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15. Stetten mit der Seemühle.


a. Stetten, ein evang. Pfarrdorf mit Marktgerechtigkeit, 21/2 St. östlich von Canstatt, mit 1949 Einw., Hof-C. A. und Forst-Verw. Stetten, C. A. Canstatt und F. A. Schorndorf. Grundherr ist die K. Hofkammer, die hier auch eigenthümliche Güter hat. Den großen Frucht- und den Wein-Zehnten hat die Hofkammer, die neuerlich auch den kleinen und den Heuzehnten, welche die Pfarrstelle zu beziehen hat, von dieser gegen eine jährliche Vergütung übernommen hat. Die Grundgefälle betragen 38 fl. 20 kr. in Geld, 34 Schfl. 71/4 S. D., 19 Schfl. 2 S. H., 3 Schfl. 41/4 S. glatte Früchte, und 51 E. 1 I. 11/2 M. Wein, welche die K. Hofkammer zu erheben hat, mit Ausnahme von 7 fl. 56 kr. in Geld und 1 E. 7 I. Wein, welche der Stiftungspflege Stetten, und 6 I. 71/4 M., die dem Kirchen- und Schul-Fonds zu Eßlingen gehören. Lehen sind keine vorhanden, aber die von der Herrschaft in den Jahren 1691 und 1692 verkauften Güter entrichten noch zum Beweis der vorbehaltenen Wiederlosung Auf- und Abfahrts-Gelder, die jedoch ganz unbedeutend sind.

Stetten wird zum Unterschied von andern Orten gleiches Namens „Stetten im Remsthal“ genannt, es liegt jedoch nicht im Remsthal selber, sondern an einem Bache in einem Seitenthale davon. Die Lage des Orts ist sehr angenehm, mild und fruchtbar. Mit dem Remsthal, so wie mit dem Neckar- und Filsthal ist es durch gute Straßen verbunden. Der Ort ist Sitz eines K. Hof-Cameralamts, eines Hofk. Revierförsters und einer Erziehungs-Anstalt etc., er hat ein K. Schloß, eine gut gebaute Pfarrkirche, ein Rathhaus, ein Schulhaus, eine Apotheke, 3 Schildwirthschaften, 2 Mahlmühlen, mehrere andere Gewerbe und 2 Vieh- und Krämer-Märkte. Das Schloß steht am nördlichen Ende des Dorfs. Es ist ein gut erhaltenes und sehr geräumiges Gebäude, das aus verschiedenen Theilen besteht und mit schönen Garten-Anlagen verbunden ist. Die| Gebäude rühren aus verschiedenen Zeiten her: als Conrad v. Thumb 1508 das ganze Dorf zusammengekauft hatte, fing er an, wie Gabelkofer erzählt, das Schloß mit Gräben und Alleen stattlich zu bauen, hat auch einen ganz herrlichen Keller darunter machen lassen; vermuthlich aber hatte schon früher ein Schloß auf der Stelle gestanden, s. u. 1673 baute, nach einer Inschrift, Herzog Eberhard III. das in dem Hofe stehende Gebäude, 1678 bis 1682 ließ die Herzogin Magdalena Sibilla die Schloßkapelle und Anderes bauen und den Garten anlegen; 1722 bis 1723 baute die Gräfin v. Würben den s. g. neuen Bau. Das Schloß war lange Zeit Sitz der verwittweten Herzogin Magdal. Sibilla und nach ihr der Herzogin Joh. Elisabetha, s. u. Von jener sah man in unsern Tagen noch manche Einrichtungen, insbesondere auch die Einrichtung, mittelst welcher die Herzogin, eine fromme Fürstin, die ein eigenes Andachtsbuch geschrieben hatte, von ihrer Bettstätte aus in dem über der Kirche gelegenen Schlafzimmer den Geistlichen auf der Kanzel hören und sehen konnte. In den letzten Zeiten war das Schloß viele Jahre lang, und bis zu seinem Tode i. J. 1830, der gewöhnliche Aufenthalt des Herzogs Wilhelm, Oheims S. M. des Königs, durch den es manche neue Einrichtungen und Verbesserungen erhielt. Hier ruhte auch dessen i. J. 1822 in Italien verstorbene Gemahlin Wilhelmine, in der von dem Herzog niedlich eingerichteten Neben-Capelle (der Sakristey), bis sie nach dem Tode des Herzogs nach Stuttgart gebracht und nach dessen Wunsche neben ihm in der fürstlichen Gruft daselbst beygesetzt wurde. Jetzt ist das Schloß der Erziehungs-Anstalt eingeräumt, wovon nachher die Rede seyn wird.

