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Göttelfingen,
Gemeinde III. Klasse mit 386 Einw. – Kath. Pfarrei.


Der nicht große, übrigens ziemlich regelmäßig angelegte, freundliche Ort, hat auf der Hochebene zwischen dem Neckar- und dem Steinachthale eine freie, ebene, etwas gegen Osten geneigte Lage. Die aus Holz erbauten, mit steinernen Unterstöcken versehenen Gebäude, welche durchaus mit Ziegeln gedeckt sind, enthalten in den unteren Stockwerken die Stallungen und in den oberen die Wohnungen; die Scheunen sind häufig an die Wohngebäude anstoßend und stehen mit diesen unter einem Dache, zuweilen auch getrennt von denselben.

Die dem h. Nikolaus geweihte Pfarrkirche liegt an der Nordseite des Dorfs und ist noch mit dem ehemaligen, ummauerten Begräbnißplatze umgeben; der neue Begräbnißplatz wurde 1836 außerhalb des Orts angelegt. Das Langhaus der Kirche wurde 1788 an der Stelle des früheren im Rococostyl neu erbaut, während man den alten oblongen Thurm stehen ließ; er ist dreistockig und hat nur im obersten Stockwerke, auf dem ein einfaches Satteldach sitzt, spitzbogige Fenster. Von den auf dem Thurme hängenden Glocken trägt eine die Jahrszahl 1464. Das Innere der Kirche ist freundlich und an der flachen Decke ist ein Freskogemälde, die Himmelfahrt Christi vorstellend, angebracht. Das Bild des im Chor stehenden Hauptaltars stellt die Himmelfahrt der Maria vor und von den im Schiff befindlichen Seitenaltären enthält der eine den h. Joseph mit dem Christuskinde, der andere den h. Nikolaus; die Altäre sind im Rococogeschmack gehalten und die Gemälde von ziemlich guter Ausführung. Die Unterhaltung der Kirche steht der Heiligenpflege zu. Auf den südlich vom Ort gelegenen Kapellenäckern stand eine Kapelle.

| Das gut erhaltene Pfarrhaus mit seinem Ökonomiegebäude und ansehnlichem Baumgarten liegt in der Nähe der Kirche und wird von der Heiligenpflege unterhalten.

Das Rath- und zugleich Schulhaus wurde 1844 neu erbaut; es enthält, außer den Gelassen für den Gemeinderath, ein Lehrzimmer. Der Schulmeister wohnt in einem abgesonderten, der Gemeinde gehörigen Gebäude. Den Winter über besteht eine Industrieschule.

Gutes Trinkwasser liefern sieben Pumpbrunnen und auf den Fall der Feuersgefahr ist eine kleine Wette im Ort angelegt.

Die Einwohner sind im allgemeinen wohlgewachsene, fleißige Leute, die sich bei einer einfachen und sparsamen Lebensweise in guten Vermögensumständen befinden; letztere haben sich besonders in neuerer Zeit gehoben, indem im Jahr 1856 die auf der Markung gelegenen Güter des Fürsten von Waldburg-Zeil-Trauchburg (300 Morgen Äcker und 33 Morgen Waldungen) an eine aus Ortsbürgern bestehende Gesellschaft um den billigen Preis von 70.000 fl. verkauft wurden. Der vermöglichste Ortsbürger besitzt 33 Morgen Felder und 1 Morgen Waldungen, der sogen. Mittelmann 20 Morgen Felder und 7/8 Morgen Waldungen und die minder bemittelte Klasse 4 Morgen Felder. Die Volkstracht, welche früher der Tracht des Gäus (gelbe Lederhosen, Dreispitz-Hüte etc.) ähnlich war, hat sich allmählig geändert und die Männer kleiden sich jetzt meist in Tuch und an die Stelle des dreispitzen Huts ist die Mütze, der Schlapp- und der runde Hut getreten; das weibliche Geschlecht ist ziemlich bunt in Zeuglen und Wollstoffe gekleidet. Von Volksbelustigungen lieben die Einwohner hauptsächlich den Tanz, der bei Hochzeiten auch von Verheiratheten noch geübt wird. Die Hochzeiten, welche bei Vermöglichen zwei Tage dauern, werden zahlreich besucht, dabei trägt die jungfräuliche Braut als Ehrenschmuck eine sogen. Schappel. Die Haupterwerbsquellen bestehen in Feldbau und Viehzucht; von den Gewerben, die meist nur den nöthigsten örtlichen Bedürfnissen dienen, sind hauptsächlich die auch auswärts arbeitenden Maurer, eine Schildwirthschaft mit Bierbrauerei und ein Krämer zu nennen.

