« Kapitel B 6 Beschreibung des Oberamts Neckarsulm Kapitel B 8 »
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7. Bürg,


Pfarrdorf, Gemeinde III. Kl., mit Hösselinshof, 279 Einw., worunter 11 Kath., Filialisten von Kocherthürn, und 4 eigener Konfession.

Der Ort mit seinem alterthümlichen Schlosse liegt, von der Neuenstadt-Kochersteinsfelder Straße aus gesehen, malerisch droben an der zur Rechten des Kochers ziemlich steil aus dem Thal aufsteigenden Höhe, an die er hingebaut ist. Er selber ist klein und unansehnlich, die Ortsstraßen, mit Ausnahme der gekandelten und chaussirten Hauptstraße, sind eng und winkelig, ohne Kandel, und werden bei Regengüssen stark ausgewaschen, da sie zum Theil sehr steil sind.

Ziemlich in der Mitte des Orts steht die kleine, ein unregelmäßiges Achteck bildende Kirche, erbaut in der Mitte des 17. Jahrhunderts mit folgenden Grabdenkmälern:

1. An der westlichen Wand 2 gemalte im Barokstil ausgeführte Doppelgrabsteine: Gemmingen-Waldbrunn. a) Der Reichsfreye Hochwohlgeb. Freyherr, Herr Kasimir von Gemmingen auf Bürg, Hochfürstl. Durchlaucht. Kammerjunker, Hofrath und Ritter des Ordens de la Fidelite, ein mit 13 Kindern und 2 Enkeln gesegneter Vater, Er war geboren 1697 d. 3. Dec. und starb 1769 den 3. April. Alt 71 Jahr 4 M. Dieser Herr war der Erbauer des hiesigen Pfarrhauses, ein Herr von großen Eigenschaften . . . b) Die Reichsfreye Hochwohlgeborene, Freifrau, Frau Eberhardina Luisa von Gemmingen auf Bürg, geborene von Wallbrunn, eine Mutter von 13 Kindern. Sie war geboren 1701 den 28 April und starb 1762 den 12. Juni, alt 61 Jahr und 3 Monat. Dieses war eine Dame von ausnehmender Weisheit und Frömmigkeit, deren ungeheuchelte Gottesfurcht unter vielem Creutz und Leyden bewähret wurde . . .

Hoc sepulcri monumentum in tesseram amoris pietatis ac reverentiae posuit optimos parentes aliquando in coelis visurus unicus superstes filius, J. Casimirus de Gemmingen A. R. S. MDCCLXIX Men. Julii.

a) Der Reichsfrey Hochwohlgebohrne Herr, Herr Johann Bernhard v. Gemmingen, Herr zu Bürg und Presteneck, Hochfürstlich Durlachischer Geheimer Rath und Landvogt. Ein Vater von 12 Kindern, davon Ihne aber nur 3 überlebet haben, geb. den 15. Mertz. Gest. am 23. Juli 1723. Dieser Herr war Restaurator diser Evangel. Kirche und doch kein Feind der Irrigen ... b) Die Reichs-Frey, Hochwohlgebohrne Frau, Frau Maria Agatha v. Gemmingen auf Bürg und Presteneck, eine Gebohrne Freyin von Bettendorf, geb. den 20. April 1663 und, nachdem sie 10 Jahre im Wittwenstand gelebet hatte, den 3. May 1773 unter dennen 2 noch Lebender Kinder gestorben. Dise Frau war Leutselig wie Abigail: Sorgfältig wie Martha: getreu| wie Sara: gutthätig wie Tabea: gedultig wie Hanna: andächtig, wie Maria, Gottselig wie Elisabeth. Mit einem Wortt: Jedermann wußte von Ihr, daß Sie Tugendhaft ware, wie Ruth.

Hoc monumentum reverentiae amoris atque pietatis ergo posuit optimos parentes aliquando in coelis visurus Casimirus de Gemmingen.

