,
50–55, 828, 868, 1696,
55–60, 736, 715, 1451, 3147,
60–65, 584, 558, 1142,
65–70, 325, 316, 641, 1783,
70–75, 182, 196, 378,
75–80, 93, 116, 209, 587,
80–85, 45, 31, 76,
85–90, 11, 15, 26, 102,
90–95, 1, 1, 1.
15.618. 15.971.

Von 10.000 Lebenden standen im Alter von

Jahren im O.A.
Oehringen
in
Württemberg.
00–5,0 1263, 1261,
05–10, 0894, 0939,
10–15, 0934, 1028,
15–20, 1042, 1090,
20–25, 0939, 0910,
25–30, 0759, 0718,
30–40, 1284, 1243,
40–50, 1104, 1100,
50–60, 0996, 0944,
60–70, 0564, 0535,
70–80, 0185, 0199,
80–90, 0032, 0031,
über 90, 0000, 0001,

Der Bezirk Oehringen ist unter allen derjenige der dem Landesdurchschnitt in der Vertheilung der Bevölkerung auf die einzelnen Altersklassen am nächsten kommt und bietet in keiner einzigen Rubrik abnorme Verhältnisse dar. Nur die dritte Altersklasse differirt etwas stärker von dem Landesmittel.

| Nach der letzten pro 8. December 1861 erfolgten Aufnahme einer Gewerbestatistik des Zollvereins waren im Oberamt Oehringen von der männl. Bevölkerung
im Fabrikbetrieb beschäftigt 675 Pers.
mit Handwerken 2183 Pers.
mit Handels-, Transport- und Wirthschaftsgewerben 508 Pers.
Zus.       3366 Pers.

Rechnet man die männliche Bevölkerung vom 14.–65. Jahr als productiv, welche im Bezirk Oehringen pro 3. December 1861 betrug 10.730 Personen, so kommen hievon 31,37 % auf Industrie, Gewerbe und Handel, wobei aber zu berücksichtigen wäre, daß hievon wahrscheinlich sehr viele – namentlich von der weitaus überwiegenden Zahl der Handwerker zugleich Grundbesitzer sind; denn nach der im Jahr 1857 stattgehabten Aufnahme des landwirthschaftlich benutzten Grundeigenthums waren es im Ganzen 8639 Grundeigenthümer, wovon wieder 5479 in diejenige Klasse fielen, welche weniger als 5 Mrg. besaßen. Angenommen, die Zahl der Grundeigenthümer habe sich von 1857–61 um 1 % vermehrt, also auf 8725 – und von der Gesamtzahl der männl. Einwohner des Bezirks mit 15.618 die Altersklassen von 1–25 Jahren mit 7828 Personen abgezogen, so verbliebe blos noch eine männl. Einwohnerschaft von 7790 Personen, mithin ca. 900 Personen weniger als die Zahl der Grundeigenthümer.

Wenn nun auch in Rechnung gezogen wird, daß jene Zahlen von der Aufnahme von 1857 deßhalb zu hoch sein müssen, weil sämtliche Ausmärker, welche auf mehreren Gemeinde-Markungen zugleich Grundeigenthum besaßen, auch mehrfach gezählt worden sind, so dürften solche zwar immerhin noch zu hoch erscheinen; jedoch geht jedenfalls soviel daraus hervor, daß die Zahl der Grundeigenthümer im Verhältniß zur ganzen männlichen Einwohnerschaft eine sehr bedeutende ist, und daß daher die Landwirthschaft den vorherrschenden Erwerbszweig des Bezirks bildet, und der Gewerbfleiß nur in unmittelbarer Verbindung mit ihr von Bedeutung ist.

