« Kapitel B 5 Beschreibung des Oberamts Neuenbürg Kapitel B 7 »
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Birkenfeld,
Gemeinde II. Kl., Pfarrdorf mit Marktrecht, nebst Mahlmühle, Schwarzloch-Sägmühle und Ziegelhütte, 1191 Einw. – Evang. Pfarrei.


An dem nördlichen Saume des Schwarzwaldes liegt 5/4 Stunden nordöstlich von Neuenbürg und 11/2 Stunden südwestlich von der badischen Stadt Pforzheim der ansehnliche freundliche Ort, dessen gut unterhaltene Straßen theilweise mit Trottoir versehen sind. Das enge zusammengebaute, hinter Obstbäumen versteckte Dorf hat in einer muldenförmigen Vertiefung, am Beginn eines Seitenthälchens des nur 1/8 Stunde entfernten Enzthales eine angenehme, hohe Lage, die eine weite Aussicht in das Enzthal und an den Stromberg zuläßt. Von den durchgängig mit Ziegeln gedeckten, aus Holz und Stein erbauten Gebäuden nennen wir:

Die Pfarrkirche, die im Jahr 1828 auf Kosten der Gemeinde mit einem Aufwand von 28.000 fl. im modernen Rundbogenstyl, an der Stelle der früheren, 337 Jahre alten Kirche neu erbaut wurde; der ebenfalls neue, ziemlich hohe mit Zeltdach versehene Thurm steht an der Nordseite und enthält 2 Glocken, von denen die größere 1755, die kleinere 1702 gegossen wurde. Das geräumige, weißgetünchte Innere der flachschließenden, chorlosen Kirche enthält außer einem alten, in neuerer Zeit wieder hergestellten Bild des Gekreuzigten und einem germanischen, hohlen Taufstein nichts Bemerkenswerthes. Um die Kirche liegt der auf 3 Seiten ummauerte, im Jahr 1828 namhaft vergrößerte Begräbnißplatz, welcher, wie auch die Kirche, von der Stiftungspflege mit Unterstützung der Gemeindepflege unterhalten werden muß.

Das zunächst der Kirche stehende Pfarrhaus, welches Eigenthum der Gemeinde ist, wurde im Jahr 1822 mit einem Aufwand von 2200 fl. beinahe ganz neu erbaut und befindet sich in gutem baulichen Zustande.

Das von drei Seiten frei, nahe der Kirche gelegene Schulhaus enthält 2 Lehrzimmer und ein Zimmer für den Lehrgehilfen, während der Schulmeister ein besonderes, der Gemeinde gehöriges Haus bewohnt. Das Rathhaus ist zwar alt, aber in neuester Zeit gründlich wieder hergestellt worden. Öffentliche Gebäude sind ferner: ein Waschhaus, ein Armenhaus und 2 neuerdings von der früheren Zehntherrschaft (Baden) erkaufte Keltern, eine mit 2, die andere mit 3 Bäumen.

Der Ort erhält sein Wasser aus 4 laufenden und 2 Schöpfbrunnen, die übrigens in trockenen Jahrgängen wo nicht ganz versiegen, | doch so spärlich fließen, daß zuweilen das Wasser aus der Enz geholt werden muß. Der Ablauf dieser Brunnen bildet den Bachrausch, welcher sich nach 1/4stündigem Lauf mit der Enz verbindet. Ein Feuersee besteht im Ort.

Die natürlichen Verhältnisse gehören zu den günstigeren des Bezirks, indem die ziemlich große, jedoch beinahe zur Hälfte mit Wald bestockte Markung, im Allgemeinen einen fruchtbaren, theils sandigen, theils Lehm, Kieselerde und Kalk-haltigen Boden hat, dem entweder der bunte Sandstein, oder die dolomitischen Wellenkalke und Mergel, wie die Anhydritgruppe zur Unterlage dienen. Zuweilen treten diese Unterlagen, namentlich die dolomitischen Wellenkalke der Oberfläche sehr nahe und liefern minder ergiebige Bodenverhältnisse. Die Luft ist wegen der hohen Lage rein, jedoch etwas scharf, dessen ungeachtet begünstigt das Klima das Gedeihen der feineren Gewächse und nicht nur die Obstkultur, sondern auch der Weinbau haben hier eine passende Stelle gefunden. Frühlingsfröste sind häufig, dagegen gehört Hagelschlag zu den Seltenheiten.