2. Neben diesen beiden Doppelgrabsteinen steht ein kleinerer mit folgender Inschrift: Hier ruhet der Urheber dieser Kirchen Herr Achilles Christoph von Gemmingen auf Bürg, welcher Ao. 1619 den 19. November geboren, seinen stammen mit 18 Kindern aus 3 Ehefrauen vermehrt und 1676 den 3. Aug. Selig verschiden. Umschrift: Dieses Gerechten Gedächniß / bleibt im Segen wo man auch das sagen wird / dar er dise Kirch erbaut / wird man sagen zu seinem ewigen Gedäch–.

Ein liegender Grabstein rechts am Altar hat eine nicht mehr ganz leserliche Inschrift. Erhalten sind die Zahlen 1611 und 1681, Hienach ist es der Grabstein des am 19. März 1681 gestorbenen Georg Schweikhard von Gemmingen auf Presteneck.

3. An der nordöstlichen Wand (im Pfarrstuhl), ein Grabstein mit dem Wappen von Ellrichshausen und Goniz. Leichentext: 2. Tim. 4, 8. Hier ruet in diesem Gotteshaus dem Leibe nach Frau Anna Elisabetha von Ellrichshausen gebohrne von Goniz, welche nachdem sie Ao. 1639 gebohren und mit Herren Heinrich Wilhelmen von Onloben bai 6jähriger Ehe 3 Kinder erzeiget, in dem Wittwenstand aber 9 Jahr verlebt hatte allhier in Bürg den 17. Mai 1665 in Christo selig verschieden ist.

4. An der entsprechenden nordwestlichen Wand stehen 2 Leichensteine, deren einer bis auf den Leichentext und das Wappen (Sternenfels) vollständig verdeckt ist. Leichentext: Ich halte dafür, daß dieser Zeit Leiden etc.

Der andere Stein enthält eine theilweise durch die Treppe der Empore verdeckte Inschrift in Versen und den Leichentext Kap. 3, 1.

Endlich ein Stein mit der theilweise verdeckten Umschrift: den 2. Februar anno . . . . verschieden den 17. Juni 1700. Seines Alters 52 Jahr, welchem Gott ein fröhliches . . . . . . – Nach dem Kirchenbuch war das Albrecht Christoph von Gemmingen auf Presteneck.

Auf dem auf der Kirche stehenden kleinen sechseckigen Firstthürmchen, das ganz mit Schiefer gedeckt ist, hängen 2 Glocken. Inschrift der kleineren: Zu Gottes Ehr gos mich Joh. Georg Rohr in Heilbronn. – Johann Bernhardt und Eberhard Gebrüder von Gemmingen. Anno 1718. Auf der größeren steht: Gegossen von Karl Knittel in Cannstatt 1866.

Gott rufet Dich durch mich!
O Mensch! Bekehre Dich durch mich!

Das Pfarrhaus steht in der Nähe der Kirche, östlich von derselben, mit hübscher Aussicht und Garten; es ist gebaut 1766. Seit dieser Zeit hat Bürg eigenen Pfarrer und eigene Kirchenbücher; vorher versah den Gottesdienst der Diakonus von Neuenstadt. Das Patronatsrecht steht der Freiherrlich von Gemmingen’schen| Grundherrschaft zu. Die Unterhaltungspflicht an Kirche und Pfarrhaus hat die Stiftungspflege, welcher die Kirche von der Gutsherrschaft geschenkt worden ist. Von den Kirchengeräthen erwähnen wir einen silbernen und vergoldeten Kelch mit den Wappen von Gemmingen und Menzingen, samt den Anfangsbuchstaben der Stifter, Achilles Christoph v. Gemmingen und Amalia v. Gemmingen geb. von Menzingen.

Der im vorigen Jahrhundert angelegte ummauerte Begräbnißplatz befindet sich nördlich außerhalb des Dorfs.

