« Kapitel B 5 Beschreibung des Oberamts Besigheim Kapitel B 7 »
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Gemmrigheim,
Gemeinde III. Kl. mit 1074 Einw. Evang. Pfarrei.

Das ziemlich große, mit reinlichen, gekandelten Straßen versehene Pfarrdorf, dessen Wohnungen gerade nicht ansehnlich, jedoch meist mit steinernen Unterstöcken erbaut sind, liegt 3/4 Stunden nördlich von der Oberamtsstadt an einem ganz leicht geneigten, westlichen Abhange auf der rechten Seite des Neckars, der nahe am Ort vorbeifließt. Im Rücken (östlich) des Dorfs erheben sich steile, mit Reben bepflanzte Thalwände, während die gegenüberliegenden Thalgehänge von den Wellen des Neckars bespült werden, so daß dem hier schon großgewachsenen Fluß kaum der Durchgang zwischen dem Ort und den linken Thalabhängen gestattet wird. Derselbe wird daher bei Überschwemmungen nicht nur den in dem Thale gelegenen Feldern, sondern auch dem Ort gefährlich und hat namentlich im Jahr 1824, wo die Gewässer 30′ über den gewöhnlichen Neckarspiegel gingen und das halbe Dorf unter Wasser setzten, große Verwüstungen angerichtet.

