« Kapitel B 12 Beschreibung des Oberamts Marbach Kapitel B 14 »
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Kirchberg,


Gemeinde II. Kl. mit 1476 Einw., wor. 1 Kath. a. Kirchberg, Pfarrdorf, 1170 Einw., b. Frühmeßhof, Weiler, 36 Einw., c. Neuhof, Weiler, 39 Einw., d. Rundsmühlhof, Hof, 20 Einw., e. Wüstenbach, Hof, 31 Einw., f. Zwingelhausen, Weiler, 180 Einw. – Ev. Pfarrei; die Kath. sind nach Oppenweiler, O.-A. Backnang, eingepfarrt.
Etwa 1/8 Stunde oberhalb des Murrthales liegt 13/4 Stunden östlich von der Oberamtsstadt der schöne, beinahe 1/4 Stunde lange von Westen nach Osten gedehnte, mit Obstgärten dicht umgebene Ort, der zur Unterscheidung von anderen Orten gleichen Namens „Kirchberg an der Murr“ genannt wird. Das Dorf ist freundlich am Anfang eines Seitenthälchens des Murrthals ziemlich gedrängt| hingebaut und dehnt sich theils in dem Thälchen selbst, größtentheils aber an einem gegen dasselbe leicht südlich geneigten Abhange aus; es genießt, da das Terrain im Norden des Dorfs noch leicht ansteigt, einigen Schutz gegen rauhe Winde.

Die Ortsstraßen sind reinlich gehalten und die aus Holz erbauten, mit steinernen Unterstöcken versehenen Gebäude theilweise sehr ansehnlich, jedoch viele von ziemlich hohem Alter, sogar von den Jahren 1440, 1534 etc.

Beinahe in der Mitte des Orts stehen Kirche, Pfarrhaus, Schulhaus und Rathhaus; die ursprünglich im gothischen Styl erbaute, im Osten plattgeschlossene Kirche, hat spitzbogige Eingänge und Fenster, aus denen das Maßwerk herausgenommen wurde; überdieß sind im Laufe der Zeit einzelne styllose Fenster eingebrochen worden. Der viereckige, mit einem spitzen Pyramidendach versehene Thurm wurde 1779 erbaut. Das mit einer flach getäfelten Decke versehene, durch Emporen verbaute Innere der Kirche hat außer einem alten Krucifix und zwei älteren Porträts von 1546 nichts bemerkenswerthes. Die Baulast der Kirche hat die Stiftungspflege, die jedoch wegen Mittellosigkeit von der Gemeindepflege unterstützt werden muß.

Der ansehnliche, mit einer Mauer umfriedigte Begräbnißplatz, der auch für die Filiale dient, liegt außerhalb (nordwestlich) des Ortes.

Das sehr stattliche Pfarrhaus mit Ökonomiegebäude und Hofraum bildet einen ansehnlichen, wohlgeschlossenen Pfarrhof; es wurde im Jahr 1617 erbaut und 1738 erneuert; der Eingang und die Säulen an den beiden Hausecken sind im eleganten Renaissancestyl gehalten. Die Unterhaltung desselben hat der Staat.

Das 1787 erbaute Rathhaus ist ziemlich gut erhalten und trägt ein blechbeschlagenes Thürmchen mit Glocke auf dem First.

Schulhäuser sind zwei vorhanden; das bei der Kirche stehende enthält zwei Lehrzimmer und die Wohnungen des Schulmeisters und des Lehrgehilfen, das andere zwei Lehrzimmer und die Wohnung des zweiten Schulmeisters. Die Schule haben auch die Kinder der Filialisten zu besuchen. Eine Industrieschule besteht.

Außer diesen Gebäuden stehen noch im Eigenthum der Gemeinde: zwei Backhäuser, ein Waschhaus, eine große Kelter mit 4 Bäumen, ein Schafhaus und ein Armenhaus mit 4 Zimmern.

Sehr gutes Quellwasser liefern hinreichend 7 laufende und 3 Pumpbrunnen; ein kleiner Bach entspringt im südöstlichen Theil| des Orts und überdieß ist eine Wette vorhanden. Die Murr durchfließt auf eine namhafte Strecke die Markung.