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Die Pfarrkirche wurde 1698, die obere Hälfte des Kirchthurms 1828 neu gebaut. Unter der Kirche befindet sich eine gewölbte Gruft, die von der Gräfin von Würben, geb. v. Grävenitz, herrühren soll. Sie wurde 1817 geöffnet, man fand darin 15 zum Theil zerfallene Särge, diejenigen, welche noch zu erkennen waren, gehörten meist der Grävenitzischen| Familie an, unter ihnen war auch einer des Reichsgrafen Friedr. Alex. von Sayn-Wittgenstein, gest. 26. Mai 1733. Das Pfarrhaus ist 1825 neu gebaut worden; die Baulast desselben liegt auf der K. Hofkammer, die der Kirche ist zweifelhaft. Die Kirchen- und Stiftungspflege besitzt außer einigen Gefällen ein Capital-Vermögen von ungefähr 4000 fl., die Schulstiftungen betragen 340 fl.

Die Bevölkerung hat sich seit hundert Jahren um das Anderthalbfache vermehrt. Die Einwohner leben im mittleren Wohlstande, ihre Nahrung beruht auf Ackerbau, Weinbau und Obstzucht, zum Theil auch dem Gewerbsbetriebe. Die Weinberge liefern einen der vorzüglichern Landweine; berühmt war ehedem besonders das Stettener Brodwasser, rein weißer Wein, der seinen Namen von einer Hofdame erhalten haben soll, die den Wein besonders lieb gewonnen hatte, und ihn für Brodwasser ausgab. Sehr wichtig ist die Obstzucht; die Einwohner führen das grüne Obst, hauptsächlich Kirschen, bis nach Augsburg und München, und dieser Handel gewährt dem Orte in guten Jahren einen Erlös von 8 bis 10.000 fl. Gemeiniglich werden auch dürre Zwetschgen mitgenommen. Unter den Gewerbsleuten befinden sich zwey vorzügliche Petschaftstecher, Didelbach Vater und Sohn. Seit einem halben Jahr befindet sich in dem Ort auch eine Strohhutfabrik, die von Winnenden dahin versetzt worden ist und mit Unterstützung aus der Staatskasse betrieben wird. Die Anstalt hat ihren Sitz in einem Schloß-Nebengebäude, das ihr von dem König überlassen und eingerichtet worden ist[1].

Die Erziehungs- und Lehr-Anstalt, deren oben erwähnt worden, ist eine Privat-Anstalt für Knaben von 6 bis 14 Jahren. Sie wurde 1830 von dem Professor Klumpp zu Stuttgart, dem Professor Klaiber, Pfarrer zu Stetten und dem Hof-Cameralverwalter Wiedersheim| daselbst errichtet, in der Absicht, die von Klumpp in seiner bekannten Schrift ausgeführten Grundsätze praktisch zu üben. S. M. der König überließ den Unternehmern die Schloßgebäude mit den Garten-Anlagen unentgeltlich und ließ noch die erforderlichen Baueinrichtungen treffen. Die Anstalt zählt bereits über 80 Zöglinge und würde noch mehr zählen, wenn sie mehr aufnehmen könnte.

Die Gemeindekörperschaft besitzt viele Waldungen, die aber in schlechtem Zustande sind, s. S. 67. Sowohl die Gutsherrschaft, als jeder Ortseinwohner hat eine Bau- und Brenn-Holzgerechtigkeit auf die Gemeindewaldungen, die jedoch eben wegen des schlechten Zustandes bedeutungslos ist. Von der Markung gehören 3321/4 M. zu der K. Hofkammer, s. Tab. II. Die Feldgüter derselben waren früher in einer eigenen Mayerey vereinigt, jetzt sind sie stückweise verpachtet, mit Ausnahme der Weinberge, welche die Hofkammer selbst baut.

