« Kapitel B 2 Beschreibung des Oberamts Leonberg Kapitel B 4 »
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Eltingen,
Gemeinde II. Kl. mit 1748 Einw. a. Eltingen, Pfarrd. 1709 Einw., wor. 11 Kath. b. Clausenmühle, 7 Einw. c. Glitzenmühle, 8 Einw. d. Lahrensmühle, 13 Einw. e. Rappenhof, 4 Einw. f. Schweizermühle, 4 Einw. g. Seehaus, 3 Einw. – Ev. Pfarrei; die Kath. sind nach Weil d. St. eingepfarrt.

Eltingen ist derselbe Name wie Altingen, nur mit einem Umlaut. Das große etwas in die Länge gezogene, ziemlich regelmäßig gebaute Pfarrdorf, zugleich Sitz des Försters vom Revier Warmbronn, liegt 1/2 Stunde südlich von Leonberg, frei in der Thalebene der Glems, auf der rechten Seite des hier noch ganz kleinen Flüßchens. Da dem Thal selbst die Gehänge fehlen und der Ort mehr in einer Niederung liegt, welche durch nicht ferne Höhenzüge gegen Süden und Osten geschützt – dagegen gegen Westen und Norden offen ist, so kann seine Lage nicht eben eine gesunde genannt werden, was in Verbindung mit dem zwar hinreichend vorhandenen, – aber zum Theil gypsführenden Trinkwasser die Ursache des nicht selten vorkommenden Cretinismus sein dürfte. Auch ist die Luft etwas feucht und die Temperatur der Nächte meist kühl; schädliche Frühlingsfröste sind häufig, dagegen kommt Hagelschlag nur selten vor, da die nahe ziehenden Höhen die Gewitter ableiten.

Beinahe in der Mitte des Orts liegt die 1487 erbaute, mit einer Mauer umgebene Pfarrkirche, welche wegen ihrer rein germanischen Bauweise zu den schönsten Kirchen des Bezirks gehört. Sie hat sowohl an dem Langhause, als an dem Chor Strebepfeiler und zwischen diesen geschmackvolle gothisch gefüllte Fenster. Die Eingänge sind wie die Fenster spitzbogig; unter ihnen zeichnet sich besonders der an der Westseite aus, über welchem eine schöne durchbrochene Fensterrose angebracht ist. Das Innere ist durch unsymmetrische, zum Theil häßlich bemalte Emporkirchen verunstaltet und verdüstert, dagegen hat die flach getäfelte Decke, welche 1746 aufgefrischt wurde, noch eine dem Styl der Kirche entsprechende Bemalung. Die im germanischen Styl gehaltene steinerne Kanzel ist sehr schön; ebenso der Taufstein. An dem Netzgewölbe des Chors sind an den Schlußsteinen der obern Gurtenkreuzungen von Westen nach Osten folgende Figuren angebracht: 1) ein Steinmetzzeichen, 2) das württ, Wappen, 3) der heilige Michael, 4) Maria mit dem Christuskinde und 5) ein Engel, der einen Schild hält, auf dem ein Steinmetzzeichen angebracht ist. Sowohl das Geländer um den Altar als einige Chorstühle sind mit gutem Schnitzwerk verziert; eine Thüre, welche von der Kirche zu der massiven, mit Netzgewölbe versehenen Sacristei führt, ist besonders bemerkenswerth. Der massive viereckige Thurm mit ziemlich hohem Zeltdache hat in dem dritten Stockwerke schöne, im germanischem Style gehaltene | Fenster; in demselben hängen 3 Glocken, die größte vom Jahr 1814, die mittlere von 1797, die kleinste von 1790. Die Erhaltung der Kirche liegt der Gemeinde- und der Stiftungspflege gemeinschaftlich ob.

Der außerhalb (nördl.) des Orts gelegene Begräbnißplatz wurde 1843 erweitert. Das 1775 neu erbaute Pfarrhaus hat der Staat zu unterhalten; es liegt unfern der Kirche am südlichen Ende des Orts und befindet sich, sammt den dazu gehörigen Nebengebäuden, in gutem Zustande. Südlich der Kirche auf dem ehemaligen Kirchhofe steht das stattliche Schulgebäude mit Lehrerwohnung, welches 1826 namhaft erweitert wurde; nördlich von diesem liegt von allen Seiten frei an der Hauptstraße das 1841 im modernen Styl erbaute Rathhaus. Ein Gemeindebackhaus wurde 1846 errichtet; ein öffentliches Waschhaus besteht schon längst.

