« Kapitel B 8 Beschreibung des Oberamts Marbach Kapitel B 10 »
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Gronau,


Gemeinde III. Klasse mit 933 Einw., wor. 2 Kath. a. Gronau, Pfarrdorf, 537 Einw., b. Prevorst, Weiler, 396 Einw. – Ev. Pfarrei; die Kath. sind nach Oppenweiler, O.-A. Backnang, eingepfarrt.

In dem anmuthigen, wiesenreichen Bottwarthal, am Fuße der Löwensteiner Berge, liegt in die Länge gedehnt, der mit Obstgärten umgebene sehr freundliche Ort, an dessen wohl unterhaltenen Straßen die ländlichen, zum Theil malerischen, häufig mit Reben umrankten Wohnungen etwas weitläufig hingebaut sind. Eine sehr freundliche Gruppe, welche zur malerischen Ansicht des Orts wesentlich beiträgt, bildet die am südlichen Ortsende erhöht gelegene Pfarrkirche mit dem nahe stehenden stattlichen Pfarrhause.

Die ursprünglich im gothischen Styl erbaute Pfarrkirche, deren Unterhaltung der Stiftungspflege zusteht, ist im Laufe der Zeit styllos verändert worden; über dem Eingang an der Nordseite steht die Jahrszahl 1599, die uns indessen nur die Zeit einer Veränderung angibt, indem der viereckige, nicht besonders hohe, mit Zeltdach versehene Thurm noch Spuren aus früherer Zeit, namentlich an der östlichen Seite ein nun zugemauertes Fensterchen aus der frühesten gothischen Periode enthält. Auf dem Thurme hängen zwei Glocken, die in den vierziger Jahren dieses Jahrhunderts umgegossen wurden. Das Innere der Kirche ist freundlich, hell und weiß getüncht;| bemerkenswerth ist die im Rococogeschmack aus Hartholz gefertigte, schön eingelegte und mit gutem Schnitzwerk versehene Kanzel. Von dem Langhause führt ein spitzer Triumphbogen in den Chor, der sich im unteren Geschoß des Thurmes befindet und früher mit einem Kreuzgewölbe versehen war, nun aber flach gedeckt ist.

Der Begräbnißplatz liegt um die Kirche.

Das Pfarrhaus unterhält der Staat, dagegen hat die Gemeinde hiezu das Bauholz zu liefern.

Das in gutem Zustande sich befindende Rath- und Schulhaus enthält im unteren Stockwerk zwei Lehrzimmer, im oberen die Gelasse für den Gemeinderath; der Schulmeister und der Lehrgehilfe wohnen in einem abgesonderten, der Gemeinde gehörigen Hause. Eine Industrieschule besteht.

Überdieß sind noch vorhanden: ein Armenhaus, ein Schafhaus und eine Kelter mit zwei Bäumen und einer Mostpresse.

Trinkwasser liefern hinreichend 8 Pumpbrunnen, von denen zwei vorzügliches, die übrigen minder gutes Wasser führen; überdieß fließt die Bottwar in drei Armen durch den Ort und treibt daselbst zwei Mühlen mit je zwei Mahlgängen und einem Gerbgang.

Die Bottwar nimmt oberhalb des Dorfs mehrere Zuflüsse, namentlich den Kurzacherbach oder vielmehr die Kurzach auf und wird hiedurch wesentlich verstärkt, so daß sie bei starken Regengüssen oder bei schnellen Schneeabgängen öfters reißend wird, aus ihrem Bette tritt und das Wasser in die Keller der tiefer gelegenen Häuser dringt. Die Markung ist überhaupt sehr wasserreich und aller Orten treten frische Quellen hervor, von denen einzelne so beträchtlich sind, daß sie gleich bei ihrem Hervortreten kleine Bäche bilden. Das Fischrecht in den Bächen, von denen die Bottwar (Prevorster Bach) ziemlich Forellen führt, hat der Staat, der es verpachtet.

Die Einwohner sind im allgemeinen gutmüthige, sehr fleißige und sparsame Leute, die sich durch Feldbau, Weinbau, Viehzucht und Holzhandel ihr Auskommen sichern; ihre Vermögensumstände gehören zu den mittelmäßigen, indem der vermöglichste Ortsbürger 24 Morgen Felder besitzt, der vorherrschende Mittelstand hat einen Grundbesitz von 10 Morgen und die minder bemittelte Klasse von 1/2–1 Morgen. Unterstützung von Seiten der Gemeinde erhalten gegenwärtig 8 Personen vollständig und einige theilweise.

In G. ist geboren im Jahr 1778 Christian Fried. Traugott Duttenhofer, Sohn des Pfarrers (nachherigen Prälaten in Heilbronn), ein berühmter Kupferstecher, welcher sich hauptsächlich in Dresden| ausbildete und nach Claude le Lorrain und Annibal Caracci, auch für das Musee Napoleon und das Boissereesche Kölner Domwerk vortreffliche Blätter lieferte. Er lebte lange Zeit in Stuttgart und starb zu Heilbronn den 16. April 1846.

