Beschreibung des Oberamts Freudenstadt/Kapitel B 36

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Thumlingen,
mit der Lützenhardter Mühle,
Gemeinde III. Kl. mit 379 Einw., wor. 1 Kath. – Evang. Pfarrei, zu welcher als Filiale Cresbach etc. gehören; die Kath. sind nach Heiligenbronn, O.A. Horb, eingepfarrt.


Das ziemlich große Dorf liegt 31/4 Stunden östlich von der Oberamtsstadt nahe der östlichen Bezirksgrenze gegen das Oberamt Horb, in dem ziemlich breiten, wiesenreichen Waldach-Thale, das eigentlich erst in der Nähe des Orts beginnt und noch nicht tief eingeschnitten ist.

| Nach der Sage soll der Ort ursprünglich, außer der nun abgebrochenen St. Martinskirche, nur aus 2 Bauernhöfen bestanden und diese allmälig sich zu Häusergruppen vergrößert haben, welche gegenwärtig noch von einander getrennt im Munde des Volks Ober- und Unter-Thumlingen genannt werden. Die Gebäude sind zum Theil ansehnlich und durchaus mit Ziegeln gedeckt; auch die durchgängig gekandelten Ortsstraßen befinden sich in ziemlich gutem Zustande.

Die in der Mitte des unteren Dorftheiles stehende Kirche wurde im Jahr 1752 in einem ganz einfachen Style ohne Chor erbaut. Der ziemlich hohe, viereckige, mit einem Zeltdach versehene Thurm ist in seinen unteren Theilen massiv erbaut, während die oberen aus Holz ausgeführt sind. Von den auf demselben hängenden 2 Glocken ist die größere 1675, die kleinere 1839 gegossen worden. Das durch schlecht bemalte Emporen verdunkelte Innere der Kirche hat außer einem alten, im germanischen Geschmack schön ausgeführten, hohlen Taufstein nichts Bemerkenswerthes. Die Baukosten der Kirche haben zu 2/3 die Gemeinde Thumlingen und zu 1/3 die Gemeinde Hörschweiler zu tragen. Die schon erwähnte bis zur Erbauung der neuen benützte alte Kirche stand auf einer Anhöhe 1/4 Stunde südlich vom Ort, auf der Stelle, wo sich gegenwärtig der für die Gemeinden Thumlingen und Hörschweiler bestimmte Begräbnißplatz befindet. Sie war früher eine häufig besuchte Wallfahrtskirche und wurde erst im Jahr 1823 abgebrochen; der Thurm dagegen stand noch bis zum Jahr 1834, in welchem Jahr er in der Neujahrsnacht durch einen heftigen Sturm zur Hälfte einstürzte und dann vollends abgetragen wurde. Die Steine von der Kirche sind größtentheils zum Neubau des Schulhauses und zur Erweiterung der Kirchhofmauer verwendet worden.

Das nahe an der jetzigen Kirche angenehm gelegene Pfarrhaus ist nach einer an dem Eingang über dem württembergischen Wappen angebrachten Jahreszahl 1713 erbaut und vom Staat zu unterhalten.

Das Schulhaus mit eingerichteter Wohnung für den Schulmeister und einem Gemeinderathszimmer wurde im Jahr 1824 von der Gemeinde neu erbaut. Eine Industrieschule besteht neben der Volksschule.

Es bestehen schon längst 2 Gemeindewaschhäuser, in welchen vor etwa 9 Jahren auch öffentliche Backöfen eingerichtet wurden. Auch ist ein Armenhaus, in dem auch die Löschgeräthschaften aufbewahrt werden, vorhanden.

Der Ort ist der Sitz eines Revierförsters, der ein am nördlichen Ende des Orts angenehm gelegenes, gut erhaltenes Gebäude bewohnt, welches Eigenthum des Staats ist und im Jahr 1797 erbaut wurde.

| Gutes Trinkwasser liefern in hinreichender Menge 3 laufende Brunnen und ein sehr reichhaltiger Schöpfbrunnen, der das beste Wasser im Ort führt; überdieß befinden sich mehrere Quellen auf der Markung, von denen die im Mergenthal und Schneckenlöchle die bedeutendsten sind. Auch sind mehrere periodisch fließende Quellen vorhanden. Ein nun in Wiesengrund umgewandelter Weiher bestand in den sog. Thalwiesen. Die Waldach fließt durch den Ort und nimmt in demselben einen kleinen Seitenbach auf; sie beherbergt Gruppen und zuweilen Forellen. Das Fischrecht hat der Staat um 1 fl. jährlich verpachtet.

