« Regglisweiler Beschreibung des Oberamts Laupheim Schnürpflingen »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
Roth.
Gemeinde III. Kl. mit 402 Einwohner. – Kathol. Pfarrei mit dem Filial Bühl.


An dem Vereinigungspunkt des Bachthälchens mit dem Roth-Thale liegt, 5/4 Stunden östlich von Laupheim, der ziemlich große, weitläufig gebaute Ort, welcher theils an den leichten Gehängen gegen die Roth, theils in der Thalebene derselben hingebaut ist. Zwischen den meist kleinen Wohnungen treten zuweilen stattliche Bauernhäuser auf und verrathen die Verschiedenheit der Vermögensverhältnisse der Einwohner, die im Allgemeinen zu den mittelmäßigen gehören. Die Strohbedachung ist von den Ziegelplatten beinahe ganz verdrängt und wird nur noch bei einzelnen Häusern| getroffen. Mehrere laufende Brunnen liefern hinreichend Trinkwasser, das, namentlich in dem oberen Theile des Orts, von besonderer Güte sein soll; überdieß fließt der durch das Bachthälchen führende Bach mitten durch das Dorf, und vereinigt sich unterhalb desselben mit der nahe vorbeifließenden Roth, welche unfern des Orts eine Mühle mit drei Mahlgängen und einem Gerbgang in Bewegung setzt, übrigens nicht selten verheerende Überschwemmungen verursacht. Am Fuß des Pfarrwaldes befindet sich der Hungerbrunnen, dessen periodisches Fließen ein gutes Jahr bedeuten soll. Der untere Pfarrgarten war früher ein Weiher, der nun in Wiesengrund umgewandelt ist. Über die Roth ist eine hölzerne Brücke angelegt, die den Übergang der durch das Dorf führenden Laupheim–Dietenheimer Landstraße sichert; ferner besteht eine Vicinalstraße von Roth nach Achstetten und vereinigt sich dort mit der Ulm–Biberacher Landstraße.

Im östlichen Ortstheile liegt etwas erhöht, inmitten des ummauerten Begräbnißplatzes die Pfarrkirche zu den heil. Georg und Martin. Sie wurde im Jahr 1718 in einem einfachen Styl erbaut, dabei aber der alte, viereckige, aus sechs Stockwerken bestehende Thurm, auf dem ein einfaches Satteldach sitzt, in seiner ursprünglichen, schmucklosen Bauweise gelassen. Auf demselben hängen drei Glocken, von denen die größte 1778, die mittlere 1448 gegossen und die kleinste aber sehr alt ist. Der Chor schließt mit einem halben Achteck, und ist noch mit Strebepfeilern, welche von dem früheren Bau unverändert übrig geblieben sind, versehen. An der Außenseite des Chors befindet sich ein in neuester Zeit gut wieder hergestellter Ölberg. Das Innere der Kirche ist im Rococcogeschmack sehr freundlich ausgestattet und reich an Gemälden, von denen wir außer den zwölf Aposteln, den Hauptaltar mit dem Bild des Gekreuzigten von dem aus Roth gebürtigen Maler Bauer, und die zwei Seitenaltäre, von Huber aus Weissenhorn gemalt, nennen. Die weiß getünchte Kanzel zeigt die vergoldeten Bilder der vier Evangelisten. Im Chor befinden sich mehrere Grabdenkmale von Geistlichen; eines derselben trägt die Umschrift: „Johannes Fürtterer von Pfullendorf, allhiesiger Pfarrer, hat diese Kirche von Fundament größer erbaut Anno 1718, ist gestorben 1737.“

Das angenehm gelegene Pfarrhaus wurde 1829 neu erbaut und befindet sich in gutem Zustande; die Unterhaltung desselben wie der Kirche hat die Stiftungspflege, unter subsidiarischer Concurrenz der bisherigen Zehentherrschaften, des Grafen Fugger-Kirchberg, der Ortspfarrei und der Pfarrei Bußmannshausen.

| In der Nähe der Kirche liegt das alte, jedoch nicht ungeräumige Schulhaus, welches zugleich die Wohnung des ohne Gehilfen angestellten Schulmeisters enthält.

Ein besonderes Rathhaus ist nicht vorhanden, sondern die Gemeinderathssitzungen werden entweder in der Wohnung des Ortsvorstandes oder im Wirthshaus abgehalten.

Südwestlich vom Ort, in der Nähe der Mühle, stand ein dem Grafen von Fugger gehöriges, sehr altes Schloß, welches mit einem Wassergraben umgeben war; dasselbe wurde nebst der in der Nähe gestandenen herrschaftlichen Zehentscheuer im Jahr 1850 um 550 fl. auf den Abbruch verkauft.

Die Einwohner sind im Allgemeinen gesunde, wohlgebaute – und von Charakter etwas derbe Leute; ihre Haupterwerbsmittel bestehen in Feldbau und Viehzucht; minder Bemittelte suchen Verdienst durch Taglohnen, Holzmachen und Spinnen. Der größte Güterbesitz beträgt 120 Morgen Feld.

Die ausgedehnte Markung, von der ein großer Theil aus Waldungen besteht, ist mit Ausnahme des Roth-Thals ziemlich uneben, und hat im Allgemeinen einen fruchtbaren Boden, der theils aus Lehm, theils aus Thon besteht, und nicht selten mit Geröllen und Sand gemischt ist, oder in geringer Tiefe von demselben unterlagert wird.

Das Klima ist etwas rauh und feucht, daher die Einwohner nicht selten von Wechsel- und Nervenfiebern heimgesucht werden; auch die Obstzucht leidet häufig von den vielen kalten Nebeln, und ist deßhalb von keinem Belang.