Das Dorf ist auf drei Seiten mit einer Mauer, an deren Außenseite ein Graben hinzieht, umgeben und nur auf der Neckarseite offen, an welcher der natürliche Schutz, den der Fluß gewährt, eine künstliche Befestigung entbehrlich machte. Von den drei Thoren ist eines an der östlichen und eines an der südlichen Seite noch vorhanden, während das an der Nordseite abgebrochen wurde. Mitten im Dorf befindet sich ein mit einer 6–7′ hohen Mauer umgebenes Gut (der sog. Klostergarten), das früher für den Weinbau benützt wurde, daher das Sprichwort, daß in keinem Ort des Landes so viel Wein wachse, wie in Gemmrigheim. Später wurde der Platz in Baumgärten umgewandelt, vor zehn Jahren hat man angefangen ihn zu überbauen. Die Aussicht, welche der Ort darbietet, ist zwar keine ausgedehnte, aber eine sehr liebliche zu nennen, indem man dem gesegneten Neckarthale entlang aufwärts Wahlheim und im Hintergrunde Besigheim mit seinen ehrwürdigen Thürmen, thalabwärts Kirchheim und westlich von diesem Hohenstein mit dem hochgelegenen, weiß getünchten Schloß erblickt. Die Ansicht des Orts selbst ist von der Südwestseite eine sehr freundliche. Am südöstlichen Ende des Orts steht etwas erhaben die Pfarrkirche, welche, abgesehen von noch späteren Veränderungen, zwei Perioden, der spät-romanischen und der spät-germanischen, angehört. Der viereckige Thurm ist, mit Ausnahme des aus Holz aufgebauten obersten Stockwerkes, massiv aus Steinen erbaut und trägt ein schlankes, spitzes Zeltdach. Das unterste Stockwerk hat ein einfaches Kreuzgewölbe mit hervortretenden cylindrischen Gurten,| welche von romanischen, schön gearbeiteten Säulen ausgehen; die Fenster sind sehr schmal, gedrückt spitzbogig und tragen, wie auch die an der östlichen und nördlichen Wand angebrachten Sacramenthäuschen (Kästchen), den Stempel der Übergangsperiode von dem romanischen zu dem germanischen Baustyl. An den Wänden und an der gewölbten Decke sind noch spärliche Spuren von alten Freskogemälden vorhanden. Dieses schön ausgestattete Stockwerk des Thurmes, diente ursprünglich als Chor der früheren Kirche, von der sowohl noch die Grundmauern, als auch die Spuren des an den Thurm angebaut gewesenen Kirchengiebels sichtbar sind; ebenso läßt sich der nun zugemauerte, rundbogige Triumphbogen, welcher von der früheren Kirche zu dem Thurm führte, noch leicht erkennen. Das zweite, ebenfalls mit einem Kreuzgewölbe versehene Stockwerk des Thurms, zu dem der ursprüngliche, 30′ über der Erdfläche befindliche, rundbogige Eingang führt, hat die gleichen Fenster wie das erst beschriebene und noch an der Ostseite eine Fensterrose aus der übrigens die Füllungen leider herausgeschlagen wurden; indessen sind noch deutliche Spuren des früher da gestandenen Altars sichtbar und am Schlußstein des Gewölbes ist der eiserne Ring noch vorhanden, an dem ehemals das ewige Licht hing. Die gewölbte Decke und die Seitenwände sind mit alten, sehr schönen Fresken reich bedeckt, welche, obwohl sie sehr gelitten haben, doch den fertigen Meister hinlänglich bekunden. An der Ostseite sitzt über der Wandrose Gott Vater und hält Gericht; zu seinen Füßen, oder vielmehr an den beiden Seiten der Fensterrose, sind eine Menge Figuren (die Gerichteten) angebracht, von denen die links des Herrn befindlichen von Feuerflammen umzückt werden. An dem Gewölbe sieht man die Symbole der vier Evangelisten, Engel, Adler, Löwe und Stier, in Lebensgröße dargestellt, welche Spruchbänder mit unleserlich gewordener Schrift halten. Außer diesen sind viele Bilder aus der christlichen Geschichte angemalt, von denen sich die Anbetung Christi, die Flucht nach Ägypten etc. noch leicht erkennen lassen. Aus dem Ganzen geht hervor, daß dieses Stockwerk früher als Kapelle benützt wurde. An der Nordseite des Thurms wurde später ein Stiegenhaus angebaut, in welchem eine schmale Wendeltreppe auf den Thurm führt. Auf dem Thurme hängen drei Glocken, von denen die größte 1781 und die mittlere 1832 gegossen wurde; die kleinste und ohne Zweifel die älteste, trägt weder Schrift noch Zeichen. Die Kirche, welche in keinem ursprünglichen Zusammenhange mit dem Thurme steht, wurde, nach dem Abgang der frühern, mit dem Chor an die Nordseite des Thurms in spät-germanischen Style angebaut; sie hat spitzbogige Eingänge und Fenster, von denen die letzteren in den Bogentheilen im germanischen Geschmack gefüllt sind; das dreiseitig schließende Chor ist überdieß noch| mit Strebepfeilern versehen; einige Veränderungen, welche durch das Einbrechen von Fenstern etc. vorgenommen wurden, stören den sonst in richtigem Einklang stehenden Kirchenbau. An der Nordseite des Langhauses sind vier sehr alte, roh gearbeitete Steinbilder neben einander eingemauert, welche noch von der früheren Kirche herzustammen scheinen, sie enthalten 1) einen Abt oder Bischof mit dem Hirtenstab, 2) den Erzengel Michael, 3) eine schwebende Figur mit Flügeln und 4) eine männliche Figur mit dem Zepter in der Rechten. In ziemlicher Entfernung unter diesen Figuren ist ein in gleicher Manier ausgeführtes Bild des Gekreuzigten mit Maria und Joseph zu beiden Seiten des Kreuzes stehend, eingemauert. Das Innere der Kirche ist durch Emporkirchen, welche größeren Theils im Renaissancegeschmack ausgeführt sind, verdunkelt; die Emporen sind von schön geschnittenen, eichenen Säulen unterstützt, deren eine die Jahreszahl 1599 trägt. Die Decke ist flach mit Querbalken construirt und ruht auf einer in der Mitte der Kirche stehenden, hölzernen Säule, auf welche „anno 1577“ eingeschnitten ist. Kanzel und Taufstein sind im germanischen Styl gehalten. Von dem Schiff führt ein spitzbogiger Triumphbogen in das flach gedeckte Chor; an der Spitze des Bogens ist die Jahreszahl 1575 angebracht. Zu beiden Seiten des Triumphbogens stehen im germanischen Style gehaltene Baldachine (Überbau von Seitenaltären), von denen der südliche mit einem Netzgewölbe versehen ist, dessen Schlußstein ein Steinmetzzeichen enthält; an der obern Brüstung desselben befindet sich ein Wappen mit einem Hirschgeweih im Schilde und einer Jungfrau, welche in jeder Hand ein Hirschhorn hält auf dem Helm; über demselben steht eine räthselhafte Inschrift und unten an der Hohlkehle des Steins die Jahreszahl 1526. Der nördlich stehende mit einem schön construirten Kreuzgewölbe versehene Baldachin enthält außer einem Wappenschild mit einer Kanne nichts Bemerkenswerthes. Die Sacristei hat ein einfaches Kreuzgewölbe, dessen Gurten theils von Fratzengesichtern, theils von Wappenschildern ausgehen; von den letzteren sind zwei ohne Zeichen, das dritte enthält zwei abwärts gekreuzte Dolche. Der ziemlich große, ummauerte Begräbnißplatz liegt an der Kirche; er ist, wie die Kirche, Eigenthum der Stiftungspflege, welcher auch die Baulast von beiden zusteht. Das gut erhaltene Pfarrhaus, ehemals zur St. Wendels Pfründ gehörig, welches Eigenthum der K. Hofdomänenkammer ist, wurde nach einer über dem spitzbogigen Eingang in dasselbe angebrachten Jahreszahl 1513 erbaut und bildet mit seinen Ökonomiegebäuden, Garten und Hof einen wohlgeschlossenen, angenehmen Pfarrsitz.