Die Einwohner sind im allgemeinen gesunde, kräftige Leute, die nicht selten ein hohes Alter erreichen; gegenwärtig sind mehrere Personen von 80–83 Jahren im Ort. Neben einfacher Lebensweise findet man hier sehr große Arbeitsamkeit und Sparsamkeit. Die Haupterwerbsquellen bestehen in Feldbau, Obstzucht, Weinbau und Viehzucht, während von den Gewerben nur die nöthigsten, und zwar neben der Landwirthschaft, getrieben werden; die Weberei ist am stärksten vertreten. Die Vermögensumstände gehören zu den ziemlich guten und ein guter Mittelstand ist der vorherrschende. Die vermöglichsten Bürger besitzen in Kirchberg 40 Morgen, in Zwingelhausen 80–85 Morgen, in Frühmeßhof 100 Morgen, in Neuhof 80–84 Morgen und in Wüstenbach 46–60 Morgen; der Mittelstand hat einen Grundbesitz von 16–20 Morgen und die minder bemittelte Klasse von 1–4 Morgen. Gemeindeunterstützung erhalten gegenwärtig 5 Personen.

Die ausgedehnte Markung hat, mit Ausnahme der Gehänge gegen das Murrthal und einiger Seitenthälchen desselben, eine flachwellige Lage und im allgemeinen einen sehr fruchtbaren Boden, der auf der Hochebene aus einem tiefgründigen Diluviallehm, an den Abhängen aber aus den Zersetzungen der Lettenkohlengruppe und des Hauptmuschelkalks besteht, welch’ letztere den Weinbau sehr begünstigen. In der Murrthalebene haben sich dem Wiesenbau zuträgliche Alluvionen abgelagert.

Die klimatischen Verhältnisse sind günstig und erlauben den Anbau aller in Württemberg eingeführten Kulturgewächse; kalte Nebel und Frühlingsfröste schaden zuweilen den feineren Frühgewächsen, dagegen ist Hagelschlag seit mehr als 30 Jahren nur einmal vorgekommen.

Die Landwirthschaft wird sehr gut betrieben und zur Besserung des Bodens kommen außer den gewöhnlichen Düngungsmitteln und der in zweckmäßig angelegten Düngerstätten fleißig gesammelten Jauche, Gips, Kompost und etwas Guano in Anwendung.

Der Ackerbau wird im Dreifeldersystem mit beinahe ganz angeblümter Brache und unter Anwendung des Wendepflugs, der wegen des tiefgründigen Bodens hier als zweckmäßig erkannt wird, betrieben; man baut die gewöhnlichen Getreidearten, Hirse, Kartoffeln, Futterkräuter, besonders dreiblättrigen Klee und Luzerne, Angersen, Zuckerrüben, Ackerbohnen, Reps, Mohn, wenig Flachs und ziemlich viel| Hanf, der theils im Ort versponnen, theils verkauft wird. Auf den Morgen rechnet man Aussaat: 6–8 Sri. Dinkel, 3 Sri. Gerste, 4 Sri. Haber, 3 Sri. Roggen und Ertrag 8–10 Scheff. Dinkel, 4 Scheff. Gerste, 5–6 Scheff. Haber, und 3 Scheff. Roggen. Die Preise eines Morgens Acker steigern sich von 200–600 fl.

Über Befriedigung des eigenen Bedürfnisses werden die Felderzeugnisse, namentlich Getreidefrüchte, im Ort selbst an auswärtige Käufer in namhafter Ausdehnung abgesetzt, namentlich kaufen Bäcker aus Backnang, Ludwigsburg und Stuttgart Dinkel in großen Quantitäten hier auf.

Der Wiesenbau ist beträchtlich und die Wiesen, besonders die im Murrthal gelegenen, liefern ein sehr gutes Futter, und zwar durchschnittlich vom Morgen 20–25 Centner Heu und 10 Centner Öhmd. Die Preise eines Morgens bewegen sich von 200–600 fl.

