« Kapitel B 18 Beschreibung des Oberamts Geislingen Kapitel B 20 »
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19. Kuchen,

evangelisches Pfarrdorf mit 1174 Einw., 1 Stunde nordwestlich von Geislingen im fruchtbaren Filsthale auf der linken Seite der Fils, welche hier den Seitelbach aufnimmt, an der Landstraße. Dekanat und Kameralamt Geislingen, Forstamt Kirchheim.

Den großen Zehnten bezieht der Staat, den kleinen die Pfarrei; die Grundbeschwerden sind größtentheils abgelöst. Die Markung begreift 2874 Morgen.

Der Ort ist von 3 Seiten von hohen Bergen umgeben, welche mit Waldbäumen und Gebüschen bewachsen sind, hat ein freundliches Aussehen und zählt 211 Gebäude, worunter 156 Wohnungen; die Einwohner sind fleißig und betriebsam und suchen dem beschränkteren Grundbesitz den größtmöglichen Ertrag abzugewinnen. Die Obstbaumzucht wird sehr stark betrieben und das Obst von Kuchen ist geschätzt. Außerdem hat der Ort 100 Weber und 10 Branntweinbrenner; erstere treiben ziemlichen Handel. Auch ist in der Nähe des Orts ein Schneckengarten, aus welchem man jährlich 30–33000 Schnecken, meist nach Ulm, von wo aus viele nach Wien gebracht werden, verkauft. Die Gemeinde hat noch 2100 fl. Schulden, und es wird jährlich ein Gemeindeschaden von 600 fl. umgelegt; die Stiftung besitzt 8825 fl. Vermögen und etwa 6–700 fl. jährliche Einnahmen, und hat die Baulast der Kirche. Die Baulast des Pfarrhauses hat der Staat. Die besonders verwaltete Siechenpflege besitzt ein Vermögen von 3200 fl.

Kuchen war bis zum Jahr 1430 ein Filial von Altenstadt, in welchem Jahre Bischof Otto von Constanz eine eigene Pfarrei im Orte errichtete und die Kirche erbaut wurde. Ihr Patron war ehemals der heilige Jakob.

Unweit der Filsbrücke gegen Altenstadt stand das ehmalige Siechenhaus (mit der Jahreszahl 1476), in welches früher Kranke, seit 1783 einige arme Personen von Geislingen, Altenstadt und Kuchen aufgenommen wurden, und in dessen Kapelle der Pfarrer viermal im Jahr Predigt und | Kommunion zu halten hatte. Im Jahr 1811 wurde das Siechenhaus abgebrochen und das Vermögen unter die genannten Orte vertheilt. Das Kirchlein, dem Einfallen nahe, dient noch als Scheuer.

Kuchen erscheint zuerst im Jahr 1270 als Cuochen in einer Urkunde Graf Ludwigs von Spitzenberg, worin er seiner Schwester Agnes, verwitweten Gräfin von Aichelberg, hier 2 Höfe überläßt (Sattler Grafen 1. Beil. Urk. Nr. 36). Die Urkunde selbst ist in villa Cuochen ausgestellt. Im Jahr 1292 den 13. April ist ein Ernestus de Chuochen Zeuge, als Graf Ulrich von Helfenstein sich des Vogtrechts über den kl. adelbergischen Hof Michelsberg begibt. Im Jahr 1471 hatte Hans von Uffenloch allhier leibeigene Leute, welche er an Ulm verkauft.

Westlich vom Orte Kuchen erhob sich die Burg Spitzenberg, auf einem Berge gleichen Namens, von der sich jetzt nur noch die Grundmauern eines Thurmes, ähnlich dem Ödenthurm bei Geislingen, und Spuren ihres Grabens finden. Die Besitzer, welche sich davon schrieben, treten im 12ten Jahrhundert in die Geschichte ein; sie sind eine Nebenlinie der Grafen von Helfenstein. Ludewicus de Spitzenberg, welcher im Anfang des genannten Jahrhunderts in dem Schenkungsbuch des Kl. Reichenbach (bei Kuen Collectio T. 2. S. 61) vorkommt, ist der erste bekannte Herr, welcher sich nach Spitzenberg nannte.[1]