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Unfern der Kirche steht das gut eingerichtete Schulhaus mit Lehrerwohnung, welches auf Gebäude-Fundamenten von dem früher| bestandenen, Stift Backnangischen Hofe, der im Jahr 1807 aufgehobenen kirchenräthlichen Kellerei, ruht. Das ehemalige Gebäude, welches bei dem Einfall des französischen Generals Melac im 17. Jahrhundert niedergebrannt, später aber wieder aufgebaut worden war, kam im J. 1807 in Privathände, aus welchen es die Gemeinde im Jahr 1840 erkaufte und zur Schule einrichtete. Ein großer, unter dem Schulhause befindlicher Keller, wird von der Gemeinde benützt. In der Nähe dieses Schulhauses steht eine herrschaftliche Kelter und die Zehentscheuer, welche nebst einem weiteren Gebäude, das früher ebenfalls zur Kellerei gehörte, nun aber Eigenthum der Gemeinde ist, mit jenem einen namhaften Hofraum einschließen; eine weitere herrschaftliche Kelter liegt nördlich der Kirche.

Das in der Mitte des Dorfs stehende Rathhaus ist ein altes, übrigens gut erhaltenes Gebäude, dessen First mit einem Thürmchen weit über die nächstgelegenen Häuser emporragt; in den untern Räumen werden die Feuerspritzen aufbewahrt.

Gutes Trinkwasser liefern 8 Pumpbrunnen, von denen 4 Eigenthum der Gemeinde sind.

Die Einwohner sind wohlgewachsene, kräftige Leute, welche häufig ein hohes Alter erreichen; sparsam, von einfacher Lebensweise und guten Sitten; im Verkehr sind sie ehrenhaft, rechtlich und theilnehmend; ihr Grundsatz ist: „genau gehandelt und ehrlich bezahlt.“ Ihre Vermögensumstände sind in Vergleichung mit der Umgegend befriedigend; die Haupterwerbsmittel bestehen in Ackerbau, Weinbau und Viehzucht.

Die bedeutende Orts-Markung, welche sich in südlicher Richtung bis nach Besigheim – in nördlicher bis über Kirchheim hinaus erstreckt, westlich gegen den Neckar aber (vom Ort aus gerechnet) beinahe keine Ausdehnung hat, ist mit Ausnahme der Gehänge gegen den Neckar und einiger Thälchen (Pfaffengrund und Gündelsteiner-Graben) ziemlich eben und hat im Allgemeinen einen mittelfruchtbaren, etwas leichten Lehmboden, der theils von dem Hauptmuschelkalk, theils von den obern Gliedern der Lettenkohlengruppe unterlagert wird; zur Besserung des Bodens bringt man außer dem gewöhnlichen Stalldünger, besonders auch Jauche und Gyps in Anwendung. Die Luft ist im Thal häufig etwas nebelig, auf der Höhe aber trocken und mild; Frühlingsfröste und Hagelschlag sind selten. Es gedeihen alle Feldfrüchte und die Ernte tritt 8–14 Tage früher ein als in Stuttgart.

