« Kapitel B 5 Beschreibung des Oberamts Nürtingen Kapitel B 7 »
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6. Beuren,
evangelisches Pfarrdorf, Gemeinde II. Cl. mit 1748 Einwohner, 21/2 Stunden südöstlich von Nürtingen. In einem südlich und östlich von dem Steilrand der Alp und seinen Vorbergen eingeschlossenen, nordwestlich sich öffnenden Kessel liegt Beuren mit seiner zwar ausgedehnten, aber zur Hälfte aus Wald und Weiden bestehenden, daher für die zahlreiche Bewohnerschaft unzulänglichen Markung, welche sich nordwärts bis in das Tiefenbachthal und über dasselbe hinaus erstreckt. Der Fruchtbau ist verhältnißmäßig sehr beschränkt und fast nur auf Dinkel und Mischling gerichtet. Von den Bracherzeugnissen sind Flachs und Hanf belangreich. Die Ackerpreise stehen hoch; ein Morgen geringerer Lage wird mit 200 fl., ein guter mit 500 fl., die besten sogar mit 800–1000 fl. bezahlt. Um mehr als das Doppelte ausgedehnter ist das Wiesenareal, aber von sehr verschiedenem Ertrag; die Preise sind etwas niedriger als die der Äcker. Über die Hälfte der Wiesen sind mit Obstbäumen bepflanzt. Die durch Berge geschützte Lage, der geeignete Boden und der Fleiß der Bewohner haben die Obstcultur auf eine Höhe gehoben, welche Beuren in dieser Hinsicht unter die ersten Gemeinden des Landes stellt. Der Obstwald, welcher den ganzen vorhin bezeichneten Thalkessel ausfüllt, gewährt besonders zur Blüthezeit einen herrlichen Anblick. Nicht nur alle Arten von Kernobst, sondern selbst die feineren Sorten des Steinobstes gedeihen hier, der Alpnähe ungeachtet, selbst in minder günstigen Jahren. Vor Allem aber sind es die Kirschen, die gemeinen sowohl als die feinen Tafelsorten (Herzkirschen), welche einen Haupterwerbszweig des Ortes ausmachen. Es gab Jahre, wo allein aus Kirschen über 6000 fl. erlöst wurden. Das Kirschenwasser, welches hier in großer Quantität fabricirt wird, ist weit und breit beliebt und geht vielfältig auch in das entfernte Ausland. Minder offenkundig wird der Handel mit Kirschensaft betrieben, dessen sich die Weinhändler als Färbestoffes bedienen. Sämmtliche Obstgattungen werden sowohl grün als gedörrt, die Kirschen namentlich nach Bayern, ausgeführt. Die Bäume werden weniger von auswärts geholt, als in den eigenen Weinbergen nachgezogen. Die Ortsvorgesetzten nehmen sich dieses Culturzweiges eifrig an. Auch der Weinbau ist nicht unbeträchtlich; die Weinberge sind nach der Weise dieser Gegend stark und zwar vorherrschend mit Sylvanern und Elbling besteckt und sehr ergiebig (bis zu 16 Eimern vom Morgen). Das Erzeugniß übertrifft bisweilen in trockenen und warmen Jahrgängen, wie 1834, selbst die Weine mancher besseren | Orte des Unterlandes, ist aber gewöhnlich von leichter Qualität und findet seine Käufer meistens in den Alporten. Auch wurden, wenigstens früher, im Herbst viele Trauben in’s Oberland verkauft. – Ein namhafteres Emporkommen der Rindviehzucht wäre zu wünschen; ihrer größeren Ausdehnung steht der beschränkte Grundbesitz im Weg. Schafzucht wird von einigen Schäfern, nicht von den Bürgern betrieben; der Weidepacht erträgt für die Gemeindekasse 600 fl. Früher wurden viele Ziegen gehalten, woher man die Benennung des Ortes Gaisbeuren zum Unterschied von andern Beuren, herleiten will. Die Bienenzucht wird mit Glück betrieben und ist im Zunehmen.

Die Bewohner kündigen sich schon durch ihr Äußeres als ein von den Thalbewohnern merklich verschiedener Menschenschlag an; sie sind größer, kräftiger und im Ganzen mehr wohlgebaut, auch sind dunkle Haare hier häufiger als im Thal; die Mundart ist schon mehr oberländisch, die Anhänglichkeit an das Alte und Hergebrachte noch allgemeiner, was sich auch in der Tracht zeigt. Der Charakter erscheint bei oberflächlicher Bekanntschaft etwas rauh und derb; dagegen rühmt man große Betriebsamkeit, Wirthschaftlichkeit und dabei mildthätigen Sinn gegen Nothleidende. Der sittlich religiöse Zustand gehört zu den befriedigenden der Gegend. Aber nur sehr mittelmäßig sind im Allgemeinen die ökonomischen Verhältnisse. Das Grundeigenthum, namentlich das Ackerland, ist wie bemerkt, sehr beschränkt und zerstückelter als in irgend einer Gemeinde des Oberamts. Um so eifriger werden die vorhin genannten Erwerbszweige cultivirt, außerdem auch das Spinnen, Weben, das Arbeiten um Tagelohn zur Ärntezeit in auswärtigen, selbst entfernten Orten, von armen Leuten das Beerenlesen, Kräutersammeln etc. fleißig betrieben. Sonst ist der Gewerbefleiß Nebensache. Es findet sich eine Mahlmühle, eine Bleiche, zwei Schildwirthschaften und ein Gemeindewaschhaus. Die Gemeinde hat einen ansehnlichen Waldbesitz. Der Großzehnt wird dem Staat, Kleinzehnt keiner entrichtet, oder vielmehr ein sehr unbedeutendes Geldsurrogat zu 15/16 dem Staat, zu 1/16 dem Ortsheiligen geliefert, s. hienach. Auch von den Wiesen sind nur 1136/8 Morgen zehntbar. Einen kleinen Zehnttheil hat der Ortsheilige.

