« Kapitel B 11 Beschreibung des Oberamts Kirchheim Kapitel B 13 »
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12. Gemeinde Notzingen,
mit Parzelle Wellingen.
a. Notzingen, evangelisches Pfarrdorf mit 903 Einwohnern. Liegt still und freundlich in einem engen und | baumreichen Thälchen, von dem Bodenbache durchflossen, nördlich von dem 3/4 Stunden entfernten Kirchheim, wohin eine vortreffliche Straße führt. Der oben S. 6 erwähnte Bergrücken, welcher das Alpgebirge dem Auge verschließt, die Aussicht auf Hohenstaufen aber offen läßt, trennt den Ort von dem nahe gelegenen Wellingen. Er gehört in die II. Klasse und zum Kameralamte Kirchheim. Der Staat besitzt den großen, kleinen und Heu-Zehenten von der geistlichen Verwaltung, sowie den Weinzehenten von der Kellerei her. Ihm steht auch der Holzzehente in den Gemeinde-Waldungen von Notzingen und Wellingen zu. Zehentfrei sind 6 Morg. 11/2 Vrtl. Von 1818–1840 hat die Gemeinde für 641 fl. 8 kr. grundherrliche Rechte dem Staate abgekauft. Außer diesem sind aber noch mehrere Korporationen und Freiherr von Thumb von Neuburg gefällberechtigt. Notzingen zählt 141 Haupt- und 15 Neben-Gebäude, worunter 1 Gemeinde-Back- und Wasch-Haus, 1 Kelter und 1 Armenhaus. Die neue und geschmackvolle Kirche, mit einer trefflichen Orgel von 12 Registern, wurde 1833 von der Gemeinde mit einem Kostenaufwande von 9400 fl. errichtet und am 20. Oct. eingeweiht. Der alten Kirche geschieht vor 200 Jahren Erwähnung. Das schöne und solide Pfarrhaus hat im Jahr 1824–1826 der Staat erbaut. Das 1839 bis 1840 mit einem Aufwande von 8500 fl. neuerbaute Schul- und Rath-Haus enthält auch die Schulmeisters-Wohnung. Der Ort zeichnet sich durch geringere Sterblichkeit aus. (S. oben S. 43.) Die Einwohner werden von der Pfarrbeschreibung als arbeitsam und genügsam, doch in Sitten etwas roh, und von kaum mittlerem Wohlstande, geschildert. Die Felder, namentlich die Äcker, sind wegen ihrer bergigten Lage und des schweren Lehms nur mittelmäßig fruchtbar. Das Weinerzeugniß ist nach Güte und Menge gering. Ergiebiger ist der Wiesenbau, der nächst der übrigens auch nicht bedeutenden Viehzucht und dem Obstbau Hauptnahrungszweig ist. Der Morgen Ackers wirft 12–20, der Morgen Wiesen 12–18 fl. ab. Die Stallfütterung besteht seit 1841 | völlig. Unter den Gewerben im Orte und Filiale zeichnet sich nur die Baumwollen- und Leinen-Weberei aus; 1835 waren 27 Meister auf 30–40 Webstühlen damit beschäftigt. Schildwirthe sind 3 vorhanden. – Im Jahr 1838–1839 haben die Einnahmen der Gemeindepflege 2968 und die Ausgaben 2590 fl. betragen.