Die fleißigen, durch vielen Handel und Verkehr nach Außen etwas abgeschliffenen Einwohner befinden sich im Allgemeinen nicht in den besten Vermögensumständen, auch sind auf der ausgedehnten Ortsmarkung viele Angrenzer, besonders Leonberger, begütert. Die örtlichen Erwerbsquellen sind neben Feldbau und Viehzucht, die Gypsbereitung und der Handel mit Holz.

Die Feldmarkung im Allgemeinen ziemlich eben, ist von einigen Thälern, namentlich von dem Glemsthal durchzogen, die Güter haben daher eine meist ebene oder doch nicht stark geneigte Lage. Der Boden ist im Durchschnitt ergiebig; im östlichen und südlichen Theil der Markung herrscht der untere mit Gyps durchzogene Keupermergel vor, im nordwestlichen und nördlichen besteht der Boden aus etwas leichtem im Allgemeinen fruchtbarem Diluviallehm; im Glems-Thal kommt Torf und Moorgrund vor. Zur Besserung und Erhaltung des Bodens wird außer dem gewöhnlichen Dünger noch Gyps und Jauche angewendet. Der Betrieb der Landwirthschaft ist mittelmäßig und läßt Manches zu wünschen übrig; im üblichen Dreifeldersystem baut man die gewöhnlichen Getreidearten, unter denen Dinkel und Hafer vortrefflich gedeihen; in der Brache werden hauptsächlich Kartoffeln, Futterkräuter und etwas Hanf gezogen. Zur Aussaat rechnet man per Morgen 6 Sri. Dinkel, 4 Sri. Hafer. 3 Sri. Gerste, 21/2 Sri. Weizen, 4 Sri. Einkorn. Der Ertrag wird im Durchschnitt zu 8 Scheffel Dinkel, 6–7 Schfl. Hafer, 4–5 Schfl. Gerste, 5 Schfl. Weizen und 8 Schfl. Einkorn angegeben. Die Preise der Äcker stehen zwischen 40 fl. und 500 fl. per Morgen. Getreide und Stroh wird viel nach Außen verkauft.

Die Wiesen sind im Durchschnitt ergiebig, übrigens sehr verschieden, einzelne, wie die Waldwiesen nur einmädig, andere lassen sogar einen dritten Schnitt zu; sie ertragen durchschnittlich per Morgen 25 Ctr. Heu, und 10 Ctr. Öhmd. Die Preise steigen von 40 fl.–400 fl. per Morgen. | Futter kommt viel nach Stuttgart und Ludwigsburg zum Verkauf. An südlichen Abhängen wird auf geeigneten Mergelböden Weinbau nach der Bauart des Unterlandes getrieben, nur mit dem Unterschied, daß die Reben selten bezogen werden. Obgleich der aus Elblingen-, Gutedel-, Silvaner- und Trollinger-Trauben gewonnene Wein dem Unterländer nachsteht, so wird er doch beinahe um denselben Preis wie dieser meist in den Schwarzwald abgesetzt. Der Morgen liefert im Durchschnitt 4 Eimer; im Jahr 1846 wurde der Eimer zu 50 fl.; im Jahr 1849 zu 12–16 fl. verkauft. Die geringsten Preise eines Morgens Weinberg sind 50 fl., die höchsten 200 fl. Die nicht sehr ausgedehnte Obstzucht beschränkt sich auf Mostsorten und etwas Steinobst; das Obst geräth nicht gerne und wird im Ort selbst verbraucht. Christian Herrmann, welcher eine eigene Baumschule besitzt, gibt sich vorzugsweise mit der Obstzucht ab.

Die Gemeinde besitzt 1230 Morgen mittelmäßig bestockte Waldungen, aus welchen jährlich 150–200 Klafter und 10.000 St. Wellen gehauen werden. Hievon erhält jeder Bürger 1/4 Klafter und 25–30 St. Wellen; an den Gewässern werden Erlen und Weiden gezogen, auch besitzt die Gemeinde einen besondern Weidengarten, der ihr jährlich etwa 160 fl. einträgt.

Was die Viehzucht betrifft, so werden zwar viele Pferde gehalten, aber wenige im Ort selbst aufgezogen. Der Rindviehstand, welcher aus gewöhnlicher Landrace besteht, ist sehr gut und die Zucht wird durch 4 Farren, welche von der Gemeinde und den Widdumshofbesitzern gemeinschaftlich zu halten sind, gefördert; letztere verwenden viel auf die Viehzucht und haben deshalb schon häufig Prämien erhalten. Die Schafzucht ist nicht unbedeutend; etwa 900 Bastarde laufen auf der Markung und finden im Ort Überwinterung; der Weidenpacht und die Pförchnutzung tragen der Gemeinde etwa 1300 fl. jährlich ein. Schweine werden nur wenige gezogen, dagegen viele aufgekauft und theils für den eigenen Bedarf, theils zum Verkauf gemästet.