Der Weinbau wird mit wenigen Ausnahmen an den Thalabhängen in der üblichen Weise der Umgegend betrieben; man bezieht die Reben, von denen 2800 Stöcke auf einen Morgen zu stehen kommen, den Winter über. Zum Anbau kommen vorzugsweise Silvaner, Drollinger und Elblinge; einzelne Bürger pflegen auch edlere Sorten, wie weiße Rißlinge, Klevner etc. Die besten Lagen sind: Pälmen, Klingen, Halden, Lerchenberg, Eichhalden und Abstätter. Die erzeugten Weine sind gut, lagerhaft, und da theilweise ausgelesen wird, meist von rother und weißer Farbe. Der höchste Ertrag eines Morgens war bis jetzt 10 Eimer und die höchsten Preise eines Eimers in den Jahren 1846 und 1857 68 fl., im Jahr 1865 80 fl. und der Durchschnittspreis 77 fl.; der niederste Preis aber im Jahr 1849 12 fl. Die Preise der Weinberge sind sehr verschieden und bewegen sich von 100–800 fl. Der Absatz des Weins geht in die nächst gelegenen Städte, zuweilen auch in den Schwarzwald.

Die ausgedehnte Obstzucht wird mit Eifer gepflegt und durch einen besonders aufgestellten Baumwart beaufsichtigt; außer den namhaften Obstgärten und der Bepflanzung der Straßen mit Obstbäumen war man in neuerer Zeit auch bemüht, Allmandtheile mit Obstbäumen, namentlich mit Kirschen anzupflanzen. Man zieht vorzugsweise Mostsorten und von Steinobst Kirschen und Zwetschgen; auch Pfirsich- und Nußbäume sind viele vorhanden. Die Jungstämme werden in den Weinbergen nachgezogen. Das Obst gedeiht gerne und wird meist zum Mosten und Dörren, das| Steinobst aber zum Brennen verwendet, überdieß wird ein namhafter Theil des Obstertrags nach Außen abgesetzt.

Die Gemeinde besitzt 632 Morgen Laubwaldungen, von denen das Oberholz der Gemeinde, das Unterholz aber den waldberechtigten Bürgern zukommt; das Oberholz wird verkauft, was der Gemeinde eine jährliche Rente von 600–1000 fl. sichert.

Die vorhandenen Weiden, welche nur für Schafe benützt werden, sind nebst der Herbstweide um 600 fl. jährlich verpachtet und überdieß trägt die Pferchnutzung der Gemeindekasse etwa 300 fl. ein.

Die Pferdezucht ist ganz unbedeutend, dagegen die Rindviehzucht auf einer blühenden Stufe; es wird vorzugsweise ein tüchtiger Neckarschlag, auch theilweise Neckarschlag mit Simmenthaler- und Holländerkreuzung gezüchtet. Zur Verbesserung und Nachzucht sind 4 Farren (3 vom Neckarschlag und einer von Neckarschlag und Simmenthalerkreuzung) aufgestellt; sie werden von der Gemeinde angeschafft und zwei Bürgern gegen Nutznießung von Gütern und 120 fl. in Pacht gegeben. Der Handel mit Vieh auf benachbarten Märkten ist beträchtlich.

Ein Gemeindeschäfer läßt im Vorsommer 150, im Nachsommer 400 Stück feine Bastarde laufen; unter diesen sind auch Schafe, welche den Ortsbürgern gehören, wofür die Eigenthümer 1 fl. jährlich dem Schäfer entrichten.

Die Schweinezucht wird in geringerer Ausdehnung betrieben und die meisten Ferkel, hallischer und halbenglischer Race, werden eingeführt und theils für den eigenen Bedarf, theils zum Verkauf an Metzger der umliegenden Städte aufgemästet.

Ziegen werden von unbemittelten Familien der Milch wegen gehalten, und von Geflügel kommen hauptsächlich Gänse zum Verkauf.

Die Bienenzucht wird mit Erfolg getrieben, Wachs und Honig aber meist im Ort verkauft.

Von wenig Belang ist die Fischerei in der Murr und deren Seitenbächen; sie gehört dem Staat, der sie an einen Bürger um 3 fl. jährlich verpachtet.