Der Gemeinde gehören: das nach 1806 eingerichtete Rathhaus, das 1821 erbaute Schulhaus, welches ein Lehrzimmer und die Wohnung des Lehrers enthält, sowie ein Armenhaus und Backhaus; auch besteht eine Industrieschule.

Im südöstl. Theil des Dorfs steht das von Gemmingen’sche Schloß, ein etwas düster dreinschauendes dreistockiges massives Gebäude aus dem Spätmittelalter, sehr tief, aber mit schmaler, nach Süden gehender Front; es zeigt abgetreppte Giebel nach Norden und Süden. Das Schloß mit der vor ihm im Westen befindlichen Terrasse ruht auf hohem, von Süden aufsteigendem steinernen Unterbau und ist auf der Ost- und Westseite durch den noch vorhandenen Schloßgraben abgeschlossen. Das früher Goßheim genannte Schloß soll ehemals einen hohen dicken Thurm gehabt haben und mit Befestigungswerken umgeben gewesen sein. Über den westlichen Graben, in welchem das Abwasser der verschiedenen Brunnen des Orts in raschem Lauf hinabeilt, gelangt man auf steinerner Brücke zu der hübschen mit Gartenanlagen geschmückten Terrasse, die nördlich begrenzt ist durch die Ökonomiegebäude. An einem dieser befindet sich ein Doppelwappen, Gemmingen und Wolfskehlen, mit der Jahrszahl 1545. Betritt man von Westen das Erdgeschoß des Schlosses, welches schöne gewölbte Räume sowie die Hauskapelle enthält, so führt im Osten ein polygoner Treppenthurm hinauf in den ersten Stock, der die Wohnzimmer enthält. Eines derselben ist mit einem kleinen nach Süden gehenden Altan versehen, von wo aus man eine reizende Aussicht auf das unmittelbar unten in der Tiefe befindliche Flußthal, das sich jenseits dehnende Plateau und die den Horizont östlich und südlich begrenzenden Berge genießt. Vom östlichen Eckzimmer des ersten Stocks führt eine steinerne Wendeltreppe hinunter in einen tiefen, gemauerten, jetzt als Archiv dienenden Raum. An der hinteren (nördlichen) Seite des Gebäudes nimmt man noch Spuren wahr von einem Altan;| auch sind hier mehrere Fenster und Thüren vermauert. Ein schöner, großer Keller, in der ganzen Größe des Schlosses sich ausdehnend mit Tonnengewölbe, befindet sich unter demselben; ein rundbogiges Thor führt von Süden dazu. Nordwestlich vom Schloß, jenseits der nach Züttlingen führenden Straße, befindet sich der schöne, ca. 10 Morgen große herrschaftliche Garten und Park mit prächtigen Kastanienbäumen und hübscher Raubuchenallee. Derselbe enthält 3 kleine, künstlich angelegte Weiher, welche abgelassen werden können.

Das sehr gute Trinkwasser im Ort wird von 3 laufenden und 2 Pumpbrunnen geliefert und in hölzernen Teucheln zugeführt. Durch die vielen starken Quellen, welche sich auf der Markung nördlich vom Ort befinden, ist derselbe überreichlich, wie kein zweiter im Bezirk, mit Trinkwasser versehen. Im Ort ist auch eine Wette angelegt. Die Markung wird in ihrem südlichen Theil von dem Kocher berührt, der im Frühjahr zuweilen austritt, ohne Schaden zu thun; an der Ostgrenze der Markung fließt in südlicher Richtung der Roßbach. – Durch den Ort führt von Neuenstadt nach Züttlingen die Staatsstraße; dieselbe überschreitet unterhalb Bürg auf schöner steinerner Brücke den Kocher; ein gewaltiger Bogen überspannt den Fluß, ein kleinerer, die Dammdurchlaß, ist auf dem rechten Ufer. Die Unterhaltungspflicht dieser Brücke hat der Staat.

