« A 1 Beschreibung des Oberamts Blaubeuren A 3 »
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II. Geschichtliche Denkwürdigkeiten.

1. Frühere bürgerliche Verhältnisse und Bildung des Oberamts.
Obgleich, wie später gezeigt werden wird, zwei bedeutende römische Heerstraßen durch den disseitigen Oberamtsbezirk geführt haben, so findet man doch, ausser ihnen, keine weitern Spuren oder Nachrichten von dem Aufenthalte der Römer in demselben, und eben so wenig von der Zeit unmittelbar nach ihnen. Der älteste beurkundete Ort ist das Weilerchen Sotzenhausen, das in einer Urkunde vom J. 760 vorkommt, wodurch ein gewisser Richbald dem Kloster Murbach seine Güter „in villa, que dicitur Zozihuhus, et in Chresinga,“ in Sotzenhausen und Griesingen schenkt[1]. Hundert Jahre nachher, 861, erscheint in| der Stiftungs-Urkunde des Klosters Wiesensteig der Ort Merklingen, Marchelingen, und Weichstetten, Weihstetti, ein nun verschwundener Ort. Dieß ist Alles, was man aus frühern Jahrhunderten findet. Reichhaltiger fließen die Quellen von der Zeit der Stiftung des Klosters Blaubeuren an.

Was die alten Gaue und Marken betrifft, so sind die Nachrichten auch hierüber sehr mager, und es läßt sich schwer sagen, zu welchem Gaue der Bezirk einst gehört habe. In der schon erwähnten Stiftungs-Urkunde von Wiesensteig finden sich zwei Gaue erwähnt, welche hieher Bezug haben, nämlich der Fleingau und der Gau Pleonungethal.

Der Fleingau, pagus Flina. Die eben bemerkte Urkunde nennt mehrere Orte als diesem Gaue gehörig, welche, wie z. B. Hohenstatt, hart auf der Grenze des Oberamtsbezirks liegen, aber keinen aus dem Bezirke selbst, wenn man nicht den abgegangenen Ort Weichstetten hieher nehmen will, dessen Markung jetzt theilweise noch dazu gehört. (Vergl. die Beschreibung des O.A. Münsingen, S. 7.) Wahrscheinlich gehörte jedoch auch Merklingen, das in der Urkunde genannt ist, und der ganze nordwestliche Alpstrich des Oberamts dazu. Der Name Fleingau wird von dem Herrn Direktor v. Raiser, in seiner Geschichte von Elchingen, durch Steingau erklärt; Flinz, sagt er, heißt Stein[2]. Mit dieser Erklärung stimmt auch der noch jetzt übliche Sprachgebrauch in der Gegend überein, wonach ein steiniger Boden Fleinsboden, eine Steinplatte Fleinsplatte genannt wird.

