Beschreibung des Oberamts Nagold/Kapitel B 31
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In dem tief eingeschnittenen, engen, jedoch anmuthigen Agenbach-Thal, auch Sulzer-Thal genannt, welches ein Seitenthal des Nagold-Thales ist, haben die beiden, nur 1/8 Stunde von einander entfernten Orte eine freundliche wohlgeschützte Lage.
Die sehr ansehnliche, dem heiligen Michael geweihte Pfarrkirche, welche im Laufe der Zeit viele Veränderungen erlitt und daher verschiedene Baustyle an sich trägt, liegt erhöht in Unter-Sulz und dient dem Ort zur besonderen Zierde. Das im Jahr 1492 im germanischen Styl erbaute Langhaus, welches im Jahr 1750 in den modernen Styl geändert wurde, hat von seiner ursprünglichen Bauweise nur noch 2 spitzbogige Eingänge aufzuweisen; der Eingang an der westlichen Giebelseite enthält in der Hohlkehle ein laufendes mit Halsband versehenes Hündchen und über dem nördlichen Eingang ist eine Eidechse angebracht, die, wie auch ein an dem Friese der Nordseite eingemauertes Fratzengesicht, noch aus romanischer Periode stammt. Der mit einem halben Achteck schließende, mit Streben versehene Chor, welcher nach einer an einem Pfeiler angebrachten Jahreszahl 1489 erbaut wurde, hat spitzbogige Fenster mit Fischblasen-Füllungen und trägt überhaupt den Styl der spätgermanischen Periode. An der Südseite des Chors steht der uralte 4eckige Thurm, der noch aus der frühromanischen Periode stammt, übrigens in seinem unteren Stockwerk in den frühgermanischen Styl theilweise geändert wurde, während sich in dem dritten Stockwerke noch entschieden romanische Doppelfenster mit Zwischensäulen erhalten haben. Gegen oben geht der Thurm in ein in neuerer Zeit aufgebautes, theilweise mit Blech beschlagenes Achteck über, dem ein ebenfalls mit Blech beschlagenes Bohlendach aufgesetzt ist. Von den beiden Glocken trägt die größere die Umschrift: Osanna hais ich, das Wetter vertreib ich, zu unserer Frawen Er leut ich, Bernhart Lachamann zu Eßlingen gos mich 1509, auf der anderen stehen die vier Evangelistennamen in alten Majuskeln. Das gegenwärtig als Sacristei benützte untere Stockwerk des Thurms diente der ursprünglichen romanischen Kirche als Chor und bis heute hat sich noch ein kleiner Theil der ersten Kirche an den Thurm anschließend, erhalten; an demselben sieht man noch den ehemahligen, jetzt zugemauerten rundbogigen Triumphbogen, den Opferstock, den Altar und an der Außenseite der ursprünglichen Kirche ragt ein aus Stein gehauener Hund hervor. Das Innere der Kirche ist ziemlich hell, weiß getüncht und mit flachgetäfelter, bunt bemalter Decke versehen; der Taufstein und der Altar mit dem Sepulchrum stammen aus sehr alter Zeit. Von dem Langhaus führt ein spitzer Triumphbogen in den um 2 Stufen höher gelegten Chor, dessen gut construirtes und | alt bemaltes Netzgewölbe auf den Schlußsteinen folgende Darstellungen enthält: 1) der heil. Michael, 2) die Mutter Gottes mit dem Christuskinde, 3) Christus. Im Chor sind überdieß gut geschnittene Chorstühle aufgestellt. Die Sacristei, welche wie schon bemerkt wurde, der ursprüngliche Chor ist, zeigt noch viele Reste des romanischen Styls; in den 4 Ecken stehen runde Säulenbündel mit schönen Kapitälen, von denen die platten Gurten des Gewölbes ausgehen und sich in einer einfachen Rosette kreuzen. Dieses prachtvolle Gelaß enthält später eingebrochene frühgermanische Fenster und ein germanisch gehaltenes Sacramentkästchen; auch ist daselbst ein altes Opferbecken aufbewahrt, mit dem Symbol des heiligen Marcus und der Umschrift S. Marcus. Wir finden nun an dieser interessanten Kirche 4 Bauperioden ausgesprochen und zwar von der ursprünglichen im romanischen Styl gehaltenen Kirche, den Thurm und noch einen Theil des Langhauses; das untere Stockwerk des Thurms aber wurde in dem früh germanischen Styl theilweise geändert. An den Thurm angebaut wurde die gegenwärtige im spät germanischen Styl gehaltene Kirche, deren Langhaus in der Mitte des vorigen Jahrhunderts stylwidrige Veränderungen erlitt. Die Unterhaltung der Kirche liegt der Stiftungspflege ob.