Die Erwerbsmittel der Einwohner bestehen in Feldbau und Viehzucht. Handwerke sind fast nicht vertreten; es gibt nur einen Krämer, 2 Schildwirthschaften, so daß sich das Dorf mit seinen Bedürfnissen an das nahe Neuenstadt wenden muß. Eine kleine Mühle mit einem Mahl- und einem Gerbgang ist vorhanden. Neben einzelnen wohlhabenden Familien gibt es viele Taglöhner, da der Gutsherrschaft 2/3 der Markung gehört.

Die Markung, von mittlerer Ausdehnung, im Ganzen 1594 Morgen enthaltend, erstreckt sich schmal und in die Länge gezogen zwischen der Kocherthürner und Gochsener Markung; südlich, wo sie auf einer kleinen Strecke den Kocher überschreitet, stößt sie an die von Neuenstadt. Im südlichen Theil enthält sie das Thal des Flusses, steigt aber nach Norden zu hochgelegenen Feldern an. Die Gutsherrschaft besitzt von der Markung ein Areal von 1256 Morgen, wovon nach dem Theilungsvertrag von 1856 die Michelfelder Linie den Wald (ca. 243 Morgen) erhielt, die Gemmingen-Treschklinger die übrigen Güterstücke mit 1003 Morgen (s. u.). Von den Ortseinwohnern| besitzt der vermöglichste 45 Morgen, der Mittelmann 18 Mrg., die arme Klasse 1/2–1 Mrg. Der Boden ist meist gut und fruchtbar, tiefgründiger Lehm-, zum Theil Sandboden. Die Wiesen sind trocken und geben gutes Futter. Das Klima ist mild, abgesehen von Frühlingsfrösten und kalten Nebeln, da der Ort unmittelbar über dem Kocher auf Tuffsteinfelsen liegt. Hagelschlag ist auf der Markung selten. Es findet sich eine Lehmgrube auf derselben, sowie 2 Steinbrüche, in denen Kalk- und Werksteine gebrochen werden.

Die Landwirthschaft wird stark und fleißig betrieben; die 3 Herrschaftsgüter auf der Markung, von denen 2 an die Züttlinger Zuckerfabrik verpachtet sind, üben einen belebenden und fördernden Einfluß aus. Die Preise eines Morgens Acker bewegen sich zwischen 1370, 1000 und 500 M. Nach außen mögen jährlich ca. 1700 Scheffel Frucht im Ganzen abgesetzt werden. Der Wiesenbau liefert bei zweimähdigen Wiesen, die nicht bewässert werden können, recht gutes Futter, der Morgen ungefähr 40 Ctr. Die Wiesen kosten pr. Morgen 1370–800 M.

Der Weinbau ist von keiner Bedeutung (s. oben S. 146). Die Preise des Morgens Weinberg stehen zwischen 1200 und 600 M.

Die Obstzucht dagegen wird in ziemlich großer Ausdehnung und mit Aufmerksamkeit betrieben. Ein Baumwart ist aufgestellt.

Das Recht der Weide hat die Gutsherrschaft, deren Pächter im Winter 200–250 Schafe auf der Weide laufen läßt.

Eigene Güterstücke besitzt die Gemeinde nur wenige, namentlich gar keinen Wald. Allmanden sind nicht vorhanden.

Es bestehen folgende Stiftungen:

1. Kirchenstiftung 1719 fl.;

2. Schulstiftung, ursprünglich 4500 fl., eine von Gemmingensche Familienstiftung, jetzt 4393 fl. (für Schulbesoldung, Schulhaus, Mobiliar u. s. w.);