Stetten bildete mit seinen Zugehörungen, Schanbach und Lobenroth etc., früher eine eigene Herrschaft mit eigenen Herren, die sich von Stetten nannten. Die Herrschaft machte jedoch ursprünglich einen Bestandtheil des altwürtembergischen Gebiets aus und die Herren von Stetten waren Ministerialen und zwar Truchseßen des Würtemb. Hauses. In einem Kaufbrief des Klosters Adelberg, damals Madelberg genannt, datum in Schorendorf 1264, ist Zeuge: Dominus Eberhardus dapifer de Stetin; 1270 und 1271 kommt Wolf v. Steten, 1273 und später Wolframus dapifer de Steten in Urkunden vor (s. Felbach und Rommelshausen), und bis ins 16te Jahrhundert herab läßt sich das Geschlecht und sein Besitzstand verfolgen. Gleichwohl verkaufte schon 1443 ein Hans von Yberg (Eyberg) das Dorf Stetten mit ein Viertel des Gerichts und der Vogtey an die Grafen von Würtemberg für 2000 fl.; vermuthlich war Hans durch Heirath dazu gelangt. In dem Kaufe war auch ein halbtheiliger Hof begriffen, wovon die Gebäude lagen „in dem Burghof an Junker Cunraten von Stetten.“ Am 8. April 1507 verkaufte Hans Truchseß| von Stetten seinen Antheil an Stetten, Schanbach und Lobenroth mit Sitz und Behausung zu Stetten an Conrad Thumb von Neuburg für 4000 fl. und 1508 verkaufte an Ebendenselben, seinen Erbmarschall, Herzog Ulrich seinen Theil um 6050 fl.[2] Von dieser Zeit an waren die von Thumb im Besitze der Herrschaft bis 1645. Kaiser Maximilian verlieh dem Erwerber d. 4. May 1508 ein eigenes Hochgericht, Stock und Galgen mit dem Blutbann in seinem Dorf Stetten. Im Jahr 1645 überließ Joh. Friedr. Thumb den Besitz zu gleichen Theilen seinen beyden Tochtermännern, dem Phil. Conr. v. Liebenstein, und dem Jakob Bonn, Kais. Quartiermeister. Die Liebensteinischen Erben verkauften ihren Theil mit Gütern und Gefällen zu „Schanbach, Obernroth, Krumart und Bach“ 1664 an den Herzog Eberhard III. von Würtemberg um 31.000 fl., und 1666 kaufte der Herzog auch die andere Hälfte von den Bonnischen Erben und Tochtermännern, dem Zacharias Bechtlin, Lieutenant und nachmaligen Stiftungspfleger in Beutelsbach, David Roth und Georg Stark, Rittmeister, um 31.382 fl. Herzog Wilhelm Ludwig überließ Schloß und Dorf Stetten mit Zugehör und allen Rechten seiner Gemahlin Magdalena Sibilla, die sich um den Ort mannigfaltig verdient machte. Nach ihrem Tode 1712 wußte die Gräfin von Würben, geb. v. Grävenitz, den Herzog Eberhard Ludwig zu bewegen, ihr die Herrschaft auf Lebenszeit zu überlassen. Nachdem sie aber in Ungnade gefallen war, räumte der Herzog 1732 den Besitz seiner Gemahlin, Joh. Elisabetha auf Lebenszeit ein.

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Der Herzog Eberhard III. hatte die Herrschaft Stetten| zu dem Kammerschreiberey- oder Hofkammer-Gut, dessen Stifter er ist, geschlagen; zu diesem wurde es denn auch nach dem Tode der Herzogin J. Elisabeth 1757 wieder gezogen. Für die Verwaltung war zu Stetten ein eigenes Stabs- und Rent-Amt aufgestellt, 1806 kam der Stab davon weg und an das Oberamt Eßlingen, 1807 aber an das Oberamt Canstatt. Das nunmehrige Hof-Cameralamt Stetten erhielt dagegen einen ausgedehntern Bezirk: durch Tausch mit der K. Finanzkammer kamen den 11. März 1807 die Schorndorfer Antheile an Schanbach und Lobenroth und die Orte Felbach, Rommelshausen, so wie Endersbach, Oberamts Waiblingen, nebst den Waldungen der Strümpfelbacher Hut, und 1814 Schmiden und im Oberamt Waiblingen Beinstein dazu, wogegen aber Schanbach und Lobenroth mit Ausnahme der Waldungen ganz abgetreten wurden.