3. Stamm und Eigenschaft der Einwohner.
Die Bewohner des Oberamtsbezirks, welcher die westliche Grenze von Franken (Hohenlohe) gegen Altwürttemberg bildet, gehören ohne Ausnahme dem fränkischen Volksstamme an und unterscheiden sich nach Charakter, Sprache und Sitten wesentlich von ihren nächsten Nachbarn; und wenn sie auch dieser Stammesverschiedenheit sich kaum mehr bewußt sind und noch weniger an eine absichtliche Absonderung zu denken ist, so ist doch bemerkenswerth, daß Heirathen zwischen den Angehörigen der hohenlohischen Orte und solchen| von altwürttembergischen Orten ziemlich selten sind. Im Allgemeinen sind die Bewohner, gegenüber den Altwürttembergern, lebhafter, gewandter und höflicher im Umgang, aufmerksamer gegen Fremde; dagegen gehören zu den Schattenseiten einige Verschmitztheit im ganzen Wesen, sonderlich im Handel und Wandel, welche gerne die Form der hingebenden Offenherzigkeit annimmt; ferner oberflächliches, der jeweiligen Strömung folgendes Urtheil.

Der Menschenschlag ist sehr verschieden und wechselt von minder ansehnlichen, theilweise cretinenartigen Leuten bis zu schönen, kräftig gewachsenen Menschen; im Allgemeinen jedoch gehören die Bezirksbewohner zu den minder kräftigen des Königreichs.

Nach einer 24jährigen Durchschnittsberechnung von den Jahren 1834–1857[1] waren in dem Bezirk unter 100 Conscriptionspflichtigen 14,38 wegen mangelnder Körpergröße untüchtig, so daß derselbe unter den 64 Oberämtern die 54. Stelle einnimmt (die günstigsten Resultate lieferte Wangen mit 4,22, die ungünstigsten Weinsberg mit 18,83). Wegen Gebrechen waren von 100 Pflichtigen untüchtig 40,83, so daß in dieser Beziehung der Bezirk unter den 64 Oberämtern die 35. Stelle einnimmt (die günstigsten Resultate lieferte Saulgau mit 32,99, die ungünstigsten Sulz mit 49,78). Untüchtig überhaupt waren 55,21, so daß in dieser Beziehung der Bezirk unter den 64 Oberämtern die 51. Stelle einnimmt (die günstigsten Ergebnisse zeigte Saulgau mit 37,76, die ungünstigste Freudenstadt mit 63,86). Unter sämtlichen der ärztlichen Visitation und dem Messen unterworfenen Conscribirten (von 1834–1857: 4269 Mann) waren 614 wegen mangelnder Körpergröße, 1743 wegen Gebrechen, im Ganzen 2357 untüchtig.

In Beziehung auf Gesundheitsverhältnisse und Krankheitsformen theilt Oberamtsarzt Dr. Eisenmenger folgendes mit: in der Stadt Oehringen ist im Allgemeinen der Gesundheitszustand gut; die meist vorkommenden Krankheitsformen sind: Phthisis, Gicht, Hämorrhoiden, Unterleibsbeschwerden, Magenleiden, Syphilis, Krätze; unter den Kindern Rhachitis, Scropheln. Selten sind Epidemieen, rothe Flecken, Scharlach; sehr selten Nervenfieber, Schleimfieber.

Was die Sanitäts-Verhältnisse betrifft, so werden die Orte folgendermaßen prädicirt: 1. in Möglingen: guter Gesundheitszustand, 2. in Ohrnberg: Brüche und Kröpfe ziemlich häufig, 3. in Sindringen: Cretinismus, Scropheln,| Rhachitis endemisch, 4. in Ernsbach: Kröpfe, Rhachitis, Scropheln, Taubstummheit, Cretinismus, 5. Forchtenberg: Scropheln, Rhachitis, Kröpfe, Taubstummheit, Cretinismus.

Im Ohrnthal mit seinen Seitenthälern und zwar 1. in Pfedelbach: Rhachitis, Scropheln, Cretinismus endemisch, 2. Verrenberg: Rhachitis, Scropheln, Cretinismus, überhaupt ein physisch und psychisch nicht sehr kräftiger Menschenschlag, 3. in Neuenstein: Scropheln, Rhachitis, 4. in Michelbach: Brüche, 5. Ober-Steinbach: wegen der vielen Seen früher Wechselfieber.

Auf der Kupferzeller Ebene: Neigung zu entzündlichen Krankheiten.