3. Armenstiftungen:

a) Hausmarschall von Gemmingen’sche Stiftung, ursprünglich 1550 fl., jetzt 1583 fl.;
b) Stiftungen der Eberhardine v. Gemmingen 500 fl.;
c) Heckmann’sche Stiftung 300 fl.;
d) Muth’sche Stiftung 100 fl.;
e) Mändlen’sche Stiftung, ursprünglich 50 fl. jetzt 123 M.
| Alterthümer: Eine Römerstraße ist zu erkennen in der heute von Neuenstadt über den Kocher im Nordwesten an Bürg vorbeiführenden Straße nach Züttlingen. Dieselbe führt etwas östlich vom Hösselinshof über die Flur „auf der Höhe“, weiter durch den Hardthäuser Wald und kreuzt die zwischen Kocher und Jagst laufende Hohestraße beim trüben Brunnen. Bürg selber bildete eine römische Niederlassung, deren Spuren in dem westlich vom Ort, nördlich vom Kocherthal an der Grenze der Markung Kocherthürn, im „Mäurich,“ zu erkennen sind. Gefunden wurden dort Ziegel, Heizungsröhren, Reste von Grundmauern, in einem Steinbruch in der Nähe des Mäurich eine vollständig erhaltene römische Amphora. Vielleicht stand auch auf der Stelle des jetzigen Schlosses ein röm. Kastell. Über die früher apud Du Bernolphum a Gemminga in Bürg aufgestellte Statue, die wahrscheinlich in der Nähe von Bürg gefunden worden war, jetzt aber gänzlich verschwunden ist, s. o. S. 233 f. Es stand hier wohl auch eine Statue des Kaisers Caracalla. (Vgl. Jäger, Württ. Jahrb. 5, 192.) Flurnamen von Bedeutung: Burg und Burgwiese (Weinberge hinter dem Schloß), Mäurich, Mauerweinberg. Im Osterbach (Waldtheil) stand einst ein Klösterlein (s. u.)

Auf der Höhe nördlich vom Ort sowie aus den Fenstern des Schlosses und Pfarrhauses genießt man eine schöne Aussicht von den Waldenburger Bergen bis zum Scheuerberg, über das Thal und die Hochebene.

Bürg (ursprünglich Dativform von burc; Burg, ze, in der bürge) ist die alte Burg Gosheim = Gochsen, welche – mit der Chronik Reinhards von Gemmingen 1631[1] zu reden – „nachdem dieses Schloß ganz Gemmingisch worden, endlich den Namen Goßhaim gar verloren hat und heutigs Tags Bürg allein genannt wird; dieweil aber der darzu gehörige Ackerbau einem von Adel gar zu groß und schwer, so haben die von Gemmingen successive erstlich Hofleut angenommen und in den Vorhof gesetzet, endlich nach und nach denselben und nächst angelegene Gärten verbauen lassen und ein Dörflein daraus gebauet.“

Edle, welche von der schon 1420 als „die alte Veste“ bezeichneten Burg Gosheim sich nannten, werden seit 1253, vielleicht| schon 1076 erwähnt (s. unten Gochsen). Sie machten die Burg und was dazu gehörte bald zur Ganerbschaft d. i. Gemeinbesitzung aller männlichen und weiblichen Erben, die immer gemeinschaftlich in die Verlassenschaft aussterbender Mitglieder eintraten (vgl. auch Widdern).

1334 kaufte sich Diether v. Gemmingen als Gemahl einer Gosheim ein und während die ursprünglichen Burgherren um die Mitte des 15. Jahrhunderts erlöschen, die andern Ganerben v. Aschhausen, Beutingen, v. Erenberg, Hardenau, Heimberg, Kochendorf, Maienfels, Nagelsberg, Pfau, Schneider, Sickingen, v. Stettenberg, v. Thalheim, v. Weinsberg und wie sie alle heißen, theils aufhören, theils sich verziehen, ist die Familie v. Gemmingen bis auf diesen Tag im Besitz der Burg geblieben.