Die Landwirthschaft wird im Allgemeinen gut betrieben; von landwirthschaftlichen Neuerungen hat besonders die Anlage zweckmäßiger Düngerstätten Eingang gefunden, dagegen ist der deutsche Pflug immer noch im Gebrauch. Im System der Dreifelderwirthschaft mit zur Hälfte angeblümter Brache baut man die gewöhnlichen Getreidearten, von| denen sich Dinkel, Roggen und Hafer besonders auszeichnen; ferner Kartoffeln, Wicken, Klee, Esper, Angersen, Erbsen, Linsen und etwas Bohnen. Von Handelsgewächsen zieht man Mohn, Winterreps und Hanf, welch’ letzterer sehr gut geräth. Nach der Ernte wird die weiße Rübe (Stoppelrübe) sehr häufig angebaut. Auf den Morgen rechnet man Aussaat 1 Scheffel Dinkel, 3 Simri Roggen, 3 Simri Hafer, 2 Simri Gerste, 3 Simri Einkorn und 2 Simri Weizen. Der durchschnittliche Ertrag wird zu 7–8 Scheffel Dinkel, 2–3 Scheffel Roggen, 3–31/2 Scheffel Hafer, 21/2 Scheffel Gerste, 6–7 Scheffel Einkorn und 2 Schfl. Weizen per Morgen angegeben. Dinkel wird im Ort von Stuttgarter, Ludwigsburger und Heilbronner Bäckern gekauft und auch in der hiesigen Neckarmühle gemahlen. Der geringste Preis eines Morgens Acker beträgt 80 fl., der mittlere 200 fl. und der höchste 600 fl.

Der Garten- oder vielmehr Gemüsebau wird nur für den eigenen Bedarf betrieben; mit Blumen, besonders Goldlack, Levkoien und Nelken, wird von den Mädchen des Orts ein kleiner Handel in die Nachbarschaft getrieben.

Die Wiesen, denen keine Wässerung zukommt, sind nicht sehr ergiebig, liefern aber ein vortreffliches Futter; in mehr nassen Jahrgängen erlauben sie zwei Schnitte und ertragen dann durchschnittlich 25 Ctr. Heu und 7–8 Ctr. Öhmd per Morgen, in trockenen Jahrgängen aber lassen sie nur einen Schnitt zu, daher in diesem Fall trotz des ausgedehnten Futterkräuterbaues noch Futter auswärts gekauft werden muß. Die Preise eines Morgens Wiese bewegen sich zwischen 100 und 800 fl. Der Weinbau ist bedeutend und nimmt etwa 290 Morgen der Markung ein. Die Weinberge liegen zu 2/3 an den Abhängen, wo meist Trollinger, neuerlich auch Clevner, gebaut werden, während man in den Ebenen den Anbau der weißen Sorten, besonders der Elblinge, vorzieht. Die Reben werden bezogen, auf den Morgen rechnet man 2200 Stöcke, von denen jeder gewöhnlich 3 Pfähle erhält. Die Weine gehören nicht zu den sog. Ausstichen, doch sind sie im Allgemeinen gut und lagerhaft. Nach einer Durchschnittsberechnung von 18 Jahren stellte sich der Preis eines Eimers auf 23 fl. In den Jahren 1834 betrug der höchste Preis per Eimer 55 fl., 1842 39 fl., 1846 72 fl. und 1849 20 fl. Der Absatz der Weine geht meist auf die Alp und in den Schwarzwald. Der größte Ertrag eines Morgens wird zu 8 Eimer angegeben. Ein Morgen Weinberg kostet in bester Lage 900 fl., in mittler 450 fl. und in der geringsten 100 fl.

Die Obstzucht, welche sich meist mit Mostsorten, wenig Tafelobst, mit Zwetschgen und Kirschen beschäftigt, ist nicht unbedeutend, liefert aber selten einen befriedigenden Ertrag, da die häufigen Nebel in dem| beengten Thale nachtheilig darauf einwirken. Das Kernobst wird größtentheils gemostet, die Zwetschgen gebrannt und die Kirschen auswärts verkauft. Eine Baumschule besteht nicht; die jungen Stämme werden theils in den Weinbergen nachgezogen, theils von Außen aufgekauft.

Die Gemeinde besitzt 260 Morgen Waldungen, welche meist aus weichen Laubhölzern mit Eichen-Oberholz bestehen und mit Ausnahme einiger mit Nadelhölzern kultivirten Morgen, im zwanzigjährigen Umtrieb bewirthschaftet werden. Als Holzgabe erhält jeder Bürger jährlich 10 St. Wellen, woneben für die Gemeindekasse etwa 150 fl. aus Oberholz erlöst werden. Außer den Gemeindewaldungen sind noch 70 Morgen Privatwaldungen vorhanden, auch werden an den Ufern des Neckars Weiden gepflanzt, deren nicht unbedeutender Ertrag im Ort selbst verwendet wird.