In Langenbeutingen: häufig gastrische Fieber, die in Schleim- und Nervenfieber übergehen.

In Adolzfurth ist der Cretinismus nicht selten.

Auf den Waldenburger Bergen: Neigung zum Entzündlichen, Kropf, Rhachitis. Scropheln.

Auf dem Mainhardter Wald ist der Gesundheitszustand im Allgemeinen gut.

Nach der Aufnahme vom Jahr 1853 kamen in dem Oberamtsbezirk Oehringen auf 186 Angehörige 1 Cretine, nach der Aufnahme von 1861 aber auf 420 Angehörige 1 Cretine, und zwar in der Muschelkalkformation im Jahr 1853 in Sindringen auf 56 Einwohner 1 Cretine, in Ernsbach auf 59 Einwohner 1 Cretine; dagegen im Jahr 1861 in Sindringen auf 257 Einwohner 1 Cretine, in Ernsbach auf 75 Einwohner 1 Cretine.

In der Keuperformation kam im Jahr 1853 je 1 Cretine in Adolzfurth auf 120, in Eschelbach auf 71, in Michelbach auf 147, in Ober-Steinbach auf 182, in Pfedelbach auf 46, in Unter-Steinbach auf 41, in Waldenburg auf 123 und in Windischenbach auf 123 Einwohner.

Dagegen kam im Jahr 1861 je 1 Cretine in Adolzfurth auf 706, in Eschelbach auf 115, in Michelbach auf 270, in Ober-Steinbach auf 164, in Pfedelbach auf 355, in Unter-Steinbach auf 87, und in Windischenbach auf 153 Einwohner; in Waldenburg war keiner mehr vorhanden.

Es zeigt sich demnach in neuerer Zeit eine beträchtliche Abnahme des Cretinismus.

Geisteskranke waren im Jahr 1853 im Bezirk 10 männliche und 34 weibliche und zwar: Tobsüchtige 1 männlicher und 1| weibliche, Wahnsinnige 5 männliche und 19 weibliche, Trübsinnige 7 weibliche und Blödsinniggewordene 4 männliche und 7 weibliche.

Taubstumme waren es 1853 53 und Blinde 29; im Jahr 1861 Taubstumme 60 und Blinde 19.

Der moralische Charakter ist im Allgemeinen gut; Fleiß und Sparsamkeit sind beinahe allgemein, auch ist das Volk christlich und kirchlich ohne aber für Excentrisches auf diesem Gebiete empfänglich zu sein und jener Hang zum Mystischen und zur Absonderung, der in Alt-Württemberg den Pietismus erzeugt, wird wenig getroffen. Im Allgemeinen ist die religiöse Anschauung des Hohenlohers eine freiere und tolerantere als die des Altwürttembergers. Leben und leben lassen ist der leitende Grundsatz. Indessen darf der Kirchenbesuch, Bescheidenheit und Achtung vor dem geistlichen Amte als eine rühmliche Eigenschaft der Bezirksbewohner angeführt werden. Trotzdem ist der Aberglaube noch groß; Geisterbeschwörungen, Tagewählen, der Glaube an Hexereien und Zaubereien sind keine seltene Erscheinungen.

Die allgemeine menschliche Lust am Besitze findet man stark ausgeprägt; die Erweiterung des Hofes, die Verbesserung des Stalles und hauptsächlich die Vergrößerung der Scheune ist häufig das höchste Ziel. Wird ein Hof irgendwo erledigt, so wird Allem aufgeboten, keinen Fremden hereinzulassen.

Im Allgemeinen herrscht das Majoritätssystem, obwohl es nicht gerade der Älteste ist, der das Gut erhält, zuweilen auch der Jüngste, wenn der Vater selbst noch in rüstigem Alter sich befindet. Die Geschwister werden mit einem Kapital abgefunden und die Eltern erhalten ein Leibgeding, werden aber nicht immer mit der geziemenden Pietät behandelt. Die Vermögensunterschiede bilden feste Rangklassen, deren Schranken bei Heirathen sehr selten überschritten werden. Der sogen. Bauernstolz auf Haus, Hof, Feld und Wald tritt häufig sehr schroff hervor.