Die nicht große Markung, von der ein Theil mit Wald bestockt ist, bildet eine von unbedeutenden Thälchen und Rinnen durchzogene wellenförmige Hochebene, deren fruchtbarer Boden größtentheils aus Lehm besteht, bei dem an einzelnen Stellen die aus der Lettenkohlengruppe bestehende Unterlage der Oberfläche so nahe kommt, daß sie Einfluß auf dieselbe zu äußern vermag und einen sandigen Lehm, zuweilen auch einen schweren Thonboden hervorbringt. Etwa 1/4 St. | westlich vom Ort sind zwei sehr ergiebige Lettenkohlensandsteinbrüche, welche im Eigenthum von Privaten stehen, angelegt. Eine Lehmgrube ist vorhanden.

Zur Besserung des Bodens wird neben den gewöhnlichen Düngungsmitteln, die in gut angelegten Düngerstätten gesammelte Jauche fleißig benützt und überdieß Gips angewendet.

Die Landwirthschaft wird im Dreifeldersystem unter Anwendung des amerikanischen Pflugs fleißig und umsichtig getrieben; man baut die gewöhnlichen Getreidearten und von diesen vorzugsweise Dinkel und Gerste. In der zu 3/4 angeblümten Brache kommen Kartoffeln, Futterkräuter, Reps, Flachs und Hanf zum Anbau. Bei einer Aussaat von 1 Scheffel Dinkel und 3 Simri Gerste auf den Morgen werden 11–12 Scheffel Dinkel und 7 Scheffel Gerste geerntet. Die Ackerpreise bewegen sich von 300–750 fl. per Morgen. Von den Felderzeugnissen werden Getreide, Reps und Hopfen, der in neuerer Zeit häufig gebaut wird, an Aufkäufer abgesetzt.

Die durchgängig zweimähdigen Wiesen, denen keine Bewässerung zukommt, sind ergiebig und liefern gutes Futter; ein Morgen erträgt durchschnittlich 25 Centner Heu und 15 Centner Öhmd und kostet 400–800 fl.

Die Obstzucht ist nicht beträchtlich und beschränkt sich auf die um das Dorf liegenden Baumgärten und auf den Baumsatz an einigen Straßen; es werden die gewöhnlichen Kernobstsorten, Zwetschgen und Pflaumen für den eigenen Bedarf gezogen. Die Jungstämme bezieht man aus den benachbarten Baumschulen.

Weiden sind außer der Brach- und Stoppelweide nicht vorhanden; letztere war bis jetzt an einen fremden Schäfer um 230 fl. jährlich verpachtet; gegenwärtig beabsichtigt ein Ortsbürger eine Schafheerde anzuschaffen und hat deshalb mit einem Auswärtigen die Schafweide auf drei Jahre gepachtet. Die Pferchnutzung trägt der Gemeindekasse jährlich gegen 300 fl. ein.

Was die Viehzucht betrifft, so ist die der Pferde von keinem Belang, dagegen die Rindviehzucht ziemlich gut; einer größeren Ausdehnung steht der nicht ausgedehnte Wiesenbau im Wege und aus diesem Grunde werden auch im Herbste häufig Ochsen und Stiere verkauft und im Frühjahr wohlfeiler wieder eingekauft. Es werden verschiedene Racen (Ansbacher, Limburger und Schweizer) gehalten und durch gute Farren, worunter ein Schweizer Zuchtstier, nachgezüchtet.

Die eigentliche Schweinezucht ist nicht bedeutend; die Ferkel | (halbenglische) werden meist von Außen eingeführt und für den eigenen Bedarf, theilweise auch zum Verkauf gemästet. Beinahe jeder Bürger schlachtet alljährlich ein Schwein ins Haus.

Von Geflügel werden Hühner, Gänse und Enten gezogen, die häufig an Händlerinnen und in benachbarte Wirthschaften zum Verkauf kommen.

Die Bienenzucht treiben einige Bürger mit gutem Erfolg.

Der Ort liegt zwei Stunden nordöstlich von der Oberamtsstadt; Vicinalstraßen sind nach Baisingen, Eutingen und Hochdorf angelegt.

Die Gemeinde besitzt 126 Morgen Waldungen, von deren jährlichem, in 41 Klaftern bestehendem Ertrag jeder Bürger gegen Entrichtung von 3 fl. 1/2 Klafter erhält; überdieß sind noch 80 Morgen Privatwaldungen vorhanden.

Es bestehen drei Stiftungen gemeinschaftlich für die Gemeinden Göttelfingen und Vollmaringen und zwar:

1) Eine Almosenstiftung (der Stifter ist nicht genannt) von 4705 fl.; auf ihr ruhen ständige Ausgaben für Besoldungen, für Messen, Wachs etc. Der Rest der Zinsen mit etwa 90 fl. wird zur Unterstützung bedürftiger Einwohner, namentlich bei Unglücksfällen an Vieh verwendet und zwar gegenwärtig 60 fl. für Vollmaringen und 30 fl. für Göttelfingen.