Das Weitere über die Grafen von Spitzenberg haben wir oben, S. 142 und folg. bei den Grafen von Helfenstein berichtet. Der letzte, welcher sich von Spitzenberg schrieb, Graf Eberhard († am Ende des 13ten Jahrhunderts), verlor seine Burg nebst dem unter ihr liegenden Kuchen, welche an | das Reich fiel und von K. Albrecht im Jahr 1304 nebst der Vogtei über Kl. Lorch dem Grafen Eberhard von Württemberg um 2000 Mark verpfändet wurde, aber schon im Jahr 1315 wieder an die Familie ihrer ursprünglichen Besitzer gelangte, jedoch blos als Reichslehen. Graf Eberhard von Württemberg überließ im genannten Jahre mit Einstimmung der Söhne K. Albrechts, Leopold und Heinrich von Österreich, das Pfand, das er an Spitzenberg und Kuchen hatte, für 3000 Pfd. Heller an Graf Ulrich von Helfenstein. (Sattler Graven 1ste Forts. 1767 S. 82.) – Bei der Theilung zwischen Ulrich d. ä. und Ulrich d. j. im Jahr 1356 fiel Spitzenberg dem ältern Bruder zu.

Nordwestlich von Spitzenberg, gegen Grünenberg hin, ragt ein bewaldeter Hügel, der von der Alp vorspringt, so daß er fast ganz von ihr getrennt scheint, genannt Hennenberg. Auf demselben stand ein Schloß, von dem man noch die Gräben sieht. Ein ausgefahrener tiefer Weg führt auf die Höhe desselben. Die Volkssage läßt hier eine prächtige Burg gestanden haben, und wegen ruchlosen Lebens der Bewohner auf einmal von der Erde versunken seyn.

Zu Kuchen bestand lange Zeit ein helfensteinischer Zoll, welcher auch dem Orte wegen nöthigen Verweilens der Fuhrleute manchen Nutzen abwarf. Im Jahr 1356 gestattete K. Karl IV. dem Grafen Ulrich von Helfenstein dem ä. und seinen Erben zu Kuchen unter Spitzenberg von jedem daselbst durchgehenden Pferde eben so viel Zoll zu nehmen, als man zu Geislingen nimmt. Im Jahr 1358 den 13. Nov. verschreibt sich Graf Ulrich d. j. für sich und seine Erben den Zoll zu Kuchen, den K. Karl IV. seinem Vetter Graf Ulrich d. ä. gegeben, den aber dieser ihm (Gr. Ulrich d. j.) zu gleichem Theil zu nehmen vergönnt hat, nicht zu nehmen, falls er oder seine Erben das seinem Vetter gethane Gemächte, die Herrschaft zu erben, widerrufen sollten. Jeder Theil soll sich an die Rechte halten, die sie jetzt haben. Seine Schwester (Schwägerin) Fr. Adelheid von Hohenlohe, seines Vetters Mutter und ihre Erben sollen von dem Zoll jährlich 60 Pfd. | vorausnehmen. (Vergl. über den Zoll zu Kuchen auch Jäger Ulm S. 373 und die bei Geislingen angeführten Urkunden über den dortigen Zoll.) Mit andern Thalorten ging Kuchen nebst Spitzenberg im Jahr 1396 an Ulm über und ward hiemit im Jahr 1802 bairisch, im Jahr 1810 württembergisch. In ulmischer Zeit gehörte es zum Amte Süßen.
  1. Es fragt sich jedoch, ob bei diesem Spitzenberg nicht an eine anderswo gelegene gleichnamige Burg zu denken ist (Spitzberg bei Tübingen hieß freilich in früherer Zeit Odinburc), da Ludwig Dienstleute in Rexingen (O.A. Horb) und Thailfingen (O.A. Herrenberg) hatte (Kuen a. a. O. S. 60). In demselben Schenkungsbuch (S. 61) erscheint Richenza de Spizenberc, und im Hirschauer Traditionskodex (auf dem K. Staatsarchiv, Bl. 35) eine Richinsa vidua de Spizenberg, welche in Riederich (O.A. Urach) ein Gut an Kloster Hirschau schenkt. Sie ist wahrscheinlich die Gemahlin dieses Ludwig.


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