Die Einwohner sind kräftige, gesunde, in ihrer Lebensweise äußerst einfache Leute, die sich durch großen Fleiß auszeichnen, welcher in der Gegend sogar sprichwörtlich geworden ist. Der begütertste Bürger besitzt 24 Morgen, der sogenannte Mittelmann 8–10 Morgen und die Geringeren haben immer noch einen Besitz von 1/2–3 Morgen. Die Haupterwerbsmittel bestehen in Feldbau, etwas Weinbau und Viehzucht; viele Unbemittelte finden in den Fabriken zu Pforzheim Arbeit und Verdienst, In Birkenfeld ist geboren M. Martin Kügelin, welcher 1520 Rektor der Universität Tübingen war. Sein Bildniß hängt auf dem Rathhaus.

Die Landwirthschaft wird im Allgemeinen gut betrieben und die meist eben gelegenen Felder werden durch gewöhnlichen Dünger, die Jauche und den Gyps zu verbessern gesucht. Zweckmäßige Düngerstätten finden immer mehr Eingang, dagegen will der deutsche Wendepflug neuen verbesserten Pflügen nicht weichen. Im System der Dreifelderwirthschaft mit zu 2/3 angeblümter Brache baut man die gewöhnlichen Cerealien, darunter vorzugsweise Dinkel und Hafer; in der Brache kommen sehr viele Kartoffeln, dreiblättriger Klee, Luzerne, Esper, Angersen etc. zum Anbau. Bei einer Aussaat von 7 Sri Dinkel, 4 Sri. Hafer, 31/2 Sri. Gerste und ebenso viel Roggen, wird ein durchschnittlicher Ertrag von 6 Scheffel Dinkel, 4 Scheffel Hafer, 31/2 Scheffel Gerste und 21/2 Scheffel Roggen pr. Morgen erzielt. Die durchgängig zweimähdigen Wiesen, welche theilweise bewässert werden können, sind gut und ertragen per Morgen 25 bis | 30 Cent. Heu und 12–15 Cent. Öhmd; Futter wird nur wenig nach Außen verkauft.

Der Weinbau ist nicht sehr ausgedehnt und überdieß liegen die meisten den Einwohnern gehörigen Weinberge auf badischem Gebiet; die Reben, von denen auf den Morgen etwa 4000 Stöcke kommen, werden nicht bezogen. Man baut vorzugsweise Silvaner, Elblinge, Rißling, Traminer und Klevner; besonders gut gedeiht der Wein an dem sogenannten Kömpfberg. Der höchste Ertrag eines Morgens belauft sich auf 10 Eimer und die Preise eines Eimers waren in den Jahren 1846 50–60 fl., 1847 35–38 fl., 1848 20–25 fl., 1849 20–22 fl., 1850 30–34 fl., 1851 wurde kein Wein verkauft, 1852 30–38 fl., 1853 16–18 fl., 1854 18–20 fl. 1855 52–60 fl. 1858 22–44 fl. und 1859 44–64 fl. Der Absatz des Weins geht nach Pforzheim, Calw, Wildbad und Neuenbürg.

Die Güterpreise bewegen sich bei den Äckern von 60–425 fl., bei den Wiesen von 120–480 fl. und bei den Weinbergen von 160–450 fl. pr. Morgen. Die Obstzucht, welche sich nicht nur mit vielen Kernobstsorten namentlich auch Tafelobst, sondern auch mit Zwetschgen und Kirschen beschäftigt, wird in großer Ausdehnung und mit vielem Fleiß betrieben. Das Obst geräth gerne und wird theils zum Mosten und Dörren verwendet, theils in namhafter Ausdehnung nach Außen, besonders nach Pforzheim, wohin überhaupt der Verkehr des Orts geht, verkauft.

Die Schafweide wird mit fremden Schafen gegen einen Pachtschilling von 280 fl. beschlagen. Die sehr gute Rindviehzucht, bei der man hauptsächlich auf einen rothen Landschlag Rücksicht nimmt, bildet eine Haupterwerbsquelle und wird durch drei tüchtige Farren, die ein Bürger von der Gemeinde gegen 90 fl. jährlich und Nutznießung von 6 Morgen Gütern im Pacht hat, unterhalten. Ein nicht unbedeutender Viehhandel in die benachbarten Städte findet statt. Die Stallfütterung ist eingeführt.

Die ausgedehnte Schweinezucht erlaubt eine bedeutende Ausfuhr an Ferkeln und gemästeten Schweinen. Die Schweine werden auf die Weide getrieben.

Die Zucht des Geflügels, wie der Bienen ist von keinem Belang.

Die Gewerbe dienen mit Ausnahme der unten angeführten Mühlen etc. nur den nöthigsten örtlichen Bedürfnissen.

Was die Verkehrsmittel betrifft, so führt die Staatsstraße von Pforzheim nach Neuenbürg in unbedeutender Entfernung westlich am Ort vorüber, überdieß sind Vicinalstraßen nach Engelsbrand, Gräfenhausen | und nach dem badischen Ort Dietlingen angelegt; eine hölzerne Brücke und ein Steeg führen über die Enz.

