« Kapitel B 5 Beschreibung des Oberamts Calw Kapitel B 7 »
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Alt-Hengstett,
Gemeinde III. Klasse mit 1026 Einw. – Evang. Pfarrei.


Das etwas gedrängt gebaute, mittelgroße Dorf liegt eine Stunde östlich von der Oberamtsstadt auf der hügeligen Muschelkalkhochebene in einer wiesenreichen Einsenkung, die sich zwischen den Ausläufern der scharf markirten Hügel Heimberg, Täfelberg und Hemberg gebildet hat und mit der ein Thal beginnt, das 1/4 Stunde unterhalb des Orts tief einschneidet und Hirschau gegenüber in das Nagoldthal einzieht. Die Landstraße von Böblingen nach Calw führt mitten durch den Ort und überdieß sind Vicinalstraßen nach Neu-Hengstett, Möttlingen, Simmozheim, Gechingen und Hirschau angelegt, die dem Ort seinen Verkehr mit der Umgegend hinlänglich sichern. Die im Allgemeinen gut erhaltenen Gebäude sind aus Holz erbaut, meist mit steinernen Unterstöcken versehen und mit Ziegelplatten gedeckt.

Die rings mit fester Mauer und Graben umgebene Pfarrkirche liegt mitten im Ort und bietet noch das treue Bild eines wohlbefestigten Kirchhofs. Hier hatten die Herren von Hengstetten, Ministerialen der Grafen von Calw, ihre Burg, welche nach dem Landbuch von 1623 28 Jahre zuvor abgebrochen wurde. Die styllos erneuerte Kirche bietet sowohl an ihrem Äußern als in ihrem Innern nichts Bemerkenswerthes; dagegen ist der untere, viereckige Theil des Thurms noch alt und bildet den Chor, dessen dreiseitiger Schluß über die östliche Seite des Thurms hinausragt und mit spitzbogigen Fenstern, wie mit Strebepfeilern versehen ist. Der Thurm geht gegen oben in ein Achteck über, das ein schlankes, spitzes Zeltdach trägt. Von den auf dem Thurme hängenden Glocken wurde die größte 1789 von C. F. Blüher in Stuttgart gegossen: die mittlere trägt in sehr alten Majuskeln die 4 Evangelistennamen und die kleinste ist 1817 umgegossen worden. Von dem Langhause führt ein spitzer Triumphbogen in den mit einem Netzgewölbe gedeckten Chor, dessen 3 Schlußsteine Ecce homo, einen geflügelten Löwen und die Mutter Gottes darstellen, während die Gewölbegurten von Fratzengesichtern und kleinen Figuren ausgehen. Die alte, nun nicht mehr gebrauchte Sacristei enthält ein Kreuzgewölbe, auf dessen Schlußstein das Schweißtuch der heil. Veronica gut gearbeitet dargestellt ist. Die Kirche ist Eigenthum der Stiftungspflege, welcher auch die Unterhaltung derselben obliegt.

Der um die Kirche gelegene Begräbnißplatz wurde im J. 1836 aufgegeben und dagegen ein neuer außerhalb des Orts an der Vicinalstraße nach Gechingen angelegt.

| Das hinter der Kirche gelegene, 1609 erbaute Pfarrhaus bildet mit seinen Nebengebäuden, Gärten und ummauertem Hofraum einen wohlgeschlossenen Pfarrhof. Die Unterhaltung desselben hat der Staat.

Das im Jahr 1850 namhaft verbesserte, ansehnliche Schulhaus steht an der Hauptstraße und lehnt sich im Rücken an die Kirchhofmauer an; es enthält neben 2 geräumigen Schulzimmern die Wohnungen des Schulmeisters und des Unterlehrers. Auch besteht eine Industrieschule.

Das schon alte, im Jahr 1855 erneuerte Rathhaus ist geräumig und befindet sich in gutem Zustande. Ein Gemeindewaschhaus ist vorhanden und ein Schafhaus steht außerhalb des Orts.

Der Ort hat Überfluß an gutem Quellwasser, welches zwei reichlich laufende und 14 Pumpbrunnen liefern; das Abwasser der Brunnen, mit dem ein Theil der Wiesen bewässert wird, bildet einen Bach, der weiter unten den Namen Ziegelbach erhält. Eine Wette, der Rest des früher um die Kirche gelaufenen Wassergrabens, besteht; sie wird von einer Quelle gespeist, welche in dem Keller eines auf dem ehemaligen Kirchengraben stehenden Gebäudes entspringt. Auch außerhalb des Orts befinden sich auf der Markung mehrere Quellen, wie auf dem Häger, im Rumpelgäßle, auf den Eulertwiesen, auf dem Häuptle etc.; periodisch fließende Quellen, sog. Hungerbrunnen, kommen im Forstgärtle der Schlüsselbrunnen, in den Dazenäckern etc. vor.

