« Kapitel A 2 Beschreibung des Oberamts Neuenbürg Kapitel A 4 »
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III. Einwohner.


1. Bevölkerung.
A. Stand derselben.

a) Die Zahl der Orts-Angehörigen des Bezirks betrug in den Jahren:

1812
Nov.
1.   19.218
1822 20.809
1832 24.098
1842 Decbr. 15. 24.213
1846 Decbr. 3. 25.068
1852 23.343
1858 24.999
| Die ortsanwesende Bevölkerung belief sich im Jahr 1858, Decbr. 3. auf 22.896 Köpfe, wobei 117 ortsanwesende Fremde, nämlich 63 männliche und 54 weibliche gezählt wurden.

Der Überschuß der weiblichen über die männliche Bevölkerung war im Jahr

1846   074 Personen.
1852 721
1858 451

Nach dem neuesten Stande trafen auf 1000 männliche Angehörige 1037 weibliche, während im Durchschnitt des Landes auf 1000 männliche 1046 weibliche kommen.

b) Nach Altersklassen vertheilen sich die Ortsangehörigen und Ortsanwesenden des Bezirks im Jahr 1858 wie folgt:

              Auf 10.000 treffen
  Ortsangehörige
  männl. weibl. männl. weibl.
unter 1 Jahr 00.369 00.361 00.301 00.284
von 01 bis 06 Jahren 01.449 01.491 01.181 01.172
07 13 01.930 02.069 01.572 01.626
14 24 02.819 03.006 02.297 02.362
25 39 02.737 02.869 02.230 02.254
40 59 02.260 02.286 01.841 01.796
60 79 00.688 00.627 00.560 00.493
80 und drüber. 000.22 000.16 000.18 000.13
  12.274 12.725 10.000 10.000
 
  –: 24.999
 
  Auf 10.000 treffen
  Ortsanwesende
  männl. weibl. männl. weibl.
unter 1 Jahr 00.392 00.421 00.356 00.354
von 01 bis 06 Jahren 01.349 01.386 01.226 01.165
07 13 01.908 02.054 01.734 01.727
14 24 02.390 02.696 02.172 02.267
25 39 02.206 02.479 02.005 02.085
40 59 02.080 02.198 01.890 01.848
60 79 00.654 00.645 00.595 00.542
80 und drüber. 000.24 000.14 000.22 000.12
  11.003 11.893 10.000 10.000
 
  –: 22.896
| c) Familienstand. Es lebten im Bezirk:
1858. Dec. 3.
Ortsangehörige. Ortsanwesende.
Verehelichte Personen
07.359 07.106
Wittwer
00.499 00.466
Wittwen
00.864 00.888
Geschiedene
000.36 000.25
Unverehelichte und Kinder 
16.241 14.411
24.999 22.896

Die Zahl der Familien belief sich auf 5004 und die der Ehen auf 3680.

Auf eine Familie kommen demnach 4,6 Angehörige und auf ein Ehepaar 6,8 Köpfe.

d) Kirchliches Verhältniß:

     Christen zählte der Bezirk:
Ortsangehörige. Ortsanwesende.
evangelische
24.743 22.604
katholische
00.124 00.165
andere christliche Partheien
00.132 00.126
     Juden
00.00 0000.1
24.999 22.896

e) Gewerbe- und Nahrungs-Verhältniß:

Dieses wurde nur in den ältern Listen berücksichtigt, letztmals im Jahr 1822, und man zählte damals:

in Königl. Militärdiensten
245
in Königl. Civildiensten
160
in gutsherrlichen Diensten
1
in Commundiensten
348
Ohne bürgerliche Gewerbe, vom eigenen Vermögen lebend
22
Handelsleute, Professionisten, Wirthe und Handwerker
1498
Bauern
1153
Taglöhner
917
im Almosen stehend
121
4465

f) Relativer Bevölkerungsstand.