Um die Kirche führt die feste hohe Mauer des ehemaligen Begräbnißplatzes, der im Jahr 1840/41 aufgegeben, und hiefür ein neuer außerhalb der Orts an der Straße nach Gültlingen angelegt wurde.
Das nahe an der Kirche frei gelegene Pfarrhaus bildet mit seinem Öconomiegebäude, Hofraum und Garten einen angenehmen Pfarrsitz; dasselbe ist Eigenthum des Staats, der es auch im Bau zu unterhalten hat.
Das Schulhaus, ein stattliches, dreistockiges Gebäude mit Thürmchen auf dem First, wurde in den Jahren 1847/49, gerade in der Mitte zwischen den beiden Orten, mit einem Aufwand von 11.000 fl. massiv erbaut; es enthält 2 Lehrzimmer, die Wohnungen des Schulmeisters und des Lehrgehilfen, während das dritte Stockwerk für den Gemeinderath eingerichtet ist. Das frühere Rathhaus ist zum Armenhaus umgewandelt worden, wird aber gegenwärtig vermiethet, indem keine Arme der Wohnung bedürfen.
Ein Gemeinde-Waschhaus und ein Schafhaus sind vorhanden.
Gutes Trinkwasser liefern im Überfluß 16 laufende Brunnen (10 in Ober-Sulz und 6 in Unter–Sulz); überdieß fließt der 1/8 Stunde oberhalb Ober-Sulz entspringende, Forellen führende Agenbach durch die Orte und treibt in Ober-Sulz eine Ölmühle, in Unter-Sulz | eine Mühle mit 2 Mahlgängen und einem Gerbgang und unterhalb Sulz eine Hanfreibe mit 2 Gängen. (Über diese Mühle vergl. Schmid Pfalzgr. v. Tüb. 1, 290. 2, 93.)An dem südlichen Ende von Ober-Sulz bestand ein Bad bei den sog. Badwiesen und die Wohnung des Michael Rehm wird als ehemaliges Badhaus bezeichnet. Im Jahr 1514 klagten die Einwohner von Sulz: bei 6 Jahren ist das Bad, welches sonst der Herrschaft 14–16 Pfd. Heller Umgeld eintrug, abgegangen, das doch der Herrschaft und dem gemeinen Mann nützte, indem man allerhand Speisen verkaufte, auch für 3 Heller bequem baden konnte.
Die Einwohner sind im Allgemeinen große, schön gewachsene Leute, die sich durch Fleiß, Sparsamkeit und kirchlichen Sinn auszeichnen; ihre Vermögensumstände gehören zu den besten des Bezirks und gegenwärtig befindet sich Niemand im Ort, der von Seiten der Gemeinde unterstützt würde. Der reichste Bürger besitzt 60–70 Morgen Feld, die mittlere und zugleich häufigste Klasse 30–40 Morgen und die Unbemitteltsten haben immer noch 3–4 Morgen Grundbesitz. Die nöthigen Handwerker sind vorhanden; sie arbeiten nur für den Ort, mit Ausnahme von 2 Strumpfstrickern, die ihre Fabrikate auswärts bis nach Frankfurt absetzen. Es bestehen vier Schildwirtschaften, worunter 2 mit Brauereien, 3 weitere Brauereien und 3 Kramläden.
Die ausgedehnte Markung ist, mit Ausnahme der Gehänge gegen das Agenbach-Thal und dessen Seitenthälchen, meist eben und hat im Allgemeinen einen fruchtbaren Boden, der mit wenigen Ausnahmen aus den Zersetzungen des Hauptmuschelkalks, dem häufig eine günstige Beimengung von Lehm zukommt, besteht. Überdieß besitzen die Einwohner viele Güterstücke auf angrenzenden Markungen; 2 im bunten Sandstein angelegte, nach Sulz gehörige Steinbrüche, welche gute Bau- und Werksteine liefern, liegen auf Wildberger Markung.
Die klimatischen Verhältnisse sind beinahe dieselben wie in Wildberg, nur ist die Luft etwas rauher; Hagelschlag kommt selten vor.