Der Gau Pleonungethal, pagus Pleonungethal, wird gemeiniglich gleichbedeutend mit Blauthal genommen; aber weder in der Wiesensteiger Urkunde, noch sonst irgendwo kommt ein Ort aus dem Blauthal oder dem Blaubeurer Oberamtsbezirke vor, der dazu gezählt wäre, und es scheint fast, als ob der Gau das Blauthal gar nicht berührt habe. Denn in den Wiesensteiger Urkunden werden Wiesensteig| und die Gruibinger Mark dazu gerechnet; also Orte, welche durch den Fleingau von dem Blauthal getrennt waren, und deren Lage glauben läßt, daß der Pliengau oder der Gau Pleonungethal sich von der Fils über Gruibingen nördlich gegen Boll ausgedehnt und vielleicht mit dem dort liegenden Dorfe Pliensbach eine Namensverbindung habe, wenn der Name nicht anders ein persönlicher ist, indem Pleonung auch ein Geschlechtsname war (Vergl. v. Arx Gesch. v. St. Gallen, I. S. 180). Mehr östlich, weiter abwärts an der Fils, lag der in der Urkunde genannte Filsgau, in dem sich der Pliengau später verloren zu haben scheint, da bei Neugart in einer Urkunde vom J. 1142 der Ort Schopfloch auf der Alp, oberhalb Wiesensteig, als in dem pago Philiskove gelegen, vorkommt. Unter diesen Umständen dürfte man zu der Annahme berechtigt seyn, daß das Blauthal noch zu dem Fleingau, nicht aber zu dem Gau Pleonungethal gehört habe; und wirft man einen Blick auf den Umfang des alten Landcapitels Blaubeuren, und erwägt man, daß die Landcapitels-Bezirke gemeiniglich in Uebereinstimmung mit den Gaubezirken gestanden hatten; so muß man annehmen, daß der Fleingau sich auch über die Blau hinüber, über das Hochsträß, und somit beinahe über den ganzen Oberamtsbezirk erstreckt habe. Nur der Bezirk Schelklingen gehörte nicht zu dem Blaubeurer Capitel, und dieser lag auch wirklich in einem andern Gau und Grafenbezirk, vermutlich in der Folkoltsbar, die sich in der Schwerzenhuntare auch noch über einen Theil des Hochsträßes erstreckte, wo sich bei Ringingen eine Landgerichtsstätte befand. So würde sich dann der Fleingau einer Seits an den Filsgau, anderer Seits an die Folkoltsbar und deren Unterbezirke, westlich aber an die Münsinger Mark angeschlossen haben. (Siehe Ehingen und Münsingen, und unten Ringingen.)

Was den Alpgau betrifft, dem der disseitige Oberamtsbezirk auch zugetheilt werden wollte, so hat man sich darüber schon bei Münsingen S. 8, und Riedlingen S. 13 erklärt.

| Aus den Gauen und Centen gingen gemeiniglich die Grafschaften in späterer Bedeutung hervor. So entstand aus einem Theil der Folkoltsbar die Grafschaft Berg, wozu in dem disseitigen Oberamte noch die Herrschaft Schelklingen gehörte, und aus dem Flein- und Filsgau die Grafschaft Helfenstein. An der Blau aber saßen die Dynasten von Ruck, vermuthlich mit den Helfenstein Ein Geschlecht, und herrschten über einen bedeutenden Landstrich, von dem Lauterthale über die Alp herüber bis an das Donauthal hinab. Dieser Bezirk bestand in lauter Stammgütern, welche unabhängig von der Grafengewalt waren, und deßwegen auch nicht unter dem Namen einer besondern Grafschaft erscheinen, obgleich seine Besitzer die Grafenrechte darin ausübten. Zwar spricht Tübinger in seiner Blaubeurer Chronik von einem comitatus Blauenstein; allein diese Benennung scheint eine blos willkührliche des Chronisten gewesen zu seyn, in den Urkunden ist immer nur von den drei Vesten Ruck, Gerhausen und Blauenstein und ihrem Zubehör die Rede. (S. Ruck.)

So theilte sich unser Oberamtsbezirk nach der Auflösung der alten Gauverfassung in 3 Haupttheile: 1) den Helfensteinischen, bis an das Lauterthal; 2) den Ruckischen, von dem Lauterthal bis an das Blauthal und über das Hochsträß hinüber, und 3) den Berg-Schelklingischen, zwischen dem Tiefenthal und den Ästen des Achthals. Abgesonderte Theile bildeten in der Folge die Herrschaften Arneck und Herrlingen, und die Besitzungen der oben genannten Klöster und anderer Herrschaften. Der Ruckische Theil kam durch die Pfalzgrafen von Tübingen ebenfalls an die Grafen von Helfenstein; die Zeit ist nicht genau bekannt, aber nach einer bei Blaubeuren angeführten Urkunde geschah es ums Jahr 1267. Da Graf Ulrich von Helfenstein eine Tochter des Pfalzgrafen Rudolphs, mit dem er in jener Urkunde erscheint, die Gräfin Anna zur Gemahlin hatte, so ist es sehr wahrscheinlich, daß durch diese Heirath das Helfensteinische Haus in den Besitz von Blaubeuren und | der Ruckischen Güter gekommen ist, die ihm übrigens früher schon nicht fremd gewesen zu seyn scheinen.