Die nicht große und überdieß zu einem namhaften Theil mit Wald bestockte Markung ist, soweit sie für den Feldbau benützt wird, ziemlich eben, im übrigen Theil sehr bergig und hat im allgemeinen einen ergiebigen Boden, der zu etwa 1/3 der Fläche aus Lehm, die übrigen 2/3 aus starken Böden (Verwitterung des Keupermergels) besteht; die letzteren geben eine gute, mehlreiche Frucht. Die Felder auf der sog. Platte haben einen minder ergiebigen Sandboden (Zersetzung des grobkörnigen weißen Sandsteins). Ein Keuperwerksteinbruch, der gute Bau- und Werksteine liefert, liegt etwa 1/4 Stunde östlich vom Ort.

Die klimatischen Verhältnisse sind im allgemeinen günstig und der Ort, wie auch die Feldmarkung, ist gegen Norden und Osten durch vorliegende Ausläufer der Löwensteiner Berge geschützt. Hagelschlag kommt selten vor, dagegen schaden Frühlingsfröste zuweilen in den Thälern.

Die Landwirthschaft wird gut betrieben und zur Besserung des Bodens kommt, neben den gewöhnlichen Düngungsmitteln, auch der Gips in Anwendung. Der Brabanterpflug, die Walze, einfache Joche etc. sind eingeführt. Im Dreifeldersystem baut man die gewöhnlichen Getreidearten und in der ganz angeblümten Brache Kartoffeln, dreiblättrigen Klee, Flachs und Hanf. Bei einer Aussaat von 8 Sri. Dinkel, 4 Sri. Haber und 4 Sri. Gerste erntet man 6–9 Scheffel Dinkel, 4–7 Scheffel Haber und 3–5 Scheffel Gerste vom Morgen. Die Preise eines Morgens Acker bewegen sich von 120–600 fl. Der Absatz von Früchten nach Außen ist nicht beträchtlich, dagegen müssen nicht selten noch Früchte auswärts bezogen werden.

Der verhältnißmäßig ausgedehnte Wiesenbau liefert per Morgen etwa 40 Centner gutes, zum Theil auch mittelmäßiges Futter. Die Wiesenpreise bewegen sich von 200–600 fl. per Morgen.

Der Weinbau, den man an südlich und westlich geneigten Keupermergelabhängen treibt, ist nicht ausgedehnt und liefert einen mittelguten Wein von verschiedener Farbe. Auf den Morgen kommen 2800 Stöcke, die den Winter über theilweise bezogen werden. Der höchste Ertrag eines Morgens ist 5 Eimer und die Preise eines Eimers betrugen in den Jahren: 1857 44–50 fl., 1860 16 bis 20 fl., 1861 55–60 fl., 1862 50–60 fl., 1863 44–50 fl.,| 1864 40–48 fl., 1865 72–85 fl. In günstigen Jahren werden etwa 100 Eimer auf der Markung erzeugt. Die Preise eines Morgens bewegen sich von 250 fl. bis 425 fl.

Die mit Mostsorten sich beschäftigende Obstzucht ist in ziemlich gutem Zustande, liefert jedoch seltener reichlichen Ertrag, weil die Obstbäume öfters durch Frühlingsfröste leiden und nur in ganz günstigen Jahren kann ein Theil des Obsterträgnisses auch nach Außen abgesetzt werden. Die Jungstämme werden von auswärts bezogen.

An Waldungen besitzt die Gemeinde 750 Morgen; der Holzertrag wird verkauft und von dem Erlös erhält jeder Bürger etwa 12 fl. jährlich und überdieß fließt noch eine erkleckliche Summe in die Gemeindekasse.

Eigentliche Weiden sind nicht vorhanden und nur die Feldweide ist an einen Bürger, der etwa 150 Stück Bastardschafe hält, um 290 fl. jährlich verpachtet; die Pferchnutzung trägt der Gemeindekasse jährlich 50 fl. ein; den Winter über hat der Pächter den Pferch selbst.

Die Rindviehzucht ist gut; sie beschäftigt sich mit einem tüchtigen Neckarschlag und wird durch 2 Farren, die ein Bürger Namens der Gemeinde hält, nachgezüchtet. Der Handel mit Vieh ist unbedeutend.

Die Schweinezucht ist von keinem Belang; die meisten Ferkel (Hallerrace) werden eingeführt und mit wenig Ausnahme für den eigenen Bedarf gemästet.

Die Geflügelzucht beschränkt sich auf den eigenen Bedarf und die Bienenzucht ist ganz unbedeutend, obgleich sich die Lage hiefür eignen würde.

Von den nur den nöthigsten örtlichen Bedürfnissen dienenden Gewerben sind 4 Schildwirthschaften und 2 Krämer zu nennen.

Vicinalstraßen sind nach Oberstenfeld und nach Prevorst angelegt; die Entfernung von der südwestlich gelegenen Oberamtsstadt beträgt 31/2 Stunden.