Die Landwirthschaft wird mit allgemeiner Anwendung verbesserter Pflüge, in dreizelgiger Feldereintheilung sehr gut betrieben und zur Besserung des Bodens bedient man sich, außer den gewöhnlichen Düngungsmitteln, des Gypses, der Hallerde und des Compostes. Zum Anbau kommen, außer den gewöhnlichen Cerealien, Wicken, Erbsen und viel Linsen, welch’ letztere theils rein, theils unter Gerste gemengt, sehr gut gedeihen und in namhafter Ausdehnung | nach Außen abgesetzt werden. In der zu 1/3 angeblümten Brache zieht man Kartoffeln, dreiblättrigen Klee, Reps etc. und in eigenen Ländern Hanf, Kraut, Angersen, Kohlraben etc. Die Aussaat ist wie in Gültlingen, der Ertrag jedoch etwas reichlicher. Von den Getreideerzeugnissen kommen jährlich etwa 1800 Scheffel Dinkel und 200 Scheffel Gerste nach Außen zum Verkauf. Die besten Äcker werden mit 1000 fl., die mittleren mit 400–500 fl. und die geringsten mit 40 fl. per Morgen bezahlt.Der verhältnißmäßig nicht ausgedehnte Wiesenbau liefert gutes Futter; die Wiesen, von denen etwa der achte Theil bewässert werden kann, sind durchgängig 2mähdig und ertragen durchschnittlich 25–30 Ctr. Heu und 12–15 Ctr. Öhmd per Morgen. Die höchsten Preise eines Morgens Wiese betragen 12–1400 fl., die mittleren 6–700 fl. und die geringsten 300 fl.
Die Obstzucht, welche sich nur mit späten Mostsorten und ziemlich viel Zwetschgen beschäftigt, ist nicht ausgedehnt und erlaubt keinen Verkauf nach Außen.
Die eigentliche Pferdezucht ist unbedeutend, dagegen werden viele Fohlen aufgekauft und nachgezogen, indem das Feld durchgängig mit Pferden bestellt wird.
Der aus einer Landrace mit Simmenthaler Kreuzung bestehende, namhafte Rindviehstand, wird durch 3–4 Zuchtstiere, die ein Bürger gegen Entschädigung von Seiten der Gemeinde hält, verbessert und nachgezüchtet. Der Handel mit Vieh ist unbedeutend.
Die Schweinezucht ist beträchtlich und gegenwärtig befinden sich gegen 30 Mutterschweine im Ort; außer den selbst gezogenen Ferkeln werden viele von Außen aufgekauft und theils für den eigenen Bedarf, theils zum Verkauf gemästet.
Die Ortsbürger lassen gegen 500 Stück rauhe Bastardschafe auf der Markung laufen, die auch im Ort Überwinterung finden; Weidegeld wird keines bezahlt, indem die Bürger je nach dem Betrag der zu entrichtenden Steuer eine Anzahl Schafe unentgeldlich weiden dürfen. Die Pferchnutzung trägt der Gemeindekasse 700–800 fl. jährlich ein.
Die Bienenzucht ist von keinem Belang.
Die vorhandenen 858 Morgen Gemeindewaldungen ertragen jährlich ungefähr 300 Klafter; hievon erhält jeder Ortsbürger 5/4 Klafter, während der noch übrige Holzertrag verkauft wird, was der Gemeindekasse eine jährliche Rente von etwa 800 fl. sichert.
Der Gemeindehaushalt ist geordnet und eine Gemeindeschadensumlage ist bis jetzt nicht nöthig geworden. Unter dem Stiftungsvermögen | ist auch eine Armenstiftung begriffen, die alljährlich minderbemittelten Personen Brod und Geld reicht.Auf dem 1/4 Stunde nordwestlich von dem Ort gelegenen Wächterberg, von dem man eine sehr ausgedehnte und schöne Aussicht genießt, soll nach der Sage eine Hochwacht bestanden haben.
Hinter der Burghalde soll auf dem sog. Kalkofen eine Burg gestanden sein; in der Nähe dieser Stelle kommt der Flurname „Weiler“ vor.
Westlich von Ober-Sulz stand eine Kapelle zu St. Antonius und heute noch werden die Güter daselbst zu St. Antoni genannt.
Mit Wildberg gelangte der verbundene Ort Ober- und Unter-Sulz (letzteres früher Nieder-Sulz genannt) 1440 an Württemberg.
Die Kirche zu Sulz, zu welcher auch die Kirche zu Wildberg gehörte („da diu Kilch ze Wilperg in gehört“)[1], verkaufte 1377 Graf Rudolf von Hohenberg (Konrads sel. Sohn), als sein Vetter Graf Konrad von Hohenberg, allhier Kirchherr war, an das Kloster Reuthin, welches 1285 dem Grafen Burkhard von Hohenberg einen Hof abgekauft hatte und später wiederholte Erwerbungen machte. Heut zu Tage ist die Pfarrei königlicher Collatur.
Hieher wird gedeutet, freilich nicht so sicher, die villa Sulzo, wo das Kloster Alpirsbach durch einen seiner Stifter, Adelbert von Zollern, im J. 1099 unter andern Orten bewidmet wurde (Wirt. Urk.-Buch 1, 316. 2, 446).
- ↑ Pfaf Lup kilchherre ze sulz 1311 und pfaf Luppe kirchherre zu wilperg 1318 (Schmid Gr. v. Hohenberg Urk. 177. 217), ist wohl ein und derselbe.
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