Während des Helfensteinischen Besitzes ging mit dem Gute die wichtige Veränderung vor, welche in späterer Zeit dem Hause Würtemberg so vielen Verdruß gemacht hat, daß dasselbe Östreichisches (Tyroler) Lehen wurde. Wie und wann dieß geschehen, war den würtembergischen Geschichtschreibern bisher unbekannt geblieben. Sattler, und nach ihm Andere, setzen die Verwandlung irrigerweise in das Jahr 1367, sie geschah aber, wie nicht nur das östreichische Lehensurbar (s. von Raiser Elchingen, S. 141), sondern auch die in neuerer Zeit in das K. Staatsarchiv gebrachten Original-Urkunden beweisen, im Jahr 1303. In diesem Jahre verkaufte ein Graf Ulrich v. Helfenstein die Vesten Gerhausen, Ruck und Blauenstein, mit der Stadt Blaubeuren und der Klostervogtei, die Dienstleute, Edelleute, Mannen und andere Leute, die zu denselben Vesten und Gütern gehörten, mit Kirchensätzen, Gerichten, Vogteien, Dörfern, Weilern etc. an Herzog Rudolph von Östreich und seine Brüder (Söhne Kaiser Alberts) um 500 Mark Silbers, erhielt aber dieselben wieder als Lehen zurück. Es blieb jedoch nicht bei diesem Wechsel: nachdem sich das Helfensteinische Haus durch Theilungen und üble Wirthschaft immer mehr geschwächt hatte, verpfändete und verkaufte es seine schönsten Besitzungen, und es wußte sich insbesondere die Reichsstadt Ulm die Verlegenheiten des Hauses gut zu Nutzen zu machen. Um den billigen Zins von 12 Proc. hatte die Stadt den Grafen ein Capital nach dem andern vorgestreckt, und da dieselben die Zinse nicht bezahlen konnten, so wurden sie von Zeit zu Zeit zum Capital geschlagen. Die Stadt ließ sich jedoch billig finden, nahm den Schuldnern zuerst, im J. 1396, für 60.000 ungarische Dukaten die Herrschaft Helfenstein, nämlich die Veste Helfenstein mit der Stadt Geislingen und 27 Dörfern und Weilern, darunter auch Scharenstetten, nebst dem halben Zoll und Geleit in sämmtlichen Besitzungen, worauf die Stadt immer ihr vorzügliches Augenmerk hatte, ab | sodann 1442 und 1446 für 24.000 fl. auch die andere Hälfte des Zolls und Geleits nebst Gütern und Rechten, darunter in dem disseitigen Oberamtsbezirke auch zu Merklingen, Nellingen, Bermaringen, Aichheim, und den Zoll zu Blaubeuren, Machtolsheim und Wippingen. Andere Verkäufe folgten nach. Im März 1447 verkaufte Graf Conrad v. Helfenstein, nachdem mit dem Vater schon 1442 unterhandelt worden war, an den Grafen Ludwig v. Würtemberg Gerhausen, Ruck und Blauenstein, die Vestinnen, Blaubeuren die Stadt, die Vogtei und Gewaltsame über das Kloster daselbst mit Zugehör darzu, und damit Gerhausen das Dorf, Altenthal, Beiningen, Weiler, Suppingen, Berghülen, Tragenweiler, Oberweiler, Treffensbuch, Billenhausen, Asch, Wippingen, Sunderbuch und die Kirchensätze zu Ringingen und Asch, und fürnemlich den Wildbann um 40.000 fl. und 200 fl. Leibgeding. In demselben Jahre noch wurde der Graf Ludwig von dem Herzog Albert von Östreich mit dem neuen Besitzthum belehnt[3]. Die Bestandtheile des Klosters, worüber Würtemberg durch den Kauf die Vogtei erhielt, sind, so weit sie den disseitigen Oberamtsbezirk angehen, oben S. 4. und dann weiter bei Blaubeuren verzeichnet.