2) Die v. Hornstein-Welsberg’sche Stiftung mit 1300 fl., von deren Zinsen 21 fl. 30 kr. als Besoldungen für Meßner und Hebammen abgehen; mit den übrigen Zinsen werden kranke Personen in beiden Orten unterstützt.

3) Die Stiftung der verstorbenen Gräfin Johanna von Waldburg-Zeil-Trauchburg im Betrag von 3000 fl. mit der Bestimmung, daß ärmere Knaben der beiden Orte zur Erlernung von Handwerkern Beiträge erhalten sollen.

Sämtliche Stiftungen werden von einem Beamten der fürstlichen Standesherrschaft Waldburg-Zeil-Trauchburg verwaltet.

Die von Eutingen nach Vollmaringen führende Römerstraße zieht etwa 400 Schritte westlich am Ort vorüber.

Etwa 1/4 Stunde nördlich vom Ort befindet sich im Gemeindewald Mark ein altgermanischer Grabhügel.

Göttelfingen, welches in seiner ältesten Schreibung Gotelibungun auf „Gottlieb“ als Stammwort hinweist, heißt – zum Unterschied von Göttelfingen O.-A. Freudenstadt – „Göttelfingen im Gäu“ (1346. Schmid Mon. Hohenb. 393).

| Der Ort mit einem eigenen Schlosse, das erst in diesem Jahrhundert abgebrochen wurde, war ein reichsfreies Gut, das zum ritterschaftlichen Kanton Neckar-Schwarzwald wie alle übrigen in dieser Gegend steuerte; Inhaber desselben war im Jahr 1346 Friedrich v. Weitingen zu Urnburg seßhaft, der am 12. Juli vogteiliche Gefälle daselbst um 400 Pfund Heller an seinen Oheim Kadolt von Wehingen veräußerte. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gehörte Göttelfingen nebst Vollmaringen samt dem reichslehnbaren Blutbann den Edlen von Neuhausen (bei Eßlingen; z. B. Reinhard von Neuhausen 1572). Im J. 1605 belehnte solche K. Rudolf II. mit dem Blutbann über die beiden Orte (Betrachtungen über den Blutbann in Schwaben 28). Als Marx Caspar von Neuhausen bald nach 1626 starb, erbte diese Besitzungen sein Schwager Otto v. Ow (siehe bei Felldorf), dessen Söhne sie mit dem Blutbann im Jahr 1657 um 24.000 fl. an Jacob Rudolph Streit von Imendingen verkauften. Hierauf kamen sie an den Freiherrn von Rost, kaiserlichen Landvogt in Rottenburg (aus einem Tiroler Geschlecht), 1689 durch Johanna von Rost an ihren Gatten den Grafen von Welsberg, dann durch Anna von Welsberg an ihren Gatten Thaddä Amand Joh. Maria Freiherrn von Hornstein-Weiterdingen. Durch seine Verheirathung mit Johanna, Tochter Leopolds Freiherrn von Hornstein, erbte Maximilian Wunibald, Fürst von Waldburg-Zeil-Trauchburg († 1818), Göttelfingen und Vollmaringen. Beides kam 1805 unter württembergische Landeshoheit, unter welcher anfänglich aus Göttelfingen und Vollmaringen ein fürstliches Patrimonialobervogteiamt gebildet wurde, welches jedoch 1809 in dem Oberamt Horb aufging. Der Enkel des genannten Fürsten, Fürst Constantin, verkaufte im Jahr 1856 alle seine hiesigen Güter, 333 Morgen (300 Morgen Äcker und 33 Morgen Waldung) für 70.000 fl. an Ortsbürger.

Die hiesige Pfarrei, früher ein Filial der Pfarrei Eutingen, stiftete im Jahr 1521 das Chorstift Horb und Margarethe von Gültlingen, geb. von Wolmershausen, Gemahlin des Ritters Wolf von Gültlingen. Am 10. Merz 1521 erfolgte zunächst blos die Pfarrkaplaneistiftung, welche Bischof Hugo von Constanz am 18. April d. J. bestätigte.[ER 1] Es alternirte der Pfarrsatz zwischen dem genannten Chorstift und der Gutsherrschaft. Der Antheil des Chorstifts kam über die Krone Württemberg an das Bisthum Rottenburg, mit welchem der Fürst von Zeil in der Besetzung[ER 2] der Stelle abwechselt.

Errata

  1. S. 185 L. 8. [WS: lies L. 8 v. u.] Die markierte Textpassage wurde eingefügt. Siehe Berichtigungen und Nachträge, Seite 273–276.
  2. S. 185 L. 2 v. u. statt „Bestätigung“ lies: Besetzung. Siehe Berichtigungen und Nachträge, Seite 273–276.


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