Notzingen und Wellingen gehörten vor Zeiten todt und lebendig zur Kirche Kirchheim (siehe dort.). Doch bestand schon 1440 ein Caplan hier, welchen die Späthe von Thumnau zu nominiren, der Pfarrherr von Kirchheim aber zu bestättigen hatte. Das Caplaneihaus wurde 1576 verkauft. Bis 1821 blieb die Pfarrei mit der zweiten Diakonusstelle unirt, und erst am 3. Juli 1824 ist der erste für die Parochie Notzingen bestimmte Pfarrer ernannt worden. Filial davon ist Wellingen. Das Patronat steht dem Staate zu. Die aus der vorgedachten Diakonat-Besoldung entnommene Pfarrbesoldung ist, wie oben angegeben, verwandelt. Mit dem Zehenten zu Notzingen wurde ums Jahr 1360 Ulrich von Neidlingen belehnt; 1468 verkaufen aber die Grafen Ulrich und Eberhard von Württemberg die Zehenten von beiden Orten an Heinrich Späth von Thumnau, worauf noch in demselben Jahre ein Streit zwischen diesem und dem Kirchherrn von Kirchheim geschlichtet und bestimmt wurde, daß die Novalien dem Letzteren zustehen sollen. Späth verkaufte diese Rechte 1483 für 1600 fl. an die Karthause Güterstein, wodurch sie wieder an Württemberg gelangten. An der für beide Gemeinden gemeinschaftlichen Schule stehen 1 Schulmeister und 1 Unterlehrer. An der Industrieschule giebt eine Lehrerin Unterricht. Seit 1839 ist auch eine Kleinkinderschule, vorerst nur den Sommer über, im Gange, die 40–50 Kinder zählt. – Der Gottesacker liegt ausserhalb des Ortes. Die frühere Viehleihkasse und Doppelspinnerei s. oben S. 91 und 93.

Der Ort wird erstmals im 12. Jahrhundert genannt. Bald nach der Stiftung des Klosters St. Peter kaufte dasselbe duo jugera a tribus fratribus videlicet Adelberone, | Cuonrado et Bertholdo de Nocingen.« Das Kloster Bebenhansen erwarb 1327 eine „Hube“ dahier. Die Grundherren waren jedoch die zu Kirchheim angesessenen Edelleute, von welchen das Kloster Kirchheim die Rechte und Besitzungen allmählig erwarb.

Luitfried von Hüningen verkaufte ihm 1318 ihr Gut zu N. „für ein freies Gut mit Hand, Gunst vnd guten Willen ihrer gnädigen Herren H. Conrad vnd Ludwig von Teck.“ Kraft v. Neidlingen vermacht 1329 seiner Nichte in dem Kloster Kirchheim ein Gut, das er von Eberhard v. Thumnau gekauft hatte. Cunz der Reuß, Chorherr zu Augsburg, verkaufte 1359 „seiner lieben Muhme Bertha von Lichteneck, Klosterfrau zu Kirchheim“ einige Gebäude und Güter, die seiner Mutter Heimsteuer waren, für 12 Pfund Heller. Johann der Truchsäß von Magolshain, Ritter, zu Bichishausen gesessen, verkauft 1360 dem Kloster einen Hof „der da war der von Wiesenstain.“ Dadurch scheint die Vogtei über die Klostergüter, soweit sie zuvor nicht schon teckisch war, an die jeweiligen Besitzer der Stadt Kirchheim gekommen zu seyn, mit der die Hoheit auch an Württemberg gelangte. Auch das Kloster Adelberg besaß 1390 und 1465 einige Gefälle (Steinhofer III. 126) und Höfe, die es von denen von Zillnhart erworben zu haben scheint.

Schon frühe standen daher auch Notzingen und Wellingen in politischer Hinsicht in engerer Verbindung mit der Stadt. Zur Erhaltung der Stadtmauern mußten sie vorzugsweise beitragen, und bis in die jüngste Zeit durfte auch der jeweilige Stadtknecht von jedem hiesigen Bürger, der Garben einheimste, jährlich 1 erheben. Nach dem Saalbuch von 1513 waren noch beide Orte in den Gerichtsstab nach Kirchheim gehörig.

Über das Ministerialen-Geschlecht, das sich, wie wir vorhin sahen, von dem Orte schrieb, wissen wir nichts weiter zu berichten, als daß noch 1551 von einem „Heinrich von Notzingen“ die Rede ist. Vielleicht waren sie desselben Geschlechtes mit denen von Thumnau.

Ein untergegangener Ort, der einst auf der Markung gelegen, war Schlichingen. Im J. 1331 verkaufte Otto Härtnit von Richenegge dem Kl. Kirchheim sein Gut zu Schlichingen, an Äckern, Wiesen, Weiden, Egerten, Holz oder Feld. Eine alte Aufschrift der Urkunde bemerkte „bei Notzingen gelegen und Wellingen.“ Im Jahr 1399 ist von einer Wiese die Rede, welche das Kloster besaß | zu „Kleinschlichingen.“ Weitere Nachrichten fehlen; wahrscheinlich vereinigten sich die Bewohner mit denen von Notzingen und Wellingen.

