« Kapitel B 9 Beschreibung des Oberamts Ellwangen Kapitel B 11 »
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10. Lippach,
Gem. III. Kl., 474 Einw. 1. Lippach, Pfarrdorf, mit Stockmühle, Haus, 426 Einw., wor. 4 Ev., Fil. von Kapfenburg; 2. Finkenweiler, Hof, 17 Einw.; 3. Lindorf, Weiler, 31 Einw.

Der Ort, z. Th. noch mit Häusern mit Strohdächern, liegt auf der rechten Seite der Jagst, da wo von allen Seiten kleine Bäche zu einem Thalbecken zusammenkommen. Die Lage ist nicht ohne landschaftlichen Reiz, gebieterisch steigt über Wiesen und Wäldern im Südwesten die nahe Kapfenburg auf. Die der hl. Katharina geweihte Kirche mit Dachreiter stammt in ihrer gegenwärtigen Gestalt aus den Jahren 1665–67: ad praesentem formam perductum sacellum a. 1665–1667. Communitas Lippacensis aegre tamen dotationem suscepit. Im J. 1777 wurde der vordere Chor gebaut, 1781 die Kirche gemalt.

An das breite Schiff schließt sich ein vieleckiger Chor. An der Schiffdecke ein rohes Freskobild: Mairle 1867, mit der Legende der h. Katharina. Im Chorbogen schöne 2/3 lebensgroße gothische Holzfiguren, Barbara und Ottilia, an der Nordwand schöne Madonna mit Kind. – Am Osteingang ins Dorf steht an der Brücke die Nepomukskapelle. Das Pfarrhaus wurde 1772 von der Gemeinde als Kaplaneihaus erbaut. Der Friedhof wurde 1818 außerhalb des Orts angelegt und mit einer Mauer umzogen. Schulhaus und Rathhaus, aus dem Jahr 1881, sind unter einem Dach. Hinlängliches Trinkwasser liefern 16 Pump- und 20 Schöpfbrunnen. Die Jagst fließt mitten durch die Markung. Über sie geht im Ort eine steinerne Brücke; östlich vom Dorf dehnte sich ein großer Weiher aus. (Vergl. u. S. 626 f.). Das Wirthshaus auf einem römischen Burstel, später adeliger Sitz, hat eine isolirte Lage und war von jenem Weiher und mit Wassergräben umgeben (s. S. 340.) In der alten Zeit muß dieser Burstel wie eine Insel aus dem Weiher geragt haben. Die Vermögensverhältnisse gehören zu den mittleren, die Nahrungsquellen sind Feldbau und Viehzucht; auch die Gänsezucht ist nicht unbedeutend. Eine Bierbrauerei besteht. Die Gemeinde hat 30 Morgen gemischten Wald, der unter die Gemeinderechtsbesitzer vertheilt ist. Aus der Weide bezieht sie jährlich 450 bis 500 M., aus dem Pferch 250–275 M.

| Die Kirchenpflege besitzt 14.400 M., außerdem besteht eine Stiftung von Graf Philipp Karl von Oettingen-Baldern, Domherrn zu Cöln, Speier, Eichstätt, mit 1000 fl., für Handwerkerlehrlinge.

Der Name des früher auch Lidbach, Litbach, Littbach geschriebenen Ortes ist vielleicht von dem althochdeutschen lidu, lith = ? Wasser und Bach, oder von einem nicht ganz seltenen, wahrscheinlich zwar nicht deutschen, aber mehrfach auf deutschem Gebiet vorkommenden und mit deutschen Elementen zusammengesetzten Stamm für Flußnamen Lup, sowie dem althochdeutschen aha, ach = Wasser, Bach, Fluß abzuleiten (vgl. Förstemann, a. a. O. Sp. 999. 1026; Buck, a. a. O. S. 1, 165).