Was die weitere Geschichte dieser Bezirke, so wie die Geschichte der übrigen in neuern Zeiten, 1806 u. 1810, erst an Würtemberg gekommenen Bestandtheile des Oberamts, die Herrschaften Schelklingen, Arneck, Herrlingen, und die verschiedenen klösterlichen, deutschherrischen und andere Besitzungen betrifft, so ist darüber in dem zweiten Abschnitte, bei den einzelnen Orten nachzusehen. Die Bildung des Oberamtsbezirks folgte wie gewöhnlich dem Gange der Erwerbungen. | Zuerst gab es 2 Oberämter, ein weltliches oder Stadt-Oberamt, und ein klösterliches oder kirchenräthliches Oberamt. Das Stadt-Oberamt übte zugleich die vogteylichen Rechte in dem Klostergebiet aus. Zufolge der Aufhebung des Kirchenraths wurden den 30. Septbr. 1807 beide Ämter vereinigt, und dem neuen Oberamt die Herrschaft Arneck zugetheilt. An die Stelle des Kloster-Oberamtmanns wurde, insofern er zugleich Kloster-Verwalter war, ein K. Cameral-Beamter gesetzt (s. u.). Den 25. April 1807 wurde das Dorf Rottenacker von dem Oberamte getrennt, dagegen demselben den 26. April 1806[WS 1] von dem wieder aufgelösten Oberamte Urspring die Herrschaft Schelklingen, nebst dem würt. Antheil an Grimmelfingen zugetheilt; endlich wurden auch die durch den Staatsvertrag von 1810 von der Krone Baiern abgetretenen, oben genannten, vormals Ulmischen Orte, die Orte der Deutschordens-Commende Ulm, die der Klöster Elchingen, Kaisersheim und Söflingen, und die Herrschaft Herrlingen mit dem Oberamte vereinigt, wogegen Grimmelfingen wieder wegfiel.

2. Kirchliche Verhältnisse.
Die drei ältesten Kirchen des Oberamtsbezirks sind, so weit die Nachrichten gehen, die Kirchen von Urspring, Blaubeuren und Lautern. Merkwürdiger Weise standen diese drei Kirchen anfänglich einzeln und ohne Verbindung mit einem Orte, an drei ausgezeichneten Quellen, dem Ursprung, dem Blautopf und der Lauterquelle, und es möchte kaum daran zu zweifeln seyn, daß sie ihr Daseyn diesen Quellen verdanken. In geheiligten Hainen feierten die alten Deutschen ihren Gottesdienst; Bäume, Quellen, Wälder und Berge waren für sie noch im 6ten Jahrhundert, und in abgelegenen Winkeln auch noch lange nachher, Gegenstände und Aufforderung zu religiöser Verehrung. Wie viel Aufforderung zu einer solchen Verehrung boten nicht die genannten, merkwürdigen Quellen in ihrer geheimnißvollen Erscheinung, und in ihrer feierlich-wilden Umgebung dar! und | wie natürlich war es, daß, wie anderwärts so auch hier, der heidnische Gottesdienst dem christlichen Platz machte, und alt geweihte Stellen zu Erbauung christlicher Kirchen und Capellen gewählt wurden!

Was die kirchliche Eintheilung unsers Oberamts in ältern Zeiten und bis zu der Reformation betrifft, so war dieselbe folgende:

Unter dem Bisthum Constanz und dem alten Archidiakonat Alp theilte sich der Bezirk

1) in das Landcapitel Blaubeuren. Dazu gehörten, mit folgenden Ausnahmen, sämmtliche Pfarreien des Oberamts;
2) das Landcapitel Ehingen mit den Pfarreien Hausen ob Urspring, Schelklingen, Schmiechen und Urspring.