Die Einwohner sind im Allgemeinen von kräftigem Körperbau und erfreuen sich nicht selten eines hohen Alters; sie sind sehr fleißig, sparsam, kirchlich gesinnt und finden ihre Hauptnahrungsquellen in Feldbau und Viehzucht; einzelne treiben Handel mit Holz, viele führen Holz, Bretter, Kohlen etc. und sichern sich hiedurch ihr Auskommen; auch wird Milch nach Calw geliefert. Ihre Vermögensumstände gehören zu den mittleren; als unvermöglich werden nur 7 Familien von Seiten der Gemeinde unterstützt. Der vermöglichste Bürger besitzt 60 Morgen Güter, die mittlere und zugleich allgemeinste Classe 25 Morgen und die Unbemitteltsten haben immer noch einen Morgen Grundbesitz. Die verhältnißmäßig große Markung ist größtentheils uneben und zwischen scharf markirten Hügeln ziehen sich flache Thälchen und Einsenkungen hin. Der Boden ist sehr verschieden, übrigens im Allgemeinen, namentlich bei reichlicher Düngung, fruchtbar; er besteht im Thal westlich vom Ort, wie auch in den nordwestlich gelegenen Waldungen, aus den Verwitterungen des rothen Schieferlettens, während in den Niederungen und an dem Fuß der Hügel die Verwitterungen des Wellenmergels einen gebundenen, schweren und ziemlich kalten Boden bilden. Auf | den Höhen erscheinen die Verwitterungen des Hauptmuschelkalks und der Anhydritgruppe, die einen kalkreichen etwas leichten Boden liefern. Die ganz steilen Gehänge des Muschelkalks lassen öfters keine Cultur zu und werden als Weiden benützt. Moorgrund kommt in der Nähe des Orts und in den Eulertwiesen vor. Übrigens ist auch ein bunter Sandsteinbruch, der gute Bau- und Werksteine liefert, und eine Lehmgrube auf der Markung vorhanden. Das Klima ist ziemlich rauh und wirkt einer ausgedehnteren Obstzucht, wie dem Anbau von feineren Gewächsen entgegen, indem Frühlingsfröste und kalte Nebel, die aus dem Nagoldthal heraufziehen, häufig Schaden bringen. Hagelschlag kommt selten vor.

Die Landwirthschaft wird im Dreifeldersystem mit großem Fleiß und umsichtig betrieben; landwirthschaftliche Verbesserungen, wie die Flanderpflüge, Walzen, zweckmäßige, mit Gülleneinrichtung versehene Düngerstätten haben meist Eingang gefunden. Von den gewöhnlichen Getreidearten kommen vorzugsweise Dinkel, Hafer, Einkorn und Gerste zum Anbau, und in der zu 1/4 angeblümten Brache zieht man hauptsächlich dreiblätterigen Klee, weniger Kartoffeln, die mehr im Haferfeld gebaut werden, Kohlraben, Angersen, Hanf und etwas Reps. Auf unfruchtbaren Äckern pflanzt man die Esparsette. Bei einer Aussaat von 7–8 Sri. Dinkel, 5 Sri. Hafer und 6 Sri. Einkorn beträgt die Ernte 6–11 Scheffel Dinkel, 4–5 Schfl. Hafer und 5–7 Schfl. Einkorn. Von dem Getreideerzeugniß werden jährlich über Abzug des eigenen Verbrauchs durchschnittlich 1500 Schfl. Dinkel und 100 Schfl. Hafer auf der Schranne in Calw abgesetzt. Die geringsten Äcker werden mit 20 fl., die mittleren mit 150 fl. und die besten mit 400 fl. pr. Morgen bezahlt.

Der Wiesenbau ist ausgedehnt und begünstigt einen reichlichen Viehstand; die Wiesen, von denen etwa 1/3 bewässert werden können, ertragen durchschnittlich 15–20 Ctr. Heu und 5–10 Ctr. Öhmd per Mrg. Die Preise eines Mrgs. Wiese bewegen sich von 300–500 fl.

Die nicht bedeutende Obstzucht beschäftigt sich hauptsächlich mit Zwetschgen und späten Mostsorten.

Pferdezucht wird nicht getrieben, dagegen ist die Pferdehaltung wegen des vielen Fuhrwesens sehr namhaft.