In die Geschichte tritt Lippach ein als der Sitz eines nach ihm genannten Ortsadels, indem im J. 1153 Liutfried von Litebach als Zeuge in einer die Kirche zu Unter-Schneidheim betreffenden Urkunde (Wirt. Urkb. 4, 359), im J. 1239 ein Ritter Heinrich von Litbach mit seinen Söhnen als Zeuge des Ritters Eckehard von Bopfingen vorkommt (Wirtb. Urkb. 3, 427); auch Ekkehart von Litebach, Vater von Agnes Gemahlin des im 1. Viertel des 14. Jahrhunderts genannten Heinrich von Reichen zu Bissingen (bayr. AG. Höchstätt), dürfte hieher zu beziehen sein (vgl. Steichele a. a. O. 3, 585). In der Folge scheinen die benachbarten Familien von Gromberg und von Pfahlheim ganz oder theilweise im Besitze des Orts gewesen zu sein, nannten sich wenigstens nach demselben; so den 14. Juni 1311 Eberhard von Grunenberk genannt von Litbach (s. o.), in den Jahren 1357–1378 Ritter Rudolf von Pfahlheim, 1396, 1403 Lutz von Pfahlheim „von Lippach“, zu Lippach gesessen. Genannter Rudolf insbesondere verwies nach Ostern (24. März) 1364 seine Gemahlin Ursula, Eberhards von Königsegg Tochter, mit ihrer Heimsteuer und Morgengabe im Betrag von 1500 Pfd. Hllr. unter Einwilligung des Abts Kuno von Ellwangen als des Lehensherrn auf das Weiler zu „Tötenrod“, das Weiler zu „Elwinswinde“, je ein Gut zu Erpfenthal, zu Kraßbronn, zu Haselbach, das Lehen zu Hart, je einen Hof zu dem Berg (OA. Neresheim), zu Beerhalden, des Zehen Hof zu Lippach, bestellte auch den genannten Eberhard von Königsegg und Dietrich von Westhausen zu Trägern. Allein Rudolf von Pfahlheim, wohl der Enkel des vorgenannten, verkaufte ums Jahr 1440 seinen hiesigen Besitz „Lippach das Weiler mit etlichen | anderen dazu gehörigen Gütern“ an Heinrich von Westerstetten und den Kapfenburger Komthur Simon von Leonrodt. Letzterer Käufer scheint seinen Antheil am Erwerb dem Westerstetten abgetreten zu haben, denn[1] am 26. August 1446 verkauften die Vormünder der Kinder Wolfs von Westerstetten, Rudolf und Wolf, an Graf Ulrich von Oettingen alle Güter, Nutzungen und Stücke zu Lippach und dem Berge, welche diese Kinder von ihrem Vater und von ihrem Vetter Fritz von Westerstetten ererbt, mit aller Nutzung und Gerechtigkeit, wie solche obiger Heinrich, ihr Vetter und genannter Simon von Rudolf von Pfahlheim erkauft, als rechtes Lehen vom Abt von Ellwangen, um 950 fl. Zwar wurde Rudolf und seinen Erben das früher ausbedungene Wiederkaufsrecht ausdrücklich vorbehalten, allein den 2. Nov. 1450 verzichtete sein Sohn Sigmund für 150 fl. auf dieses alte Wiedereinlösungsrecht, wogegen er sich alsbald für sich und seine Geschwister ein neues ausbedang. Von nun an bildete Lippach einen Bestandtheil der öttingischen Herrschaft Baldern (OA. Neresheim), deren Schicksal es theilte[2]. Den 15. August 1455 empfing Graf Ulrich vom Abt Johann mit Schloß Baldern auch Lyppach das Dorf mit sammt dem Burgstall, Weiher und Bau und was dazu gehört, auch die Höfe zum Berge (OA. Neresheim) und die 3 Tagwerk Wiesen zu untern Lippach mit ihren Zugehörden zu Lehen, ein Besitz, den er noch am 14. Februar 1464 von Propst Albrecht bestätigt erhielt. Allein bald darauf, den 15. Mai 1466, verpfändete er denselben – 2 halbe Meierhöfe, 1 Hof, 1 Mühle, 15 Lehen, 1 Hirtenlehen, die Abgaben von diesen Gütern, vom Hirten und Wiesmad und den Nutzen von Finkenweiler, ferner 74 Unterthanen sammt 1 Hirten und 1 Flurer, mit 5 ganzen und 1/2 Bauernhof, 11 Lehen und 60 Sölden, die Gefälle hievon, auch das Wiesmad sammt Abgabe zu Zöbingen, 1 Lehen, 1 Reute, die Hirtschaft und das Hirtenlehen sammt Gülten zu Walxheim, den Kreuthof sammt Gülten, Buchhausen den Hof sammt Gülten, den Hof zu Riepach sammt Gülten, 3 Höfe sammt Gülten zu Wöhrsberg[ER 1], 2 Höfe, 1 Lehen mit Gülten zu Lindorf, den Hof zu Harthausen mit Gülten, 1 Hof zu Halheim u. s. w. – an Lutz von Zipplingen, Wilhelm Schenk von Schenkenstein und | weitere 13 adelige Genossen, welche ihn wieder an Wilhelm von Rechberg von Hohenrechberg abtraten, so daß letzterer am 6. März 1468 von Propst Albrecht damit belehnt wurde. Nachdem Graf Ulrich den Besitz wieder eingelöst hatte, verpfändete er ihn und so auch dieses Ellwanger Lehen, den Weiler Lippach, am 23. Dezember 1473 um 9700 fl. an Herzog Ludwig den Reichen von Bayern, worauf dessen Sohn, Herzog Georg von Bayern, von Propst Albrecht belehnt wurde (Landtagsverhandlungen a. a. O. 350). Doch räumten die bayrischen Herzoge, Gebrüder Albrecht und Wolfgang, bereits den 28. Dez. 1505 Schloß und Herrschaft Baldern sammt aller Zugehör mit Einwilligung des Grafen Wolfgang dem Grafen Joachim von Oettingen und seinen Erben um dieselbe Summe wieder ein und wurde Joachim im J. 1507 von Propst Albrecht wieder belehnt. An ihn schloß sich die erste und dann die zweite Balderner Linie des öttingen-wallersteinischen Hauses an, worauf die Herrschaft nach dem Aussterben der letzteren im J. 1798 an die Hauptlinie Oettingen-Wallerstein fiel (vgl. auch unten Zöbingen). Das Lehensverhältnis zu Ellwangen dauerte fort, so daß z. B. noch am 18. August 1772 Graf Joseph Anton von Oettingen-Wallerstein von Seiten des Propsts Anton Ignaz, sowie nach der Säkularisation Ellwangens den 13. Dez. 1838 Fürst Friedrich Kraft Heinrich von Oettingen-Wallerstein von König Wilhelm von Württemberg die Belehnung empfing, bis der Lehensverband nach dem Ministerialerlaß vom 11. Jan. 1868 aufgehoben wurde (vgl. auch den Lehensbrief vom 25. Sept. 1668 in der Eventual-Gegen-Konklusionsschrift in Sachen Oettingen-Spielberg contra Oettingen-Wallerstein 1710, Adjuncta S. 35 Nr. 53).