Der Ort wird von der 1/4 Stunde oberhalb entspringenden sogenannten Beurener Steinach durchflossen, mit welcher sich unterhalb die vom Fuße des Schloßberges herkommende Stockach vereinigt. Er nimmt sich von den benachbarten Höhen gesehen gut aus, ist etwas eng gebaut, aber freundlich und reinlich. Die Pfarrkirche am westlichen Ende des Ortes ist für die bedeutende Anzahl der Gemeindeglieder, da auch Balzholz hieher eingepfarrt | ist, nicht groß genug, aber hübsch im Innern und mit einer neuen guten Orgel von Gruol versehen. Ihre Bauart ist gothisch; daneben in einem capellenartigen Raum mit gemalten Wänden und Gewölben befindet sich ein Ölberg aus Sandstein, ganz dem Neuffener (s. d.) ähnlich, aber leider sehr verstümmelt. Der Chor trägt die Jahrzahl 1519, die Kirche aber mit dem Ölberg scheint älter zu seyn. Die Baulast hat der ziemlich vermögliche Heilige zu tragen. Hinter der Kirche befindet sich der Begräbnißplatz und neben demselben das dem Staat gehörige Pfarrhaus. Bis 1726 war der hiesige Geistliche zugleich Festungspfarrer in Hohenneuffen. Die Schule hat 3 Lehrer und 2 Lokale, eines oben im Ort, weit von der Kirche, das sogenannte heilige Haus, das andere (die Knabenschule) an der Kirche. Das Rathhaus ist ein altes, neuerdings renovirtes Gebäude. Auch besteht eine Industrieschule und ein Armenhaus. Sechs gute Rohrbrunnen versehen den Ort reichlich mit gutem Trinkwasser. Durch Beuren führt die Vicinalstraße aus dem Neuffener Thal nach Owen, und die vor einiger Zeit sehr gut angelegte Alpstraße nach Erkenbrechtsweiler, Grabenstetten etc. Ein kleiner See von 3/4 Morgen ist oberhalb des Ortes für den Fall einer Feuersgefahr angelegt. – Von den Bergkegeln, welche dem Nordrand der Alp in dieser Gegend in so großer Zahl vorgelagert sind, machen sich auf hiesiger Markung das Hochböll, der Spitzberg und der Engelberg besonders bemerklich. Letzterer trug ein schon vor der Reformation verschwundenes Frauenkloster, das nur noch in der Sage und dankbaren Erinnerung der Beurener lebt, indem ihre Kleinzehntfreiheit ein Geschenk der guten Frauen gewesen seyn soll. Der Palmesel des Klosters sey in das vorhin genannte „heilige Haus“ (dem Aussehen nach ein alter Klosterhof) gebracht worden, wo noch jetzt ein aus Holz gut geschnitztes Bild, Christus auf einem Esel reitend, zu sehen ist. Später stand auf dem Engelberg eine Wallfahrtscapelle. Östlich vom Engelberg, auf den sogenannten Weiler-Äckern, an der Kirchheimer OA. Grenze scheint ein abgegangener Ort gestanden zu haben. – Der grandiosen Ansicht, die man von dem äußersten Vorsprung des zu beiden Seiten in jähe Tiefen abfallenden Felsgrates, „der Beurener Fels“ auch der Kalbssprung genannt, genießt, ist bereits S. 11 gedacht worden. Dieser Fels gilt für eine Wetterscheide. – Noch sind die auf hiesiger Markung befindlichen Kalkstein- und Lehm-Gruben zu erwähnen, welche zum Theil die Umgegend versorgen.
Beuren kam im Jahr 1301 mit Neuffen an Württemberg. Herzog Friedrich von Österreich machte zwar Ansprüche an den Ort, leistete jedoch mit seinen Geschwistern im Jahr 1304 Juli 25. hierauf förmlich Verzicht, wogegen unter diesem Tag Graf Eberhard | von Württemberg gelobte, er wolle in der Mark des Dorfes zu Beuren keine Veste noch Burg bauen (Arch. Urk.)

Die Kirche in Beuren wurde im Jahr 1401 von der Mutterkirche Nürtingen getrennt.[1]

Nach dem Kellereilagerbuch von 1526 bestand damals neben der Pfarrei eine Frühmesse in der Pfarrkirche und eine Caplanei auf dem zuvor erwähnten Engelberge. Das Patronat stand nebst dem großen Zehnten (woran übrigens auch der Ortsheilige und die Pfarrei Nürtingen Theil hatten) der Herrschaft zu. Für den kleinen Zehnten entrichtete die Gemeinde derselben 26 Pfd. Heller; die vorerwähnte Sage von demselben scheint daher nicht gegründet zu seyn. Das Lagerbuch gedenkt auch einer Badstube und eines „Judengäßlens“ im Dorf, und führt Neubrüche an, die im „Burkholz“ liegen. Wenn auch diese Burg vor 1304 (oben) abgegangen war, so scheint doch nachmals wieder ein Schloß erbaut worden zu seyn, da wir bei Gabelkhover eine Notiz finden, wonach ein Konrad Schorpp von Freudenberg, der damals dieses Beuren inne gehabt, 1467 aus dem Schlosse daselbst die Gattin eines Marschalls von Pappenheim beraubte, weßwegen Graf Eberhard von Württemberg sein Schloß eingenommen und ihn zur Rückerstattung des Geraubten angehalten habe.

Fußnote:

  1. Gabelkh. – Herkommen und Brauch des Dorfes zu Beuren, s. in Fischer Gesch. der Deutschen Erbfolge 238.
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