Ein Hang zum Prozessiren ist bei den Bewohnern ziemlich bemerklich; es mag dieß in dem aufgeweckteren und schlaueren Charakter derselben, aber ebenso sehr in den Verhältnissen seinen Grund haben.

Die Resultate criminalistischen Verfahrens waren in den 8 Jahren von 1853–61 folgende: im Ganzen 2847 Fälle, was also im Mittel auf das Jahr 356 ausmacht.

Die Lebensweise ist verglichen mit anderen Gegenden des Landes gut zu nennen; es wird neben Kartoffeln, Gemüsen und Mehlspeisen viel selbst geschlachtetes, gesalzenes und geräuchertes Fleisch| verzehrt. Der Aufbrauch von meist selbst erzeugtem Obstmost und Wein ist in vielen Familien ein nicht unbedeutender. Der wachsende Wohlstand hat nicht nur den Aufwand für Speise und Trank, sondern auch den Luxus in Kleidern, Hausrath etc. merklich gesteigert. Der gute und öfters billige Wein darf als die Ursache vielfacher Excesse, namentlich von Seiten der ledigen Bursche angesehen werden. Überhaupt ist die Trunkliebe eine wohl seit alten Zeiten herrschende Untugend, die jedoch, nach dem Grundsatz der Toleranz bemessen, weniger als ein moralischer Fehler, als vielmehr als ein unüberwindlicher Naturfehler angesehen wird. Auch Fleischesvergehen, die nicht selten vorkommen, werden milde beurtheilt und bald wieder vergessen. Patriarchalische Züge treten im Familienleben, wenn auch nur vereinzelnt, noch hervor, z. B. in dem Vorbeten des Morgen- und Abendsegens durch den Familienvater, in dem Segensspruch, den er über die Wöchnerin und ihr neugebornes Kind ausspricht, in der gleichen Stellung der Dienstboten mit den Kindern des Hauses, was sich schon darin kund gibt, daß Knechte und Mägde ihre Hausherren und Hausfrauen „Vetter und Base“ nennen. Auch theilt der Hausvater wie die Arbeit, so die Speise und den Trank mit den dienenden Hausgenossen. Dagegen thun die leidigen Ausdingverhältnisse, die unverhältnißmäßigen Ansprüche der Dienstboten und eine zu nachsichtige Erziehung der Kinder dieser ehrwürdigen Familienordnung vielfachen Eintrag. Auch das Verhältniß zwischen den Taufpathen und den Kindern der Familien, bei denen sie Pathenstelle übernommen haben, ist immer noch ein sehr intimes und heilig gehaltenes. Bei allen Familien-Ereignissen und Festen gilt der „Dode, Dodle“ (Taufpathe) als der erste Freund, d. h. Verwandte des Hauses; namentlich werden die aus der Taufe gehobenen Kinder von kinderlosen Taufpathen oft und gerne berücksichtigt. Die Confirmanden besuchen vor der ersten Abendmahlsfeier ihre Pathen, um „abzubitten, abzudanken“ und ein Pathengeschenk entgegen zu nehmen.

Nicht minder hat das nachbarliche Verhältniß in der Regel noch etwas von der alten Treue; auch der Reichste wird nicht leicht seinem Nachbarn den Dienst versagen, in jeder Stunde der Nacht den Arzt aus der Stadt zu holen oder eine Leiche bei Verwandten der Umgegend anzusagen. An das „tollere“, den alten Anerkennungsakt der Vaterschaft erinnert, wenn auch nur noch der vereinzelt vorkommende Brauch, daß die Hebamme das neugeborne Kind auf den Boden legt und der Vater es aufhebt.

Von Volksgebräuchen hat sich auch sonst noch manches| Eigenthümliche erhalten. Neben dem auch in anderen Gegenden üblichen Schießen bei Kindtaufen, Hochzeiten und in der Neujahrsnacht sind zur Zeit der Kirchweihe noch mehrere Volksspiele, wie das Eierlesen, Hahnenschlagen, Heraustanzen oder Herauskegeln eines Hammels üblich. Der Tanz und das Kegelspiel gehören überhaupt zu den allgemeinsten Volksbelustigungen.