Übrigens wurde nicht aller Besitz dahier wallersteinisch, denn am 22. Nov. 1465 verkaufte Konrad von Pfahlheim den Hof Farenbach zu Lippach mit Besitz zu Beersbach an das Ellwanger Kapitel und so werden auch in der Topographia Ellvacensis von 1733 2 Mühlen, 3 Halbbauern, 26 Löhner, 23 Söldner (zus. 54) als öttingen-baldrisch, 1 Löhner als kapitelisch aufgeführt, und kamen im J. 1802 als ellwangisch 7 hiesige Unterthanen, die Mehrzahl dagegen, 395, früher öttingen-wallersteinisch, im J. 1810 von Bayern an Württemberg. Auch gehörten früher Güter und Gülten dahier zur Herrschaft Schenkenstein (OA.Beschr. Neresheim S. 196).

Ein großer Weiher, an welchem das Dorf lag, war im J. 1433 dem Komthur zu Kapfenburg und den Herren von | Westerstetten gemeinsam; da er für den Gesundheitszustand der Einwohner ungünstig wirkte, wurde er im J. 1832 vollends trocken gelegt.

Weil die Dokumente hinsichtlich der Markungen sowohl, als der Weide, Hut, Triebs u. s. w. im 30jährigen Kriege zu Grunde giengen, so wurden diese Punkte im J. 1653 auf Grund von Zeugenvernehmungen in einem neuen Gemeindelibell normiert.

Auf dem hiesigen Wirthshause sollen früher Edelleute gehaust haben, welche lutherisch geworden, zuerst nach Lauingen, dann nach Nördlingen gezogen seien, woselbst noch Nachkommen von ihnen leben.