Auf dem etwa 1/8 Stunde nordwestlich vom Ort gelegenen Kälberkopf sollen Gebäude gestanden sein, ebenso auf der sog. Platte, wo man auch Reste einer gepflasterten Straße entdeckte.

G. wird erstmals im Jahr 858 erwähnt, als hiesige Güter, Leibeigene und die Kirche das Kloster Lorsch geschenkt erhielt. (Cod. Laur. Nr. 3506.)

Es gehörte ursprünglich mit Nassach und Kurzach zu Beilstein und theilte dessen Schicksale, kam also auch 1340 an Württemberg.| Mit diesen beiden Orten und mit Prevorst bildete es später auch ein eigenes Gericht, wo von Alters her weder Hauptfall noch Fälle gegeben wurden, die Lehensinhaber aber jährlich neben ihren Lehengefällen eine jährliche Lehenbede von 4 Pf. Heller Geld und einigen Simri Haber und Roggen entrichteten (Reyscher Statutarrechte 228).

Ein hiesiges Freigut trat das Stift Oberstenfeld im Jahr 1659 dem Rittercanton Kocher ab.

b. Prevorst (alt Brechfürst), ein sehr ansehnlicher, in die Länge gedehnter, gleichsam nur eine Straße bildender Weiler, der 43/4 Stunden nordöstlich von der Oberamtsstadt frei und hoch auf den Löwensteiner Bergen liegt und von dem man eine weitgedehnte, herrliche Aussicht über den Wald hinweg an die Alb, in die Stuttgarter Gegend, an den Odenwald und die Vogesen genießt. Der Ort ist sehr freundlich und die gerade nicht großen, aber gut gehaltenen Häuser, vor und neben denen hübsche Gärtchen liegen, lagern sich mäßig gedrängt an der wohl erhaltenen Ortsstraße.

Das ansehnliche Schulhaus mit Thürmchen und Uhr auf dem First, enthält ein Lehrzimmer und die Wohnung des Schulmeisters.

Ein Methodisten-Bethaus ließ die Gesellschaft im Jahr 1865 in einem ansprechenden Styl erbauen.

Der mit einem Zaun umfriedigte Begräbnißplatz liegt außerhalb des Orts.

Das Wasser wird aus 2 Hülben bezogen, die jedoch in trockenen Jahrgängen so sehr nachlassen, daß Wassermangel entsteht und der Wasserbedarf auswärts geholt werden muß.

Die Prevorster sind lebensfrohe, ausdauernde, jeder Anstrengung und Witterung trotzende Leute, deren Erwerbsmittel in Feldbau, Viehzucht, Holzhandel und Hausirhandel mit Besen, Wachholdermehl, Waldbeeren, officinellen Kräutern etc. bestehen. Die gute alte Volkstracht hat sich hier noch weit reiner erhalten als in den Orten des Flachlandes und der Thäler; man trifft noch ziemlich allgemein den dreispitzen Hut, die gelben Lederhosen, den weißen Zwilchkittel und das rothe Brusttuch mit Rollknöpfen.

Die Vermögensverhältnisse sind ziemlich ungleich, indem neben einzelnen Wohlhabenden ziemlich viele minder Bemittelte vorhanden sind; die ersteren treiben Holzhandel, die letzteren Hausirhandel. Der vermöglichste Einwohner besitzt 40 Morgen Grundeigenthum, der sog. Mittelmann 10–15 Morgen, die unbemitteltere Klasse 1/2–1 Morgen und mehrere haben gar keinen Grundbesitz. Gemeindeunterstützung erhalten gegenwärtig 5 Personen.

| Die natürlichen Verhältnisse sind etwas ungünstiger als im Mutterort; die Luft ist wegen der hohen Lage allen Winden ausgesetzt und rauher, wie auch der Boden der meist eben gelegenen Markung aus den minder ergiebigen Zersetzungen des grobkörnigen Stubensandsteins besteht. Der Ertrag der Felder ist daher je um 1 Scheffel per Morgen weniger als in Gronau und die Preise eines Morgens Acker bewegen sich von 100–400 fl. Die übrigen Verhältnisse sind wie im Mutterort.

An Waldungen besitzt Prevorst 350 Morgen, welche übrigens verjüngt sind und daher gegenwärtig keinen Ertrag liefern.

Die Herbstweide wird an einen fremden Schäfer um 80–100 fl. jährlich verpachtet und die Pferchnutzung trägt etwa 50 fl. ein.

Eine Vicinalstraße ist nach dem 1 Stunde südwestlich gelegenen Mutterort angelegt, in anderen Richtungen gehen nur schlechte, jeden Verkehr hemmende Wege.

Prevorst ist der Geburtsort der bekannten „Seherin von Prevorst“, einer Tochter des Revierförsters Wanner.

Mit der Herrschaft Lichtenberg gelangte der Ort 1357 an Württemberg.


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