In der Johannisnacht wird rings auf den Höhen das vom heidnischen Sonnenwendefest herstammende Johannisfeuer angezündet, über welches die jüngeren Kinder hinüberspringen und wozu sie das Holz mit einem alt hergebrachten Spruche einfordern.

Bei Taufen der Filialisten von Oehringen wird manchmal auf Verlangen während des Zugs in die Kirche vom Thurme musicirt und zwar weltliche Musik, Walzer, Polkas etc. etc. Die weiblichen ledigen Pathen tragen dazu die großen weißen Hauben mit Blumen, die verheiratheten schwarze. Mit dem förmlichen Verspruch der Brautleute vor Eltern und Zeugen, dem „Heirathen“ wird die eheliche Verbindung als eine gültige und legale betrachtet. Nach diesem „Heirathstag“ folgt die Hochzeit als Akt der kirchlichen Einsegnung. Die erste häusliche Handlung vollzieht die neu eintretende Hausfrau im Hause mit dem Einschneiden einer Brodsuppe und mit dem Holen einer Gölte voll Wassers. Beim Einzug in die Kirche hat die Braut mit ihren Brautjungfern „den sog. Hochzeitmägden“, bei dem Herausgehen aus der Kirche der Bräutigam mit den „Hochzeitknechten“ den Vortritt; wie denn auch der Bräutigam dadurch, daß er während der Einsegnung am Altare seine Hand oberhalb der Hand der Braut zu halten sich bemüht und dadurch zu verstehen giebt, daß er von vornherein sein männliches Vorrecht zu wahren gesonnen sei. Bei dem Eintritt in das Haus werden die Brautleute von dem Hochzeitbitter mit feierlicher Anrede begrüßt. Wenn die Braut nicht aus dem Orte ihres Bräutigams ist, so wird sie von den männlichen Ortsgenossen zu Pferd und zu Wagen mit Fahnen und Musik eingeholt „einbladet“, d. h. einbegleitet. Die Fahnen, welche die Reiter tragen, bestehen aus Stöcken mit farbigen Taschentüchern, den Geschenken der „Hochzeitmagd“ an den „Hochzeitknecht“. Der Hausrath der Braut wird auf offenem, stolz bespanntem Wagen, auf dem vorn quer die Wiege mit Bett steht, fortgeführt. Bei Hochzeiten in den wohlhabenden Orten ist der Aufwand sehr beträchtlich und es werden dabei nicht selten ungefähr 40 Simri Kernen zu Gebäcken, 1 Schwein, 1 Rind, 60–80 Pfd. Kalbfleisch und einige Eimer Wein gebraucht.

| Die Festlichkeiten im Hause der Braut dauern öfters vom Dienstag bis Donnerstag ununterbrochen fort und werden sodann im Hause des neuen Ehemanns bis zum Sonntag fortgesetzt.

Bei Todesfällen kommt es immer noch vor, daß die Bienenstöcke, Blumentöpfe, ja sogar das Vieh in dem Stalle an einen anderen Ort verstellt werden. Der Leichenzug wird von der singenden Schuljugend begleitet, kommt aber die Leiche von einem Filial in die Stadt, so hält der Zug vor dem Thor und wird dort von der Schuljugend empfangen, die einen Vers aus dem Gesangbuch absingt; während des Gesangs nehmen die Männer die Hüte ab. Bevor der Leichenzug eine andere Markung überschreitet, muß die Leiche dreimal niedergesetzt, und bevor sie wieder zum Weitertragen aufgehoben wird, muß der Sarg dreimal gelüpft werden. Nach der Beerdigung finden die Leichentrunke mit den eingeladenen Verwandten und Freunden immer noch in großem Maßstabe Statt.