Die Einwohner, welche neben Feldbau und Viehzucht auch Holz- und Bretterhandel treiben, sind im Allgemeinen fleißige, geordnete Leute; außer einzelnen Wohlhabenden finden sich ziemlich viele Mittelbegüterte und zum Theil Unbemittelte. Der ausgedehnteste Güterbesitz beträgt 90 Morgen Felder und 10 Morgen Waldungen, der gewöhnliche etwa 40 Morgen Güter. Außer den für die nöthigsten örtlichen Bedürfnisse dienenden Gewerben sind zu nennen: eine Sägmühle, 3 Schildwirthschaften, worunter eine mit Bierbrauerei, eine weitere Bierbrauerei und 2 Krämer.

Die mittelgroße, über die Hälfte für die Landwirthschaft benützte Markung, ist ziemlich uneben und hat im Allgemeinen einen mittelfruchtbaren Boden, der in der Richtung gegen Lützenhardt rothsandig (Verwitterung des bunten Sandsteins), gegen Schopfloch schwer lettig (Verwitterung des Wellenmergels) und gegen Grünmettstetten kalkhaltig (Verwitterung des Hauptmuschelkalks) ist.

Die klimatischen Verhältnisse sind der Gesundheit zuträglich und schon bedeutend milder als in den eigentlichen Schwarzwaldorten, dagegen schaden Frühlingsfröste und kalte Nebel häufig dem Obst, daher die Obstbaumzucht, obgleich auf ihre Emporbringung in neuerer Zeit viel verwendet wird, selten einen erheblichen Ertrag liefert. Hagelschlag kommt wenig vor.

Die Landwirthschaft wird im Dreifeldersystem mit unbedeutendem Bracheinbau fleißig betrieben und zur Besserung der Felder benützt man, außer den gewöhnlichen Düngungsmitteln, Gyps, Hallerde etc.

Reichlichere Düngung als die Äcker erhalten die Wiesen, von welchen nur ein kleiner Theil bewässert werden kann. Man baut hauptsächlich Dinkel und Hafer, weniger Gerste, Roggen, Weizen und Einkorn; überdieß kommen noch Kartoffeln, Futterkräuter, Hanf, Flachs, Angersen, Kohlraben und etwas Reps zum Anbau. Kraut wird in eigenen Ländern gezogen. Auf den Morgen sät man 9 Sri. Dinkel, 5 Sri. Hafer, 4 Sri. Gerste, 31/2 Sri. Roggen, 4 Sri. | Weizen, 5–6 Sri. Einkorn und erntet durchschnittlich 6 Scheffel Dinkel, 5 Scheffel Hafer, 5 Scheffel Gerste, 4–5 Scheffel Roggen, 6 Scheffel Einkorn und 5 Scheffel Weizen. Die Güterpreise bewegen sich bei den Äckern von 20–200 fl. und bei den Wiesen von 80–400 fl. pr. Morgen. Die Getreideerzeugnisse befriedigen nicht nur das örtliche Bedürfniß, sondern erlauben noch einen namhaften Verkauf nach Außen.

Der Wiesenbau ist nicht so ausgedehnt, daß er das für den Viehstand nöthige Futter liefern würde, daher viel Futterkräuter gepflanzt werden; der durchschnittliche Ertrag eines Morgens Wiese beträgt 25 Ctr. Heu und 12 Ctr. Öhmd.

Was die Viehzucht betrifft, so werden Pferde nur wenig gezogen, dagegen ist die Pferdehaltung nicht unbeträchtlich. Der aus einer gewöhnlichen Landrace bestehende Rindviehstand ist ziemlich gut und wird durch 2 Farren, die ein Bürger mit Unterstützung von Seiten der Gemeinde hält, nachgezüchtet. Wegen des Mangels an Futter kommt das Vieh noch in die Waldungen auf die Weide. Mit Zug- und Schmalvieh wird einiger Handel getrieben.

Schweine werden nicht gezüchtet, dagegen viele Ferkel von Außen aufgekauft und für den eigenen Bedarf gemästet.