Die Landwirthschaft wird sehr fleißig betrieben, und zweckmäßige landwirthschaftliche Neuerungen, wie die Einführung des Brabanter Pflugs, die Anlage von Güllenlöchern etc., haben allgemein Eingang gefunden. Im Dreifeldersystem baut man Dinkel, Hafer, Gerste, Roggen und Wicken, letztere meist unter dem Hafer; der durchschnittliche Ertrag wird zu 4 – 7 Scheffel Dinkel, 3 – 4 Scheffel Hafer, 2 – 21/2 Scheffel Roggen und 2 – 3 Scheffel Gerste pr. Morgen angegeben. In der zu 2/3 angeblümten Brache zieht man Kartoffeln, Futterkräuter, Rüben, Flachs und seit einigen Jahren etwas Reps; auch mit Hopfen werden Versuche gemacht, die jedoch nicht den besten Erfolg zeigen. Der Flachs, welcher mit wenigen Ausnahmen nur zum eigenen Gebrauch gebaut wird, kommt außer der Brache auch noch in eigenen Ländern zum Anbau; er gedeiht gut, bleibt aber rauh, weil auf seine Bereitung nicht die nöthige Mühe und Aufmerksamkeit verwendet wird. Die Preise eines Morgens Acker bewegen sich | von 100 – 300 fl. Das Getreide wird meist nach Laupheim abgesetzt.

Der Wiesenbau ist sehr ausgedehnt und liefert im Allgemeinen mittelgutes Futter, das wegen des moorigen Grundes im Roth-Thal nicht selten etwas sauer wird. Die Wiesen, denen keine Wässerung zukommt, sind größtentheils zweimähdig, und liefern durchschnittlich pr. Morgen 15 – 20 Centner Heu und 10 Centner Öhmd; ihre Preise kommen denen der Äcker gleich.

Gemeindewaldungen sind nicht vorhanden, dagegen besitzen einzelne Privaten etwa 70 Morgen mittelmäßig bestockte Fichtenwaldungen; überdieß gehören zur Pfarrei etwa 40 Morgen mit Laub- und Nadelhölzern gemischte Waldungen.

Die namhafte Viehzucht beschäftigt sich mit einer kleinen, meist rothen Allgäuerrace, und wird durch drei Gemeindefarren, welche ein Ortsbürger gegen Entschädigung hält, nachgezüchtet. Mit Vieh wird einiger Handel auf benachbarten Märkten getrieben, und ein Theil des Milcherzeugnisses kommt in die im Ort bestehende Käserei. Der Austrieb des Viehs auf die Herbstweide findet nicht statt.

Die Pferdezucht ist im Allgemeinen gut und beschäftigt sich hauptsächlich mit einem gewöhnlichen Landschlag; die Bedeckung der Stuten geschieht meist durch patentisirte Hengste, seltener auf den Beschälplatten.

Die Brach- und Stoppelweide benützt ein auswärtiger Schäfer gegen einen Pacht von 111 fl. an die Gemeindekasse, der überdieß die Pferchnutzung etwa 60 fl. einträgt. Die Überwinterung geschieht im Ort, und Schafe wie Wolle werden durch Händler nach Frankreich verkauft.

Von den Gewerben sind, außer der schon oben angeführten Mühle, noch eine Schildwirthschaft, eine Bierbrauerei und eine außerhalb des Orts gelegene Ziegelei zu nennen.

Das Fischrecht in der Roth hat der Spital Biberach.

Über den Gemeinde- und Stiftungshaushalt s. Tabelle III.

Das Patronatrecht steht dem Grafen von Fugger-Kirchberg zu.

Etwa 1/2 Stunde östlich vom Ort, in dem Biberach’schen Spitalwald Burschlatt (Burgschlatt), stand eine Burg, von der noch Graben und Wall sichtbar sind; von derselben 1/8 Stunde westlich kommt die Benennung „Heusenburg“ vor. Die Benennung „Voggenweiler“, welche auf einen abgegangenen Wohnplatz hindeutet, trägt eine 1/4 Stunde südlich vom Ort gelegene Flur.

Nordöstlich von Roth liegt ein Walddistrikt, der den Namen | „Allerweltgemeind“ führt, vermuthlich, weil die angrenzenden Markungen Roth, Burgrieden, Bihlafingen etc. ihr Vieh dahintreiben durften und das Holz zu Gemeindezwecken verwendet wurde; diese Berechtigungen haben aufgehört und der Wald ist vertheilt worden.

An dem Kapellenweg östlich vom Ort stand eine Waldkapelle, von welcher 1739 die Abbruchmaterialien zum Kirchenbau in Burgrieden verwendet wurden.

Der Ort war ursprünglich altkirchbergisch und gehörte später den Grafen Fugger-Kirchberg von Weissenhorn. Hiesige Leute und Güter erwarb im Jahr 1453 der Ulmer Spital (s. Burgrieden).

Das Dorf war im Anfang des 16. Jahrhunderts im Besitz der v. Besserer von Ulm und gelangte von diesen an den Spital in Biberach. In der Bedrängniß, in welche diese Stadt durch ihre Theilnahme am schmalkaldischen Kriege (1546 – 1547) und die deshalb an Kaiser Karl V. zu zahlenden Strafgelder gekommen war, verkaufte sie im Jahr 1547 dasselbe an den Grafen Anton Fugger und dessen Gebrüder für 40.000 fl., wodurch das Sprichwort entstand: „Roth hilft Biberach aus der Noth“ (Gesch. der Reformation zu Biberach S. 55). Fortan blieben die Grafen Fugger im Besitz.

Im Jahr 1806 kam der Ort unter bayerische, 1810 unter württembergische Landeshoheit.