Von dem Leben in der Burg entwirft die oben genannte Chronik ein ansprechendes Bild. Eberhard v. Gemmingen gab 1544 seinem Sohn Eberhard seine Pflegtochter Maria Greckin von Kochendorf und blieb dieser also bei dem Vater in einer Haushaltung und griff ihm unter die Arme. Nachdem er so viele Jahre bei dem Vater gewesen und viele Kinder, theils fast gewachsen, hatte, nahm der andere Sohn Reinhard ao. 1561 auch eine Frau, kam auch zu dem Vater ins Haus und blieben in einer gemeinen Haushaltung noch 11 Jahre, bis der Vater starb und kam der dritte Bruder Hans Walther auch mit seiner Hausfrauen dazu, hielten mit einander Haus bis auf das Jahr 1582, in welchem sie theilten, und war der älteste Bruder 60 Jahr alt, hatte 7 lebendige Kinder, alle gewachsen, und ich (Reinhard, der Chronist) war das jüngste unter allen, 5 Jahr alt. Täglich ordinarie wurden, wenn kein Gast vorhanden, zween Tisch adeliche Personen gespeist. Die Administration ihres patrimonii und Haushaltung war also angestellt: Der Älteste nahm sich der wichtigsten Sachen an, wo etwas zu concipiren, zu reiten u. dgl. Mein Vater sahe fürnehmlich auf dasjenige, was täglich ordinarie zu Haus vorfiel, nahm ein, gab aus etc. Der Jüngste traktirte die Gäste. Solches alles geschah in höchster Einigkeit. Die Weiber wechselten mit der Küchenverwaltung wöchentlich um. Durch solche gemeine Haushaltung haben sie ihre Nahrung sehr merklich gebessert, kauften in solcher Zeit die Herrschaft Weinfelden im Thurgau nahens um eine Tonne Golds u. A. (Mosers Neues Patriotisches Archiv II, 486 ff.)

Im Jahr 1856 kam zwischen den Freiherrn v. Gemmingen Hornberger Stamms ein Theilungsvertrag zu Stande. Hiernach ist der Bestand des den Freiherren v. Gemmingen-Treschklingen zugehörigen Theils des Ritterguts Bürg folgender: das Schloß mit Zugehör und Hösselinshof, 289,33 ha = 918 Morgen Gärten und Güter auf Markung Bürg, 39 ha = 124 Mrg. auf Markung Kocherthürn, 2 ha = 63/8 Mrg. auf Markung| Gochsen, das Schafweiderecht auf der Markung Bürg. Der übrige Theil des Ritterguts Bürg, bestehend in dem sog. Jäger- und Waldschützengut 4,42 ha = 14 Mrg. auf der Markung Bürg, 18,28 ha = 58 Mrg. auf der Markung Kocherthürn, 261,60 ha = 830 Mrg. Wald auf den Markungen Bürg, Kocherthürn, Kresbach, Lampoldshausen, Widdern und Züttlingen, ist der Familie v. Gemmingen-Michelfeld zugetheilt.

Über die Markgenossenschaft, welche Bürg mit Kocherthürn und Stein am Kocher Jahrhunderte durch gebildet hat, siehe bei Kocherthürn.

Weil die Reformation der Kirche wegen des Verbands mit Kocherthürn auf Schwierigkeiten stieß, bewirkte Eberhard von Gemmingen 1541 die Einpfarrung nach Neuenstadt. (Bossert, Theol. Studien aus Württ. 1880, S. 273.) So kam es, daß bis 1766 die Diaconi von Neuenstadt zugleich Pfarrer von Bürg gewesen sind. Seitdem bildet dieses eine eigene Pfarrei, welche bis jetzt bekleidet haben: Phil. Balth. Herbst 1766. M. Joh. Ge. Waaser 1789. M. Christian Gottlieb Blumhardt 1809 (gestorben als Inspektor der Basler Missionsgesellschaft 1838). M. Joh. Jak. Seybold 1816. M. Karl Friedr. Jäger 1820 (verdienter Geschichtsforscher, der während seines 20jährigen Aufenthalts in Bürg zahlreiche Schriften zur vaterländischen Geschichte veröffentlichte. In Bürg sind seine 3 Söhne, die sich einen Namen gemacht haben, geboren: Karl, Theolog, 1826; Otto, Erneuerer der Turnkunst, 1828; Gustav, Naturforscher, 1832). Otto Schmidlin 1841. Theod. Em. Ed. Ad. Essich 1846. Karl Lud. Findeisen 1873.