Auf 1 geographischen Quadratmeile lebten am 3. Dec. 1858 4349 Angehörige und 3983 Ortsanwesende. Im Durchschnitt des Landes war die relative Bevölkerung zu gleicher Zeit 5018 und 4773. Unser Bezirk gehört daher zu den dünner bevölkerten; er steht in Beziehung auf die Ortsangehörigen um 669 = 13 % und bei den Ortsanwesenden um 790 = 16 % unter dem Landesdurchschnitt | und nimmt in dieser Hinsicht, in der wachsenden Reihe der Oberämter, die 16. Stelle ein.

Auf 1 Einwohner kommen 4,02 Morgen Fläche.


B. Bewegung der Bevölkerung.

Nach Durchschnitten für die Dezennien von 1812/22 und 1842/52 betragen die jährlichen

1) Geburten, und zwar:

1812/22 1842/52.
die männlichen 472 0.525
  „  weiblichen 433 0.512
905 1037
m. w. m. w.
darunter sind unehliche 69 58 65 60

2) Die Sterbefälle, und zwar:

1812/22. 1822/32. 1832/42. 1846/56.
männliche 
309 350 460 410
weibliche
281 325 455 383
zusammen     
590 675 915 793

3) Wanderungen:

          Eingewandert sind: von 1812/22. von 1846/56.
m. w. m. w.
aus fremden Staaten 03 07 002 006
 „    inländischen Orten 58 66 106 136
61 73 108 142
zusammen
134 250
          Ausgewandert sind
nach fremden Staaten 02 08 096 091
nch inländischen Orten 57 71 105 131
59 79 201 222
zusammen
138 423
          Es sind somit von 1812/22. von 1846/56.
mehr eingewandert 02 0 00 00
mhr ausgewandert 0 06 093 080
C. Wachsthum der ortsangehörigen Bevölkerung und Verhältnisse im Gange derselben.

Die Zunahme der Bevölkerung überhaupt betrug in der Periode von:

männl. weibl.
1812/22 741 1083   zusammen 1824 (8,7 %)
1822/32   1501 1556
3057 (13,4 %)
1832/42 261 146
weniger
115 (0,5 %)
1842/59 171 615 zusammen 786 (3,1 %)
| Der natürliche Zuwachs, oder der Überschuß der Geborenen über die Gestorbenen betrug:
1812/22  2014 – 31,8 %
1822/32 3413 – 50,6
1832/42 2941 – 32,2
1842/52 2945 – 39,7

In dem Zeitabschnitt von 1842/52 kommen 1 Geborenes auf 24,2 Einwohner. Auf 100 weibl. Geb. kommen 102,6 männl. Geb. Unter 100 Geb. sind 88 ehlich und 12 unehlich geboren. Auf 1 unehlich Geborenes kommen 200,8 Einwohner und 8,3 Geborene überhaupt.

Auf 1 Gestorbenes kommen 33,8 Einwohner. Unter 100 Gestorbenen sind 51,7 männlich und 48,3 weiblich. Auf 100 Gestorbene kommen 139,7 Geborene.

In dem Zeitraum von 1847/56 sind gestorben:

  männliche. weibliche.
1847 394 334
1848 417 396
1849 394 352
1850 367 346
1851 377 342
1852 415 409
1853 321 280
1854 362 377
1855 316 324
1856 381 376

Die Zahl der Trauungen oder neugeschlossenen Ehen betrug vom Jahr 1838/57 laut der beigefügten Tabelle 2971, also durchschnittlich 148,5 oder jährlich auf 170,4 Einwohner eine Trauung.