Auf der Markung liegen 30 Morgen Weide, welche nebst der Brach- und Stoppelweide an einen Schäfer um etwa 300 fl. jährlich verpachtet werden. Die Rindviehzucht ist mittelmäßig, daher auch der Handel mit Vieh unbedeutend, indem der ausgedehnte Weinbau keinen größeren Viehstand zuläßt; eine gute Landrace wird durch 3 Simmenthaler Bastardfarren gezüchtet, von welchen 2 ein Ortsbürger für die Nutznießung von 3 Morgen Wiesen und jährlich 75 fl. Namens der Gemeinde unterhält und den dritten die Stift Backnang’schen Hofbesitzer zu halten haben.

Die Schafzucht ist in den Händen des Pacht-Schäfers, der auf der Markung etwa 300 Bastarde laufen läßt und im Ort überwintert. Der Abstoß der Schafe, wie auch die Wolle geht nach Heilbronn. Die Pferchnutzung trägt der Gemeinde jährlich 300–400 fl. ein. Die Schweinezucht ist unbedeutend; es werden viele Schweine auswärts gekauft und zum eigenen Verbrauche gemästet.

Die Zucht der Ziegen ist gering, dagegen die des Geflügels namhaft; mit jungen Gänsen wird einiger Handel nach Heilbronn getrieben.

Die im Zunehmen begriffene Bienenzucht wird mit Glück – jedoch nicht sehr ausgedehnt betrieben.

Die Fischerei im Neckar, so weit dieser die Orts-Markung berührt, ist Eigenthum der Gemeinde, jeder Ortsbürger kann für seinen eigenen Bedarf fischen, dagegen ist der Handel mit Fischen nicht erlaubt.

Von Gewerben sind 3 Schildwirthschaften und 3 Kramläden im Ort, die Handwerker arbeiten meist nur für das örtliche Bedürfniß. Eine am Ort liegende Mühle ist mit 4 Mahlgängen und einem Gerbgang versehen.

An der Volksschule unterrichten ein Lehrer und ein Lehrgehilfe; eine Industrieschule besteht seit 1844.

Durch Vicinalstraßen nach Kaltenwesten und nach Ottmarsheim ist| das Dorf mit seinen Nachbarorten diesseits des Neckars – und durch gut angelegte Straßen bis zu den Fähren bei Besigheim und Kirchheim auch mit der Gegend jenseits des Neckars in Verbindung gesetzt; überdieß geht noch eine Fähre mit Nachen zunächst am Ort über den Fluß nach der Stuttgart–Heilbronner Landstraße. (Über die hiesige Schiff- und Floßgasse s. o. S. 117.) Zur nächstgelegenen Eisenbahnstation Kirchheim beträgt die Entfernung 1/2 Stunde.

Über das Vermögen der Gemeinde, wie über das der Stiftungspflege s. Tabelle III. Es sind einige unbedeutende Schulstiftungen vorhanden. Den Armen wird von den Zinsen aus einer Stiftung für 50 fl. Brod angeschafft, auch werden denselben die Zinse aus Stiftungskapitalien des Herzogs Ludwig von Württemberg von 66 fl. 40 kr. und des Herzogs Eberhard von Württemberg von 222 fl., welche unter der Verwaltung des Hofcameralamts Lauffen stehen, im September jeden Jahrs baar ausgetheilt.

Das Ortswappen ist eine Blume.

Etwa 1/4 Stunde nordöstlich vom Ort befindet sich ein ergiebiger Lettenkohlensandsteinbruch, aus dem gute Werksteine gewonnen und in der Gegend abgesetzt werden; Muschelkalk zu Straßenmaterial wird an verschiedenen Orten gebrochen.

Die Zehenten sind hier noch nicht abgelöst. Den großen und den Weinzehenten bezieht das Hofcameralamt Lauffen ganz und am kleinen Zehenten 1/4; wo neben der Pfarrei der ganze Heu- und 3/4 am kleinen Zehenten gehören.

An sonstigen Grund-Gefällen hatte:

1) das Hofcameralamt Lauffen folgende Geld-, Frucht- und Wein-Gülten, welche nach dem Gesetz vom 14. April 1848 abgelöst wurden, zu beziehen.