An Gewerben befinden sich im Ort nur die gewöhnlichen Handwerker, von denen einige Schuster und Schneider auch nach Außen arbeiten. Einen besondern Erwerbszweig für ärmere Einwohner bildet der Gyps, der aus 3 Brüchen gewonnen und auf 14 Mühlen gemahlen wird; er kommt nicht nur in die ganze Umgegend, sondern häufig auch im benachbarten Baden zum Verkauf. Im Ort befinden sich 3 Schildwirthschaften, worunter 1 mit Bierbrauerei; eine weitere Brauerei besteht neben einer Speisewirthschaft.

An der Volksschule unterrichten 1 Lehrer, 1 Unterlehrer und 1 Lehrgehilfe; auch hat der Ort eine Industrieschule und einige Schulstiftungen, deren Zinse zu Anschaffung von Schulbüchern für arme Kinder verwendet | werden. Die Poststraße von Stuttgart über Leonberg nach Calw führt durch das Dorf und bringt denselben einigen Verkehr.

Die Gemeindepflege hat außer den schon angegebenen Einnahmen aus Wald und Weide auch die Zinse aus einem namhaften Capital-Vermögen zu beziehen und nur wenige Schulden zu verzinsen (s. Tabelle III.). Das Vermögen der Stiftungspflege ist unbedeutend.

Was die jetzt durch Ablösung schwindenden Rechte und Gefälle betrifft, so hatte bisher der Staat, welcher auch Grundherr ist, den großen Zehenten, den kleinen theils die Pfarrei, theils der Meßner. Das Heuzehentrecht stand früher dem Staate zu, die Gemeinde erwarb jedoch schon im Jahr 1529 dieses Recht gegen Bezahlung von jährlichen 30 Pfund Hellern, welche im Jahr 1834–35 abgelöst wurden. Der Weinzehente gehörte dem Staat, der Zehente von Wachs und Honig der Pfarrei. Neben dem Staat beziehen nur die Stiftungspflege und der Meßner unbedeutende Grundgefälle.

Westlich vom Ort gegen die Glitzen-Mühle hin trägt eine Flur den Namen „zu Niederhofen“; man stößt dort zuweilen auf Mauerreste, welche einen ehemaligen Wohnort beurkunden. Unfern des Orts führt eine Römerstraße vorüber, in deren Nähe ein römischer Denkstein gefunden wurde (s. d. allgem. Theil). Der Sage nach soll etwa 1/2 Stunde südöstlich vom Ort im Glems-Thal ein Ort „Offenhausen" gelegen haben; noch jetzt wird ein mit einem Wall umgebener Platz als der ehemalige Kirchhof bezeichnet. Nicht weit von dieser Stelle stand vornen auf einem zwischen zwei Waldthälchen auslaufenden Bergrücken die Burg Glemseck, von der Graben und Wall noch vorhanden sind. Auf einer bewaldeten Bergspitze, 3/4 Stunden südwestlich von Eltingen, lag die Maisenburg; man sieht von ihr noch Graben, Wall und ein Gewölbe. In der Mönchsklinge, 3/4 Stunden südöstlich vom Ort, stand ein Waldbruderhaus, von dem noch ein Keller übrig ist. Auf der Markung lag auch der „Heinzenbrunnenhof,“ welcher der Familie von Gaisberg gehörte, im vorigen Jahrhundert aber durch die Gemeinde angekauft und vertheilt wurde; von den Gebäuden desselben ist ein unbedeutendes, das gegenwärtig als Feldhütte benützt wird, noch übrig.

Eltingen kommt erstmals vor um 1100, im Hirschauer Schenkungsbuch (Cod. Hirs. ed. Stuttg. 42).

In der allerfrühesten Zeit mögen sich die Grafen von Calw und die Grafen, nachher Pfalzgrafen, von Tübingen in diesen Ort getheilt haben. Es hat wenigstens Wahrscheinlichkeit, daß der hiesige Besitz der Herren von Eberstein, von denen Berthold und dessen Gemahlin Adelheid mit den Söhnen Berthold, Eberhard und Hugo um 1100 ein Viertel des Orts an das Kloster Hirschau vergabten (Cod. Hirs. a. a. O.), von den | Grafen von Calw stammte. Wenn ferner Graf Ludwig von Arnstein an der Lahn um 1105 an das Kloster Hirschau zehn Hubengüter in Eltingen, 10 Hubengüter in Warmbronn und 1/3 der Kirche in Gebersheim tauschweise an das Kloster Hirschau abgab (Cod. Hirs. 96), so hatte er wohl diesen Besitz von den Grafen von Tübingen, mit welchen er in Geschlechtsverbindung stund (Fischer, Geschl.-Reg. der Häuser Isenburg, 38), erhalten.