In kirchlicher Beziehung ist noch folgendes zu bemerken. Stetten war Filial von Beutelsbach bis 1482. Ums Jahr 1413 scheint es eine eigene Kaplaney erhalten zu haben; in diesem Jahre verschrieben sich Wolf und Wilhelm d. j. v. Stetten, daß sie die „St. Vits-Kaplaney zu Stetten“ ohne Nachtheil der Pfarr Beutelsbach verleihen wollen. Die Pfarrey Beutelsbach war dem Stift Stuttgart (früher Beutelsbach) incorporirt; es wurde daher auch dem Stift, als Stetten 1482 eine eigene Pfarrey erhielt, das Patronatrecht über die Pfarrey vorbehalten, und dieses Recht war daher auch immer bey Würtemberg. Die Reformation wurde zu Stetten unter Thumbischer Herrschaft schon 1528 eingeführt. Die Pfarrey war bis 1807 dem Dekanatamt Waiblingen zugetheilt, unter der Herrschaft der Gräfin v. Würben bestand jedoch eine kurze Zeit ein eigenes Dekanat zu Stetten, indem die Gräfin den Pfarrer daselbst zum Superintendenten über ihre sämmtlichen Orte machte. Von 1807 bis 1815 gehörte Stetten zum Dekanat Eßlingen, seit 1815 ist es dem Dekanat Canstatt zugetheilt.

Der Hardthof, dessen oben erwähnt worden ist, ist| ein abgegangener Hof, der gegen Rommelshausen und Felbach hin gelegen hatte, und dessen Name sich noch in einer schongenannten Hardtkelter und in den Gütern erhalten hat, die zu dem Hofe gehört hatten. In den Lagerbüchern findet man auch noch Spuren von einem abgegangenen Orte Namens „Lindhalden.“ Ein Vertrag von Lichtmeß 1508 beginnt: Wir die Schultheißen, Heimbürger, Gericht und Gemeinden dieser hernach benannten Dörfer und Flecken, mit Namen zu Endersbach, Strümpfelbach, Stetten, Lobenroth und Lindhalten bekennen etc. Der Ort lag vermuthlich auf der Höhe zwischen Stetten und Strümpfelbach, ein Weinberg führt noch den Namen Lindhalden.

Von den Weinbergen bey Stetten sehen noch die Ruinen eines Schlosses auf das Dorf herab, das bald Oberstetten, bald Yberg genannt wird, jedoch ohne hinreichenden Grund. Es steht fast noch die ganze Schale des steinernen Gebäudes da, der verfaulte Dachstuhl wurde erst 1759 abgebrochen. Nach den Überresten zu schließen, war es ein einfaches Haus ohne Mauern und Graben. Wann und von wem es gebaut worden, ist nicht bekannt; sehr alt kann es nach der Bauart nicht seyn; der Sage nach soll es von einem Herrn von Liebenstein, also erst in der Mitte des 17ten Jahrhunderts erbaut worden seyn, vermuthlich aber steht es auf dem Grund eines ältern Schlosses, das vielleicht der Sitz der Herren von Stetten und vielleicht auch der von Yberg war, s. u. Conrad von Thumb kauft i. J. 1507 von Dietrich v. Weiler um 1200 fl. Stetten, das Schlößlein, ob dem Dorf Stetten gelegen, samt dem Dorf Aichelberg, wie es sein, Dietrichs, Vater von Herrn Hansen Truchseßen v. Stetten Wittwe an sich gekauft hat. In seiner jetzigen Gestalt scheint das Schloß nicht einmal vollendet worden zu seyn; denn in einem Lagerbuch von 1683 wird unter den herrschaftlichen Gütern und Gebäuden aufgeführt: „das Bergschlößlein, ein altes ohnausgebautes Schlößlen oder Hauß auf dem Berg bey den Steingruben etc."

| b. Die Seemühle ist eine der beyden obgenannten Mahlmühlen. Sie steht eine Viertelstunde abwärts von Stetten an der Gränze des Oberamts und wird von dem Stettener Bache getrieben. Im Gegensatz von ihr heißt die Mühle im Dorfe die Dorfmühle. Ihren Namen hat die Seemühle von einem kleinen See oder Weiher, deren es noch zwey bey dem Dorfe gibt. Ein größerer See scheint einst die jetzigen Brühlwiesen bei dem Dorfe bedeckt zu haben.
  1. Über die Gründung der Anstalt und deren Ausstattung mit kostbaren Maschinen durch die freygebige Vorsorge S. M. des Königs, s. Würt. Jahrb. 1828, S. 101 und S. 231.
  2. Es war dieß ohne Zweifel der von Hans von Yberg 1443 verkaufte Theil. Dasjenige Stetten, wovon Wilhelm von Bernhausen 1475 die Hälfte an Würtemberg verkauft hat, war vermuthlich Stetten im Oberamt Stuttgart, unweit Bernhausen. Übrigens verleiht der Junker Wilhelm von Stetten 1468 „seinen Hof, der gelegen ist zu Stetten vor dem Dorf,“ und zwar zu Stetten im Remsthal, s. auch Rommelshausen.
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