Die Rindviehzucht ist bedeutend, der Handel mit Vieh aber von keinem großen Belang; das Zugvieh wird häufig im Herbst gemästet und verkauft. Man züchtet vorzugsweise eine rothe Landraçe und etwas Allgäuer Vieh. Zur Nachzucht sind 3 tüchtige Landfarren aufgestellt, die ein Bürger Namens der Gemeinde gegen 80 fl. und die Nutznießung von 4 Morgen Wiesen hält.

| Die Schafweide nährt gegenwärtig 600 Stück, für die ein besonderer Ortsschäfer aufgestellt ist; jeder schafhaltende Bürger hat für das Schaf 36 kr. und das Lamm 18 kr. an die Gemeindekasse zu entrichten, was derselben jährlich etwa 450 fl. einträgt; überdieß wirft die Pferchnutzung alljährlich 5–600 fl. ab. Die Wolle wird hauptsächlich in Calw abgesetzt.

Die Zucht der Schweine ist nicht bedeutend, indem die meisten Ferkel von Außen aufgekauft und theils für den eigenen Bedarf, theils auf den Verkauf gemästet werden.

Die Bienenzucht ist gering, dagegen wird ziemlich viel Geflügel gezogen und ein kleiner Handel mit Eiern und jungen Hühnern nach Calw unterhalten.

Die Gewerbe dienen mit Ausnahme von 2 Schildwirthschaften und 2 Krämern nur den örtlichen Bedürfnissen.

Die Gemeinde besitzt etwa 1400 Morgen Waldungen, welche größtentheils mit Nadelhölzern bestockt sind; sie ertragen jährlich 6–800 Klafter und 2–3000 Stück Wellen; hievon erhält jeder Bürger 11/2 Klafter und 30–40 Stück Wellen. Der Rest wird verkauft und sichert der Gemeinde eine jährliche Rente von 2–3000 fl., daher auch eine Gemeindeschadensumlage nicht nöthig wird. An andern Gemeindegütern sind 25–30 Morgen vorhanden, welche an die Bürger unentgeldlich zur Benützung überlassen werden. Über das Gemeinde- und Stiftungsvermögen s. Tabelle III. Aus der Stiftungskasse werden alljährlich 72 fl. in Geld und Brod an die Armen ausgetheilt.

Allhier wurde geboren als Sohn des Pfarrers den 12. Sept. 1765 Christian Jak. Zahn, in Tübingen in der Jurisprudenz gebildet, 1789–1798 in letzterer Stadt Theilhaber an der Cotta’schen Buchhandlung und Mitbegründer der Allgemeinen Zeitung, von 1798 bis 1830 in Calw als Theilhaber an Fabriken lebend. Ein vortrefflicher Patriot von vielseitiger Bildung, als vieljähriger Vicepräsident der württembergischen Abgeordnetenkammer um das vaterländische Verfassungsleben sehr verdient, auch bekannt durch seine Composition des Schiller’schen Reiterliedes. Er starb zu Calw den 8. Juli 1830. (S. Schwäb. Chron. v. 18. Juli 1830.)

Eine von Deckenpfronn unter den Benennungen „Hochsträß, Heerstraße“ herkommende Römerstraße führt östlich am Ort, wo man in neuerer Zeit noch das gut erhaltene Pflaster aufdeckte, vorüber in der Richtung gegen Neu-Hengstett. Eine weitere Römerstraße (Hochgesträß) kommt von Aidlingen her und führt zwischen dem Jägerberg und Heimberg durch nach Alt-Hengstett, wo sie in die erstere einläuft. Eine alte Straße, deren römischer Ursprung jedoch | weniger nachgewiesen werden kann, kommt unter dem Namen „breite Heerstraße“ von Ostelsheim her, berührt den östlichen Theil der Markung und führt weiter gegen Stammheim.

Etwa 1/4 Stunde südlich vom Ort, zunächst der Stelle, wo die römische Straße von der sog. breiten Heerstraße durchschnitten wird, findet man bei dem sog. Käpele Grundreste eines Gebäudes, Bruchstücke von römischen Ziegeln, Heizröhren etc.

Am östlichen Ende des Orts sind in neuerer Zeit Reihengräber aufgefunden worden, die außer den menschlichen Skeletten alte Waffen, namentlich kurze Schwerter (Sachse) enthielten. In dem 1/4 Stunde nordwestlich vom Ort gelegenen Gemeindewald Langen-Löchle befinden sich 8 wohlerhaltene, 5–8′ hohe und 25–40′ im Durchmesser haltende Grabhügel, von denen ein theilweise eröffneter einen Steinring etwa in der Hälfte des Hügels enthielt, der concentrisch mit der Peripherie des Hügels lief.