Ein Cunradus de Eltingen erscheint am 22. Nov. 1272 in einer Urkunde des Klosters Herrenalb (Mone, Zeitschr. 1, 479).

Bedeutend war der hiesige Besitz des Klosters Hirschau; außer den bereits erwähnten Erwerbungen erhielt dasselbe, unter Anderem (Cod. Hirs. 74. 91), ums Jahr 1140 von Gerhard von Schauenburg salisches Land und 21/2 Hubengüter, auch ein Viertel der Kirche, doch mußte der Abt Volmar (1120–57) dieses alles noch von dem Grafen Ludwig von Württemberg, welchem es um 20 Marken versetzt war, einlösen (Cod. Hirs. 81). Auch das Stift Sindelfingen hatte hier Güter, namentlich einen am 23. August 1271 für 50 Pfund erkauften Wald bei Glemseck.

Mit Leonberg ist der Ort an Württemberg gekommen, welches noch am 13. December 1318 von dem in Schulden gerathenen Kloster Hirschau dessen Höfe nebst Pfarrsatz, auch die Hälfte des Zehenten, ferner am 11. Nov. 1442 von Burkhard von Nippenburg Leibeigene erkaufte.

Ein hiesiger Leutpriester (plebanus) Rugger erscheint in einer Urkunde von 1287, Juni 29. Die Kirche sammt Patronat eignete Graf Eberhard der ältere dem Stift Tübingen am 7. Mai 1487 (Sattler, Grafen 3, Beil. Nr. 107). Neben der Pfarrei bestund eine St. Bernhards-Caplanei.

Die auf der Markung von Eltingen noch bestehenden einzelnen Wohnsitze sind:

a) Die Clausen-Mühle mit 4 Mahlgängen und 1 Gerbgang, 1/2 Stunde nördlich von Eltingen, ganz nahe bei Leonberg gelegen.
b) Die Glitzen-Mühle mit 2 Mahlgängen und 1 Gerbgang, liegt 1/8 Stunde unterhalb Eltingen.
c) Die Lahrens-Mühle, 1/2 Stunde nordwestlich vom Mutterort; sie hat 2 Mahlgänge und 1 Gerbgang.
d) Nur eine kurze Strecke unterhalb der letzteren steht die Schweizer-Mühle mit 2 Mahlgängen und 1 Gerbgang.

Sämmtliche Mühlen liegen an der Glems; sie arbeiten auch bei ganz geringem Wasserstand wenigstens mit 1 Gang sowohl für den Ort, als für die nächste Umgegend.

e) Der Rappenhof, 3/4 Stunden südöstlich von Eltingen, besteht aus einem ansehnlichen, modernen Wohngebäude und 2 Nebengebäuden; | er hat eine freie, hohe Lage oben an dem Rande der Keuperterrasse, von der man eine freundliche Aussicht in das Glems-Thal und gegen den Schwarzwald genießt. Die Güter sind zwar ziemlich eben gelegen, haben aber einen leichten, sandigen Boden, dem bedeutend mit Dünger nachgeholfen werden muß, um ihm nur einigermaßen einen Ertrag abzugewinnen.
f) Endlich liegt das Seehaus, jetzt Hofgut, 3/4 St. südöstlich vom Dorf entfernt, an einem südlichen Abhange in dem stillen, wiesenreichen, mit bewaldeten Gehängen versehenen Glems-Thal; die Gebäude sind gut erhalten und zum Theil neu erbaut. Das Gut ist neuerlich Eigenthum des Freiherrn von Röder geworden, der es durch einen Pächter rationell bewirthschaften läßt; der vorhandene Rindviehstand ist vorzüglich.

Bei dem Seehaus war der schon länger eingegangene Eltinger See, welcher als Staatseigentum im Landbuch von 1623 als 433/4 Morgen groß angegeben ist, daher der jetzige Name des Hofs. Bei diesem Seehaus hatte Herzog Johann Friedrich seiner im Widdumschloß in Leonberg wohnenden Mutter ein Lustschloß bauen lassen, welches aber längst wieder abgegangen ist.


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