Bodenwein: 25 Eimer 8 Imi 2 Maas. Das Ablösungs-Kapital beträgt hiefür 8912 fl. 59 kr.
Geldgefälle: 64 fl. 38 kr.
Gülten: Kernen 11 Schfl. 4 Sri., Roggen 19 Schfl. 3 Sri., Erbsen 3 Sri., Dinkel 40 Schfl. 3 Sri., Haber 35 Schfl. 6 Sri.
Landacht: Roggen und Haber 19 Schfl. 3 Sri, Dinkel 2 Sri.

Das Ablösungs-Kapital für diese verschiedenen Gefälle ist zu 10.917 fl. 36 kr. berechnet.

Hellerzinse wurden abgelöst 5 fl. 23 kr., wofür das Ablösungs-Kapital betrug 86 fl. 8 kr.

2) auch weitere Gefälle, welche zur Hälfte das Staatscameralamt Bietigheim und zur Hälfte das Hofcameralamt Lauffen besessen, sind nach den Gesetzen von 1848 abgelöst worden, nemlich: 6 Eimer 9 Imi| Beedwein, Ablösungs-Kapital hiefür 2475 fl. 26 kr., Beed-Roggen 15 Schfl. 3 Sri., Ablösungs-Kapital 3198 fl., Hellerzinse 40 Pfund = 28 fl. 34 kr., Ablösungs-Kapital 928 fl. 35 kr.

3) Die Gemeindepflege Gemmrigheim hatte zu beziehen: Hellerzinse 2 fl. 45 kr., welche durch das Gesetz von 1848 mit 47 fl. 39 kr. abgelöst wurden.

4) Der Stiftungspflege Gemmrigheim wurden abgelöst 1848: Hellerzinse und Wachs-Gelder 3 fl. 55 kr., Ablösungs-Kapital hiefür 62 fl. 45 kr.

Landacht: Roggen und Haber 6 Sri. und Heiligen-Wein 10 Imi 1 Maas hat dieselbe noch zu beziehen.

Die Wein-, Kornfuhr und Handfrohnen wurden abgelöst gegen 61 fl. 10 kr., Ablösungs-Kapital. Die schuldigen Frohnen bei eintretenden Neckarbrückenbauwesen zu Lauffen wurden 1830 mit einer Abfindungssumme von 400 fl. abgelöst.

Über die früheren grundherrlichen Verhältnisse und insbesondere über einen den Orts-Insassen gereichten Herbsttrunk ist Mehreres in den nachfolgenden historischen Notizen enthalten.

Die älteste Schreibung ist Gamerchaim, Gamerticheim, weitere sind Gemergheim, Gemmercken u. a. m.

Gegen 1100 kommt der Ort erstmals vor, im Schenkungsbuch des Priorats Reichenbach, welches hier wiederholte Erwerbungen machte (Trad. Reichenbac. bei Kuen Coll. 2, 55. 58. 60. 61. 62); letztere bildeten zusammen den Reichenbacher Hof, welchen Herzog Ulrich kaufte (s. u.).

Frühe erscheinen im Besitz hiesiger Güter oder Rechte die Markgrafen von Baden, die Pfalzgrafen von Tübingen und die Grafen von Vaihingen; da beide erstern aus den weitgedehnten Gütern der Grafen von Calw Erwerbungen machten (der Pfalzgraf mittelbar durch die Welfen) und die Grafen von Vaihingen ein Zweig dieser letztern waren, so mögen die Herren alle hier in früheren calwischen Besitz eingerückt sein. Um’s J. 1140 entsagte Graf Konrad von Dachau und seine Frau Adelheid (von Tübingen) all’ ihren Ansprüchen auf Güter in Gemmrigheim (Stälin Würt. Gesch. 2, 437); noch im J. 1252 besaß Graf Wilhelm von Tübingen die Lehensoberherrlichkeit über einen hiesigen Weinberg, welchen die Träger, Albert und Volmar, Gebrüder von Waldeck, (bei Calw) an das Priorat Reichenbach verkauften (Trad. Reichenbac. a. a. O. 71.)