Die hiesige im J. 1450 erwähnte, ganz in Zerfall gerathene St. Katharinenkapelle wurde im J. 1665 ff. von der Gemeinde mit Beihilfe des Gr. Ferdinand Maximilian von Oettingen-Baldern und des Komthurs von Kapfenburg wieder hergestellt und am 23. Juli 1668 von neuem eingeweiht. – Den Grund zur Errichtung einer Kirchenstelle in dem seitherigen Filial von Lauchheim legte im J. 1768 Andreä Mayerhöfer, Pfarrer in Zöbingen, ein geborener Lippacher, mit einem Kapital von 5000 bis 6000 fl. Dasselbe vermehrten die Grafen Franz Ludwig und Philipp Karl von Oettingen mit 3500 fl., Pfarrer Vaß in Holdingen mit 1000 fl. Im J. 1775 wurde die Kaplanei von dem Grafen Oettingen-Baldern besetzt, dieselbe 1822 von der Mutterkirche getrennt und zur selbständigen Pfarrei erhoben, bei welcher königliches Patronat – seit 1858 bischöfliche Kollatur – mit öttingisch-wallersteinischem abwechseln sollte (Neher a. a. O. S. 128). – Der erste eigentliche Schullehrer wurde hier 1784 angestellt, nachdem bisher des Lesens und Schreibens kundige Männer von Lauchheim und hier Schule gehalten.

Die Stockmühle liegt 1 km oberhalb an der Jagst, wurde im J. 1722 von Oettingen-Baldern verpfändet, 1793–98 jedoch wieder eingelöst.

Finkenweiler, Hof, liegt 1 km östlich von L., in der Nähe der Schanze.

Eine Hube zu Vinkenwiler erhielt Graf Ludwig von Oettingen den 8. März 1304 von Ritter Raban von Holheim (bayer. A.G. Nördlingen) zu Lehen aufgetragen. Einen Hof zu Vingkenweiler bekam den 21. Dez. 1443 Rudolf Weiler (von der S. 572 ff. genannten Familie) von Graf Johann von | Oettingen zugleich im Namen von dessen Brüdern, den Grafen Ulrich und Wilhelm, zu Mannlehen, verkaufte aber bereits am 23. Juni 1451 seine zwei hiesigen Höfe, einen Eigen, den andern Lehen, wie er sie von seinem Vater Georg sel. mit seinen Brüdern ererbt und sie ihm bei der Theilung zugefallen, um 360 fl. an Graf Ulrich von Oettingen. Im Besitze der öttingischen Familie blieb denn auch Finkenweiler bis in die neuere Zeit, wenn es gleich an Bauern hinausgegeben wurde, und werden daher im J. 1733 die beiden hiesigen Halbbauern als öttingen-baldrisch genannt. Erst mit der Gefäll- und Zehentablösung erloschen die öttingenschen Rechte hierselbst. Die Gebäude selbst stunden früher näher bei Lippach und wurden nach Anfang des vorigen Jahrhunderts von Graf Maximilian von Oettingen-Baldern an ihre jetzige Stelle verlegt.

Lindorf, Weiler, mit eigener Markung, liegt fast 3 km nordöstlich von L., auf leichter Anhöhe rechts der Jagst; nordöstlich davon „Kapelläcker“.

Der Weiler wird zuerst im Gült- und Rechtsbuch des Klosters Ellwangen vom Jahr 1339 (s. u. Röhlingen), sodann aus Anlaß der Verpfändung des Jahrs 1466 (S. 625) erwähnt; im J. 1733 zählte er 2 Bauern, 1 Halbbauer, 1 Löhner, sämmtlich öttingen-baldrisch (vgl. auch unten Zöbingen).



  1. Vgl. v. Falkenstein, Analecta Nordgaviens. 1, 299 ff.
  2. Vgl. zum Folgenden: OA.Beschr. Neresheim S. 204 ff.; Baierische Landtagsverhandlungen v. 1429–1513, Bd. 14. S. 398.

Errata

  1. S. 625 Z. 6 v. u. l. Wöhrsberg st. Wörnsberg. Siehe Nachträge und Berichtigungen. Seite XVI.
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