Auf Bürger Markung lag nördlich vom Hösselinshof der abgegangene Hof Osterbach, angeblich ein Frauenklösterlein, welches im Bauernkrieg zerstört worden sei; im Jahr 1547 sollen die letzten Vorsteherinnen des Klosters, so bald nacheinander, daß sie zusammen nur einen Grabstein (in der Kirche zu Kocherthürn s. d.) haben, gestorben sein. Den großen Zehnten bekam der Deutschorden, den kleinen der Pfarrer von Kocherthürn. Der Hof, welcher alt Weinsbergisch (s. u. Reg. 1313. 1382. 1410. 1497. Wib. 3, 115) auch zur St. Nikolauspfründe in Kocherthürn giltpflichtig war, während Kloster Schönthal den großen Wein- und Fruchtzehnten und den kleinen Zehnten noch 1489 je hälftig besaß, soll in unbekannter Zeit von den Besitzern verlassen worden sein, weil Württemberg und Gemmingen das Wild unmäßig hegten.| Vielleicht auch noch auf Bürger Markung lag der Wohnplatz, welcher dem Hardthäuser Wald den Namen gab, die villula Hartshusen dioecesis Herbipolensis, welche sammt Wiesen, Äckern, Weiden, Wäldern etc. und mit den adeligen Erbeigenen Uta, der Witwe des Konrad Caplan, und Agnes, der Witwe Gerolds von Gemmingen, Konrad von Weinsberg

1320 dem Kloster Fulda zu Lehen auftrug. (Ludewig, Rel. manuscr. 2, 266. Wib. 3, 112.) Unter dem Erbe Engelhards von Weinsberg 1349 befindet sich mit Neuenstadt, Gosheim, Brettach, Cleversulzbach, Siglingen, auch „der Wald zu Harthusen mit den Wiesen darin“ (Albrecht, Weinsb. Regesten.) Noch in einer Beschreibung des Hardthäuser Waldes von 1500 (Albrecht, ebend.) wird „Harzhausen“ erwähnt.

1313. Sifrid von Dahenfeld verschreibt seiner Gattin Juta für ihre Morgengabe 40 Mark Silber auf den Hof zu Dürn, der sein eigen ist und auf den Zehnten zu Osterbach, welcher Weinsbergisches Lehen ist. Albrecht, Weinsb. Reg.

1382. Konrad von Weinsberg, Domherr in Würzburg, tritt an seinen Bruder Engelhard unter anderem auch Osternbach ab. Albrecht, Weinsb. Reg.

1410. Engelhard und Konrad von Weinsberg geben dem Heinz Peter von Eberstadt zu einem Leibgedinge unter anderem den Zehnten zu Osterbach. Albrecht, Weinsb. Reg.

1548. Der Tübinger Professor der Theologie Erhard Schnepf, vormals Gemmingen’scher Prediger in Guttenberg, findet in der Interimszeit ein Asyl bei Eberhard von Gemmingen auf Schloß Bürg. Hartmann, Schnepf 68.

1629. Laut Theilungsakten von diesem Jahr war Schloß Bürg von den Gratzschen und Sachsen-Lauenburgischen Reitern sehr verderbt worden und wurde

1646 von den Franzosen theilweise verbrannt, so daß nur das sog. Ritterhaus stehen blieb. Stocker, Gemmingen II, 2, 16.

ca. 1650. Achilles Christof von Gemmingen erbaut die Kirche in Bürg. Ebend. 15.

1669. Ebenderselbe führt eine Dorfordnung in B. ein.

1766. Bürg erhält einen eigenen Pfarrer. Binder, Kirchen- und Lehrämter 239.



  1. Jäger, die Entstehung des Dorfes Bürg. Württ. Jahrbücher 1823. I. S. 192 ff.


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