Ursprünglich badische Besitzungen[1] mögen die hiesigen| Widumsgüter des Stiftes Backnang, einer markgräflich badischen Gründung, gewesen sein; dieses Stift besaß laut der päpstlichen Bulle vom 11. April 1245 hier einen Hof, eine Mühle und die St. Johanniskirche (diese ursprünglich gräflich vaihingisch, s. unten), erkaufte übrigens auch später noch Mehreres von einzelnen Herren, wie im J. 1449 von Wilhelm von Sachsenheim, im J. 1450 von Bernold von Urbach deren freieigene Wasser. Der hiesige Backnanger Hof, genannt der Oberhof, war gefreit (Backnanger Stiftslagerbuch von 1501); dazu gehörte eine Kellerei; der Keller war in kirchenräthlichen Zeiten, seit 1770, zugleich Kl. Hirschauischer Pfleger zu Hessigheim. Frucht- und Weinzehenten mit wenigen Ausnahmen, sowie der Heu- und kleine Zehent waren stift-backnangisch.[2]

Württemberg mag den Ort theils um 1300 mit Backnang, theils in den 1360er Jahren mit Lauffen[3] erworben haben. Bei der württembergischen Landestheilung von 1442 war G. ein Antheil des Grafen Ulrich.

Den Hof, welcher dem Kloster Reichenbach gehörte, erkaufte Herzog Ulrich im J. 1545 für 400 fl. von dem Prior und Convent mit Bewilligung der markgräflich badischen Vormünder und des Grafen Wilhelm von Eberstein.

Im J. 1809 kam G. zum Staatscameralamt Besigheim, das später mit Bietigheim combinirt wurde, und im J. 1818 an das Hofcameralamt Lauffen.

Die hiesige Kirche besaß im Anfang des 13. Jahrhunderts, von dem Grafen Gottfried von Vaihingen damit belehnt, der Ritter Rugger von Stockheim und übergab sie im J. 1231, indem er genanntem Grafen andere Güter surrogirte, an das Stift Backnang (Gabelkh.), welches sie sofort incorporirte und einen Pfarrer aus seiner Mitte hieher präsentirte (Würdtwein Subsid. 10, 336). Im J. 1524 stiftete Dr. Wendel Schweickher, Domherr zu Augsburg, eine St. Wendels-Pfründ in diese Kirche und bewidmete sie mit 1/6 des Wein- und des großen Fruchtzehenten und 1/3 des kleinen Zehenten zu Bönnigheim, welchen er zu diesem Behuf von dem Kl. Bebenhausen für 1500 Goldgulden erkauft hatte.| Das Ernennungsrecht hiezu überließ Hans Schweickher im J. 1555 für 300 fl. dem Herzog Christoph. Die Pfarrstelle besetzt heutzutage die Krone Württemberg als Rechtsnachfolgerin des Stiftes Backnang.

Im Bauernkrieg zogen die Bauern gegen 3000 Mann stark den 19. April 1525 vom Wunnenstein nach G. Während des dreißigjährigen Krieges wurden 62 Häuser hier eingerissen und der damalige Kriegsschaden überhaupt auf 165.873 fl. berechnet.

Über die bedeutenden Überreste röm. Wohnplätze, Straßen und Befestigungen, wie über einige Grabhügel und andere alte Grabstätten, welche auf der Markung sich vorfinden, s. den allg. Theil.


  1. Noch im J. 1453 im Testament Markgraf Jakobs von Baden kommt vor die „Gerechtigkeit des Wagens und Karrichs zu Gemerckeym.“ Schöpflin. Hist. Zar. Bad. 6, 280.
  2. Die Stiftskellerei war, in Folge einer alten Stiftung, schuldig, im Herbste zum beliebigen Trunk der Insassen ein Fäßchen Wein aufzustellen, und wenn es geleert war, wieder zu füllen. Diese jährliche Abgabe beschränkte Herzog Christoph wegen eingerissenen Mißbrauches auf 3 Eimer 4 Imi 6 Maas, je am Urbanustag auszutheilen, weshalb dieser Stiftungswein Urbeleswein genannt wurde. Später wurden dafür am Pfingstmontag jedem Bürger 2 Maas Wein und 1 Laib Brod ausgetheilt. Erst vor einigen Jahren wurde diese Stiftung abgelöst. Klunzinger Lauffen 113.
  3. Siehe dort. Als Zugehörung von Lauffen erscheint wenigstens Gemmrigheim schon im J. 1432. Steinhofer 2, 760, Sattler Grafen 2, 110.


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