« Kapitel B 9 Beschreibung des Oberamts Geislingen Kapitel B 11 »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
10. Drackenstein,

katholisches Pfarrdorf mit 264 Einwohnern, 4 Stunden südwestlich von Geislingen, Dekanat Eybach, Kameralamt Wiesensteig, Forstamt Kirchheim, theilt sich in Unter- und Oberdrackenstein (beim Volke Unter- und Oberstein).

Die Lage des Orts ist äußerst romantisch. Von Gosbach zieht sich ein enges Seitenthal südwärts, in welchem der Frauenbach oder die Gos fließt; erst nahe am Orte, bei einer Wendung des Weges, erblickt man die einzelnen Häuser wie an den Berg hingestreut, und Kirche und Pfarrhaus auf einem mächtigen Tuffsteinfelsen, der einen Halbkreis bildet und von welchem sich eine Quelle etwa 60′ hoch herabstürzt, die bei größerem Wasser einen artigen Wasserfall bildet, und auch bei kleinerem beständig bilden würde, wenn nicht der Müller das Wasser zu seinem Nutzen | verwendete, so daß jetzt bei gewöhnlichem Wasserstand nur auf Bestellung das in einem Bassin gesammelte Wasser herabgelassen wird. In dem Tuffsteinfelsen, gerade unter der Kirche, befindet sich das Todtenloch, eine Höhle, 40′ hoch und etwa 12′ breit; eine 4′ hohe Spalte führt in einen unterirdischen Gang, welcher sowohl mit dem Altar in der Kirche, als mit der ehemaligen Burg in Verbindung gestanden seyn soll. Dieser im Jahre 1753 zugemauerte Gang konnte verrammelt werden, und noch sieht man die Löcher, in welche die Querbalken geschoben werden. Vor einigen Jahren wurden von dem damaligen Pfarrer Denkinger hübsche Anlagen angelegt, welche fortwährend durch eine Aktien-Gesellschaft erhalten werden. Der Verein nennt sich „Verein zur Verschönerung von Drackenstein.“

An dem gegen Norden gelegenen Berg ist ein großer Erdschlipf, welcher sich unten in einen großen Kessel endigt, in welchem sich das aus dem Drachenloch stürzende Wasser sammelt. Dieses Drachenloch ist etwa 16′ oberhalb des Kessels, und soll nach der Volkssage von großer Tiefe seyn; genauer untersucht ist es noch nicht, auch ist es ohne künstliche Mittel nicht zugänglich.

Unterstein, wo die Kirche und das Pfarrhaus ist, liegt auf einem nicht sehr bedeutenden Bergvorsprung, welcher in die Niederung des hier anfangenden Gosbachthales hereinragt und im Rücken mit dem Hauptgebirg zusammenhängt; es ist so nahe am Berge, daß man die Sonne von Mitte Dezembers bis gegen Lichtmeß nicht mehr selbst, sondern nur ihren Schein an dem gegenüber liegenden Berge sieht. Oberstein, auf der Höhe gelegen, 1/4 Stunde von Unterstein entfernt, ist mit diesem durch eine Steige verbunden. Bei seiner hohen Lage muß sich Oberstein mit Hülbenwasser behelfen.

Beide Orte zusammen zählen 67 Gebäude, nämlich Unterstein 40, Oberstein 27. Die eigene Markung von Drackenstein beträgt 797 Morgen, und die gemeinschaftliche Markung von Drackenstein und Gosbach (s. unten) 1751 | Morgen. Die Felder sind von nur mittelmäßiger Fruchtbarkeit, einige so rauh, daß sie nur alle 10, manche alle 20–25 Jahre einmal umgebrochen und mit Haber besät werden können. Die Einwohner sind deshalb größtentheils arm; doch ist Oberstein wohlhabender als Unterstein. In Unterstein sind 2 Mahlmühlen und 1 Ölmühle. Sonst sind hier, außer Bauern, Maurer, wenig Gipser, welche, wie die Gipser überhaupt, im Winter Spindeln verfertigen, Taglöhner, 2 Wirthe. Im Sommer gibt der Tuffsteinbruch in Unterstein mehreren Einwohnern Beschäftigung.

Den großen Zehnten, welcher schon in herzoglichen Zeiten im württembergschen Besitz war, bezieht der Staat, er ist an sämmtliche Zehntpflichtige mehrjährig verpachtet. Der kleine Zehnte gehört der Pfarrei. Heu- und Öhmdzehnte wird keiner gereicht.