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  1. 2. 3. 4. 5.
Jahr-
gang.
Zahl
der
getrau-
ten
Paare.
Zahl der Trauungen,
bei welchen der
Bräutigam alt war
Zahl der Trauungen,
bei welchen
die Braut alt war
Zahl der Trauungen Zahl der
gemischten
Ehen.
von Jung-
gesellen
von
Wittwern
von geschied.
Männern
weniger als
volle 25 J.
25 bis mit
30 Jahre.
30 bis mit
40 Jahre.
40 bis mit
50 Jahre.
über 50
Jahre.
weniger als
volle 20 J.
20 bis mit
25 Jahre.
25 bis mit
30 Jahre.
30 bis mit
40 Jahre.
über 40
Jahre.
mit
Jung-
frauen.
mit
Witt-
wen.
mit
geschied.
Frauen.
mit
Jung-
frauen.
mit
Witt-
wen.
mit
geschied.
Frauen.
mit
Jung-
frauen.
mit
Witt-
wen.
mit
geschied.
Frauen.
Bräutigam
evangelisch.
Bräutigam
katholisch.
1838
166 27 85 35 12 7 19 70 43 24 10 122 10 1 25 7 1 1
1839
154 27 79 31 13 4 24 73 37 16 4 120 6 24 2 2 1
1840
183 27 95 40 13 8 21 78 48 28 8 138 6 1 33 3 2 2 1
1841
168 21 85 40 17 5 14 83 41 22 8 122 7 30 4 1 2 1 1 3
1842
186 24 98 46 17 1 19 82 52 29 4 145 8 29 2 2 1 2
1843
142 22 75 24 13 8 16 64 37 18 7 113 4 20 5 1 1
1844
186 21 104 39 12 10 19 94 32 36 5 147 4 1 27 5 1 1 3 1
1845
153 21 92 23 11 6 13 75 30 28 7 120 8 19 5 1
1846
128 20 75 18 14 1 13 53 36 20 6 107 4 15 1 1 1
1847
139 19 89 22 7 2 15 73 26 23 2 108 3 1 26 1 1
1848
142 14 87 23 12 6 19 49 47 18 9 107 4 2 25 4
1849
147 12 97 26 10 2 10 62 51 21 3 118 10 1 15 1 1 1 1
1850
166 18 89 38 13 8 11 67 45 30 13 122 4 2 31 6 1
1851
127 16 68 30 10 3 12 50 42 20 3 106 3 1 15 2 3 1
1852
107 9 63 21 13 1 8 52 30 11 6 79 5 17 6 2 1
1853
126 7 81 27 6 5 7 65 39 9 6 107 3 1 11 3 1 1 1
1854
108 4 68 26 4 6 13 42 32 14 7 81 11 11 3 1 1 1 1
1855
98 11 51 25 6 5 9 34 36 16 3 77 4 1 13 2 1 3 2
1856
152 13 88 40 7 4 11 64 51 22 4 130 4 17 1 1
1857
193 17 111 44 17 4 18 70 57 41 7 154 11 22 6 1
Summe :- 2971 350 1680 618 227 96 291 1300 812 446 122 2323 119 12 425 69 5 15 2 1 24 14
2971 2971 2971 38
| Nach den letzten Volkszählungen vom 3. Dez. 1858 und 1859 ergaben sich für die einzelnen Gemeinden des Bezirks folgende Verhältnisse:

Die meisten Geburten hatten jährlich Beinberg, auf 1000 Einwohner 102,4, Unterniebelsbach 62,8, Bieselsberg 62,0, Enzklösterle 57,5, Feldrennach 56,6.

Die wenigsten Geburten zählten Oberniebelsbach, auf 1000 Einwohner 25,6, Maisenbach 32,2, Langenbrand 33,6, Dobel 35,5 und Neuenbürg 37,0.

Die Ziffer der unehlichen Geburten war am größten in Beinberg, unter 1000 Einwohnern 23,6, Schwarzenberg 19,3, Engelsbrand 17,3, Bieselsberg 15,5, Enzklösterle 14.4.

Die wenigsten unehlichen Geburten hatten Oberniebelsbach, unter 1000 Einwohnern 0, desgleichen Höfen und Dennach; Arnbach 2,2, Neuenbürg 4,4.

Die größte Sterblichkeit herrschte zu Beinberg, wo unter 1000 Einwohnern 66,9, Unterniebelsbach 62,8, Bieselsberg 54,3, Ottenhausen 46,3 und Rothensohl 45,2 starben.