Zu dem Landcapitel Blaubeuren gehörten noch ausserhalb des Oberamtsbezirks: Burlafingen (bayerisch), Donaurieden, Donaustetten, Einsingen, Enabeuren, Erbach mit Erstetten und Wernau, Feldstetten, Grimmelfingen, Harthausen mit Eckingen, Ehrenstein, Ermingen und Schaffelklingen, Laichingen mit Sontheim, Lutzhausen, Möhringen, Ober-Dischingen, Söflingen, Westerheim und selbst Ulm.

Mit der Reformation löste sich diese Eintheilung auf, denn sämmtliche würtembergische und ulmische Orte waren zur evangelischen Confession übergetreten. Das Landcapitel Blaubeuren blieb zwar in den noch übrigen katholischen Orten bestehen, und erst im Jahr 1818 wurde seine Benennung in Landcapitel (Decanat) Ulm verwandelt; dagegen wurden die würtembergischen Orte, soweit sie zu dem Stadt- oder Kloster-Oberamte gehörten, unter die i. J. 1557 errichtete Special-Superintendenz Blaubeuren gestellt, während die ulmischen Pfarreien der Aufsicht der evangelischen Geistlichkeit zu Ulm überlassen blieben. Ausser den Pfarreien der eigenen beiden Amtsbezirke, worunter auch Rottenacker sich befand, wurden der Superintendenz oder dem Decanate Blaubeuren auch die auswärtigen Pfarreien Apfelstetten, Auingen, Böttingen, Enabeuren, Hundersingen, Mehrstetten, Münsingen, Mundingen, Tapfen, Weiler-Steußlingen | und später Pflummern zugetheilt, so daß sein Sprengel aus 22 Pfarreien bestand. In neuern Zeiten, und zwar im J. 1807, kamen noch dazu Biberach, Buttenhausen, Isny und Oberholzheim, und i. J. 1810 von Ulm: Bermaringen, Mähringen, Merklingen, Nellingen und Scharenstetten. Dagegen wurden wieder davon getrennt, 1810, Biberach, Isny und Oberholzheim, die dem neu errichteten Decanat Biberach zugetheilt wurden; 1812, Mähringen mit dem Filial Lehr, dem Decanat Ulm zugetheilt; 1817, Pflummern und sämmtliche Pfarreien des Oberamts Münsingen, die unter das neu errichtete Decanat Münsingen gestellt wurden. Die Veränderungen in der minder wesentlichen Eintheilung in General-Superintendenzen mögen hier unberührt bleiben, die in dem Filialverbande aber werden bei den einzelnen Orten angezeigt werden.

Klöster zählte der Oberamtsbezirk vor der Reformation 3: Blaubeuren, Weiler und Urspring; durch die Reformation wurde Weiler aufgehoben (s. u.). Die Wirkungen der Reformation im Einzelnen werden am füglichsten in der Ortsbeschreibung ihre Berücksichtigung finden.

