Beschreibung des Oberamts Freudenstadt/Kapitel B 38

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Unter-Musbach,
Gemeinde III. Kl., Dorf, mit 351 Einw., wor. 1 Kath. – Filial von Grünthal; die Kath. sind nach Heiligenbronn, O.A. Horb, eingepfarrt.


Das mittelgroße, etwas abgeschiedene Dorf hat eine angenehme Lage theils in dem nicht tief eingeschnittenen Stockerbach-Thälchen, theils an den mäßigen Gehängen desselben; eine etwas weitläufig gebaute Häusergruppe lagert sich noch über den rechten Thalgehängen und zieht bis an den Saum des nahe gelegenen Waldes Wässerle. Die Entfernung vom Ort bis zu der südwestlich gelegenen Oberamtsstadt beträgt 11/2 Stunden und die bis zu dem südlich gelegenen Mutterort 1/2 Stunde; mit letzterem ist der Ort durch eine Vicinalstraße, die weiter nach Freudenstadt führt, verbunden und außer ihr ist noch eine Vicinalstraße nach Hallwangen angelegt. Die meist mit Ziegeln gedeckten Gebäude sind zum Theil sehr ansehnliche Bauernwohnungen, der größere Theil derselben ist minder groß, übrigens nicht unfreundlich.

Das imposant hervorragende Schulhaus wurde im J. 1822/23 neu erbaut und im J. 1842 demselben ein weiteres Stockwerk aufgesetzt; es enthält außer den geräumigen Schulgelassen die Wohnung des Lehrers und die für den Gemeinderath bestimmten Zimmer. Auf dem First des Schulhauses sitzt ein kleines Thürmchen mit einer Glocke, welche im Jahr 1823 von einer Wittwe Eva Seeger gestiftet wurde. Eine Industrieschule und ein Armenhaus sind vorhanden.

Der Begräbnißplatz wurde erst 1828 außerhalb (nördlich) des Orts angelegt; früher sind die Todten in Hallwangen beerdigt worden. Durch vier laufende Brunnen wird der Ort mit gutem, nie versiegendem Trinkwasser hinreichend versehen; überdieß fließt der Stockerbach mitten durch den Ort und setzt daselbst eine Sägmühle in Bewegung.

Die Einwohner sind kräftige, fleißige, betriebsame Leute, die sich durch Feldbau, Viehzucht und Arbeiten in den Waldungen ihr Auskommen sichern; ihre Vermögensumstände sind im Allgemeinen ziemlich befriedigend. Der ausgedehnteste Güterbesitz beträgt 40 Morgen, der gewöhnlichste 12 Morgen. Von Gewerben sind 3 Potaschesiedereien und eine Schildwirthschaft zu nennen.

Die Feldgüter der ziemlich großen, übrigens zur Hälfte mit Wald bestockten Markung liegen meist eben und haben im Allgemeinen einen mittelfruchtbaren, schweren, rothen Thonboden (Verwitterung | des rothen Schieferlettens); ein kleiner, östlich vom Ort liegender Distrikt besteht aus Wellenmergel, in welchem auch eine Grube angelegt ist, die zur Besserung der Felder Mergel liefert. Überdieß werden außer den gewöhnlichen Düngungsmitteln auch noch die Abfälle aus den Potaschesiedereien und etwas Compost angewendet.

Der Feldbau, welcher theils im Dreifeldersystem, theils willkürlich mit Fleiß betrieben wird, liefert nicht so viel Ertrag, daß er das Bedürfniß der Einwohner befriedigen könnte, daher noch viel Getreide von Außen gekauft werden muß. Man baut Dinkel, Roggen, Hafer, Gerste, Kartoffeln, Angersen, Kohlraben, Rüben, Riesenmöhren, Flachs und Hanf. Bei einer Aussaat von 9 Sri. Dinkel, 41/2 Sri. Roggen, 6 Sri. Hafer und 4 Sri. Gerste, wird der durchschnittliche Ertrag pr. Morgen zu 5 Scheffel Dinkel, 2 Scheffel Roggen, 6 Scheffel Hafer und 31/2 Scheffel Gerste angegeben. Die sehr gesunkenen Güterpreise bewegen sich bei den Äckern von 10–70 fl. und bei den Wiesen von 80-500 fl. pr. Morgen. Die Wiesen, welche im Thal liegen und bewässert werden können, sind gut und ertragen durchschnittlich 22 Ctr. Heu und 10 Ctr. Öhmd. Die übrigen liefern etwa 12 Ctr. Futter pr. Morgen.

Die Obstzucht nicht beträchtliche und liefert selten einigen Ertrag, indem das Klima zu rauh ist und Frühlingsfröste, kalte Nebel etc. auf die Obstbäume schädlich einwirken.

Der Rindviehstand (Landrace) ist gut und erlaubt einigen Handel mit Schmal- und Zugvieh; es findet Stallfütterung statt und nur im Spätjahr wird das Vieh noch auf die Güter ausgetrieben.

Eigentliche Schweinezucht besteht nicht, dagegen werden Ferkel von Außen eingeführt und zum eigenen Bedarf gemästet.

Die Bienenzucht ist ziemlich namhaft.

Die Gemeinde gehörte zu den Waldgedingorten und erhielt für ihre Gerechtsame im Jahr 1833 von dem Staat 500 Morgen Waldungen, hievon wurden der Gemeinde 300 Morgen zugetheilt, den Rest erhielten die berechtigten Bürger mit je 6–10 Morgen. Das in den Gemeindewaldungen alljährlich geschlagene Holz wird verkauft und der Erlös mit 5–600 fl. fließt in die Gemeindekasse.

Über das Vermögen der Gemeinde- und Stiftungspflege s. Tabelle III.

Etwa eine Stunde nordwestlich vom Ort an der Markungsgrenze zwischen Ober- und Unter-Musbach tief im Wald versteckt stand in neuerer Zeit die sog. Gallushütte, die ein gewisser Gallus Schupp, nur unter dem Namen Galle bekamt, erbaute und gegen 50 Jahre als Einsiedler bewohnte. Inner dieser Zeit wanderte er nach Polen | aus, kehrte aber nach Verfluß eines Jahres zurück und suchte seinen früheren, einsamen Wohnplatz wieder auf. Schupp war, so viel man aus ihm herausbringen konnte, in der Gegend von Freiburg im Breisgau zu Hause, desertirte vermuthlich aus dem Militär und suchte sich deshalb diesen einsamen Aufenthalt, wo er sich durch Waldarbeiten und namentlich durch Kohlenbrennen seinen Unterhalt verschaffte. Er erbaute nicht nur seine Hütte selbst, sondern verfertigte sich auch sein nöthiges Hausgeräthe. Im Jahr 1847 brannte die Hütte ab und Schupp mußte nun nach Unter-Musbach, wo er hingewiesen war, übersiedeln; er starb im Jahr 1849 angeblich 85 Jahre alt.


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