Vicinalstraßen bestehen nach Backnang, Erdmannhausen und eine auf die Marbach–Backnanger Staatsstraße, welche die Markung beim Frühmeßhof berührt. Eine steinerne Brücke und 2 hölzerne Stege sind über die Murr angelegt.

Etwa 1/4 Stunde nördlich vom Ort stand auf der Flur „Kalkofen“ ein römischer Wohnplatz, von dem man schon Grundmauern etc.| ausgegraben hat; ein vom Ort dahin führender alter Weg führt den Namen „Harschgasse.“

In den Weinbergen „Eichhalde“ soll der Eichhalderhof gestanden sein und in dem Gemeindewald befinden sich zwei große Vertiefungen, die „Heimengruben“ genannt; hier sollen sich zur Zeit des dreißigjährigen Kriegs die noch wenigen Einwohner der Umgegend aufgehalten haben.

Im Hardtwald, unfern des Frühmeßhofes, liegt ein altgermanischer Grabhügel und nicht weit davon zieht die Römerstraße von Marbach nach Murrhardt vorüber. In den sog. Hälden wurden römische Münzen gefunden.

Auf der Flur „Au“ entdeckte man ein Reihengrab, das neben dem menschlichen Skelett Waffen, darunter einen sog. Sachs, enthielt.

Zu der Gemeinde gehören:

b. Frühmeßhof mit viel besuchtem Gasthaus und ausgedehntem landwirthschaftlichem Betrieb; der Ort liegt frei und hoch, zwei Stunden nordöstlich von Marbach, an der Landstraße von letzterem Ort nach Backnang. Die Entfernung vom Mutterort beträgt 1/2 Stunde.

c. Neuhof, früher Hunzelhof, liegt 1/2 Stunde südwestlich von Kirchberg auf der Anhöhe jenseits des Murrthals. Das Hofgut umfaßt 114 Morgen, welche Carl Schwaderer nebst 4 weiteren Besitzern gehören (s. Ammann die Hofgüter im Königr. Württemberg S. 26).

d. Rundsmühlhof, liegt 1/4 Stunde südwestlich vom Mutterort an der Murr; die hier bestehende Mühle hat 3 Mahlgänge, einen Gerbgang und einen Hirsegang. Der Ort stand früher etwa 1/2 Stunde weiter unten im Murrthal.

e. Wüstenbach, eine Stunde nordöstlich vom Mutterort in einem leicht eingefurchten Wiesenthälchen am Wüstenbach gelegen.

f. Zwingelhausen, ein ansehnlicher Weiler, der 1/2 Stunde nordöstlich von Kirchberg eine freie Lage auf der fruchtbaren Hochebene hat.

Sämtliche Parzellen haben hinreichend Trinkwasser und die natürlichen, wie auch die landwirthschaftlichen Verhältnisse sind im allgemeinen denen im Mutterort gleich, die Vermögensumstände aber zum Theil namhaft besser.

Z. scheint das Husa zu sein, welches am 29. Jan. 978 unter denselben Verhältnissen wie Marbach (s. d.) genannt wird. Hiesige| Güter bestätigte den 11. April 1245 der Pabst Innocenz IV. dem Stifte Backnang.

Kirchberg ist mit Marbach (s. d.) württembergisch geworden; einiges erwarb noch 1302 Graf Eberhard der Erlauchte von Württemberg von dem Herzoge Hermann von Teck.

Hiesige Zehntantheile und Güter des Stiftes Backnang erscheinen in der Bulle des Pabstes Innocenz IV. vom 11. April 1245 für dieses Stift, desgleichen ein Drittheil des Zehnten im Besitz des Stiftes Oberstenfeld in der Bulle desselben Pabstes von 1247 für letzteres. Einkünfte erhielt 1283 das Kloster Steinheim von Dietherr, genannt Wolf von Wunnenstein, geschenkt. Gefälle bezog das Kloster Murrhardt.

Den hiesigen Kirchensatz schenkte Graf Ulrich den 3. Mai 1453 dem Stifte Backnang, mit welchem er an Württemberg zurückgelangte.

In katholischen Zeiten bestunden hier eine Pfarrei und zwei Frühmessereien.


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