3. Die besondern Schicksale
des Oberamtsbezirks betreffend, findet man wenig darüber aufgezeichnet, am wenigsten in neuern Zeiten, wo, wie fast überall, die Lokalgeschichte gänzlich vernachläßigt wurde. Was wir hier anzumerken finden, beschränkt sich daher auf folgende, zum Theil aus fremden Schriften gezogene Thatsachen. Schon in den verheerenden Kriegen des Mittelalters, insbesondere in den blutigen Händeln zwischen den Welfen und Gibellinen, worin die feindlichen Parteien hier sich so nahe berührten, und im J. 1250 Urspring und die Umgegend verheert wurden, litt der Bezirk ausserordentlich. Nicht viel besser war sein Schicksal in den nachherigen Städtekriegen, manche schöne Niederlassung ging dadurch wieder zu Grunde. Am schrecklichsten aber wüthete der dreißigjährige Krieg; der größte Theil der Ortschaften wurde in | Aschenhaufen verwandelt, durch Mißhandlungen aller Art und durch Hunger und Pest wurde fast die ganze Bevölkerung weggerafft. Noch ist seit jener Zeit in einem großen Theile des Oberamts die Benennung Brandstätte, statt Hofstätte, öffentlicher Sprachgebrauch, und bis auf den heutigen Tag sind manche Orte kaum wieder zu derjenigen Bevölkerung gelangt, die sie vor dem Kriege hatten, der völlig verschwundenen Höfe und einzelner Wohnsitze nicht zu gedenken. Der ganze Stadt-Oberamtsbezirk zählte nach dem Frieden noch 304, das Klosteramt noch 89 Menschen; das Land wurde nun großentheils von Ausländern, Schweizern, Tyrolern, Kärnthnern, die sich einfanden, gebaut.

Vierzig Jahre später, 1688, wurde der Bezirk von den Franzosen heimgesucht, welche unter dem berüchtigten Melac, besonders auf der Ulmer Alp, fürchterlich hausten. „Nellingen, Scharenstetten und Aichheim liegen auf dem Haufen, Merklingen erwartet jede Stunde dasselbe Schicksal,“ schrieb ein Geistlicher an seinen Collegen. Auch in dem Spanischen Erbfolgekrieg litt der Bezirk wieder sehr; 1702 wurde er von den Baiern gebrandschatzt, und vor der Höchstätter Schlacht, 1704, zog das verbündete Heer, unter dem Prinz Eugen von Savoyen, durch (s. Wippingen); nach der Schlacht aber und während der Belagerung von Ulm gab es starke Einquartirung.

In den letzten französischen Kriegen hatte Blaubeuren und sein Bezirk abermals viel zu leiden; schon bei dem ersten Erscheinen der Franzosen im J. 1796, als sie über die Alp gegen die Brenz vordrangen, so wie bei ihrem Rückzug in demselben Jahre über Ulm und Biberach, wurde die Gegend durch Plünderung und Ausschweifungen aller Art hart mitgenommen (s. Markbronn, Ringingen). Eben so und noch mehr in den Jahren 1800 und 1805; im erstern Jahre, nach der Schlacht bei Feldkirch, zogen vom 6. bis 15. Mai über 60.000 Mann Franzosen durch. Am 15. Mai rückten sie in Blaubeuren ein, und verweilten da bis zum 23.; am 15. Abends beschoßen sich Östreicher und Franzosen in der | Nähe. Jene standen auf der Höhe des Ruckenbergs und von Gerhausen, diese über der Siechhalde und auf dem s. g. Barmen. Am 16. Mai wurde den ganzen Tag auf dem Hochsträß und jenseits der Blau, bei Sunderbuch und Asch, gefochten. Souham stand im Blauthal und auf der Höhe bei Seißen, Legrand auf dem Hochsträß, Decaen bei Sunderbuch. Die Gegend wurde rein ausgeplündert, und selbst die Stadt Blaubeuren litt am 16. sehr durch Plünderung. Am 18. und 19. hatte Moreau sein Hauptquartier in der Stadt. Aus Anlaß der Belagerung von Ulm, das der Gegend so oft verderblich war, brach im J. 1805 ein neuer Sturm aus, der jedoch schnell, gleichwohl nicht ohne abermalige Plünderung (18. u. 19. Okt.) vorüber ging.