In dem Dorfe stand einst das Schloß Thumnau. Der Graben ist noch zu sehen, und die umliegenden Gärten, worin jetzt das Pfarrhaus steht, heißen noch jetzt „Burggärten.“ Die Alwer von Thumnau kommen als tecksche Vasallen und Ministerialen im 13. und 14. Jahrhundert vor.

»Alwere de Dumenowe« im J. 1274, »Heinricus filius quondam dicti Alweri de Tumenowe« im J. 1276, »Albertus de Tumenowe« tritt 1294 bis 1318 auf. Fridericus de Tumenowe ist 1309 Commenthur von Hemmendorf. (Beschr. des OA. Rottenburg S. 171.) Eberhard von Thumnau war 1329 und 1347 Chorherr zu Augsburg. Nach ihnen saßen die Rüß hier, welche das Schloß ums J. 1460–1470 an eine Linie der Späth verkauften. „Hans Späth zu Thumnow“ kommt 1471 und 1484 vor. Im J. 1525 wurde das Schloß von den Bauern zerstört; am 26. August 1541 verkaufte Agnes geb. v. Stein, Wittwe des Ritters Kaspar Späth, mit ihren Söhnen Kaspar und Georg an die Gemeinde Notzingen „ihren Burgstall Thumbnau, sammt dem Graben vnd Vorhof, 2 Scheuern, 1 Kelter, den Burghof vnd Garten zu Notzingen,“ nebst mehreren Gütern und Lehen und allen Rechten, die zu dem Burgstall gehörten, für 3820 fl. Der Letzte des Geschlechtes der Späth oder Mager v. Thumnau scheint jener gewesen zu seyn, welcher Willimagd von Ow, Tochter des vormaligen Statthalters, zur Gattin hatte, die im J. 1594 klagte: ihr Hauswirth sey jüngst nach Ungarn wider den allgemeinen Erbfeind der Christenheit zu streiten fortgezogen und habe sie im Elende hinterlassen.

b. Wellingen, Weiler, früher auch Wehlingen, mit 338 ev. Einw. 1/8 Stunde von Notzingen und 1/2 Stunde von Kirchheim entfernt, liegt recht angenehm auf einer der vorgedachten Anhöhen um Notzingen, östlich von diesem und durch eine ganz gute Straße mit demselben verbunden. Die Alp bietet sich hier dem Auge sehr schön dar. Der Ort zählt 60 Haupt- und 13 Neben-Gebäude. Auf einer kleinen Capelle befindet sich eine Uhr und eine Glocke, so, daß die Gottesdienste, welche in dem Mutterorte gehalten werden, eingeläutet werden können. Die Markung ist mit N. gemeinschaftlich und die Einwohner stehen unter der Schultheißerei daselbst. Ein Kirchhof wurde 1838 außerhalb des Ortes angelegt. Im Übrigen theilt derselbe alle seine frühern und jetzigen Verhältnisse mit N. und wurde auf dieselbe Weise erworben. Hans der Reuß verkauft | 1364 dem Kl. Kirchheim sein Gut, genannt Heinrichsgut und einen Theil des Mornhofes; derselbe verkauft 1368 seinen Hof zu Wehlingen, den man nennt Eberli des Stamplers Hof, demselben Kloster. 1396 verkauften Rüdiger und Berthold von Kirchheim, Gebrüder, dem Kl. ihren Hof, und ein Lehen gibt Graf Ulrich von Württ. 1467 der Catherinen-Pfründe daselbst zu kaufen.

Es scheint nicht, daß die Familie v. Wellingen von hier stamme. Bei einem Einfalle eines französischen Streifkorps in Notzingen und W. im Sommer 1796 wurde ein Franzose von einem alten Weibe von Wellingen mit der Mistgabel erstochen und von einem Waldschützen und den Bürgern so lange Widerstand geleistet, bis die Soldaten, welche W. anzünden wollten, wieder abziehen mußten.

Nahe bei Wellingen entspringt der oben S. 23 beschriebene Bodenbach. Auch werden hier Kalksteine gebrochen. S. oben S. 33.


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