Die Ortsbürger haben das Recht je im Verhältniß ihrer zu entrichtenden Grundsteuer, Schafe auf der Markung laufen zu lassen, deren Zahl gegenwärtig etwa 200 Stück beträgt; die Pferchnutzung bringt der Gemeindekasse jährlich 100–200 fl. ein. Ziemlich viele Ziegen werden von Unbemittelten der Milch wegen gehalten. Die Gemeinde besitzt gegen 600 Morgen gut bestockte Nadelwaldungen, deren jährlicher Ertrag früher unter die Bürgerschaft vertheilt wurde. Gegenwärtig aber fließt der Erlös aus dem Holz mit etwa 1800 fl. in die Gemeindekasse, um damit die vorhandenen Schulden zu decken. Die Gemeinde hat nämlich im Jahr 1837 ein Kapital von 36.000 fl. aufgenommen und dasselbe an die Bürgerschaft vertheilt, so daß jeder Bürger 750 fl. als Schuld übernahm unter der Bedingung, daß die Zinse jährlich am Holzgeld der Einzelnen abgezogen, das Kapital aber allmälig von dem Erlös des in den Gemeindewaldungen gefällten Holzes abbezahlt werde. Diese gut gemeinte Maßregel hatte keine günstigen Folgen, indem die erhaltenen Gelder von den Bürgern nicht zweckmäßig genug verwendet und die Waldungen wegen der Heimzahlung des Kapitals zu sehr in Anspruch genommen wurden.

Überdieß muß neuerer Zeit Gemeindeschaden umgelegt werden, s. Tab. III. über den Gemeinde- und Stiftungshaushalt.

| Durch Vicinalstraßen nach Lützenhardt, Hörschweiler, Schopfloch, und Grünmettstetten ist der Verkehr des Orts mit der Umgegend hinlänglich gesichert.

Die zum Gemeindeverband gehörige Lützenhardter Mühle mit 2 Mahlgängen und einem Gerbgang, ist bei Lützenhardt an der Waldach, 1/2 Stunde nördlich vom Mutterort, getrennt von der Markung Thumlingen gelegen.

Der Ort Thumlingen kommt im J. 782 erstmals vor; damals machte ein gewisser Isenhard dem Kloster Lorsch eine Schenkung in Tungelingen villa (Cod. Laur. Nr. 3305).

Im 13. Jahrh. war der Ort in gräflich Sulzischem Besitz; Hermann Graf von Sulz verkaufte ihn nebst Pfarrsatz den 19. März 1267 an M. Eberhard von Horb und seinen Bruder Dietrich von Horb für 30 Mark.

Späterhin gelangte er an die Herren von Neuneck und am 23. April 1625 ist er von Wildhans von Neuneck als freies Eigenthum an Herzog Johann Friedrich von Württemberg verkauft worden.

Die hiesige ritterschaftliche Collectation wurde durch Württemberg im J. 1769 auf ewige Zeiten eingetauscht.

Die Oberlehensherrlichkeit über die Pfarrei war schon im 15. Jahrhundert württembergisch und wurde z. B. den 13. Juni 1499 an die von Neuneck verliehen (Scheffer 77). Der älteste bekannte hiesige Pfarrherr ist Burkhard in einer Urkunde vom 12. März 1269 (St.A.). Die Reformation wurde erst 1626 nach dem Verkauf an Württemberg eingeführt; 1626–27 wurde die Kirche von Dornstetten aus als Filial versehen und 1627 bekam der Ort seinen ersten lutherischen Pfarrer. Die Kirchenstelle hängt von landesherrlicher Collatur ab.

In Folge des 30jährigen Kriegs, während dessen die Einwohner zeitweise nach Pfalzgrafenweiler oder nach Dornstetten eingepfarrt waren, zeitweise 1635–38 auch der lutherische Gottesdienst dem katholischen hatte weichen müssen, schmolz die Einwohnerschaft einmal auf 22 Seelen herab.

Lützenhardt. Andreä’s Lan̅dbuch von 1744 erwähnt einen Freihof Lützenhard, dem Baron von Keller von Schlaitheim gehörig, Lehen von Österreich, auf welchen die Herrschaft Württemberg durch die Vogtei Dornstetten die hohe Jurisdiction auszuüben berechtigt ist.


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