« Kapitel B 9 Beschreibung des Oberamts Nürtingen Kapitel B 11 »
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10. Groß-Bettlingen,

evangelisches Pfarrdorf, Gemeinde III. Cl. mit 687 Einwohnern (darunter 1 Katholik), 13/8 Stunde südsüdwestlich von Nürtingen. Die Markung Groß-Bettlingen ist sehr uneben und hügelig, von dem Authmuth-Thal und dessen Seitenthälchen und Nebeneinschnitten durchfurcht; der Boden gehört zu den weniger ergiebigen; schwer, mit vorherrschendem Lehm, ist er mehr für Dinkel und Haber, besonders für letzteren, weniger für Gerste gedeihlich. Bei der Bodenbeschaffenheit und unebenen Lage der Felder ist der Bau beschwerlich, für welchen durch sorgfältigere Zurathhaltung der Besserungsmittel noch mehr geschehen könnte. Die Ausdehnung des Feldbaues steht übrigens zu der Bewohnerzahl in einem minder ungünstigen Verhältniß als in Grafenberg, Frickenhausen etc. Es gibt einzelne sehr geringe, dabei schwer belastete Güter, die fast nichts werth sind, doch steigen die Preise der bessern Äcker bis auf 600 fl. Unter den verschiedenen Erzeugnissen ist der Hanf zu nennen, der viel und gut gebaut wird. Der nicht selten Überschwemmungen ausgesetzte Wiesgrund ist sehr gut und ergiebig; Wiesenpreise 150, 300–600 fl. Der Weinbau ist in jeder Hinsicht ziemlich gering, die Obstzucht dagegen ausgedehnt, im Zunehmen begriffen und von der Gemeindeverwaltung mit Aufmerksamkeit gepflegt. Der Zustand der Rindviehzucht kann blühend genannt werden; verhältnißmäßig werden viel Stiere gehalten, da der Pflug gewöhnlich mit zwei Paaren bespannt werden muß. Die Schweinezucht ist die stärkste im Oberamt und ein namhafter Erwerbszweig. Die Schafzucht (Landschafe und Bastarde), anderwärts im Abnehmen, wird von einzelnen hiesigen Bürgern in etwas größerer Ausdehnung als früher betrieben; der Weidepacht erträgt der Gemeinde 400 fl.

Der Wohlstand der Einwohner ist ein mittlerer und ziemlich | gleichmäßig; es gibt keine reiche, aber auch sehr wenig ganz arme Leute. Mehr als in manchen Nachbarorten hält man sich hier noch an alte Tracht und Sitte. Gewerbe sind Nebensache und bloß lokal. Nebenerwerb bietet sich nicht dar und wird nicht aufgesucht, außer daß zur Erntezeit die Ärmeren auswärts gegen Taglohn arbeiten. Schildwirthschaften bestehen zwei. Die Gemeinde besitzt ein Back- und Wasch-Haus und hat 134 Morgen Laubwald, davon ein Distrikt von Altdorfer und Bempflinger Markung eingeschlossen ist; dabei bleibt das Holz immer ein sehr fühlbares Bedürfniß der Bewohner. Sämmtliche Zehnten, mit Ausnahme des der Pfarrei zustehenden kleinen, bezieht der Staat. Die Reallasten, größtentheils dem Staat zu entrichtende Fruchtgülten und Hellerzinse, sind nicht unerheblich.

Der größere Theil des Dorfs ist einem ziemlich steilen südwestlichen Abhang hinangebaut. Die Kirche mit dem 1831 sehr erweiterten Begräbnißplatz liegt auf der Höhe; sie ist aus der zweiten Hälfte des 15ten Jahrhunderts (die Jahrszahl 1497 am Chor) und hat ein freundliches Innere, aber ein unscheinbares, niedriges Glockenhaus. Eigenthumsrecht und Baulast hat der Ortsheilige. Weiter unten im Dorf steht das 1716 erbaute Pfarrhaus, welches dem Staat gehört. Das Rathhaus, 1812 erbaut, ist ein geräumiges Gebäude. Hoch und schön liegt das 1828 aufgeführte Schulhaus; es arbeiten an der Schule ein Lehrer und ein Lehrgehülfe. Hinlängliche, gute Quellbrunnen sind vorhanden, an Verbindungsstraßen aber mit der Nachbarschaft und guten Wegen fehlt es, mit Ausnahme des Fahrwegs nach Nürtingen.

Nordöstlich über dem Ort erhebt sich der Geigersbühl (in Lagerbüchern auch „Geyersbühl“), auch die Bettlinger Spitze genannt, ein zwar nicht sehr hoher, aber für eine ausgebreitete, höchst reizende Aussicht glücklich gelegener Punkt, dessen Panorama vor dem des Grafenberges, der allerdings die Gegend in weiterem Umfang beherrscht, wenigstens den Vorzug behauptet, daß hier die Alpkette weniger nahe vor das Gesicht tritt und daher mehr in ihrer großen Ganzheit überschaut werden kann. Einige Linden- und Nußbäume auf dem Gipfel erhöhen durch ihren kühlenden Schatten die Annehmlichkeit dieses Standpunktes.[1]

Die Mühlwiesen in einem flachen Thaleinschnitt zwischen hier und Raidwangen haben ihren Namen von einer jetzt verschwundenen Mühle. Wegen des abgegangenen Ortes Heudorf | s. Raidwangen. Es kommt ein Heerweg vor, welcher der Richtung nach mit der Hochstraße von Grafenberg auf eine Verbindung mit Metzingen und Neckarhausen deuten könnte.

In (Groß- oder Klein-) Bettlingen (Bettlinga) schenkt Berthold von Boihingen dem Kloster Hirschau um 1130 eine Hube (Cod. Hirs. S. 62, ed. Stuttg.) Kloster Denkendorf besaß allhier den Zehnten aus sieben Jauchart Acker (Schmidlin, Beiträge 2, 70). Die übrigen Zehnten standen 1525 der Ortspfarrei zu, welche die Herrschaft zu verleihen hatte. Damals gehörte der Ort in das Gericht zu Grafenberg. Hermann von Salbadingen, Stadtschreiber zu Reutlingen, verkaufte 1373 an Conrad von Glaheim zwei Güter zu Groß- und Klein-Bettlingen, die dieser 1386 mit einigen zu Thailfingen an unserer Frauen-Messe zu Urach vergibt.

Groß-Bettlingen ist mit Neuffen im Jahr 1301 erworben worden.

Fußnote:

  1. Unser vaterländischer Dichter Eduard Mörike hat ein anziehendes Gemälde von dem Geigersbühl und seiner Aussicht in die Novelle „Maler Nolten“ verflochten. Thl. II. S. 443 ff.
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