4. Altertümer.
a. Römische.

Die einzigen Denkmäler, die noch von dem Aufenthalt der Römer zeugen, sind die Überreste von Straßen. Es liefen zweierlei Straßen durch den Oberamtsbezirk; von beiden findet man noch Überreste, und beide führen noch die gewöhnlichen Namen alter römischer Straßen. Diese Straßen sind:

1) das Hochsträß, wovon noch jetzt ein ganzer Bezirk des Oberamts benannt wird (s. u.). Die Straße zog durch den südöstlichen Theil des Oberamts, und liegt noch an vielen Stellen so offen da, daß sie sich selbst in den Aufnahmskarten der Landes-Vermessung in ganzen Strecken darstellt. Nach jenen Karten lief sie aus dem Oberamt Ulm, südlich von Harthausen, in das disseitige Oberamt herein, und zog hier südlich von Ermingen über Allewind hin, wo ihr Zug noch in einer breiten, unangebauten Fläche sichtbar ist. Von Allewind ging sie zwischen Markbronn und Eckingen, dem letzten Orte näher, durch, nahe an Erstetten vorbei, nach Pappelau, das ungefähr 1000 Fuß nördlich bleibt, und setzte von da durch die Markung von Ringingen in das Oberamt Ehingen über (s. Beschr. dieses Oberamts, S. 5). Nach Buchner wäre die Straße von Lonsee aus über Tomerdingen, | Bollingen, Herrlingen etc. nach dem Hochsträß gegangen[4]. Es finden sich jedoch auf dieser Linie weder Spuren noch Sagen oder Namen von einer alten Straße; vielmehr scheint sie sich an Ulm angeschlossen zu haben;

2) die Nellinger Hochstraße, welche durch den nördlichen Bezirk des Oberamts zieht. Sie trat aus dem Oberamte Geislingen bei Oppingen herein, und lief von da zwischen Nellingen und Aichheim, sofort zwischen Merklingen und Witterstall durch, an dem alten Weichstetten vorüber, nach dem Oberamt Münsingen hin, in dessen Beschreibung ihre Fortsetzung (S. 8) angezeigt ist. In dem bezeichneten Zuge ist die Straße noch häufig, besonders in ihrer erhöhten Anlage, erkennbar, auch führt sie überall noch den eigenthümlichen Namen hohe Straße, Heerstraße. Auf den Meßtischplatten kommt sie wieder in der Gegend von Waldhausen, Gussenstadt etc. Oberamts Geislingen, zum Vorschein. Eine genaue Beschreibung von dem Bau und der Beschaffenheit dieser Straße, welche durch den vormaligen Oberamtmann Scholl in Blaubeuren näher bekannt und auf Befehl der Regierung im J. 1777 weiter untersucht worden ist, findet sich in Sattlers topogr. Geschichte v. W. S. 507.

Daß diese beiden ehemaligen Straßen sehr alt sind, ist keinem Zweifel unterworfen; eine bei Ermingen angeführte Urkunde nennt schon im J. 1299 das Hochgesträß. Ob sie aber wirklich römischen Ursprungs sind, möchte noch zu erweisen seyn. Nach allen Nachrichten war die Nellinger Straße ehemals die gewöhnliche Heer- und Handelsstraße von Nürnberg; über das s. g. Hochsträß hat sogar, wie in der Beschreibung von Ehingen schon bemerkt ist, bis zum Jahr 1770, wo die Dauphinestraße angelegt wurde, die Handelsstraße von Ulm nach Riedlingen geführt. Dieß beweist jedoch nichts gegen den römischen Ursprung beider Straßen, und beweist um so weniger dagegen, als jene Handelsstraßen nach den | eingezogenen Erkundigungen häufig von der Richtung der alten Straßen abweichen und sich mehr an die Ortschaften hielten.

Der römische Ursprung ist aber auch nicht durch den Bau der Straßen, so weit derselbe untersucht ist, unumstößlich erwiesen. Dagegen sprechen andere Umstände desto deutlicher dafür; den stärksten Beweis finden wir darin, daß beide Straßen durchaus nicht von Ort zu Ort führten, sondern in der Regel zwischen den Orten hinzogen, was gewiß nicht der Fall seyn würde, wenn sie nicht älter als alle Ortschaften wären. Nebenbei bemerken wir noch, daß längs den Straßen hin häufig noch die Namen Burg, Bürk, Bürkbühl u. s. w. vorkommen, die vermuthlich von ehemaligen festen Punkten, römischen Castellen oder Wachtthürmen herrühren, die zum Schutz der Straßen dienten.

b. Deutsche Alterthümer.
1. Grabhügel.