Am wenigsten Sterbefälle kamen vor in Salmbach, unter 1000 Einwohnern 16,0, Höfen 18,4, Waldrennach 21,2, Dobel 22,5 und Igelsloch 24,4.

Die meisten alten Leute, die das 80. Lebensjahr zurückgelegt hatten, fanden sich bei der Zählung vom Jahr 1858 zu Engelsbrand 4,6 unter 1000 Einwohnern, Neuenbürg 3,8, Bernbach 3,1, Ottenhausen 2,4, Wildbad 1,7; am geringsten war die Zahl derselben in Beinberg 0, Bieselsberg 0, Conweiler 0, Dennach 0, Enzklösterle und Feldrennach ebenfalls = 0.


2. Stamm und Eigenschaften der Einwohner.
Von den Einwohnern, welche im Allgemeinen dem schwäbischen Volksstamm angehören, zeigen die auf der linken Seite der Enz eine Verwandtschaft mit den angränzenden Pfälzern, indem sie nicht nur beweglicher, gewandter als die eigentlichen Schwaben sich benehmen, sondern auch ihre Mundart und Betonung sich auffallend dem pfälzer Dialekt nähert. Als charakteristisches Merkmal hievon mag die Assimilation des d und t nach vorausgehendem n gelten, z. B. Kinn statt Kind, Rinne statt Rinde, Mag statt Magd u. s. w.; auch das d nach l, m und n ist nicht mehr hörbar, z. B. Wäller statt Wälder, Hemmer statt Hemder, Hann statt Hand etc., das ch vor dem s wird durchaus verschlungen, z. B. waasen statt wachsen, Flaas statt Flachs etc. Der Pathe, der ein Kind aus der Taufe hebt, wird | „Göttle“ genannt. Der Menschenschlag ist nicht besonders groß, jedoch wohlgebildet, kräftig und ausdauernd. In Bernbach, wo sich das weibliche Geschlecht durch körperliche Schönheit auszeichnet, wie auch in Loffenau sollen nach dem dreißigjährigen Kriege Schweden sich niedergelassen haben. Im Allgemeinen verblüht das weibliche Geschlecht auffallend bald und die Gesichtsfarbe der Weiber ist meist gelblicht und blaß. Die mittlere Größe der Conscriptionspflichtigen im Bezirk beträgt nach einer fünfjährigen Durchschnittsberechnung (württ. Jahrb. 1833, S. 384 ff.) 5′ 7,92″, was dem Oberamt Wangen, wo durchschnittlich die größten Männer vorkommen, um 0,97″ nachsteht und das Oberamt Maulbronn, welches in dieser Beziehung die ungünstigsten Resultate lieferte, um 0,15″ übertrifft.

Unter 1000 Conscriptionspflichtigen hatten 192 die Größe von 6 Schuhen und darüber, nur 12 Oberamtsbezirke haben weniger. Untüchtig wegen Gebrechlichkeit erscheinen nach der durchschnittlichen Berechnung unter 1000 Pflichtigen 395, was gegen das Minimum 250 (Oberamt Mergentheim) und das Maximum 535 (Oberamt Canstatt) ein ziemlich günstiges Resultat liefert. Unter 1000 Pflichtigen waren wegen allgemeiner Körperschwäche und Kränklichkeit untüchtig 79 (das Maximum Ulm mit 157, das Minimum Saulgau mit 26).