Die Baulast des Pfarrhauses hat der Staat, der Kirche die Stiftung, welche ein jährliches Einkommen von etwa 120 fl. hat.

Die Kirche, zum h. Erzengel Michael, frei auf einem Tuffsteinfelsen gelegen, hell und freundlich, enthält außer ein Paar altdeutschen Gemälden auf Goldgrund mehrere Grabmähler der Ritter von Westerstetten. Ein Grabstein, welcher liegend in die Wand eingemauert ist, zeichnet sich durch hohes Alter aus; lesbar an ihm sind gegenwärtig nur die Worte: IN DIE PHILIPPI ..... (Westerst)ETEN MILE(s). Erwähnung verdient auch das Grabmal Hans von Westerstetten, † 1584. Es stellt in erhabener Arbeit Gott den Vater vor, die Weltkugel in der Hand haltend, unter ihm den heiligen Geist, in Gestalt einer Taube, tiefer unten Christus am Kreuz u. a. m. Über diese Familie der Herren von Westerstetten, welche von 1264–1636 beurkundet sind, vrgl. Raiser in der Zeitschrift für Baiern. 1817. Bd. 1. S. 346. Memminger Ulm. S. 245.

Im 14. Jahrhundert gehörte Drackenstein denen von Westernach, im 15. kam es an die von Westerstetten, welche | sich deshalb zugleich Herren zu Trackenstein schrieben. Im Jahre 1589 verkaufte Eitel Fritz von Westerstetten Gut und Schloß Trackenstein sammt beiden Weilern und dem Hof zu Hohenstadt, Mördlins Hof genannt, an den Freiherrn Kaspar Bernhard von Rechberg, der es aber noch in demselben Jahre an den Grafen Rudolf von Helfenstein († 1601) verkaufte. Das Schloß, welches auf einem kleinen Gebirgs-Vorsprung hinter dem Dörfchen Unterdrackenstein, nahe bei Oberdrackenstein stund, wurde wegen Baufälligkeit im Jahre 1679 abgebrochen; seine Stelle ist noch an den daliegenden Steinhaufen erkennbar.

Vom 17. Jahrhundert an theilte der Ort das Schicksal der Herrschaft Wiesensteig, und wurde unter anderem im Jahre 1752 an Baiern verkauft.

Drackenstein kommt zuerst den 1. Juli 1207, und zwar unter dem Namen Steine vor, aus Veranlassung, daß Bischof Werner von Constanz die Stiftung des Kirchensatzes in Drackenstein und eines Gutes in Wittingen etc. an Kloster Ursperg, welche Anselm von Justingen und seine Mutter Mathilde gemacht hatten, bestätigte, wie diß sonst schon seine Vorgänger Berthold († 1179), Hermann und Diethelm gethan (Urk. des K. Staats-Arch.), eine Bestätigung, welche den 3. Nov. 1208 Erzbischof Sigfried von Mainz (ebendas.), desgleichen den 6. Juli 1209 Papst Innocenz III. (Lang Reg. Boic. 2, 36) wiederholte. Kloster Ursperg kaufte unter anderem im J. 1431 dem Stifte Constanz die Annaten wegen der Pfarrei Drackenstein ab (Cleß Kulturgesch. C. S. 428). Es veräußerte jedoch sein Patronatrecht im Jahre 1533 an das Kloster Adelberg (Rink S. 97), welches im nämlichen Jahre dieses Recht wieder an Württemberg verkaufte. (Cleß B. S. 113). In ältern Zeiten war Gosbach nach Drackenstein eingepfarrt (s. Gosbach). Neben der Pfarrstelle bestund in Drackenstein eine Kaplanei, welche im Jahre 1841 aufgehoben und deren Einkommen theils der Pfarrei Drackenstein, theils der Pfarrei Baisingen (stauffenbergisches Patronat) zugewiesen wurde. Das Patronatrecht zur Pfarrstelle hat | die Krone, das zur aufgehobenen Kaplanei hatten die Freiherren von Stauffenberg, auf welche solches von denen von Westerstetten, den Stiftern dieser Kaplanei, überging. Drackenstein gehörte zu den wenigen (vergl. Hausleutner Archiv 1, 381) katholischen Pfarreien, wozu Altwürttemberg den Pfarrsatz hatte. In den Jahren 1787–90 war hier Pfarrer der bekannte Beda Pracher, Benediktiner aus Neresheim, welcher den 25. Juli 1819 als General-Vikariatsrath starb.


« Kapitel B 9 Beschreibung des Oberamts Geislingen Kapitel B 11 »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).