Genannt wird Hengstett erstmals um 1120, um welche Zeit das Kloster Hirschau allhier Güter erhielt. Die älteste gleichzeitig erhaltene Schreibung des Ortes ist Hingesteten, Hincsteten (1300); die Vorsilbe erhielt er erst nach der Gründung von Neuhengstett.

Er gehörte ursprünglich den Grafen von Calw und es saßen hier Ministerialen dieser Grafen und deren nächste Rechtsnachfolger; solche sind Sigebot, welcher um 1120 das Kloster Hirschau beschenkte (Cod. Hirs. 43a) und Albrecht und Hermann Gebrüder, welche 1298 als Zeugen vorkommen. In die bekanntere Geschichte tritt H. zugleich mit dem in der Nähe abgegangenen Schlehdorn (alt Sledorn, s. bei Neuhengstett) erst ein, nachdem in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts mit Aussterben der Calwer Hauptlinie durch Einheirathung Graf Simons von Zweibrücken ein Theil ihres Besitzes gräflich zweibrückisch geworden und durch Verehelichung Herzog Konrads von Teck († 1292) mit einer Zweibrücker Gräfin, Tochter obigen Grafen Simon’s, an diesen Tecker Grafen als Pfand angewiesen worden war. Im April 1300 lösten die Brüder dieser Gräfin, Heinrich und Otto, Grafen von Zweibrücken, alle ihre Besitzungen in H. und Schlehdorn von den Söhnen des Tecker Herzogs und verkauften sie am 19. Oct. d. J. mit dem Fronhof, allen ihren Huben und Laienzehnten, mit aller Zugehör an Gütern, Gebäulichkeiten, Gefällen, Zinsen, Rechten und Nutzungen, nur das Patronatrecht in Hengstett ausgenommen, an das Kloster Herrenalb und an den Schultheißen Friedrich von Eßlingen, genannt von Hohenheim, welch letzterer aber keinen dauernden Besitz hier gründete (Mone Zeitschr. 5, 206–208).

| Dieses Kloster, welches kurz vorher bereits hier einen gleichfalls unter gräflich Zweibrückischer Lehensoberherrlichkeit stehenden, aber nunmehr vom Lehensverband befreiten Hof erhalten hatte (Mone 2, 472), bat im Jahr 1303 den Grafen Eberhard von Württemberg, beide Orte in seinen Schutz zu nehmen, und erhielt dieß zugesagt. Fortan blieb Althengstett Eigenthum des Klosters Herrenalb, welches 1310 auch einen Theil des Zehnten in Schlehdorn von Dietrich von Lomersheim, am 26. März 1328 noch einen Haupttheil an Schlehdorn von Markgraf Rudolf Hesso von Baden (St.A.) am 1. Nov. 1346 eine Tavern zu Hengstett und 1367 Leibeigene zu Hengstett von Mechtild von Aidlingen, der Wittwe Richelms von Merklingen, kaufte (Gerbert Hist. nigr. silv. 3, 302).

Die hiesige Kirche hatte die Ehre, von dem Papste Leo IX., welcher Ende 1049 die Gegend besuchte, geweiht zu werden. Ihre Schutzheiligen waren die hl. Maria, der hl. Marcus der Evangelist, auch der hl. Martin. Sie erfreute sich reichen Ablasses.

Den Pfarrsatz, welchen obige Grafen von Zweibrücken beim Verkauf vom April 1300 noch ausgenommen hatten, veräußerten sie sammt Hofgütern bereits am 1. März 1301 an den ebengenannten Grafen von Württemberg. Aber bereits am 23. Dec. 1342 verkaufte ihn wieder der Graf Ulrich von Württemberg nebst dem zu Altburg und Calw an das Kloster Hirschau, von dem es durch die Reformation an das Haus Württemberg zurückkam, wie er noch heutzutage der Krone zusteht.

Als ein hiesiger Pfarrer erscheint Pfaff Machtolff den 23. Apr. 1381 (Mone Zeitschr. 9, 105). Im 15. Jahrh. bestund hier neben der Pfarrei noch eine Frühmesserei (Würdtwein Subs. 10, 339).

Neben dem Kloster Herrenalb erwarb besonders das ebengenannte Hirschau in den Jahren 1397–1509 zu öfters wiederholten Malen hiesige Güter. Von weltlichen Herrn erscheinen zeitweise als begütert die Waldvögte von Waldeck, die von Merklingen, die von Gärtringen etc.; von Graf Wilhelm d. ält. von Eberstein erhielt einen hiesigen Laienzehnten Erkinger von Merklingen den 26. März 1373 geeignet (St.A.)

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