Die Gesundheitsverhältnisse des Bezirks dürfen im Allgemeinen als sehr günstig bezeichnet werden, wie dieß die Seltenheit von Epidemieen und das hohe Alter mancher Personen beweist. Ein hohes Alter über 80, sogar 90 Jahren gehört nicht zu den Seltenheiten (in den letzten 5 Jahren starben 2 88jährige und 2 91jährige). Im Jahr 1860 starb in Herrenalb ein Mann, der ein Alter von 101 Jahren erreichte. Entzündungskrankheiten sind die häufigsten; es gibt viele Brustentzündungen mit Seitenstich, entzündliche Rheumatismen mit Geschwulst in den Gelenken, rothlaufartige Entzündungen, auch Koliken etc., Bauchentzündungen kommen öfters bei Flößern und Holzmachern vor. Eine auffallende Erscheinung sind die häufigen Krankheiten des Herzens und der nahe liegenden großen Gefäße, überhaupt Puls- und Blutaderngeschwülste. Die Ursachen dieser Krankheiten sind wahrscheinlich in dem zu schnellen Abkühlen nach harter Arbeit Abends beim Heimgehen, im schnellen Trinken des in den Gebirgen immer sehr kalten Wassers, vorzüglich aber im Ersteigen hoher Berge mit schwer beladenem Rücken oder Kopfe zu suchen. Unter den Kindern räumt der Croup stark auf. Erwachsene, besonders die Frauen in den Übergangsjahren leiden häufig an Friesel. Unter diesen im Allgemeinen günstigen Verhältnissen, sowie durch | eine bedeutende Fruchtbarkeit, welche sich besonders in den armen Gemeinden (Bernbach, Dobel, Herrenalb) stark äußert, ist der jährliche Überschuß der Geburten über die Sterbfälle bedeutend, es verhielten sich in den letzten 5 Jahren die letzteren zu den ersteren = 3677 : 5162 oder = 100 : 132.

Der Volkscharakter ist im Allgemeinen gut und spricht sich durch Rechtlichkeit, Fleiß, Sparsamkeit und Sinn für Religion vortheilhaft aus; obgleich nicht verschwiegen werden darf, daß die alte Biederkeit durch den lebhaften Handel mit Holz und anderen Erzeugnissen, überhaupt durch den Verkehr mit dem Auslande einer gewissen Abgeschliffenheit, die zuweilen in Verschlagenheit ausartet, theilweise Platz gemacht hat. Auch zunehmende Armuth hat allmälig auf die Sittlichkeit einen ungünstigen Einfluß geäußert.

Die Nahrung der Einwohner besteht hauptsächlich in Kartoffeln, Sauerkraut, Blätterkohl, Haferbrei, Schweinefleisch; namentlich gilt ein Stück geräucherten Specks mit Roggenbrod für ein treffliches Mahl. Von Getränken wird Wein, mehr aber Branntwein, Heidelbeergeist (Hobeerschnaps) genossen.