Dergleichen Hügel, welche man nach der Erfahrung für Grabhügel halten muß, finden sich auf dem Hochsträß, in der Nähe von Ringingen, und auf der entgegengesetzten Berghöhe, in der Umgegend von Asch, namentlich in dem Walde der den merkwürdigen Namen Attilau führt, wo sie mit der Benennung Heidenbühl belegt sind. Es ist möglich daß diese Hügel römische Grabhügel sind; da aber die in neuerer Zeit an andern Orten vorgenommenen Untersuchungen solcher Hügel fast überall mehr für deutsche, als römische Grabhügel sprechen, so haben wir sie hier unter die Abtheilung deutscher Alterthümer gestellt. Wir fügen diesem noch die Beobachtung bei, daß ein Feldösch zu Berghülen den auf der Alp öfters vorkommenden Namen Hungerberg führt (s. Münsingen S. 112, Reutlingen S. 8).

2. Burgen und Ruinen.
Außer den noch bewohnten oder bewohnbaren Schlössern und Schlößchen Bollingen, Hohenstein, Klingenstein und Oberherrlingen, findet man eine Menge mehr oder minder sichtbarer Ruinen von alten Burgen und Edelmannssitzen, | als: Arneck, Bollingen (außerhalb des Dorfs), Dietingen, Gerhausen, Gleißenburg, Günzelburg (s. Weiler), Lauterstein, Neideck, Muschenwang, Pappelau, Ruck und Schelklingen, sodann solche die ganz verschwunden sind, und nur noch in Urkunden gefunden werden: Blauenstein (s. Blaubeuren), Gerhausen (im Ort), Hohenstein (das alte), Hohlenstein (s. Hohlmühle), Machtolsheim, Nellingen, Romanthal (s. Merklingen), Scharenstetten, Schmiechen, Sirgenstein (s. Schelklingen), Sunderbuch, Themmenhausen, Tomerdingen (im Wald), Urspring, Weidach, Weiler, Witterstall. Die einzige ausgezeichnete Ruine ist die von Gerhausen.
3. Abgegangene Orte.

Ihre Zahl ist ebenfalls groß, und sie zeugt theils von den Verheerungen früherer Zeiten, theils von dem Wechsel der Sitten und der Art zu wohnen. Als solche welche unzweifelhaft als besondere Wohnplätze, Weiler, Höfe etc. vorhanden waren, nennen wir: Litzelbuch und Mauerhof bei Tomerdingen; Oberweiler und Tragenweiler, bei Berghülen; Breitenhülen, Hohenhülen und Hadenhülen, ebendaselbst; Kälblinsbuch, bei Seißen; Dußhälden, bei Hausen; Lotterberg, bei Pappelau. Weitere Nachrichten sind in der Ortsbeschreibung zu finden. Mehrere, jetzt unbekannte Ortsnamen kommen in der Stiftungsgeschichte des Klosters Blaubeuren und anderwärts vor.


  1. Neugart Cod. Dipl. Nro. 27.
  2. Zeitschr. für Baiern, 2r Jahrg. 1r. Bd. S. 134.
  3. Ein ausführliches Verzeichniß aller zu dem Lehen gehöriger Stücke findet sich, aus den östreichischen Lehens-Beschreibungen ausgezogen, in v. Raisers Gesch. von Elchingen. S. 142 ff. Ein Jahr später, 1448, verkauften die Grafen von Helfenstein auch die schöne Herrschaft Heidenheim an Würtemberg.
  4. Buchners Reisen auf der Teufelsmauer, Regensburg, 1821, H. II. S. 97 ff.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Jahreszahl berichtigt von 1828 gem. Anmerkung auf S. 234 letzte Zeile
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