Unter die in neuerer Zeit bei dem Landvolke herrschend gewordenen, jedoch weniger zuträglichen noblen Passionen gehört die Liebe zur Jagd, zu stattlichen Pferden und Fuhrwerken, zu städtischen Kleidern, Hausgeräthen etc. etc. Daher kommt es auch, daß die frühere nicht unschöne Volkstracht mehr und mehr von der modernen verdrängt wird und aus ihr ein geschmackloses Mittelding zwischen Volkstracht und städtischer Tracht geworden ist. Die Kleidung der Männer besteht aus einem dunklen, meist blauen, nach städtischem Schnitt gefertigten Überrock und tuchenen langen Beinkleidern; dagegen hat sich der dreieckige Hut mit unverhältnißmäßig großer runder, gegen oben etwas spitz zulaufender Schlappe noch erhalten, welch letztere bei Sonnenschein gegen vorn, bei Regen aber gegen hinten herabgeschlagen wird. Bei festlichen Gelegenheiten wird die Spitze nach vorn gerichtet und die Schlappen hinten hoch aufgeschlagen, so daß der Tragende den Hut förmlich balanciren muß um diese monströse Kopfbedeckung im Gleichgewicht zu erhalten. Die schwarze Hutschleife ist an einem stahlblauen, gläsernen Knopf befestigt; bei Leichenbegängnissen haben die Leidtragenden auf der rechten Seite des Huts einen schmalen schwarzen Flor herabhängen. Das weibliche Geschlecht kleidet sich bunt in städtischer Tracht, bei Festlichkeiten aber schwarz oder doch in dunklen Farben; die glatt abfallenden, wenig gefalteten Röcke sind nicht geeignet die Gestalt etwas zu heben. Silberne, zuweilen auch goldene Ohrenringe mit Ohrgehängen werden allgemein getragen. Auch von der weiblichen Tracht hat sich nur noch die Kopfbedeckung aus früherer Zeit erhalten, die man jedoch nur bei| Feierlichkeiten sieht; sie besteht in einer sehr kleidsamen Haube mit 4 Zoll hohen, strahlenförmig aufgerichteten, etwas gebogenen Rändern. Die ledigen Mädchen tragen weiße Hauben mit aufgesetzten künstlichen Blumen, die Frauen schwarze Hauben derselben Form, jedoch ohne Blumen; bei Leichenbegängnissen werden die schwarzen Hauben auch von den Mädchen getragen. Nicht minder gut kleiden die Mädchen bei nicht festlichem Aufputze die gewöhnlichen schwarzen Bandhauben, welche platt über den Kopf anliegen und von denen schwarze Seidebänder je nach Vermögen mehr oder weniger reich und breit über die Schultern bis auf die Kniee herabhängen.

Die Mundart ist im Allgemeinen die fränkische, die sich durch eine mehr singende, weichere Betonung und richtigere Aussprache der Vocale wesentlich von der schwäbischen unterscheidet (s. hier. das Königreich Württemberg. Eine Beschreibung von Land, Volk und Staat. S. 385). In dem Bezirk selbst kommen mehrere nicht unbedeutende Verschiedenheiten im Dialekt vor, so sprechen z. B. die Bewohner der Sall und der Kupferzeller Ebene „Ochschen, Wieschen, Ha
o
sch“
statt Ochsen, Wiesen, Hase. Die Endung der Mehrzahl in „ich“ ist noch sehr gebräuchlich, z. B. die Madlich, Gänslich, Entlich, Bürschlich, Mannskerlich“, statt die Mädchen, Gänse, Ente, Bursche, männliche Personen. Auch die Einschiebung von Consonanten kommt vor, z. B. „säben“ statt „säen“. Allgemein ist „Meinster“ statt „Meister;“ man findet bis in alte Zeiten geschrieben „Meinster.“ Allgemein ist ebenfalls „wir haben sich entschlossen etc.“


  1. S. Württemb. Jahrb. 1857. Heft I. S. 158 ff.
Anmerkungen Wikisource
  1. Das muss wohl Juni heißen.
« Kapitel A 2 Beschreibung des Oberamts Oehringen Kapitel A 4 »
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