Eigenthümliche Sitten und allgemeinere Volksbelustigungen werden allmälig seltener, auch der früher häufig übliche Tanz beschränkt sich in neuerer Zeit auf Kirchweihen, Hochzeiten und Märkte. Die Hochzeiten werden in den meisten Orten noch auf eine solenne Weise abgehalten; sie sind sogenannte Zechhochzeiten und dauern zuweilen 2–3 Tage. Ein Hochzeitlader ladet die Gäste in der ganzen Umgegend zur Hochzeitfeier, an der sie zahlreich, ihre Gaben mitbringend, erscheinen. Am Tage der Hochzeit ziehen die Hochzeitgäste mit dem Brautpaar an der Spitze und voran die Musik in die Kirche, in welche die Brautleute von dem Schulmeister geführt werden. Nach der Copulation geht der Zug wieder mit Musikbegleitung in das betreffende Wirthshaus, wo entweder in demselben oder vor dem Hause der Schulmeister eine Rede hält, wofür er ein Nasetuch bekommt. In Filialorten, wie z. B. in Waldrennach begleitet die Musik den zur Kirche gehenden Brautzug bis vor den Ort hinaus und holt ihn dort wieder ab; in Waldrennach und einigen andern Waldorten wird am Morgen der Hochzeit die ledige Jugend mit Musik abgeholt und versammelt sich alsdann im Hause der Braut zu der sogenannten Morgensuppe, wo gebackene Küchlein etc. gereicht werden. Bei der Eröffnung des Hochzeitstanzes erhält derjenige ledige Bursche, welcher den ersten Tanz mit der Braut macht, ein Tüchlein. Während des Zugs nach und aus der Kirche, und bei Hochzeiten und Taufen wird häufig noch geschossen. In Feldrennach besteht noch die | Sitte, daß am Erscheinungsfest (Obersten) jeder Familienvater mit Weib und Kindern in das Wirthshaus geht. Die Kirchweihen werden immer noch in ungebundener Lustbarkeit gefeiert; z. B. in Enzklösterle wird der Kirchweihtanz 3–4 Wochen vor dem Kirchweihsonntag verdingt, d. h. die ledigen Bursche fragen zuerst bei einem Wirth an, ob er Kirchweih halten wolle; sagt er zu, so wird bei ihm die Stelle eines Kirchweihbuben (Kirbebua) versteigert, d. h. es wird von den ledigen Burschen nach einander 1/2–1 Maas Wein getrunken, wobei jeder den andern zu überbieten sucht und derjenige, welcher den letzten Einsatz macht, wird Kirchweihbube (Festordner). Er ist ausgezeichnet durch reiche Verzierung seiner Mütze. Die Zeche kann 15–20 fl. betragen. Am Kirchweihsonntag backt jede, auch die ärmste Hausfrau Kuchen. Die Festlichkeit beginnt mit einem reichen Frühstück am Sonntag Morgen, meist Kaffee, und dann Fleischgenuß zu Mittag. Kinder und Gesinde erhalten auf die Kirchweihe ohne Ausnahme neue Kleider und wenn es auch nur ein einzelnes Kleidungsstück wäre. Im Wirthshaus beginnt am Sonntag Nachmittags die Musik, der öffentliche Tanz aber Montags in der Frühe. Der Kirchweihbube hat die Musikanten, die der Wirth zechfrei halten muß, zu zahlen. Am Montag wird ununterbrochen bis in die späte Nacht hinein getanzt und wenige Mädchen sind, die sich nicht schämen würden, vom Tanz wegzubleiben. Zur Bestreitung der ganzen Kirchweihfeierlichkeit veranstaltet der Kirchweihbube mit seinen Kameraden eine Lotterie mit etwa 100 Losen à 6 kr., wobei ein Ring, Tabackspfeife etc. herausgespielt und Jedermann in Contribution gesetzt wird. Überdieß zahlen die Tänzerinnen eine Beisteuer von 12–30 kr. Gewöhnlich wird auch noch ein Hammel erkauft und herausgekegelt. Früher fielen von den Reichen namhafte Beiträge, so daß der Kirchweihbube öfters noch einen Überschuß von 10 fl. und mehr hatte. Gegenwärtig reichen die freiwilligen Beiträge kaum zu, um die Kosten zu bestreiten.

Bei Leichenbegängnissen werden von der Schuljugend vor dem Hause des Verstorbenen und während der Zug sich zum Gottesacker bewegt, wie während der Einsenkung des Sargs, geistliche Lieder unter Anführung des Schulmeisters gesungen; Leichentrunk und Leichenmahl werden allmälig seltener. Der Schulmeister hält nicht selten, namentlich verstorbenen Kindern die Leichenrede.

Die ländliche Kleidertracht weicht, namentlich in den Städten und in den der badischen Gränze nahe gelegenen Orten, in den verschiedensten Übergängen allmälig der städtischen Mode; übrigens trifft man immer noch in den eigentlichen Waldorten die solidere Tracht der Väter, indem man hier bei den Männern den breitkrämpigen | Schlapphut, den blauen Tuchrock und Lederhosen, mehr aber leinene schwarze oder grautuchene Hosen trifft. Bei dem Holzhauer ist Werktags das Wamms (Kittel) und Beinkleider von grober Leinwand im Gebrauch. Gegen Schnee und Kälte schützen den Arbeiter die weißwollenen Kamaschen (Straffstrümpfe). Die Kleidung der weiblichen Personen hat nichts Auffallendes und ist meist von dunkler Farbe (schwarzer oder blauer Wilfling); das anständige deutsche Häubchen und im Sommer der Strohhut bildet häufig die Kopfbedeckung.
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