Auf der Markung befinden sich reichhaltige Sandsteinbrüche im bunten Sandstein, aus denen Platten, Brunnentröge etc. gewonnen und in der Umgegend, sogar bis Carlsruhe abgesetzt werden. Eine Lehm- und einige Mergelgruben sind vorhanden.

Der Ort hat das Recht, alljährlich einen Viehmarkt und zwei Vieh- und Krämermärkte abzuhalten.

Die Gemeinde hatte früher ein Kapitalvermögen von 12.000 fl., das übrigens durch die Erbauung der Kirche, des Pfarrhauses, wie durch die Ablösung des Weinzehntens auf badischem Gebiet etc. bedeutend vermindert wurde (s. hierüber, wie über das Vermögen der Stiftungspflege Tabelle III.). Auch ist die Gemeinde im Besitz von 1150 Morgen Waldungen, die etwa 300 Klafter jährlich abwerfen; hievon erhält jeder Bürger 1 Klafter und 25 Stück Wellen, das Übrige wird verkauft und sichert der Gemeindekasse eine jährliche Einnahme von etwa 500 fl.

Zunächst am Ort stand eine römische Niederlassung, von der man noch unter der Oberfläche ausgedehnte Grundmauern, römische Gefässe und Ziegelfragmente etc. findet. Etwa 1/4 Stunde nördlich dieser Stelle zieht eine Römerstraße unter der Benennung „alter Pforzheimer Weg“ vorüber (s. den allg. Theil).

Zugehörungen der Gemeinde sind: die 1/4 Stunde östlich vom Ort an der Enz gelegene Mühle mit 3 Mahlgängen, einem Gerbgang und einer gewölbten Wasserstube, welche im Winter geheizt werden kann.

Die Schwarzloch-Sägmühle, welche 3/4 Stunden südwestlich vom Ort an der Enz liegt und Eigenthum der Gebrüder Lutz von Neuenbürg ist; auf ihr werden jährlich gegen 30.000 Bretter geschnitten, die man meist nach Holland absetzt. Zunächst derselben wurde in neuester Zeit eine Sensenfabrik erbaut (s. den allg. Theil).

Die 1/8 Stunde nördlich von Birkenfeld gelegene Ziegelhütte, bestehend aus der Brennhütte und 3 Häusern, unter letzteren das Gasthaus zur Sonne. Bei derselben liegt eine im Jahr 1826 errichtete Baumschule.

Birkenfeld erscheint bei seinem erstmaligen Vorkommen im Jahr 1322 wenigstens theilweise in markgräflich badischem Besitz. Am 21. Mai d. J. ging die Hälfte von Markgraf Rudolf von Baden-Pforzheim als nicht eingelöstes Pfand für 100 Pfd. Heller an Württemberg über, welches wohl um diese Zeit den Ort vollends an sich brachte. Am 2. Januar 1332 nennt Graf Ulrich von Württemberg villa nostra Birkivelt (Kausler 153).

| Zehnten und andere Gefälle besaßen die Klöster Herrenalb (1302 Mone, Zeitschr. 5, 218. 331) und Frauenalb. Die geistliche Verwaltung in Pforzheim hatte Güter und Zinse, welche Herzog Christoph durch den Tauschvertrag mit Baden vom J. 1565 erwarb (Sattler, Herz. 4, 216). Im Staatsvertrag vom 16. April 1807 aber vertauschte Württemberg an Baden die Steuer und andere Gefälle von den auf Dietlinger Markung gelegenen Birkenfelder Gütern gegen andere Einkünfte.

Birkenfeld war Filial von Brözingen. Den 21. Febr. 1395 verkündigte der Pfarrer von Brözingen, er habe der Gemeinde Brözingen auf ihre inständigen Bitten erlaubt, von ihrem und des Heiligen Gut in Birkenfeld eine Messe aufzurichten, ungeachtet ihm die Frühmesse in der Capelle daselbst bisher zuständig gewesen (Kausler 160). Im Jahr 1490 aber stifteten Johann von Haslach und seine Gattin Margarethe, verbürgert zu Nürnberg, die Pfarrei in B.; sie behielten ihrer Familie das Präsentationsrecht vor und diese ernannte 1520 den M. Johann Frank zum Pfarrer (Crusius Paralip. 39). Später kam der Pfarrsatz an Württemberg, wie er auch heut zu Tage der Krone zusteht.

In Folge der Drangsale des 30jährigen Kriegs war Birkenfeld von 1633–57 Filial von Gräfenhausen.

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